Arkadi Duval
Necessary evil
[Coruscant-System | Coruscant | Obere Ebenen | Jedi-Tempel| Westturm, Meditationsraum | Lieutenant Arkadi Duval, Eowyn, Ian
Die Wahrheit. Was war die Wahrheit? Gab es nur eine oder mehrere, je nachdem, mit wem man sprach? Die Welt der Geheimdienste war voller Lügen, Täuschungen und Halbwahrheiten, gefüllt mit geschwärzten Akten, Decknamen und plausiblem Abstreiten, von Operationen, die niemals an die Öffentlichkeit kommen würden. Es war eine Welt, in der die Wahrheit flüssig wurde, wie Wasser, und ebenso so schnell zwischen den Fingern rann. Es war die Welt, die Arkadi für sich gewählt hatte, und sie hatte ihn misstrauisch und vorsichtig gemacht. Unverzichtbare Eigenschaften, um zu überleben, und mit der Zeit hatte er ehemalige Soldat für sich daraus die Erkenntnis gewonnen, dass man die Wahrheit nur über die Fakten finden konnte und diese konnte man nur herausfinden, indem man sich die Versionen der an den Ereignissen beteiligten Lebewesen anhörte, sie miteinander und mit anderen Daten verglich und daraus ein Bild schuf, wie ein Puzzle, das man Stück für Stück zusammensetzte. Und ähnlich wie ein Puzzle entsprach dieses Bild nie vollkommen der Realität, war es nahezu unmöglich, die ganze Wahrheit in Erfahrung zu bringen. Aber man musste es versuchten. Arkadi musste es versuchen, das war er all den Opfern des Virus und den Bürgern der Neuen Republik schuldig. Wenn tatsächlich das Imperium hinter den schrecklichen Vorfällen stand, so mussten die Entscheidungsträger im Senat und in den Sicherheitsorganen davon erfahren und die notwendigen Maßnahmen treffen, um diese Bedrohung zu beenden und Rache zu üben. Nein, nicht Rache. Gerechtigkeit. Vergeltung. Doch noch war es nicht so weit, noch war nicht sicher, ob Ian die Wahrheit sagte, und solange das nicht sicher war, würde auch nichts passieren. Ein Grund mehr, diese Befragung zu intensivieren und der Sache auf den Grund zu gehen, Stück für Stück, Detail für Detail. Arkadi sah seinem Gegenüber weiterhin die Augen, suchend, forschend, auf Anzeichen für Lügen und seine Gefühle achtend. Die kühlen blauen Augen des Agenten war ruhig und analytisch, so als betrachte er ein verschwommenes Bild und versuchte zu erkennen, was darauf zu sehen war. Eine ganze Weile hatte Schweigen geherrscht, nachdem der Sith enthüllt hatte, was er getan hatte. Acht Morde, darunter seine eigene Familie. Es war eine unvorstellbare Tat und doch zugleich so...logisch. Eine Organisation wie die Sith hielt ohne Zweifel Ausschau nach Leuten wie Ian, nach Lebewesen, die Dunkelheit in sich trugen und niemanden mehr hatten.
Der angebliche Überläufer musste seine Gedanken gehört oder zumindest erahnt haben, denn als der dunkelhaarige Mann schließlich sprach, laut fragte er, welche Wahrheit der Agent meinte, dabei sah er ihn mit einer Leere in seinen Augen an, die an die Finsternis des Alls erinnerte, seine Stimme war belegt und von Emotionen erfüllt. Die Wahrheit, so Ian, gab es nicht, lediglich seine Version davon, und der Sith wünschte zu wissen, welche Ereignisse Arkadi meinte. Dieser hatte seine Aussagen bewusst vage gehalten, um eine Reaktion zu provozieren, der Sith sollte reden. Hatte er erst einmal damit angefangen, so war es leichter, mehr aus ihm herauszubekommen. Arkadi legte die Fingerspitzen aneinander, was half, seine Hände ruhig zu halten, und schwieg einen Moment.
„Ihre Wahrheit, Mr. Dice. Ich will wissen, was Sie als die Wahrheit ansehen. Über sich selbst. Über die Sith, den Virus...alles. Ich muss es wissen. Ich muss wissen, was für ein Mensch Sie sind.“
Arkadis Stimme war gleichmäßig, doch lag darin eine Energie, ein Ausdruck von Entschiedenheit.
