Für mich war es einfach eine schöne Alternative zum leichten overacting von Mark Hamill in TESB. Einfach mal keine große Reaktion. Große Augen, eine zerbrechende innere Welt, der Sprung in den Falken, dann Konfusion und dunkle Gefühle. „Das war es dann auch schon (...), denn nun will sie den Imperator nur noch tot sehen.“ Ich verstehe, was Du meinst. Sie hat nicht auf Luke gemacht à la „Großvater, ich rette Dich. Befreie Dich vom Hass!“, sondern in ihr ist halt der letzte Funke an Unschuld erloschen, als sie das grausame Schicksal ihrer Eltern erfahren hat. Der reinigende Moment auf Kef-Bir (mit Ben) hat der Spannung („Wie wird sie sich entscheiden?“) vor dem Abflug nach Exegol natürlich ein Stück weit geschadet, weil sie von dort an schon wieder sehr viel besonnener wirkte. Dennoch lag da meines Ermessens eine bestimmte Form der Spannung und des Unwohlseins in der Luft. Ich finde auch, dass die Ankunft von Ben ihr wieder viel mehr Souveränität/Selbstvertrauen gegeben hat; ohne ihn hätte sie das Ritual bestimmt vollzogen. Zum Thema „null Dialog, der die Relation zwischen einem Großvater und seiner Enkelin auch nur ansatzweise emotional wiederspiegelt“: ich bin niemand, welcher die „Du-hast-den-Film-wohl-nicht-verstanden“-Karte gerne spielt. Deshalb sage ich es mal so: Darauf sollte es ja auch gar nicht hinauslaufen. Palpatine ist eben kein Vader. Palpatine ist das personifizierte Böse; da sollte keine familiäre Wärme oder Bekehrungsmöglichkeit durchscheinen. Palpatine sagte ja auch: „Die einzige Familie, die Du hast....bin ich.“ Das klingt ja schon wie eine Sackgasse. Palpatine ist keine Familie, Palpatine ist kein Großvater. Rey stammt von etwas ab, was normalerweise keine Nachfahren haben kann. Und deshalb war der Dialog so anders als bei Luke und Vader. Und Rey dürfte in Episode IX einen der seltsamsten Gefühlsmixe empfinden, die wir je in der SW-Saga gesehen haben: irgendwas zwischen verlorener Unschuld, Verantwortung, Vertrauen, Misstrauen, Enttäuschung, Hass, Rachegelüste, Vergebung und Erlösung.
Naja, als Overacting würde ich Hamills/Lukes Reaktion nicht betrachten. Er ist von Anfang an eine Figur, die geprägt ist von seiner Vater-Figur. Die Leute erzählen ihm, was diese Person für ein großartiger Mann gewesen war. Jemand, der edel war und die Galaxis bereist hat. Genau diese Person will Luke auch sein. Dieser Drang steckt auch in ihm. Lukes Vater stellt daher den puren idealistischen Mann in seinem Leben dar. Er erfährt von Ben, dass es Vader wahr, der Luke seinen Vater nahm. Und dann kommt es (anders als in der ST) vor der Offenbarung zur Konfrontation zwischen dem Helden und dem Bösewicht. Luke bringt Vader - seinem mutmaßlichen Vatermörder - all seinen Hass entgegen. Einem Vatermörder gegenüber zu stehen muss einen gewaltigen emotionalen Sog erzeugen, den sich sicher nicht viele von uns auch nur ansatzweise vorstellen können.
Und dann offenbart ihm der Vatermörder, dass
er dieses Monster ist, dass so vielen Menschen - darunter Lukes Freunden - Leid zugefügt hat. Da finde ich Lukes Reaktion, insbesondere nach diesem Kampf, alles andere als überzogen. Zumal es ja in diesem Moment nicht nur um die Vader-ist-sein-Vater-Sache geht, sondern auch darum, dass Ben (welcher die Vaterfigur für Luke eingenommen hat) ihn belogen hat. Zu einem gewissen Grad auch Owen und Beru, auch wenn sie es nicht besser wussten. Lukes Welt bricht zusammen, die ihm seit seiner Kindheit vorgelogen wurde.
In Reys Fall bricht nichts zusammen. Weder von der erzählerischen noch von der emotionalen Warte aus betrachtet. Sie erfährt, dass ihre Eltern, auf deren Rückkehr sie gewartet hat, endgültig tot sind. Und der Imperator, von dem sie wohl auf Jakku nur gehört hat, hat jemanden beauftragt, die beiden zu töten. Das wars.
Und an einem Punkt hast du mich missverstanden: ich erwarte keinen Bekehrungsversuch wie in der OT. Denn das wäre im Hinblick auf die Vorgeschichte der beiden ja noch unglaubwürdiger gewesen. Ich hätte mir - auf welche Art auch immer - eine intensivere Auseinandersetzung der Familienbande gewünscht. Diesen Gefühlmix, wie du ihn beschreibst, sehe ich einfach nicht
Tut mir leid. Und auch ich gebe dafür nicht Daisy Ridleys Leistung die Schuld, sondern der Inszenierung der Geschichte und einem falsch handelnden Regisseur.
Abgesehen davon habe ich einen so üblen Eindruck von der Figur Rey, dass ich nicht glaube, dass sie ohne Ben das Ritual vollzogen hätte. Die war ja so voller "Good-Karma", dass sie eher sich selbst gerichtet hätte.