Ich habe gestern Das Erwachen der Macht gesehen und wie vielleicht noch der ein oder andere in Erinnerung haben könnte, bin ich ein großer EU-Verfechter gewesen und dementsprechend von der Entkanonisierung des EUs durch den neuen Film keineswegs angetan. Dennoch wollte ich dem Film wirklich die bestmögliche Chance einräumen mir zu gefallen, weswegen ich außer den beiden offiziellen Trailern kein weiteres Bildmaterial angeschaut habe und auch keine Gerüchte verfolgt habe. Dieselbe Chance möchte ich nun dem Film in meinem kleinen Minireview einräumen. Gleichzeitig kann ich jedoch nicht das EU außen vorlassen, weswegen ich eine Dreiteilung vornehmen werde.
Ab jetzt kommen Spoiler!!
Der Film als solcher
Der Film als solcher hat mir wirklich sehr gut gefallen. Natürlich war ich sehr auf die neuen Charaktere gespannt, die ich zwar schon in den Trailern sehen konnte, aber natürlich noch nichts wesentliches über sie wusste.
Die Atmosphäre fand ich sehr gut gelungen. Es hat für mich die richtige Balance aus alter OT Atmosphäre und neuen Elementen gehalten. Ich kann es nicht wirklich auf den Punkt bringen, aber ich halte es für eine sehr gute Umsetzung für eine neue Trilogie.
Bei der Musik kann ich die Kritiker nicht recht nachvollziehen. Der Soundtrack hat nicht dieselbe Epik, die man sonst von Star Wars kennt, aber genau das hat für mich die Stärke ausgemacht. Wie bereits erwähnt wurde, lebt dieser Film tatsächlich mehr von seinen Charakteren als von seiner eigentlichen Handlung. Dementsprechend ist es nur passend, dass die Musik dem Rechnung trägt und ein wenig intimer daherkommt als Duel of Fates. Übrigens ist Rey's Theme mein absolutes Lieblingsstück aus dem neuen Film.
Rey ist dabei mir Abstand mein Lieblingscharakter geworden. Ich habe auf Spiegel oder Zeit online aufgeschnappt, Daisy Ridley hätte ihre Rolle doch sehr hölzern gespielt. Jetzt, nach dem Film, kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Sie ist endlich ein weiblicher Charakter, wie ihn nicht nur Star Wars gebrauchen kann, sondern wie ihn viele Filme gebrauchen könnten. Sie schafft es stark und verletzlich zugleich zu sein. Eine Frauenrolle, die es versteht, dass sie auch mal den Männern den Hintern retten kann, ohne sie selbst als weiblichen Mann darzustellen (falls ihr versteht, was ich mit diesem kryptischen Satz sagen will). Sie hat viel Humor und passt zudem für mich so perfekt in das Star Wars Universum, dass ich wirklich nicht anders kann als sie in den höchsten Tönen zu loben.
Finn ist ebenfalls eine großartige Bereicherung und stellt für mich eine (mit zugekniffenen Augen) gute Mischung aus Han Solo und Lando Calrissian dar. Er ist ungemein sympathisch und hat trotzdem nicht nur eine Sympathierolle, oder gar die des Comic Relieve. Seine Handlungen bringen der Story tatsächlich etwas.
Poe kam eigentlich gar nicht so viel vor, aber die Szenen, die da waren, fand ich ausgesprochen gut umgesetzt. Endlich haben wir ein Fliegerass, dass genauso großmäulig wie kaltschneuzig daherkommt, wie ich die Piloten aus dem EU kennengelernt habe und wie wir sie auch aus Filmen wie Top Gun kennen. Meines Erachtens eine ausgesprochen gute Rolle. Seine Flugkünste sind übrigens wirklich beeindruckend, obwohl ich mich manchmal im Film schon gefragt habe, wie ein X-Wing solche Manöver überhaupt zustande bringen soll.
Leia hat ebenfalls relativ wenig Screentime, wurde aber meiner Meinung nach sehr treffend dargestellt. Es ist tatsächlich eine angenehme Alternative zum EU zu sehen, dass Leia nicht in die politische sondern eher in die militärische Richtung gegangen ist, was ihr aber sehr gut steht. Das sie immer noch in der Lage ist unüberwindbare Stärke mit viel Mitgefühl zu kombinieren hat sehr die Erinnerungen an die OT geweckt.
Han und Chewie. Was soll ich sagen. Es ging nicht besser. Hans Tod..... nunja, ich muss es gestehen: Es ist ziemlich genau das, was ich mir erhofft habe. Ich hoffte, dass Disney den Mut hat, einen der Großen Drei gleich im ersten Film sterben zu lassen, um den neuen Charakteren den Raum einzuräumen, den sie auch dringend benötigen um Star Wars alleine tragen zu können. Natürlich war es nicht gerade subtil, dennoch habe ich für eine Sekunde geglaubt, dass die Geschichte um Kylo Ren eine ganz andere Wendung nimmt, als man eben erwarten konnte. Das das aber vielleicht doch zuviel verlangt ist von Disney, räume ich dabei gerne ein.