„Wenn wir in einen Spiegel sehen, dann sehen wir uns, wie wir wirklich sind. Woran wir glauben, was wir lieben, was wir hassen. Was wir getan haben und was wir tun werden. Wir können unserer eigenen Reflexion nicht entkommen, Mr. Dice. Niemand kann das. Heute...heute stehe ich neben Ihnen, wenn Sie in den Spiegel blicken.“
Erklärte der blonde Mensch und aus gutem Grund hatte er von „wir“ gesprochen, traf das doch auch auf den Agenten zu, der kurz gezögert hatte. Wie oft hatte er in den Spiegel geblickt und mit sich gerungen, hatte diese und jene Entscheidung hinterfragt? Es war gut, dass Ian in diesem Moment die Augen schloss, der Sith schien von Erinnerungen überwältigt und konnte so die Verletzlichkeit nicht sehen, die in den sonst so kühlen Augen Arkadis aufgeblitzt war. Dadurch bot sich die Gelegenheit, sich zu sammeln. In einem Verhör niemals Schwäche zeigen, rief er sich in Erinnerung, und er warf Eowyn einen kurzen Blick zu, nun wieder gefasst und kontrolliert. Die Großmeisterin konnte durch die Macht ohnehin schon viel zu viel über ihn wissen. Das Schweigen endete, als Ian seine Augen wieder öffnete und der Aufforderung folgte, über seine Zeit bei den Sith zu sprechen. Er war jung gewesen, als er zu ihnen gegangen war, gerade einmal Mitte zwanzig. Freiwillig gegangen war. Doch wie freiwillig traf man solche Entscheidungen? Arkadi hörte aufmerksam zu, als der Sith eine Art Kodex zitierte, er klang dabei von Bitterkeit erfüllt. Sieg, Stärke, Macht, Befreiung...alles verlockende Worte, die vieles bedeuten konnten und voller Verheißungen waren. Frieden, eine Lüge? Angesichts des Zustands der Galaxis eine Aussage, die durchaus nicht von der Hand zu weisen war. Sahen die Sith das Dasein als einen niemals endenden Krieg? Ein abschreckender Gedanke, fand der ehemalige Soldat, der mehr genug seiner Schrecken erlebt hatte. Er kämpfte, damit Frieden herrschen konnte, wahrer Frieden, nicht um Blutlust oder Herrschsucht zu befriedigen, wie es bei den Sith offenbar der Fall war.
Ian erläuterte, wie dieser Kodex zu verstehen war. Absoluter Gehorsam gegenüber dem Imperator und das Recht der Stärkeren, die Vernichtung oder Misshandlung aller, die als schwach angesehen wurden. Es waren Prinzipien, die mit denen der Neuen Republik vollkommen unvereinbar waren, die ihnen absolut konträr gegenüberstanden. So abstoßend diese Ideologie auch war, in einem Punkt hatte sie recht: Wer die Macht besaß, der bestimmte auch, was gut und was schlecht war. Ideale und Werte waren immer nur so stark wie diejenigen, die für sie eintraten. Hätte die Neue Republik entschieden, sich nicht zu wehren, sondern sich dem Imperium zu unterwerfen, wären ihre Ideale mit ihr begraben worden. Deshalb musste sie endlich wieder stärker werden und den Willen finden, sich gegen das Imperium mit allen Mitteln zu behaupten. Nun kam Ian auf die Aufgabe zu sprechen, die er vom Imperator erhalten hatte, nämlich die Vorbereitung der Vorverhandlungen, dabei erwähnte er eine Schülerin und lachte, ein kurzes, bitteres Lachen ohne Freude. Gespannt hörte Arkadi zu und sog jedes Detail in sich auf. Er erhielt einen Einblick in die innere Funktionsweise der Sith, die Annahme durch einen Meister nach einer Prüfung, die Herstellung einer Verbindung zwischen Schüler und Meister, die vorkam, aber nicht unbedingt üblich war. Dem Agenten fiel auf, dass Ian von Schülern gesprochen hatte.
„Existiert diese Verbindung noch? Und wie viele Schüler haben Sie ausgebildet?“
Hakte Arkadi an dieser Stelle nach. Es klang so, als wäre es eine Sache der Vergangenheit, doch er wollte auf Nummer sicher gehen. Nun sah der Sith ihn direkt an, seine Stimme voller Überzeugung. Ian machte deutlich, dass er nicht zu Jedi, Sith, Imperium oder Neuer Republik gehörte und auch kein Überläufer war, seine Motivation bestand darin, das Richtige zu tun und das Virus aufzuhalten. Dem Stih schien es damit ernst zu sein, er klang wie ein Mann, der sich für etwas entschieden hatte. Nachdenklich sah der Agent ihn an. Es wirkte glaubwürdig...aber das taten gute Lügen auch.
