Das ist natürlich vollkommen richtig, allerdings verkennst du, glaube ich, warum vielen der Hardcore-Fans eine konsistente Kontinuität mit klaren Regeln wichtig ist. Zu wissen, was in der Fiktion als real gilt, ist nämlich kein Selbstzweck, sondern hat Konsequenzen. Man mag vom Post-Endor-EU bis 1998 halten, was man will, aber ohne hätte es z.B. die NJO nicht gegeben, jedenfalls nicht in der Form, wie sie dann geschrieben wurde.
Vielleicht verkläre ich die Reihe rückblickend auch angesichts der Enttäuschung späterer Verlagsangebote (nach Erscheinen nochmal gelesen habe ich nur
Traitor), aber meiner aktuellen Einschätzung zufolge ist es der NJO im Großen und Ganzen ziemlich gut gelungen, sich beim Figuren-, Schauplatz- und Ideenarsenal der Bantam-Ära zu bedienen, ohne die älteren Geschichten für ungültig erklären zu müssen. Im Gegenteil, einer der Gründe, warum die NJO funktioniert, ist, dass Figuren und politische Systeme konsequent
weiterentwickelt wurden, und zwar auf Basis der alten Geschichten (denen dadurch teilweise sogar im Nachhinein größere Legitimität und Bedeutung zugesprochen werden konnte).
Die Handlungen der Thrawn- und Jedi-Akademie-Trilogien und Jugendromane und X-Wing-Comics usw. sind passiert, also bauen nachfolgende Geschichten auf ihnen auf. Jacens faszinierende Entwicklung innerhalb der NJO ist nicht vorstellbar ohne den Grundstock, der in der YJK gelegt wurde. Das ist es nämlich, was ich mal wirklich geschätzt habe am EU: die Möglichkeit, liebgewonnenen Figuren über Jahre hinweg beim Älterwerden zuschauen zu können, bei Triumphen, Rück- und Schicksalsschlägen, kurz, bei Veränderungen. Das geht aber nicht, wenn jede neue Geschichte für sich allein steht, die Erfahrungen aus dem Vorroman nicht zählen und die Charakterentwicklung wieder von vorne losgeht (bzw. gar nicht richtig stattfindet, weil sie ja eh sinnlos bzw. nicht-permanent ist).
Solche alleinstehenden Geschichten sind nicht per se negativ (die großen Entwicklungsbögen werden in Zukunft vielleicht eh von den Filmen übernommen), aber es fehlt ihnen der fiktional-historio- und -biographische Anstrich, der früher einen großen Teil des Reizes des Erweiterten Universums ausgemacht hat.
Einer der Gründe, warum LotF m.E.
nicht funktioniert, ist die panikartige Abkehr von vielen Neuerungen der NJO und die Brüche in der Charakterisierung. Ich habe gar nichts gegen die Grundgeschichte, die in LotF und FotJ erzählt werden sollte, aber die Umsetzung ist so inkompetent und von der Konzeption her verfehlt, dass es so scheint, als hätten die Autoren eine ähnliche, aber von der mir bekannten in vielerlei Hinsicht grundverschiedene Version der NJO gelesen. Eine aus einem Paralleluniversum, quasi.
Die schöne Illusion eines Universums mit
einer Geschichte, die mir vielleicht nicht in jedem Aspekt gefällt, die aber durchaus interne Integrität (und damit Legitimität) besitzt, ist also schon eine ganze Weile dahin, nicht erst seit der zumindest in den ersten Staffeln (die letzten habe ich gar nicht mehr verfolgt) grottenschlechten Trickserie, die unnötigerweise das ursprünglich mal ziemlich gut zusammenhaltende und auch qualitativ recht hochwertige Prequel-EU auseinander gesprengt hat.
Die befürchtete "Warum soll ich das dann eigentlich noch kaufen?"-Einstellung habe ich also schon seit einigen Jahren. Es gibt nicht nur eine ganze Reihe von Erzeugnissen, die ich schlicht nicht als authentisch akzeptiere, sondern dadurch, dass ich sowieso nicht mehr alles kaufe und lese, bin ich auch an anderen Stellen "ausgestiegen". Die neueren Jugendromane z.B. interessieren mich nicht großartig und hätte ich früher vielleicht gekauft auch ohne Zeit zu haben, sie zeitnah zu lesen, aber inzwischen mache ich das nicht mehr. Warum auch?
Bei den Romanen lese ich nur noch das, was a) zu "meinem" Krieg der Sterne passt und b) interessant und auch von den Reaktionen her qualitativ ansprechend klingt. Das wird natürlich immer weniger, weil LFL ja "mein" Star Wars mittlerweile genausowenig unterstützt wie Microsoft ältere Betriebssysteme wie Windows 98. Finanziell fahre ich gut mit dieser Einstellung

.
Die Comics lese ich übrigens nach wie vor noch alle, obwohl sie ja auf die Seitenzahl gerechnet deutlich teurer sind, und zwar sogar die TCW-Tie-in-Büchlein. Das auch nicht perfekte, aber deutlich kompetentere Dark-Horse-Lektorat macht sich halt bezahlt. Ob das bei Marvel auch so sein wird, darf bezweifelt werden. Meinen Geldbeutel wird's freuen.
A propos, ich vermute stark, dass die neuen Filme das EU nicht komplett ignorieren, sondern Ideen, Figuren, Schauplätze usw. daraus aufgreifen und
in veränderter Form ins neue Material einbauen werden. Funktioniert ja bei den diversen Superheldenfilmen auch, könnte man sich denken. Was DC/Marvel-Fans, die seit Jahrzehnten Reboots und Paralleluniversen gewöhnt sind, nicht weiter stört, dürfte allerdings im SW-Fandom noch lange nicht gutgeheißen werden, eben weil es bisher stets Bemühungen gab, (lucassche) Änderungen mit Retcons zu reparieren.
Ich persönlich würde eine solche Vorgehensweise, bei der der das bisherige EU als Steinbruch für einen Neuanfang missbraucht wird, nicht als wohlwollendes Zugehen auf die Fans empfinden ("schaut her, eure Lieblinge sind nicht vergessen, sondern werden jetzt sogar durch echte Schauspieler legitimiert"), sondern als respektlosen Kontinuitätsraubbau.
Sollte Disney im Literaturbereich einen Reboot anstreben, also eine neue Kontinuitätslinie aufmachen, ist das sicher positiver zu bewerten als lauter von der Handlung her irrelevante Einzelgeschichten. Für Neueinsteiger bietet sich dann wirklich die Möglichkeit, genau wie wir früher in eine interessante Welt einzutauchen, die nicht am Eingang des Lichtspielhauses endet.
Aber für mich hat das keinen Reiz mehr (außer, sie holen Stover als Hauptautor

). Kann mir schließlich keiner glaubhaft versichern, dass dies bestimmt der letzte Reboot war und das ganze nicht in ein paar Jahren wieder von vorne losgeht, so wie in den Superheldencomics. Und schon gar keine Lust habe ich auf irgendwelche recycelten Zombies aus dem Schrotthaufen-EU.
Quinlan Vos ist deshalb Quinlan Vos, weil er und ich, wir beide gemeinsam (und jeder andere Leser natürlich entsprechend) vor vielen Jahren ganz bestimmte Abenteuer erlebt und durchlitten haben. Eine Figur auf der großen Leinwand oder der kleinen Seite ist noch lange nicht "mein" Quinlan Vos, auch wenn sie den gleichen Namen trägt, so ähnlich ausschaut und eine ähnliche Hintergrundgeschichte besitzt.