Vorbemerkung: Ich habe diesen Thread nicht genau durchgelesen, sondern ihn weitestgehend überflogen. Irgendwas über Jar Jar, Effekte, etc., aber meines Erachtens funktioniert die Gleichung Jar Jar=Prequels nicht, genausowenig wie man die Klassische Trilogie nicht auf die Magie, die sie in sich trägt, beschränken kann.
Das also zur Vorbemerkung.
Ich habe mir gerade den Anfang von Das Imperium schlägt zurück angesehen, und dabei sind mir ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen. Ich weiß nicht, ob sie viel Sinn machen - ich habe sie bislang nicht zuende gedacht - aber vielleicht ja doch.
In Goethes Faust gibt es das Thema der "Kleinen Welt" in Faust I und der "Großen Welt" in Faust II. Die Saga vom Krieg der Sterne scheint mir sehr ähnlich zu funktionieren. In der klassischen Trilogie die kleine Welt: ein Junge zieht aus und entdeckt die Welt, er durchlebt viele Abenteuer und erlangt Weisheit, um damit die Welt zu retten. Dabei wird diese Welt an sich, als großer, monströser, gewaltiger Kosmos jedoch nur am Rande angesprochen. Daß im Hintergrund eine Galaxis steht und der Kampf und das Abenteuer letztlich für die Rettung dieser Galaxis bestritten werden, ist eine eher zweitrangige Angelegenheit. Und so rücken die Figuren in den Vordergrund, allen voran Luke Skywalker. An ihm erlebt der Zuschauer, was es heißt, Entscheidungen zu treffen: will ich persönliche Macht und den Tod meiner Gegner, so werde ich Teil des Bösen und muß mit den Konsequenzen - Einsamkeit, Selbsthaß, Dämonisierung - leben; will ich hingegen Freundschaft, Freiheit und Frieden, so muß ich Geduld beweisen, mit gutem Beispiel vorangehen und eifrig lernen.
Dieser persönlichen Erfahrung gegenüber stehen die Prequels. Hier geht es nicht zentral um den Einzelnen, sondern um die Möglichkeiten des Einzelnen in der Gemeinschaft. Anakin Skywalker und - der eigentliche Held der Prequels - Jar Jar Binks verschlägt es schon früh im ersten Film ins Zentrum der Galaxis, in den Mittelpunkt der großen Welt. Dort werden sie gleich zu Anfang Zeuge der innersten Probleme in der Herrschaftsstruktur einer Demokratie. Gleichzeitig rückt das Wissenselement wieder in den Vordergrund: nur wer etwas weiß, kann etwas verändern. Amidala weiß fast nichts, fällt auf falsche Ratschläge herein und handelt rein emotional und damit faktisch blind. Die langfristigen Folgen sind bekannt. Im zweiten Teil der Trilogie geht es weiter in der großen Welt. Am Beispiel Obi-Wans wird das Wissensthema aufgegriffen, auch er weiß nichts, handelt jedoch und erreicht sein Ziel: er findet Kamino und deckt die Verschwörung gegen die Republik - zumindest soweit es ihm möglich ist - auf. Dem gegenüber steht Anakin, der glaubt, alles zu wissen und deshalb ins Verderben läuft. Die Botschaft ist wiederum klar: wer die Regeln bricht, scheitert. Anakin ignoriert den Jedi-Kodex und klammert sich an jede engere Beziehung. Die Lehren seiner Meister sind vergessen. In der großen Welt selbst, geht es ebenfalls weiter bergab. Das Volk amüsiert sich königlich in diversen Nachtclubs, gleichzeitig zerbricht die Republik. In der Führung der Republik gibt es kein Zeichen, daß irgendwer sich ernsthaft bemühen würde, die Krise zu lösen. Palpatine behauptet, auf Verhandlungen zu setzen, wo Worte doch schon 10 Jahre vorher nichts mehr erreicht haben. Der Senat ist durch seine Unlust, Entscheidungen zu beraten und zu beschließen, lahmgelegt. Die Diktatur kommt. Auch hier wieder starke, diesmal allerdings umfassendere Botschaften: tu was für die Demokratie, sonst verlierst Du sie. Engagiere Dich, denn niemand anderer wird es tun. Lerne und handle!
