@Vanillezucker Auf die Gefahr dass wir uns wieder streiten, ich habe an zwei, drei Stellen ein Problem mit deiner Argumentation

Vorweg, ich sehe die Sache ungefähr so wie Ben, Icebär und co: Waffen gehören nicht in Privatbesitz
Ja, er hätte nicht in dieser Form stattfinden können. Und natürlich ist der Vater dafür zu bestrafen, dass er seine Waffen ungesichert und für seinen Sohn frei zugänglich "herumliegen" lässt.
Ich wollte aber auf was anderes hinaus:
Du argumentierst, dass ein schusswaffenfreier Haushalt jeden Amoklauf von Tim K verhindert hätte. Diese Kausalität bezweifle ich allerdings, weil es verschiedene Wege gibt, Menschen zu töten und Tim K unter anderen Voraussetzungen höchstwahrscheinlich auch zu anderen Mitteln gegriffen hätte.
Denn es sind ja nicht die Schusswaffen, die ihn zu einem Mörder gemacht haben, sondern seine (kranke) Persönlichkeit, die unbedingt töten wollte.
Es geht ja gar nicht darum, dass ein durchgehendes Verbot von Schusswaffen das Problem Amoklauf komplett narrensicher löst. Es geht darum, es den Leuten die soetwas tun so schwer wie nur irgend möglich zu machen. Liefert ein kategorisches
Verbot von Schusswaffen in privater Hand 100% Sicherheit? Nein, wie du ja auch dargelegt hast. Aber es ist ein deutlicher Aufwandsunterschied zwischen dem Zugriff auf (un-)gesicherter Feuerwaffen im Haushalt und sich Waffen/Bombenbauteile über den Schwarzmarkt beschaffen zu können. Manche potentielle Amokläufer lassen sich vielleicht schon von dem gesteigerten Aufwand aufhalten, andere können im Akt der Beschaffung vielleicht schon aufgehalten werden. Fallen Leute durch das Raster, die dann auf Messer/Äxte/Autos zurückgreifen? Klar, aber die Zahl insgesamt ist höchstwahrscheinlich gesunken.
Lass es mich so darlegen: Die Effektivität von Sicherheitstechnik, wie z.B. eines Sicherheitsschlosses wird nicht daran gemessen, dass sie Einbrüche 100% verhindert. Es geht vielmehr um die Zeit, die diese Technik dem Einbruchsversuch widerstehen kann, in der Nachbarn/die Polizei/etc. auf die Tat aufmerksam werden können, um diese dann zu verhindern. Genauso sehe ich das mit Schusswaffen. Umwege wie der Schwarzmarkt, oder das Beschaffen von Bombenbauanleitungen gibt den Sicherheitsbehörden Zeit die Gefahr zu erkennen und zu bannen.
In den USA gibt es regelmäßig Amokläufe mit Kriegswaffen in Privatbesitz, wie Sturmgewehren, oder in 2017 mit einem
Scharfschützengewehr (68 Tote, ~850 Verletzte). Das sehen wir in Deutschland und anderen Ländern mit durchgreifenden Waffengesetzen nicht. Warum? Leute haben keinen Zugriff auf Sturmgewehre und bestellen sich diese auch meistens nicht im Internet bevor sie so eine Tat begehen (Ausnahmen wie der Anschlag auf Charlie Hebdo gibt es natürlich, aber der quantitative Unterschied ist dennoch vorhanden). Unsere Waffengesetze können also einen Amoklauf mit so hohen Opferzahlen (größtenteils) verhindern.
Ich würde argumentieren, dass es einen ähnlichen Effekt bei dem Verbot von allen Feuerwaffen in Privatbesitz gäbe. Angriffe mit Handfeuerwaffen würden nicht aufhören, aber weniger werden. Dafür würden potentielle Amokläufer auf andere Mittel in Reichweite zurückgreifen, wie etwa Autos, Messer, Äxte, etc..
Die Sache bei Messern und Äxten ist aber nunmal diese: Die können wenn überhaupt im Nahkampf eingesetzt werden, sind nicht so leicht (physisch und psychisch) einzusetzen wie Schusswaffen und haben insgesamt ein geringeres Potential hohe Opferzahlen zu verursachen (Sogar in einem gedrängten Bereich kannst du nur ein paar Mal zuschlagen/-stechen bevor die Umstehenden die Flucht ergreifen und du kannst Fliehende nicht aus der Ferne ausschalten, wie ein trainierter Schütze das könnte. Dazu kann die Polizei einen Angreifer mit Axt deutlich einfacher aus der Ferne ausschalten, als einen Angreifer mit Pistole). Von daher würde die Erschwerung von Zugriff auf Schusswaffen in diesem Fall vermutlich Menschenleben retten.
Bleibt noch das Auto. Ja, es ist absolut Möglich mit einem Auto einen Amoklauf mit hohen Opferzahlen durchzuführen; wie das im Vergleich zu Schusswaffen ist kann ich nur spekulieren. Daher muss imo hier eine Abwägung der Rechtsgüter erfolgen. Das Verbot von Autos würde die Menschen in Deutschland als Ganzes enorm einschränken. Menschen auf dem Land wären extrem durch den Mangel an Transportalternativen stark benachteiligt, aber auch allen anderen würde das beim Reisen/der Fahrt zur Arbeit enorme Steine in den Weg legen.
Bei Schusswaffen ist das nicht so. Wer wird eingeschränkt wenn Waffen in Privatbesitz verboten werden? Wie hier besprochen, Menschen mit einschlägigen Hobbies. Sonst noch wer? Ich halte es für völlig legitim die Freizeitgestaltung eines kleinen Teils der Bevölkerung einzuschränken, um den o.g. Effekt zu erreichen, Angriffe mit Feuerwaffe deutlich zu erschweren. Dagegen halte ich es nicht für legitim mit dem Verbot eines Multifunktionswerkszeugs wie einem Auto die Gesellschaft fast als Ganzes einzuschränken (auch wenn damit Autounfälle drastisch verringert werden könnten, aber das ist ein anderes Thema).
Wenn das der einzig sinnvolle Ansatz ist, warum existiert nicht schon längst ein solches Verbot?
Dein
Appeal to Authority funktionier leider nicht. Nicht alles was sinnvoll ist, ist in Deutschland Gesetz und nicht alles was in Deutschland Gesetz ist, ist auch sinnvoll (siehe z.B. die Gesetzeslage im Bezug auf die Macht von Professor:innen, über die wir neulich Diskutiert haben). Daher kannst du die Gesetzeslage nicht Ben vorwerfen, der ja für eine umfassende Änderung plädiert.