Das war also "Star Wars Episode VII - Das Erwachen der Macht".
Wie hat mir "Das Erwachen der Macht" gefallen? Ich tue mich mit diesem Film extrem schwer. In mir kämpfen mehrere Positionen mit an sich felsenfesten Überzeugungen um eine Gesamtnote.
Und wenn ein Problem als zu schwer lösbar erscheint, dann wendet man am besten die Salamitaktik an und trennt dieses Problem in mehrere Segmente auf.
Daher teile ich dieses Review in drei logische Teile:
1. Wie funktioniert TFA als selbstständiger Film?
1.1 Figuren und Beziehungen
Opening Crawl und Poes Rolle als Zündflamme
Poe und Max von Sydow
Poe und BB-8
Poe und Kylo Ren
Kylo Ren und der blonde Obermacker
Kylo Ren und das Gollum-Riesenhologram mit der Narbenfratze
BB-8 und Rey
Finn und Poe
Finn und Rey & BB-8
Han Solo und Chewbacca
Han Solo und Rey
Han Solo und Finn
Finn und Chewbacca
Han Solo und Kylo Ren (Ben)
Han Solo und Leia Organa
Kylo Ren und Rey
Kylo Ren und Finn
Leia Organa und Rey
Rey und Luke Skywalker.
Alleine diese Aufzählung von Charakterkonstellationen macht eines schon sehr deutlich: Dem Film fehlt es an Fokus. Nahezu alle Figuren müssen in irgendeiner Weise miteinander interagieren.
Das Bindeglied zwischen den meisten dieser Figuren und comic relief, nämlich BB-8, wird am Ende völlig aus den Augen verloren und darf zum Schluss nur noch ein Puzzleteil einfügen.
Dazu kommen noch tonnenweise Randfiguren, deren Wirken ich schlicht und ergreifend als überflüssig bezeichnen muss. Allen vrran müssen da C-3PO und Frau Captain in glänzender Stormtrooper-Rüstung genannt werden.
Das sind keine echten Figuren mit einer Rolle mehr, sondern nur noch Statisten, die Stichworte von sich geben, aber merkwürdigerweise überproportional viel Screentime bekommen haben.
1.2 Spannungsbogen
Kurze Übergabe eines digitalen Kartenfragments -> Action
Kylo Ren foltert Poe; Poe flüchtet mit Finn -> Action
Finn trifft Rey -> Action
Finn und Rey treffen Han und Chewbacca -> Action mit Monstern
Der Falke plus Besatzung und Passagieren fliegt zu einer Bar, wird dort verraten und... -> Action
Man fliegt zur Basis des Widerstands und kommt dort zu dem Schluss, dass man jetzt AUF JEDEN FALL eines machen muss, nämlich... -> ENDGAME-Action
Ist das Schema klar genug? Falls nicht:
Es wird erklärt, dann gekämpft und ansachließend der Schauplatz und die Charaktere gewechselt, nur um dann wieder von vorne anzufangen.
Zwischendurch rastet Kylo Ren immer wieder mal aus und demonstriert emotionale & rationale Hilflosigkeit und nimmt dann in einer "schockierenden" Slowmosequenz mal eben Han Solo aus diesem Film heraus.
Es gibt keinen Spannungsbogen im narrativen Sinne. Irgendwann erreicht diese Dauerschleife einen Punkt, an dem diese Laber->Action-Sequenzen sich nicht mehr weiter steigern lassen und als Konsequenz der ganze Planet in Nahaufnahme
buchstäblich zerbricht. Dieser alberne Umstand kostet den Zuschauer dann tragischer Weise auch die verdiente Auflösung des Schwertkampfes zwischen Rey und Kylo Ren.
Im Übrigen geht in diesem einen Film wohl mehr zu Bruch, als in allen sechs Filmen zuvor zusammen.
Hier haben wir es schlicht und ergreifend nur mit einem Kardinalfehler von billigen Fortsetzungen zu tun: Immer größer, krasser und noch ausufernder, mit einem noch höheren Bodycount.
Tatsächlich dürften sechs (ich glaube soviele Starkillerstrahlen waren es) zerstörte Planeten wohl dem gigantischsten Kino-Bodycount in der Filmgeschichte Hollywoods entsprechen.
Und eine Sache habe ich bislang noch gar nicht erwähnt:
Absolut enttäuschend ist die Rolle von Luke Skywalker. Diese Figur wurde für TFA komplett zusammengestrichen und auf einen MacGuffin ohne Sprechrolle reduziert.
Diesen Auftritt zum Schluss empfand ich einfach nur als antiklimaktisch und das, ansonsten hektisch-hysterische, Pacing des Films unsinniger Weise zerstörend; zumal dem Zuschauer hier
nicht mal irgendeine Befriedigung in Form einer emotionalen Reaktion des "Questgegenstandes" gewährt wird. Hamill steht einfach nur da und schaut entgeistert.
Ich meine, da wird ein STAR WARS durchgeführt und viele Millionen Lebewesen (!!!) sterben offscreen auf der Leinwand, nur um einen einzigen Mann zu finden und DAS ist das Ergebnis?
Man erfährt nicht einmal den Grund, WARUM alle Welt diesen Jedi sucht.
So wichtig kann der Plot dieses Films jetzt nicht gewesen sein, denn offensichtlich kommt der Rest der Galaxis (und der Zuschauer!) nämlich auch bestens ohne diesen alten Knacker ohne jeden Dialog klar.
2. Die Rolle von TFA als Teil der Filmreihe.
2.1 Musik
Als direktes Hilfskonstrukt zum Spannungsbogen ist der Soundtrack natürlich wichtig. Wie kann man aber einen ordentlichen Score komponieren, wenn es keinen greifbaren Spannungsbogen gibt,
den man in musikalischer Weise nachzeichnen kann? Das Ergebnis ist ein undifferenziertes auf und ab, welches lediglich dem Leinwandgeschehen folgt, es aber eben nicht durch emotionale Tiefe ergänzt.
