Noak Fremyn
"Prince Charming" in Spe
[Äußerer Rand | Cronese-Mandat | Argai-System | Argai || Sah Gosta | Stadtrand | Wohnbezirk || Straße || Lieutenant Noak Fremyn allein]
Im Vergleich zu seiner Heimatwelt Bakura oder den Planeten, die er bislang besucht hatte, erschien ihm Argai überaus fremdartig. Statt saftig grüner Wiesen, dunkler Wälder und tiefblauer Ozeane sah man hier im Grunde nur eine öde Felswüste – soweit das Auge reicht. Der blutrote Himmel, der sich über ihm von Horizont zu Horizont spannte, sowie die ziemlich dünne Atmosphäre, die bei längeren Aufenthalten im ungeschützten Freien das Tragen eines Atemgeräts unablässig machte, wirkten auf ihn ebenfalls sehr befremdlich. Würden auf dieser Welt somit nicht irgendwelche Bauwerke stehen, die inzwischen tatsächlich mehr als fünfundzwanzigtausend Standardjahre alt waren, könnte er sich nur äußerst schwer vorstellen, dass hier allen Ernstes Menschen (freiwillig) siedelten. Obwohl sein Körper eigentlich noch voller Tatendrang war, ging er trotz allem mit einer gewissen Verwunderung durch die Straßen. Dass er seinen beiden Begleitern vergessen hatte kurz Bescheid zu sagen, hatte er jedoch längst vergessen.
Ein paar Häuserblocks vom Unterschlupf entfernt, den die Imperialen vom „Veteran“ zur Verfügung gestellt bekommen hatten, befand sich eine kleinere Haltestation der örtlichen Repulsorbahn. Zwar kannte der Bakuraner den Fahrplan nicht und hatte bloß einen flüchtigen Blick auf den Plan für das hiesige Schienennetz geworfen, aber er war felsenfest davon überzeugt, dass das „Cormil Sanpass Museum für Raumfahrt und Technologie“ – wie auf allen zivilisierten Welten – ebenso eine eigene Haltestelle besaß. Natürlich käme er auch zu Fuß dorthin oder hätte sich – von den paar Credits, die Brennan Diar'mon ihnen jeweils überlassen hatte – kurzerhand ein Gleitertaxi rufen können. Da ihn aber das Fahren mit der Repulsorbahn ein bisschen an Gresco City, seine Heimat, erinnerte, wollte er lieber diese Möglichkeit zur Fortbewegung nutzen. Als die besagte Haltestation endlich in Sichtweite war, hörte er plötzlich ein überaus einprägsames Surren. Eine Repulsorbahn näherte sich der Station!
Sogleich sah Noak, der bisher gemütlich spazierte, in Richtung der erhöht gelegenen Gleise, woher die ihm wohlbekannten Geräusche kamen. So konnte er vom Bürgersteig aus beobachten wie ein in hellen Sandfarben lackierter Zug gerade in die Station einfuhr. Nachdem Zischlaute vom Öffnen der Türen zu hören waren und eine eher schwer verständliche Lautsprecherdurchsage die aussteigenden Passagiere begrüßt hatte, ertönte umgehend von der nahen Haltestation her (durch das Gebäude ein kleines Bisschen gedämpft) das übliche Stimmengewirr. Möglicherweise war vor einer halben oder gar ganzen Stunde Schichtende gewesen und nun kehrten diese Arbeiter Heim. Nach einem leichten Ruck setzte sich der Zug kurz darauf wieder in Bewegung. Der Imperiale sah der sich entfernenden Repulsorbahn noch einen Moment nach, dann ging er weiter auf die Station zu.
Geschickt schlängelte er sich auf der Treppe zum Bahnsteig an den Anwohnern vorbei, die auf dem Heimweg waren. Dabei bemerkte der imperiale Fremdwelter abermals, dass die große Mehrheit der hiesigen Bürger weite Kleidung zu bevorzugen schien. Insbesondere die einfacheren Schichten der argai'schen Gesellschaft bevorzugten nämlich Überwurfmäntel, die beinah jegliche Körperkonturen verhüllten. Allenfalls die Reichen und Wohlhabenden, die in den oberen Etagen der Stufenpyramide residierten und demzufolge nur selten in Kontakt mit dem gewöhnlichen Volk zu kommen schienen, kleideten sich in edlere Gewänder mit allerhand vergoldeten Kunststickereien. Solche Unterschiede – jedenfalls in so krasser Form – kannte Noak aus seiner Heimat nicht. Bakura schien diesbezüglich weitaus egalitärer zu sein. Hing das womöglich mit der Zugehörigkeit zum Galaktischen Imperium zusammen? Förderte die Neue Republik die Ungleichheit? Obwohl er sich bislang eher weniger mit der Ideologie der Neuen Ordnung beschäftigt hatte, kamen ihm mit einem Mal solche Fragen in den Sinn.
