Besonders überraschen tun mich die von der Anzahl mehr als positiven Bewertungen, die hier quer durch die Bank im Forum vorliegen. Auch mich hat der Film bestens unterhalten und ebenso bin ich der Meinung, dass JJ das Projekt "Neustart" geglückt ist. Auf der anderen Seite sind mir während dem Ansehen des Films aber einfach so viele Dinge aufgefallen, die ihn mich eben nicht so genießen haben lassen, wie manch andere hier. Vielleicht lag es aber einfach nur daran, dass ich verkühlt im Kino gesessen bin. Um meiner eigenen Willen muss ich den Film nun einfach, mit entsprechenden Einwürfen versehen, "kurz" chronologisch aufarbeiten:
- Ich beginne mit dem
Lauftext. "Luke Skywalker has vanished". WUMMS, der hat gesessen. Ich glaube keiner der Lauftexte hat im Kontext zu den vorherigen Filmen bei mir so einen Eindruck hinterlassen, wie dieser eine Satz. Alleine dafür schon 10/10.
- In der ersten Szene landen wir bereits bei dem alten unbekannten Mann (Max von Sydow), der Poe die Karte zu Lukes Aufenthalt gibt. Beinahe im selben Moment erfolgt aber schon der Angriff der First Order, in dessen Zuge Poe gefangen genommen wird und Kylo den alten Mann erschlägt. Schon nach wenigen Minuten das erste große Fragezeichen: Wer ist der alte Mann? Er weiß über Lukes Aufenthalt Bescheid und hat zudem irgendeine Verbindung zu Kylo ("Du warst mal ein anderer" oder so). Dieses erste Mysterium würde mich ja nicht so sehr stören, wenn man nicht im ganzen weiteren Verlauf des Filmes kein einziges mal mehr Stellung zu der Szene nimmt.
- Zudem werden hier
Kylos Fähigkeiten demonstriert, die zugegebenermaßen sehr beeindruckend sind. Das Anhalten eines Blasterschusses in der Luft haben wir jedoch nicht mal in der PT (Blütezeit der Jedi) gesehen. Ein bisschen "too much" für mich, vor allem wenn man bedenkt, dass er am Ende gegen die (unausgebildete) Rey eigentlich doch total abbeißt - dazu aber später mehr.
- Parallel wird auch
Finn eingeführt. Er weigert sich die Dorfbewohner zu exekutieren und führt den Feuerbefehl nicht aus. Die Szene lässt bereits erahnen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Diese für den Charakter dadurch vorgezeichnete Linie wird dann auch im weiteren Verlauf konsequent beibehalten, weswegen Finn definitiv zu den gelungenen Charakteren zählt. Für mich ist er einfach eine "ehrliche Haut" und das macht ihn so sympathisch.
- Ebenso erscheint
Cpt.
Phasma auf der Bildfläche. Abgesehen von ein paar wenigen Dialogen tritt aber auch sie später im Film kaum in Erscheinung, weswegen man auf sie eigentlich hätte verzichten können. Feuert sie überhaupt einmal ihre Waffe ab? Und wofür eigentlich die Crome-Rüstung? ...
- Last but not least ist da natürlich noch
Poe, den wir schon aus dem Lauftext kennen. Mann, da waren echt ein paar coole Szenen dabei. Alleine wie er sich in das Cockpit seines X-Wing schwingt und man im Hintergrund die Sturmtruppen angreifen sieht, dass waren wirklich beeindruckende Bilder. Super Einstand von diesem Charakter, auch wenn er sich der Gefangennahme nicht entziehen konnte.
Der Start von Episode VII ist damit jedenfalls einmal geglückt, auch wenn der von Sydow gespielte Charakter total im Dunklen bleibt und Phasma den ersten ihrer drei(?) verzichtbaren Auftritte hatte.
- Weiter geht es dann andernorts auf Jakku. Wir lernen
Rey kennen und sehen, wie sie ihren Alltag verbringt. Entsprechend den Einkerbungen im AT-AT wird uns sogleich klar, dass sie schon eine lange Zeit hier ist, diesen Ort aber offensichtlich nicht als ihr zu Hause betrachtet. Etwas später sieht man ja auch in der Rückblende, dass sie hier ausgesetzt wurde und immer wieder formuliert ihr Charakter den Wunsch, "nach Hause" zurückzukehren. Die Frage ist, in welcher Form ihr das am Ende des Films gelingt.