Neu entwickelte musikalische Sternstunden, wie etwa ein "Binary Sunset" fehlen hier völlig. Ist ja auch schwer möglich, wenn man den ganzen Film ausschließlich damit beschäftigt ist, Figuren miteinander kollidieren zu lassen.
Auch die Zitate aus den alten Filmen finde ich da größtenteils ziemlich öde. Trauriger Tiefpunkt in dieser Hinsicht ist Anakins Theme während man den verkokelten Helm von Vader sieht.
Das führt dann zwangsläufig zu der Frage:
Wieso zum Teufel haben Ren, Rey, Finn und BB-8 keine eigenen Leitmotive, sondern nur belangloses Gedudel spendiert bekommen?
Fazit: Unbedingt zu vermeidender Stilbruch zu den anderen 6 Filmen. Abwertung um einen von 10 Punkten.
2.2 Kamera
Eine typische Vollkatastrophe nach JJA.
Seien es nun Nahaufnahmen, Kamerawinkel, Schwenks, Schnittfrequenz, oder Überblendungen: Hier passt einfach gar nichts mehr zum Rest der Saga.
Alleine deswegen ist der Titel "Episode VII" unverdient und überschreitet die Grenze zur arroganten Anmaßung deutlich. JJA hat sich hier einfach nur selbst verwirklicht und keine respektvolle Regiearbeit mehr geleistet.
Wieso haben Kershner und Marquand das hin bekommen, der selbst proklamierte Superfan von Star Wars will sich aber nicht dran halten? Einfach nur unverständlich und ein offensichtliches Zeichen von Respektlosigkeit.
Fazit: Unbedingt zu vermeidender Stilbruch zu den anderen 6 Filmen. Abwertung um einen von 10 Punkten.
2.3 Kontinuität
Es gibt da einen Deus Ex Machina in TFA. Dieser heißt "Hyperspace". Der wird dazu benutzt, um einen planetaren Verteidigungsschild zu umgehen, indem man direkt aus dem Hyperraum in die Atmosphäre springt.
Unverzeihlich ist es, dass durch diese nebensächliche Tat der gesamte Plot um den Schildgenerator in ROTJ völlig ad absurdum geführt wird, was immerhin über die Hälfte des Films ausmacht.
Zur Klarstellung: Die Flotte der Rebellenallianz hat eine enooooooooooorm lange Strecke zum Abbremsen gebraucht, ehe sie erst unmittelbar vor dem Zweiten Todesstern mit normalen Geschwindigkeiten manövrieren konnte.
Diese Strecke ist deutlich länger als der mehrfache Durchmesser des Waldmonds: (Anflug ab 0:58)
In seiner logischen Konsequenz bedeutet dies, dass es nun mal einfach nicht möglich ist, einen Schutzschild auf diese Weise zu umgehen.
Sonst hätte man wohl schon längst hyperraumfähige Bomben gebaut und nicht auf Todessterne und Starkiller gesetzt.
Fazit: Das ist für mich sogar so derartig gravierend und vor allem absolut vermeidbar, dass hier eine Abwertung um satte drei von 10 Punkten fällig wird. Hier wird jetzt ein völlig absurder Retcon notwendig, ehe das wieder Sinn macht.
Respekt vor der OT? Nope, sehe ich hier definitiv nicht!
3. Frankensteins Monster - TFA und das Expanded Universe.
Außerhalb der Wertung, aber 20 Jahre EU bleiben halt hängen.
Charaktereigenschaften: Rey <-> Jaina Solo
Charaktereigenschaften: Finn <-> Jacen Solo
Charaktereigenschaften: Kylo Ren <-> Darth Caedus
Schicksal: Starkiller (Planet) <-> Sernpidal
Technologie: Starkiller (Waffe) <-> Yuuzhan Vong Terraforming & Plasma Technologie
Plotdevice: Starkiller (Superwaffe) <-> Sonnenhammer & Todessternprototyp & Centerpoint Station & Darksaber
Bezeichnung, Aussehen & Funktion: Supreme Leader Snoke <-> Supreme Leader Shimrra
Politik: First Order <-> Imperial Remnant
Das in dieser Dichte sind für mich persönlich keine Zufälle, sondern hier wurde Leichenfledderei und Ideenklau betrieben. In Summe wirkt TFA auf mich wie eine billige EU-Fanfiction und die schlimmsten Fehltritte des Post-Endor-EUs
die zurecht sehr oft kritisiert wurden, wie etwa komplett überzeichnete Machtfähigkeiten und Superwaffen, haben es samt und sonders in den Film geschafft. Vor diesem Hintergrund ist dieser Eiertanz mit dem EU und Legends einfach
nur vollkommen bescheuert.
Schlusswort:
Letztendlich verliert TFA 5 von 10 Punkten durch handwerkliche Unzulänglichkeiten, Stilbrüche und ein selten dämliches Drehbuch, gegen das sogar AOTC wie Shakespeare wirkt. Damit kann ich diesem Film noch eine glatte 4 für ein
ausreichendes Ergebnis geben. Das heißt, es ist noch Star Wars, aber eben nicht mehr meines. Fairerweise muss ich sagen, dass ich beim sehen durchaus meinen Spaß hatte, aber beim Schreiben eines Reviews fallen mir persönlich dann doch Dinge auf und ein, die mir diesen Film leider doch madig machen. Es ist ganz generell schlecht für einen solchen Streifen, wenn man sich zu viele Gedanken darüber macht.