Nach der Treppe, die etwa zwei Stockwerke in die Höhe führte, schloss sich sogleich der Bahnsteig an. Dieser war beinah verwaist als er ihn betrat. Da erst vor wenigen Minuten ein Zug gehalten hatte, war kaum ein wartender Fahrgast zu sehen. Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, ging der junge Bakuraner direkt zum just zuvor erspähten holografischen Aushang – und tatsächlich hielt die Linie, die diese Strecke bediente, auch beim Museum. Drei Stationen lagen vor ihm. 'Das ist ja fast nichts', dachte Noak zufrieden, prägte sich die Namen der Haltestellen ein und schlenderte danach – etwas ziellos – über den Bahnsteig. Um den Fahrgästen die Wartezeit ein bisschen angenehmer zu gestalten, hatte die Gesellschaft, die die Repulsorbahn betrieb, pro Bahnsteig jeweils einen klobigen Holoprojektor aufgestellt, der ausschließlich (lokale) Werbung und kleinere Nachrichtenausschnitte zeigte. Bevor er sich zu den anderen Wartenden stellte und sich dumpf das Programm ansah, machte er trotz allem seinen kurzen „Rundgang“ fertig. Viel zu sehen gab es in diesem Wohnviertel jedoch nicht.
Beim Lesen dieser Nachricht schluckte Noak unwillkürlich. Während neben dem eher knappen Text mehrere Bilder von der Enterung, dem In-Gewahrsam-nehmen und dem vermeintlichen Spion, dem Vertreter einer katzenartigen, heimtückisch wirkenden Spezies (Arguss), gezeigt wurden, liefen vor dem geistigen Auge des Bakuraners augenblicklich Szenen auf der Brücke der „Alièstra“ ab. Durch die verbesserten Sensoren, die die cygnische Nebulon B-Fregatte seit ihrem letzten Einsatz besaß, hatte man problemlos das ganze Schauspiel beobachten können. Natürlich hatte man sich in jenem Moment genauso gefragt, ob es sich um etwas tölpelhafte Mannschaften handelte oder ob nicht viel mehr irgendein Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte. Die Hutten, denen die Bemühungen der Cygnier mit Sicherheit ein ziemlich mächtiger Dorn im Auge waren, waren dabei natürlich ein heiß gehandelter Favorit gewesen. Weil die beiden „Zivilschiffe“ aber seit dem Verlassen des Chalacta-Systems an den von neurepublikanischen Kriegsschiffen begleiteten Cygniern geklebt hatten, hatte man den neurepublikanischen Geheimdienst nicht ausschließen wollen. Im Vier-Augen-Gespräch hatte Brennan Diar'mon irgendwann zudem kurz die Vermutung angestellt, dass es unter Umständen auch die Cygnier selbst hätten sein können. Möglicherweise wollte die eine oder andere Fraktion in Kaprala ja das Imperium übervorteilen.
Noak schob die aufkommenden Gedanken zu möglichen Verschwörungen am königlichen Hof des Cygnischen Sternenimperiums beiseite und las stattdessen den Text. Offenbar gehörten die beiden Frachter, die das Militär ohne Gewaltanwendung hatte aufbringen können, zu einer auf Ord Mantell ansässigen Unternehmung namens „ATLAS“. Laut dem Bericht produzierte das Unternehmen zum Großteil Handfeuerwaffen für den privaten Sicherheitssektor her und vertrieb diese selbst. Darüber hinaus verbesserten sie wohl – als zweites Standbein – zivile Schiffe. Der Name sagte dem jungen Bakuraner nichts. Jedoch war das Galaktische Imperium auch verdammt groß und zwischen seiner Heimatwelt und Ord Mantell lag fast eine ganze Galaxie. Im Text war weiterhin zu lesen, dass sich die (jedenfalls für cronesische Verhältnisse) bekannte Rechtsanwaltskanzlei „Kroan – Luun – Neezuma“ des Falles angenommen habe, während Captain Jos Cavi, die Schiffskommandantin des Dauntless-Schlachtkreuzers „Intrepid“, den Ermittlungsbehörden sämtliche Daten überreicht haben soll. In politischen Kreisen rechne man außerdem damit, dass sich schon bald die Ratskapitäne für Justiz und Wirtschaft in die Sache einschalten würden.