Kylo Ren ist nicht Darth Vader. Kylo Ren ist nicht Darth Maul. Und das ist beides gut so! Denn Kylo Ren schafft es auf erfrischende Art, auf sehr moderne Art einen Bösewicht darzustellen, dem man seine Rolle auch abkauft. Und ebenso einen Bösewicht, über den man auch mal lachen kann, oder fandet ihr es nicht lustig, als er wieder einmal seinen Wutanfall bekommen hat und die Sturmtruppen lieber weggegangen sind anstatt zu ihm zu kommen? Dennoch schaffte er es stehts bedrohlich zu wirken, wenn es angebracht war. Das alein ist schon eine Kunst für sich beides miteinander zu vereinen. Natürlich könnte man kritisieren, dass sein kurzer Monolog, dass die helle Seite ihn verleitet, ein halbherziges Lippenbekenntnis sei, welches nur dazu dient ihm auf sehr billige Art und Weise eine Ambivalenz zu verleihen. Doch ich muss sagen, dass ich ihm das tatsächlich abgekauft habe. Ebenfalls sollte man bemerken, dass er noch keine Sithaugen hat, was sich übrigens auch nach Hans Ermmordung nicht ändert.
Snoke.... keine Ahnung ehrlich gesagt. Man weiß nichts von ihm und dementsprechend kann ich auch nichts über ihn sagen. Was definitv ein Minuspunkt in diesem Film ist.
Captain Phasma hat dasselbe Problem. Warum ist sie da? Was soll sie in diesem Film? Ich glaube, es wäre sinnvoller gewesen, wenn man sie erst im nächsten Film gezeigt hätte, weil sie in diesem Film tatsächlich wie ein Fremdkörper wirkt.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich den Film wirklich mochte. Er gibt mir gute Charaktere, gute Action, aber auch ruhigere Zwischentöne, die ich sehr schätze.
Der Film im Hinblick auf die OT
Nun, hier jedoch schneidet der Film bei mir nicht so gut ab. Er hat nicht so offensichtliche Widersprüche zu den Vorgängerfilmen, wie es die PT hatte, aber dennoch stimmen Charakterisierungen einfach nicht, die ich zumindest sehr eindeutig aus der OT herauslese. Fangen wir dabei mit Luke an. Luke lernt in EP VI, dass selbst ein Monster wie Darth Vader einen guten Kern hat. Er lernt, dass Gewalt alleine niemanden von der dunklen Seite rettet. Und er lernt, dass selbst sein eigener Meister einen Schüler verloren hat, der sämtliche Jedi ausgelöscht hat. Und dieser Schüler ist wiederum genau der, den Luke retten kann! Warum sollte also Luke bei einem seiner Schüler, der ebenfalls fällt, absolut alles hinschmeißen, was er aufbauen wollte und einfach ins Exil gehen? Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar.
Wo kommen die Sith überhaupt her? Zugegeben, es wurde bisher nicht bestätigt, dass es sich bei Snoke und Kylo Ren um Sith handelt, aber ich vermute mal, darauf wird es hinauslaufen. Der Imperator und Darth Vader sind tot. Wie also sollte Snoke auf einmal ein mächtiger Sith werden? Oder will uns Disney allen ernstes erzählen, dass das alles durch Learning by Doing möglich ist? Interessant, wenn auch leider unwahrscheinlich, wäre es, wenn sich heraustellen würde, dass Snoke und Kylo Ren bei weitem nicht so mächtig sind, wie man jetzt im ersten Moment vielleicht vermuten könnte. Das wiederum scheint allein deswegen unplausibel zu sein, weil Kylo Ren bereits Machtfertigkeiten an den Tag legte, die auch Vader gefallen hätten.
Insgesamt ist es überhaupt nicht so richtig klar geworden, wie man eigentlich von Episode VI zu VII gekommen ist. Als Einzelfilm betrachtet oder auch als Start in die neue Trilogie wäre das kein Problem, aber da es eben an eine bereits bestehende Hexalogie anknüpft, ist es meines Erachtens nötig die Übergänge zu erklären.
Ein weiterer Aspekt ist der, der schon mehrfach angesprochen wurde. Wenn wir zynisch sind könnte man Episode VII als Remake von Episode IV ansehen. Das hat mich alles noch nicht so sehr gestört, aber als dann unbedingt Poe durch einen Schacht fliegen musste um den Starkiller zu zerstören, da lief bei mir das Fass dann doch über! Aber dazu komme ich jetzt detaillierter.