Jedenfalls ist sie aus dem typischen Holz geschnitzt, aus dem ein Held der Sternenkriegsaga gemacht sein muss. Auch von ihrer Art her hat sie mich gleich zu Beginn das ein oder andere mal an den jungen Anakin erinnert. Alleine das handwerkliche Geschick wäre eine Parallele, die man uns hätte gar nicht so sehr aufs Auge drücken müssen (wie auch noch ein paar andere Sachen im Film). Jedenfalls war mit ihrer Einführung das neue Trio komplett. Alle drei wissen auf ihre eigene Art zu überzeugen, wodurch für jede und jeden Zuseher/in wohl etwas dabei ist. Absolut top gecastet und umgesetzt, das hätte ich mir nie träumen lassen.
- Wir springen zurück zu den Schurken. Poe wird gerade verhört und ich bilde mir ein, dass auch
General Hux hier irgendwo seinen ersten Auftritt hat. Vor einem Jahr hätte ich ja noch darauf gewettet, dass er Lukes Sohn ist. Gerüchte gab es ja auch, die dann aber wieder dementiert wurden. Derzeit etwas darauf hin deuten tut nicht wirklich. Trotzdem kaufe ich ihm die Rolle des bloßen Schurken nicht ganz ab. Als er den Feuerbefehl auf die Planten der Republik gibt, wirkt es für mich so, als kostete ihn das einiges an Überwindung. Ich bilde mir sogar ein, er hatte dabei leicht Tränen in den Augen. Jedenfalls verbirgt sich auch hinter diesem Charakter, unabhängig davon was es mit seinem Ursprung auf sich sich hat, noch einiges mehr. Alleine dafür spricht ja nicht nur, dass er den Rebellenangriff überlebt hat, sondern auch dass er scheinbar auf einer Stufe mit Kylo Ren steht. So habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dass er von Kylo einfach ohne weiteres in Vader-Manier herumkommandiert wird. Ebenso sind es stets Drei-Augen-Gespräche, wenn Snoke erscheint und letztlich wird sogar er damit beauftragt, Kylo zurück zum Anführer zu bringen. Ich bin also schon sehr gespannt, wie es mit ihm weiter geht.
- Zu welchem exakten Zeitpunkt
Snoke auf den Plan tritt, weiß ich nicht genau, aber auch er bleibt im Grunde ein großes Mysterium. Warum gerade er auf einmal der Anführer des alten Imperiums ist, wird komplett ausgeklammert. Das verzeihe ich aber dem Film insofern, als auch in Episode IV die Rolle des "Kaisers" nicht weiter angeschnitten wurde und man nicht einfach alles in den zwei Stunden erklären kann. In dem Zusammenhang auch nicht ganz begriffen habe ich, was es mit den Rittern von Ren auf sich hat, die von Snoke kurz angesprochen wurden. Somit ein weiteres der vielen Fragezeichen von Episode VII ...
Jedenfalls wären von den neuen Charakteren somit alle wichtigen eingeführt und ich würde eigentlich alle als gelungen bezeichnen, wenngleich ich aber Kylo Ren noch nicht wirklich einordnen kann. Seine Motive bloß anhand von diesem Film nachzuvollziehen, ist mir nicht möglich gewesen.
- In Folge wird die Story weiter vorangetrieben. Poe und Finn entkommen, die Chemie zwischen beiden stimmt (wenngleich etwas überspitzt dargestellt; "did you see that, did you see that" - "I did see that") und Finn, der von Poe getrennt wird, trifft schließlich auf Rey. Was bis zum späteren Auftauchen von Poe in der Zwischenzeit mit diesem aber passiert, behandelt der Film auch nicht wirklich .... Wurde er samt Tie-Frack von einem Sandmonster verschluckt??? Naja ... Jedenfalls entkommen Rey und Finn mit dem
Falken, der aus welchem Grund auch immer in der Wüste verrostet (die in dem Zusammenhang stehende Anspielung auf die OT war top!), von dem Planten. Damn, schön langsam bekomme ich wirklich das Gefühl, man lässt hier bewusst so vieles ungeklärt, dass man noch schön viel Geld mit Comics udgl machen kann, die für eine umfangreiches Verständnis des Filmes erforderlich sind. Ich meine ganz ehrlich: es braucht schon eine wirklich gute Geschichte, die rechtfertigt, dass Han vom Falken getrennt wurde!