„Imperiale Spione? Hier bei uns?“, murrte ein wartender Fahrgast hörbar ungläubig. „Hatten die vor Tagen nicht berichtet, dass eine imperiale Korvette ('Thor') die Anstandsdame für Cygnier spielen soll?“
Ein anderer Fahrgast zuckte brummend mit den Schultern. „So eine richtige Korvette ist doch bestimmt viel zu auffällig! Wenn die Cygnier irgendwelche Hintergedanken haben und zu uns in die Neue Republik kommen wollen, werden die das ausschließlich im Geheimen mit irgendwelchen Vertretern von uns bereden. Den imperialen Kommandanten speist man dann mit einem harmlosen Dinner ab … oder so.“ Der Anwohner strich seinen Mantel glatt und sah danach etwas verschwörerisch in die Runde. „Allegious, diesem hässlichen Scheusal, sowie dessen herzlosen Handlangern würde ich es jedenfalls zutrauen, dass die ihre eigenen Verbündeten überwachen!“
„Der Imperiale Geheimdienst muss uns dann aber für ziemlich dämlich halten!“, schaltete sich nun eine Greisin mit brüchiger Stimme ein. „Bei 'Bacanar News' war heute morgen zu lesen, dass diese aufgebrachten Frachter wohl umgerüstete Kriegsschiffe sein sollen! Da wird doch jeder auf Anhieb stutzig, wenn solche Dinger in dein System springen.“
Unter den Wartenden entstand mit einem Mal eine hitzige Diskussion. Obwohl zwischen den beiden größten Machtblöcken der Galaxie seit einer ganzen Weile offiziell Frieden herrschte und langsam der Handel zu prosperieren begann, war die jeweilige Bevölkerung nach all den Jahren des Krieges noch voller Misstrauen. Beide Seiten trauten der entsprechend anderen Seite ohne jegliches Zögern die größten Schandtaten zu, während man selbst von „Heiligen“ vertreten wurde. Eigentlich war der Bakuraner kein besonders fanatischer Imperialer. Von Bakura aus gesehen war die Thronwelt sowie der Imperator immerhin sehr weit weg. Seine Majestät, Allegious I., kannte er bislang dem Grunde nach nur von holografischen Darstellungen. Selbst bei seiner feierlichen Vereidigung – als er endlich sein Offizierspatent in den Händen gehalten hatte – hatte er seine Treue nur gegenüber dem dortigen Kommandeur und einer (leidlich eindrucksvollen) Projektion des Vorgängers, Lord Phollow, schwören müssen. Dennoch juckte es ihm plötzlich in den Fingern diesen „Unwissenden“ Widerworte an den Kopf zu schleudern. Die Neue Ordnung war gut! Die Neue Ordnung war richtig! Wer sonst brachte der Galaxie Frieden, Ordnung und Sicherheit? Nur mit Mühe und Not hielt sich Noak zurück.
Just in dem Moment, als der mentale Damm fast zu brechen drohte, fuhr auf einmal der nächste Zug in die kleine Station ein. Die wartenden Fahrgäste wandten sich umgehend von dem Projektor ab, um sich prompt dort einzufinden, wo sich die Türen der einzelnen Wagons nach dem Stehenbleiben befinden würden. Aus mehreren Lautsprechern ertönte abermals die maschinelle Ansprache als sich zischend die Türen öffneten und mehrere Passagiere die Repulsorbahn verließen. Noak, der solche Situationen aus Gresco City gewohnt war, ging eilig zur nächsten Tür und sobald keiner mehr durch die Öffnung kam, um den Wagon zu verlassen, stieg er ein. Da man sich in der Peripherie der Stadt befand, waren viele Plätze frei. Ohne zu zögern ging der Imperiale zu einem freien Fensterplatz und ließ sich nieder. Und gerade als ein leichter Ruck durch den Zug ging und dieser sich gemächlich in Bewegung setzte, sprang bei dem Holoprojektor mit einem Mal das Bild um.