Der Film im Hinblick auf das EU
Hier blutet mir regelrecht das Herz. Es gibt so viele Referenzen an das EU, dass ich kotzen könnte. Nicht jede ist schlecht. Zum Beispiel Han und Leias Unvermögen zusammen zu bleiben, wegen des Verlusts ihres Sohnes ist für mich aufgrund der NJO nur allzu nachvollziehbar und war definitiv für mich ein starker Moment als die beiden wieder ein wenig zueinander finden. Dennoch bleibt es ein Schlag ins Gesicht eines jeden EU Fans, dass das ewige Argument und die von EU Kritikern ewige Litanei, man würde das EU ja für große kreative Freiheit opfern, mit diesem Film ad absurdum geführt wurde. Denn wie bereits oben angerissen ist an diesem Film am Ende des Tages absolut gar nichts kreativ! Es kopiert Episode IV, Herr Gott nochmal. Ich betone es zur Sicherheit noch einmal, damit ich nicht missverstanden werde: Das kopiert wurde finde ich nicht schlimm. Der Film funktioniert gut für mich, auch wenn mir die Handlung zu bekannt vorkommt. Was mich dabei aufregt ist, dass man eben nichts kreatives, neues gemacht hat, womit eben die Streichung des EUs gerechtfertigt wurde. Und ja, das kreide ich nicht allein Disney an, sondern auch ganz deutlich den EU-Kritikern, die immer wieder dieses dumme Kreativitätsargument vorgebracht haben und nun haben wir Episode IV-2! Doch damit hört es ja noch nicht auf. Lasst uns doch mal nachrechnen. Es gibt einen Sohn von Han und Leia und eine potentielle Tochter von Luke. Stimmt, das war mit dem EU wirklich überhaupt nicht zu vereinbaren. Es hätte einfach zu sehr die Kreativität verletzt, wenn man einfach die Geschlechter der beiden Nachkommen vertauscht hätte! Und zu allem Überfluss dann noch eins drauf zu setzen, indem Han und Leias Sohn Ben genannt wird ist einfach nur ein Schlag ins Gesicht... nein, es ist ein Tritt ins Gemächt! Die Namensgebung von Lukes Sohn im EU hatte so viel Sinn, es hatte viel Weisheit von Luke und so viel Bedeutung. All das gibt es nicht für Hans Sohn!! Leia kannte Obi Wan nichtmal, sie hat ihn nur sterben sehen. Und Han kannte Obi Wan zwar als Ben, aber für wie lange? Naja, für die Zeit von Tattooine bis Alderaan. Und in der Zeit konnte er Ben nichtmal wirklich leiden. Aber er muss ja unbedingt seinen Sohn nach ihm benennen! Und das rein zufällig, unter allen Namen, die es gibt, muss es der Name sein, der im EU Lukes Sohn hatte? Das ich nicht lache! Für mich, als glühender EU Fan ist das einfach nur eine Frechheit.
Wo ist denn jetzt also die große kreative Freiheit, die mir für mein Opfer versprochen wurde? Liegt sie darin, dass man einfach einen guten Film kopiert hat? Oder darin, dass man sich schamlos aus dem EU bedient hat und das teilweise auch noch in einer perversen Art und Weise? DAS soll die große Freiheit sein? Die Freiheit, mit der das EU einfach nicht vereinbar war? Ich glaube, einen größere Zynismus das konnte man mir nicht entgegenwerfen!
Fazit
Ich habe gestern einen Film gesehen, den ich wirklich mag. Der mich sogar ein Stück begeistert hat. Ein Film, der mir sogar so gefallen hat, dass ich bei negativen Reviews hier anfing ihn für mich zu verteidigen. Dennoch ist es ein Film, der sowohl im Hinblick auf die OT und noch viel mehr im Hinblick auf das EU Kopfschütteln hervorruft.
Ich bleibe zwiegespalten. Ich werde mir den Film nochmal anschauen und ich werde Disney, weiterhin eine faire Chance geben, mich von ihrem neuen Star Wars zu überzeugen, indem sie mich mit Episode VIII endgültig abholen. Mit diesem Film haben sie es aber noch nicht geschafft. Sie konnten die Wunde, die der Verlust des EUs für mich bedeutet hat, einfach nicht schließen und ihre Versprechungen, dass das Opfer es wert sei bisher nicht einlösen. Das macht Das Erwachen der Macht zu einem Film, den ich gerne sehe, den ich vermutlich auch als BluRay kaufen werde, der aber meine glühende Leidenschaft, die ich fürs EU besaß, nicht auf das neue Star Wars rüberzieht.