- Und das wäre auch schon das Stichwort: Auftritt von
Han Solo und
Chewbacca. In der Szene habe ich dem Aufeinandertreffen zwischen Han und Rey entgegengefiebert. Zu meiner großen Überraschung hat Rey Han aber überhaupt nicht erkannt und auch Han lässt sich nichts anmerken. Wäre sie seine Tochter, dann hätte er doch zumindest später irgendetwas in die Richtung fallen lassen können. So erscheint eine Abstammung aber eher unwahrscheinlich. Außerdem entdeckt Kylo in Reys Gedanken in einer späteren Szene ja auch ihre Sehnsucht nach einer Vaterfigur ("You want Han Solo to be the father you never had" oder so) ... Wäre sie aber die Tochter von Luke, dann müsste Han das doch auch wissen. Oder Han war für eine längere Periode von der Bildfläche verschwunden und weiß vielleicht gar nichts von der Existenz seiner potentiellen Nichte. Auch denkbar ist, dass Luke die Geburt seiner Tochter, aus welchem Grund auch immer, geheim gehalten hat und es ist nicht bloß Han, der sie nicht erkennt. Auf der anderen Seite aber scheinen mir Leia und Rey am Ende des Films tiefer verbunden, als bloß zwei Fremde die den Tod eines gemeinsamen Bekannten betrauern ... Was auch immer es mit Rey auf sich hat, unbefriedigend ist für mich jedenfalls die Situation, dass man dies nicht aufgeklärt hat, obwohl man es an ein paar Stellen schon fast hätte machen müssen. Denn warum zum Teufel liegen sich Rey und Leia am Ende denn sonst in den Armen, wenn sie einander gänzlich fremd wären. Lange Rede kurzer Sinn: jedenfalls Verlief diese erste Begegnung der beiden ganz anders als erwartet.
Ansonsten war die Szene auf dem Raumfrachter mal wieder typisch Han, der sich scheinbar auch im hohen Alter immer noch in Situationen bringt, aus denen er nur mit Tricks entkommen kann. Ein bisschen reifer hätten sie ihn da für meinen Geschmack schon rüber bringen können. Auf der anderen Seite aber: Hey, es ist Han!
- Weiter geht es mit Episode IV. Wir sehen unsere Truppe in einer
Cantina und es geht darum ein paar Piloten zu finden, die die Informationen des Droiden zum Widerstand bringen. Sagte ich Episode IV, ich meinte natürlich VII. Mein Fehler!
Dort entdeckt Rey DAS Lichtschwert und hat (erstmals?) Visionen von fremden Orten, der Zukunft, der Vergangenheit und alten Freunden längst entschwunden. Auch das war ein bisschen zu viel Fanservice. Und warum löst gerade das Laserschwert die Visionen aus? Okay, in Episode III fasst Anakin bei Padme in der Wohnung auch ein Tablet an und spürt, dass Obi-Wan dort war, aber was das
Laserschwert in der Szene ausgelöst hat, ging doch weit darüber hinaus. Dies ist jedenfalls ein willkommenes Mysterium, über das ich gerne diskutiere, da es den Geist der OT einfach ganz gut widerspiegelt.
Auch wer Rey auf dem Planten ausgesetzt hat, darüber darf reichlich spekuliert werden.
- Einmal mehr jedoch unterbricht die First Order das Geschehen und Kylo schafft es, Rey gefangen zu nehmen. Dabei spürt er, dass diese die Karte von Lukes Aufenthalt gesehen hat und entführt sie daraufhin, um die nötigen Informationen aus ihr herauszubekommen. Rey erweist sich in Folge als äußerst widerstandsfähig und kann sogar für kurze Zeit in Kylos Geist eindringen. Dort erkennt sie Kylos Angst, nicht so mächtig wie Darth Vader zu sein - ein Interessanter Aspekt, wie ich finde. Daraufhin erstattet Kylo Bericht - allgemein wirkt er auf mich weit abhängiger von Snoke, als Vader es je von Palpatine war - währenddessen Rey allerdings die Flucht gelingt.
- In der Zwischenzeit hat der Widerstand mitbekommen, dass die First Order von ihrer
Superwaffe gebrauch gemacht hat (welche Planten wurden hier eigentlich zerstört??) und sie wohl das nächste Ziel sein werden. Hier ist die Geschichte aber sowas von Episode IV kopiert, dass es fast schon eine Frechheit ist, uns in diesem Zusammenhang den Todesstern neben der Superwaffe im Hologramm auf die Leinwand zu klatschen. Von hier weg ist es einfach wirklich nur 'same es usual'. Eine stationäre Verteidigungseinrichtung muss ausgeschaltet werden, ehe der Angriff auf den Schwachpunkt des Planeten gestartet werden kann. Das gelingt in der Folge auch und die Superwaffe ist ebenso schnell aus der Geschichte entschwunden, wie sie aufgetaucht war. Von furchterregend kann gar keine Rede sein. Zudem tun sich einige Widersprüche auf. Wenn es nun ein Planet ist, so kann dieser nicht kreuz und quer durchs All fliegen. Auf der anderen Seite ist die Primärwaffe aber von der Energie der Sonne abhängig, welche gänzlich aufgesaugt wird. Was aber aber macht die First Order mit diesem botanischen Schreckgespenst, wenn einmal die Kraft der Sonne verbraucht ist. So viele andere wird es im nahen Umkreis ja nicht geben. Und überhaupt: Verschwindet die Sonne einmal, um die sich der Planet dreht, dann wird es dort nicht nur furchtbar kalt, sondern dieser wird wohl auch aus seiner Bahn geworfen. Also besonders durchdacht wirkt das gar nicht. Für mich der größte Unsinn im Film. Vielleicht habe ich da aber auch was falsch verstanden, ich weiß es nicht.