Im Vergleich zu seiner Heimatwelt Bakura oder den Planeten, die er bislang besucht hatte, erschien ihm Argai überaus fremdartig. Statt saftig grüner Wiesen, dunkler Wälder und tiefblauer Ozeane sah man hier im Grunde nur eine öde Felswüste – soweit das Auge reicht. Der blutrote Himmel, der sich über ihm von Horizont zu Horizont spannte, sowie die ziemlich dünne Atmosphäre, die bei längeren Aufenthalten im ungeschützten Freien das Tragen eines Atemgeräts unablässig machte, wirkten auf ihn ebenfalls sehr befremdlich. Würden auf dieser Welt somit nicht irgendwelche Bauwerke stehen, die inzwischen tatsächlich mehr als fünfundzwanzigtausend Standardjahre alt waren, könnte er sich nur äußerst schwer vorstellen, dass hier allen Ernstes Menschen (freiwillig) siedelten. Obwohl sein Körper eigentlich noch voller Tatendrang war, ging er trotz allem mit einer gewissen Verwunderung durch die Straßen. Dass er seinen beiden Begleitern vergessen hatte kurz Bescheid zu sagen, hatte er jedoch längst vergessen.
Ein paar Häuserblocks vom Unterschlupf entfernt, den die Imperialen vom „Veteran“ zur Verfügung gestellt bekommen hatten, befand sich eine kleinere Haltestation der örtlichen Repulsorbahn. Zwar kannte der Bakuraner den Fahrplan nicht und hatte bloß einen flüchtigen Blick auf den Plan für das hiesige Schienennetz geworfen, aber er war felsenfest davon überzeugt, dass das „Cormil Sanpass Museum für Raumfahrt und Technologie“ – wie auf allen zivilisierten Welten – ebenso eine eigene Haltestelle besaß. Natürlich käme er auch zu Fuß dorthin oder hätte sich – von den paar Credits, die Brennan Diar'mon ihnen jeweils überlassen hatte – kurzerhand ein Gleitertaxi rufen können. Da ihn aber das Fahren mit der Repulsorbahn ein bisschen an Gresco City, seine Heimat, erinnerte, wollte er lieber diese Möglichkeit zur Fortbewegung nutzen. Als die besagte Haltestation endlich in Sichtweite war, hörte er plötzlich ein überaus einprägsames Surren. Eine Repulsorbahn näherte sich der Station!
Sogleich sah Noak, der bisher gemütlich spazierte, in Richtung der erhöht gelegenen Gleise, woher die ihm wohlbekannten Geräusche kamen. So konnte er vom Bürgersteig aus beobachten wie ein in hellen Sandfarben lackierter Zug gerade in die Station einfuhr. Nachdem Zischlaute vom Öffnen der Türen zu hören waren und eine eher schwer verständliche Lautsprecherdurchsage die aussteigenden Passagiere begrüßt hatte, ertönte umgehend von der nahen Haltestation her (durch das Gebäude ein kleines Bisschen gedämpft) das übliche Stimmengewirr. Möglicherweise war vor einer halben oder gar ganzen Stunde Schichtende gewesen und nun kehrten diese Arbeiter Heim. Nach einem leichten Ruck setzte sich der Zug kurz darauf wieder in Bewegung. Der Imperiale sah der sich entfernenden Repulsorbahn noch einen Moment nach, dann ging er weiter auf die Station zu.
Geschickt schlängelte er sich auf der Treppe zum Bahnsteig an den Anwohnern vorbei, die auf dem Heimweg waren. Dabei bemerkte der imperiale Fremdwelter abermals, dass die große Mehrheit der hiesigen Bürger weite Kleidung zu bevorzugen schien. Insbesondere die einfacheren Schichten der argai'schen Gesellschaft bevorzugten nämlich Überwurfmäntel, die beinah jegliche Körperkonturen verhüllten. Allenfalls die Reichen und Wohlhabenden, die in den oberen Etagen der Stufenpyramide residierten und demzufolge nur selten in Kontakt mit dem gewöhnlichen Volk zu kommen schienen, kleideten sich in edlere Gewänder mit allerhand vergoldeten Kunststickereien. Solche Unterschiede – jedenfalls in so krasser Form – kannte Noak aus seiner Heimat nicht. Bakura schien diesbezüglich weitaus egalitärer zu sein. Hing das womöglich mit der Zugehörigkeit zum Galaktischen Imperium zusammen? Förderte die Neue Republik die Ungleichheit? Obwohl er sich bislang eher weniger mit der Ideologie der Neuen Ordnung beschäftigt hatte, kamen ihm mit einem Mal solche Fragen in den Sinn.