„Wenn Sie zu keiner dieser Organisationen gehören...zu was oder wem gehören Sie dann?“
Und dabei sah der blonde Mann für einen Moment nicht Ian an, sondern zu Eowyn. Es war ihm schon im Garten aufgefallen, wie vertraut die beiden miteinander umgingen und wie besorgt um sein Wohlergehen die Großmeisterin gewirkt hatte, und auch jetzt schienen die beiden einander nah zu sein. Nicht offensichtlich, aber das Gefühl war da, und Arkadi traute diesem Gefühl. Waren die beiden Freunde? Ein Liebespaar? Was auch immer sie waren, sie waren mehr als Wächterin und Gefangener. Ian hatte eine kurze Pause gemacht und sprach dann davon, was ihn zum Zweifeln gebracht hatte. Es war der Imperator gewesen, der rücksichtslos verkündet hatte, dass er bereit war, Milliarden von Lebewesen zu ermorden, darunter seine eigenen Bürger, um die Neue Republik endgültig zu vernichten und die absolute Herrschaft über die Galaxis zu erringen. Ein Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes...Bestürzung und Hass loderten gleichermaßen in Arkadi auf, seine Hände vor Zorn fest aneinandergedrückt. Es hatte genügend Stimmen gegeben, die vor dem Friedensvertrag gewarnt hatten. Die auf die Gräueltaten des Imperiums und die Skrupellosigkeit seines Herrschers verwiesen hatten, auf die vielen Völker, die unter imperialer Knechtschaft standen und sich von der Neuen Republik Hilfe beim Kampf um ihre Freiheit erhofft hatten, auf die Toten und Verwundeten, denen man es schuldete, das Imperium endgültig zu besiegen, auf die jüngsten militärischen Erfolge bei Corellia. Man hatte sie ignoriert, als Kriegstreiber und paranoide Feinde des Friedens gebrandmarkt, und sehenden Auges war die Neue Republik in die Falle getappt. Eine Unterschrift, und all das, wofür Arkadi und so viele andere gekämpft hatten, nämlich der Sturz des Imperiums, war vergessen worden, weggewischt von der Aussicht auf „Frieden“. Der ehemalige Soldat musste sich zwingen, sich durch den Schleier des Zorns wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
„Dann hat der Imperator alle getäuscht. Der Friedensvertrag ist nichts anderes als eine Falle, in die die Neue Republik nur allzu bereitwillig getappt ist. Hat er je von seinen weiteren Plänen gesprochen? Will er die Neue Republik durch den Virus schwächen und anschließend eine militärische Offensive starten oder rechnet er damit, dass der Virus allein ausreichen wird? Hat er Agenten im Senat, Truppenbewegungen, Allianzen mit anderen Mächten, etc. erwähnt?“
Meinte er bitter. Ian hatte zu zweifeln begonnen, als der Imperator ihm dies enthüllt hatte. Arkadi war geneigt ihm zu glauben, dass er davon ehrlich schockiert gewesen war und andere Vorstellungen davon gehabt hatte, was das Imperium sein sollte. Der Agent kannte die Propaganda und das Image, das das Imperium seinen Bürgern vermittelte. Ihm fiel auf, dass der Sith über seine Familie zu sprechen schien, die wohl ähnlich falsch gewesen sein musste wie das Imperium, jedenfalls klang es so. Ian starrte ihn an und fragte mit Trauer, wie er angesichts dieser Tatsachen nicht hätte zweifeln können.
„Sie haben es in Kauf genommen, weil Sie es damals für notwendig hielten. Weil Sie an etwas geglaubt haben, das größer ist als Sie selbst, ein Ideal. Aber dieses Ideal...es hat nie existiert.“
Der Ton von Arkadis Stimme legte nahe, dass er ebenso über den Sith sprach wie über sich selbst. Auch er fühlte Enttäuschung und Desillusionierung, Gefühle, die er bereits gehegt hatte, als der Friedensvertrag bekannt geworden war und die nun noch stärker wurden. Wofür hatten er und seine Kameraden gekämpft, wofür all die Opfer gebracht? Damit ein paar naive Senatoren dem Feind alles auf dem Silbertablett servieren konnten. Ian sprach weiter und erzählte, dass auch Eowyn eine Rolle dabei gespielt hatte, und er wirkte dabei ungeheuer erschöpft und um Jahre gealtert. Es war das Gesicht eines Mannes, der eine schreckliche Last mit sich trug. Ebenso prägnant wie bitter fasste er den Unterschied zwischen dem, was er einst über die Sith und ihre Fesseln geglaubt hatte und der Realität zusammen. Eine ganze Weile herrschte Schweigen, als Arkadi über das Gesagte nachdachte. Es machte Sinn. Es war glaubwürdig. Natürlich konnte man auch ihn auch täuschen, doch sein Bauchgefühl und alle Hinweise sagten ihm, dass Ian Dice die Wahrheit sagte. Über alles.