- Damit nun der Plan des Widerstandes aufgehen kann, müssen Truppen vor Ort einen Sabotageakt setzten. Einmal mehr: Auftritt von Han Solo! Ich glaube ich habe gar nicht genau begriffen, was sie da unten gesprengt haben - für die Story ohnedies nicht von Belangen - aber es gelingt ihnen jedenfalls. Dabei stirbt Han den Heldentod, als er versucht seinen Sohn von der Dunklen Seite loszueisen. Dieser Moment hat vielleicht einmal in einem großen Ganzen eine starke Wirkung, gestern aber konnte ich ihn einfach nicht ganz nachvollziehen. Was ist da früher zwischen Vater und Sohn vorgefallen, dass
Ben(!) Han einfach sein Schwert durch die Brust stoßen kann. Ja ja, wir erfahren, dass Kylo hin- und hergerissen ist, aber deswegen einfach seinen Vater ermorden? Was stimmt mit dem Typen nicht? Auch die ganzen Wutausbrüche müssen irgendeinen Hintergrund habe. Hier muss mMn noch sehr viel aufgearbeitet werden, ehe diese Szene überhaupt ihre volle Wirkung entfallen kann.
- Kylo hat seinen Vater getötet und ist nun auf der Suche nach Rey, um endlich den geheimen Aufenthaltsort von Luke Skywalker in Erfahrung zu bringen. Er schafft es Finn und Rey einzuholen, stellt sich in den darauffolgenden Duellen aber mehr als ungeschickt an. Auch wenn er verwundet war, setzten ihm die unerfahrenen Helden doch ordentlich zu. Bei Rey, die ja offensichtlich machtsensitiv ist, lasse ich mir das noch einreden. Aber dass auch Finn Kylo mit dem Laserschwert erwischt, ist einfach unglaubwürdig (oder ist auch er ein Machtnutzer?). Jedenfalls hat mich Rey in dem Duell sehr stark an Anakin erinnert, als sie für kurze Zeit von ihrer Wut übermannt wird. Eine Frage an der Stelle: Trennt sie Kylo im Duell sogar eine Hand ab? Ich konnte das leider nicht gut erkennen. Jedenfalls tut sich zwischen den beiden eine gigantische Schlucht auf, ehe es überhaupt zu einer tödlichen Entscheidung kommen kann. Eine klasse Lösung, um so das Überleben von Pro- wie Antagonisten nicht unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Rey entkommt mit Finn und Kylo wird wohl von Hux aufgelesen, auch wenn wir das nicht sehen.
- Der Film endet schlussendlich mit einem rührseligen Aufeinandertreffen(/Wiedersehen?) zwischen
Leia und Rey, welche nun endlich zu Hause angekommen zu sein scheint. Auch R2 erwacht urplötzlich aus seinem Winterschlaf und deckt den geheimen Aufenthaltsort von Luke - der somit erst zur rechten Zeit wieder entdeckt werden wollte - auf. Rey macht sich im Falken (mit Chewie?) auf ihren Weg und der Film endet mit einem Mega-Cliffhanger, als wir erstmals
Luke Skywalker begegnen ...
Fazit:
Der Film setzt leider vieles voraus, wie ja auch
@Sol sehr treffend formuliert hat, was wir einfach noch nicht wissen. Ich denke daher auch gerade deswegen hat Epsisode VII viel Luft nach oben, wenn man für all die losen Enden gute Anknüpfungspunkte in den nächsten Filmen und im EU generell findet.
Deswegen wirkt es auf mich zunächst aber nur so, als hätte mir jemand die Avangers gezeigt, würde mir aber gleichzeitig noch die Filme von Iron Man, Cpt America und Co vorenthalten. So richtig beurteilen werde ich den Film wohl noch längere Zeit nicht können.
Daher von mir angepasste 6 bis potentielle 8 Punkte auf einer zehnstufigen Skala.
Jedenfalls freue mich schon auf heute Abend, wenn ich den Film gleich wieder sehe kann
Edit:
@Vuffi Raa - Du triffst es auf den Punkt. Ich dachte schon, ich bin der der Einzige, der das so sieht.