Nach der Treppe, die etwa zwei Stockwerke in die Höhe führte, schloss sich sogleich der Bahnsteig an. Dieser war beinah verwaist als er ihn betrat. Da erst vor wenigen Minuten ein Zug gehalten hatte, war kaum ein wartender Fahrgast zu sehen. Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, ging der junge Bakuraner direkt zum just zuvor erspähten holografischen Aushang – und tatsächlich hielt die Linie, die diese Strecke bediente, auch beim Museum. Drei Stationen lagen vor ihm. 'Das ist ja fast nichts', dachte Noak zufrieden, prägte sich die Namen der Haltestellen ein und schlenderte danach – etwas ziellos – über den Bahnsteig. Um den Fahrgästen die Wartezeit ein bisschen angenehmer zu gestalten, hatte die Gesellschaft, die die Repulsorbahn betrieb, pro Bahnsteig jeweils einen klobigen Holoprojektor aufgestellt, der ausschließlich (lokale) Werbung und kleinere Nachrichtenausschnitte zeigte. Bevor er sich zu den anderen Wartenden stellte und sich dumpf das Programm ansah, machte er trotz allem seinen kurzen „Rundgang“ fertig. Viel zu sehen gab es in diesem Wohnviertel jedoch nicht.
„Neurepublikanisches Militär bringt Spion auf! Eine Verschwörung der Hutten oder handelt es sich um Imperiale?“
Beim Lesen dieser Nachricht schluckte Noak unwillkürlich. Während neben dem eher knappen Text mehrere Bilder von der Enterung, dem In-Gewahrsam-nehmen und dem vermeintlichen Spion, dem Vertreter einer katzenartigen, heimtückisch wirkenden Spezies (Arguss), gezeigt wurden, liefen vor dem geistigen Auge des Bakuraners augenblicklich Szenen auf der Brücke der „Alièstra“ ab. Durch die verbesserten Sensoren, die die cygnische Nebulon B-Fregatte seit ihrem letzten Einsatz besaß, hatte man problemlos das ganze Schauspiel beobachten können. Natürlich hatte man sich in jenem Moment genauso gefragt, ob es sich um etwas tölpelhafte Mannschaften handelte oder ob nicht viel mehr irgendein Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte. Die Hutten, denen die Bemühungen der Cygnier mit Sicherheit ein ziemlich mächtiger Dorn im Auge waren, waren dabei natürlich ein heiß gehandelter Favorit gewesen. Weil die beiden „Zivilschiffe“ aber seit dem Verlassen des Chalacta-Systems an den von neurepublikanischen Kriegsschiffen begleiteten Cygniern geklebt hatten, hatte man den neurepublikanischen Geheimdienst nicht ausschließen wollen. Im Vier-Augen-Gespräch hatte Brennan Diar'mon irgendwann zudem kurz die Vermutung angestellt, dass es unter Umständen auch die Cygnier selbst hätten sein können. Möglicherweise wollte die eine oder andere Fraktion in Kaprala ja das Imperium übervorteilen.
Noak schob die aufkommenden Gedanken zu möglichen Verschwörungen am königlichen Hof des Cygnischen Sternenimperiums beiseite und las stattdessen den Text. Offenbar gehörten die beiden Frachter, die das Militär ohne Gewaltanwendung hatte aufbringen können, zu einer auf Ord Mantell ansässigen Unternehmung namens „ATLAS“. Laut dem Bericht produzierte das Unternehmen zum Großteil Handfeuerwaffen für den privaten Sicherheitssektor her und vertrieb diese selbst. Darüber hinaus verbesserten sie wohl – als zweites Standbein – zivile Schiffe. Der Name sagte dem jungen Bakuraner nichts. Jedoch war das Galaktische Imperium auch verdammt groß und zwischen seiner Heimatwelt und Ord Mantell lag fast eine ganze Galaxie. Im Text war weiterhin zu lesen, dass sich die (jedenfalls für cronesische Verhältnisse) bekannte Rechtsanwaltskanzlei „Kroan – Luun – Neezuma“ des Falles angenommen habe, während Captain Jos Cavi, die Schiffskommandantin des Dauntless-Schlachtkreuzers „Intrepid“, den Ermittlungsbehörden sämtliche Daten überreicht haben soll. In politischen Kreisen rechne man außerdem damit, dass sich schon bald die Ratskapitäne für Justiz und Wirtschaft in die Sache einschalten würden.