Und nimmt man das nun zusammen, wird klar, daß die Prequels nie beabsichtigen, auf einer Stufe mit der klassischen Trilogie zu stehen. Der klassischen Trilogie reicht es, allgemeine erzieherische Gedanken zu verbreiten. Höre auf die Weisheit des Alters, gewinne Freunde, sei offen für das Fremde, hab Geduld und lerne, dann wird das Gute und Edle triumphieren. Purer Idealismus eben. Die Prequels sind in dieser Hinsicht nicht so leicht zufrieden zu stellen, sie präsentieren Lösungsansätze für die vielbeschworene Gemeinschaft: lerne eifrig, verstehe die Regeln, engagiere Dich, glaube an die Demokratie, verteidige die Freiheit, wende Dich nicht ab, in der Gemeinschaft liegt die wahre Stärke.
Im Krieg der Sterne haben wir also die ur-amerikanischen Erziehungsvorstellungen enthalten, wenn auch vielleicht in der falschen Reihenfolge und auf wirre Weise. Einerseits laden die Prequels ein in die hohe Welt der Politik aufzusteigen, andererseits tun sich das auf allzu kindliche, um nicht zu sagen: kindische Weise. Auf der anderen Seite die klassischen Filme: sie bringen einfachere Lehren und verbinden sie mit verhältnismäßig harten, verlustreichen Kriegseinsätzen.
Sieht man sich die Entwicklungsgeschichte des Kriegs der Sterne an, ist der Grund dafür natürlich offensichtlich: die "große Welt" vermochte die Technik der 70er einfach nicht zu zeigen, die kleine hingegen durchaus, wenn auch teilweise unter vergleichsweise primitiven Umständen. Gleichzeitig waren die 70er so politisiert, daß es kein Publikum für einen politisch-lehrreichen Sci-Fantasy-Film gegeben hätte, also war die Lösung "kleine Welt"+"einfache Lehren" wohl nicht die schlechteste. Die logische Folge daraus war wiederum eine einfache politische Lage, also ein Gegensatz zwischen Schwarz und Weiß. Kämpfe waren damit von Anfang an impliziert.
Mit der digitalen Technik der 90er haben wir nun Zugang zur "großen Welt". Die Geschichte verlangt zusätzlich dazu den Fall einer Republik, und damit sind Politik und das Scheitern von Demokratie obligatorische Bausteine.
Und das Fazit: die Prequels passen nicht weniger gut zur klassischen Trilogie, wie Faust II zu Faust I. Wie man das Verhältnis letzterer zueinander sehen will, ist dabei jedem selbst überlassen. Für meinen Geschmack gibt es Reibungspunkte, unumgängliche Übergangsprobleme und fast zwingend auftretende Stilbrüche. Die Alternative dazu hätte allerdings den entscheidenden Nachteil, eine Geschichte einfach doppelt zu erzählen. Die Prequels würden dann ihrem Namen übergerecht: sie wären einfache, den Originalen zeitlich vorgeordnete Ablegerfilme. Und wenn sie etwas in der aktuellen Konstellation gerade nicht sind, dann bloße Ableger. Im Gegenteil, sie haben unglaubliche Neuerungen gebracht und den Krieg der Sterne auf ein unerwartetes aber durchaus nicht uninteressantes Niveau gehoben. Was sie hingegen nicht geschafft haben, ist die Mitnahme des Publikums. Zumindest die Geschichte, scheint mir nirgendwo wirklich anzukommen. Den Uranhängern der alten Trilogie sind sie zu andersartig, und den Neuankömmlingen scheinen auch mehr die Effekte im Mittelpunkt zu stehen, als die politische Entwicklung oder selbst Anakins Fall. Höchst bedauerlich.
Ich will damit übrigens nicht andeuten, daß ich der einzige auserwählte Fan bin, der die Geschichte wirklich begreift, auch auf mich wirkt sie ziemlich befremdlich, um nicht zu sagen: unpersönlich. Aber eine ganze Galaxis kann man eben nicht so einfach in den Arm nehmen und knuddeln, wie einen Ewok oder einen Bauernsohn von einer Wüstenwelt. Schade eigentlich.