„Imperiale Spione? Hier bei uns?“, murrte ein wartender Fahrgast hörbar ungläubig. „Hatten die vor Tagen nicht berichtet, dass eine imperiale Korvette ('Thor') die Anstandsdame für Cygnier spielen soll?“
Ein anderer Fahrgast zuckte brummend mit den Schultern. „So eine richtige Korvette ist doch bestimmt viel zu auffällig! Wenn die Cygnier irgendwelche Hintergedanken haben und zu uns in die Neue Republik kommen wollen, werden die das ausschließlich im Geheimen mit irgendwelchen Vertretern von uns bereden. Den imperialen Kommandanten speist man dann mit einem harmlosen Dinner ab … oder so.“ Der Anwohner strich seinen Mantel glatt und sah danach etwas verschwörerisch in die Runde. „Allegious, diesem hässlichen Scheusal, sowie dessen herzlosen Handlangern würde ich es jedenfalls zutrauen, dass die ihre eigenen Verbündeten überwachen!“
„Der Imperiale Geheimdienst muss uns dann aber für ziemlich dämlich halten!“, schaltete sich nun eine Greisin mit brüchiger Stimme ein. „Bei 'Bacanar News' war heute morgen zu lesen, dass diese aufgebrachten Frachter wohl umgerüstete Kriegsschiffe sein sollen! Da wird doch jeder auf Anhieb stutzig, wenn solche Dinger in dein System springen.“
Unter den Wartenden entstand mit einem Mal eine hitzige Diskussion. Obwohl zwischen den beiden größten Machtblöcken der Galaxie seit einer ganzen Weile offiziell Frieden herrschte und langsam der Handel zu prosperieren begann, war die jeweilige Bevölkerung nach all den Jahren des Krieges noch voller Misstrauen. Beide Seiten trauten der entsprechend anderen Seite ohne jegliches Zögern die größten Schandtaten zu, während man selbst von „Heiligen“ vertreten wurde. Eigentlich war der Bakuraner kein besonders fanatischer Imperialer. Von Bakura aus gesehen war die Thronwelt sowie der Imperator immerhin sehr weit weg. Seine Majestät, Allegious I., kannte er bislang dem Grunde nach nur von holografischen Darstellungen. Selbst bei seiner feierlichen Vereidigung – als er endlich sein Offizierspatent in den Händen gehalten hatte – hatte er seine Treue nur gegenüber dem dortigen Kommandeur und einer (leidlich eindrucksvollen) Projektion des Vorgängers, Lord Phollow, schwören müssen. Dennoch juckte es ihm plötzlich in den Fingern diesen „Unwissenden“ Widerworte an den Kopf zu schleudern. Die Neue Ordnung war gut! Die Neue Ordnung war richtig! Wer sonst brachte der Galaxie Frieden, Ordnung und Sicherheit? Nur mit Mühe und Not hielt sich Noak zurück.
Just in dem Moment, als der mentale Damm fast zu brechen drohte, fuhr auf einmal der nächste Zug in die kleine Station ein. Die wartenden Fahrgäste wandten sich umgehend von dem Projektor ab, um sich prompt dort einzufinden, wo sich die Türen der einzelnen Wagons nach dem Stehenbleiben befinden würden. Aus mehreren Lautsprechern ertönte abermals die maschinelle Ansprache als sich zischend die Türen öffneten und mehrere Passagiere die Repulsorbahn verließen. Noak, der solche Situationen aus Gresco City gewohnt war, ging eilig zur nächsten Tür und sobald keiner mehr durch die Öffnung kam, um den Wagon zu verlassen, stieg er ein. Da man sich in der Peripherie der Stadt befand, waren viele Plätze frei. Ohne zu zögern ging der Imperiale zu einem freien Fensterplatz und ließ sich nieder. Und gerade als ein leichter Ruck durch den Zug ging und dieser sich gemächlich in Bewegung setzte, sprang bei dem Holoprojektor mit einem Mal das Bild um.
„Werfen Sie einen Blick in die ruhmreiche Vergangenheit der Cronesen! Besuchen Sie noch heute die Schwester der LEGENDÄREN 'Pourriture'!
–
Das 'Cormil Sanpass Museum für Raumfahrt und Technologie' erwartet Sie! Gönnen Sie sich ein Abenteuer!“
–
Das 'Cormil Sanpass Museum für Raumfahrt und Technologie' erwartet Sie! Gönnen Sie sich ein Abenteuer!“
[Äußerer Rand | Cronese-Mandat | Argai-System | Argai || Sah Gosta | Stadtrand | Wohnbezirk || Sah Gosta-Repulsorbahn | Linie Neun | vorletzter Wagon || Lieutenant Noak Fremyn allein]