Die Tragweite dieser Erkenntnis war ungeheuerlich. Doch noch fehlte ein Teil des Puzzles, ein letztes Stück. Arkadi sah zu Eowyn, betrachtete die Jedi nachdenklich.
„Können Sie näher erläutern, welche Rolle die Großmeisterin dabei gespielt hat?“
Fragte der Agent schließlich und zwang sich dabei sachlich und ruhig zu klingen. Egal wer von beiden antwortete, es würde das letzte Teil des Puzzles sein.
[Coruscant-System | Coruscant | Obere Ebenen | Jedi-Tempel| Westturm, Meditationsraum | Lieutenant Arkadi Duval, Eowyn, Ian
Die Wahrheit. Was war die Wahrheit? Gab es nur eine oder mehrere, je nachdem, mit wem man sprach? Die Welt der Geheimdienste war voller Lügen, Täuschungen und Halbwahrheiten, gefüllt mit geschwärzten Akten, Decknamen und plausiblem Abstreiten, von Operationen, die niemals an die Öffentlichkeit kommen würden. Es war eine Welt, in der die Wahrheit flüssig wurde, wie Wasser, und ebenso so schnell zwischen den Fingern rann. Es war die Welt, die Arkadi für sich gewählt hatte, und sie hatte ihn misstrauisch und vorsichtig gemacht. Unverzichtbare Eigenschaften, um zu überleben, und mit der Zeit hatte er ehemalige Soldat für sich daraus die Erkenntnis gewonnen, dass man die Wahrheit nur über die Fakten finden konnte und diese konnte man nur herausfinden, indem man sich die Versionen der an den Ereignissen beteiligten Lebewesen anhörte, sie miteinander und mit anderen Daten verglich und daraus ein Bild schuf, wie ein Puzzle, das man Stück für Stück zusammensetzte. Und ähnlich wie ein Puzzle entsprach dieses Bild nie vollkommen der Realität, war es nahezu unmöglich, die ganze Wahrheit in Erfahrung zu bringen. Aber man musste es versuchten. Arkadi musste es versuchen, das war er all den Opfern des Virus und den Bürgern der Neuen Republik schuldig. Wenn tatsächlich das Imperium hinter den schrecklichen Vorfällen stand, so mussten die Entscheidungsträger im Senat und in den Sicherheitsorganen davon erfahren und die notwendigen Maßnahmen treffen, um diese Bedrohung zu beenden und Rache zu üben. Nein, nicht Rache. Gerechtigkeit. Vergeltung. Doch noch war es nicht so weit, noch war nicht sicher, ob Ian die Wahrheit sagte, und solange das nicht sicher war, würde auch nichts passieren. Ein Grund mehr, diese Befragung zu intensivieren und der Sache auf den Grund zu gehen, Stück für Stück, Detail für Detail. Arkadi sah seinem Gegenüber weiterhin die Augen, suchend, forschend, auf Anzeichen für Lügen und seine Gefühle achtend. Die kühlen blauen Augen des Agenten war ruhig und analytisch, so als betrachte er ein verschwommenes Bild und versuchte zu erkennen, was darauf zu sehen war. Eine ganze Weile hatte Schweigen geherrscht, nachdem der Sith enthüllt hatte, was er getan hatte. Acht Morde, darunter seine eigene Familie. Es war eine unvorstellbare Tat und doch zugleich so...logisch. Eine Organisation wie die Sith hielt ohne Zweifel Ausschau nach Leuten wie Ian, nach Lebewesen, die Dunkelheit in sich trugen und niemanden mehr hatten.
Der angebliche Überläufer musste seine Gedanken gehört oder zumindest erahnt haben, denn als der dunkelhaarige Mann schließlich sprach, laut fragte er, welche Wahrheit der Agent meinte, dabei sah er ihn mit einer Leere in seinen Augen an, die an die Finsternis des Alls erinnerte, seine Stimme war belegt und von Emotionen erfüllt. Die Wahrheit, so Ian, gab es nicht, lediglich seine Version davon, und der Sith wünschte zu wissen, welche Ereignisse Arkadi meinte. Dieser hatte seine Aussagen bewusst vage gehalten, um eine Reaktion zu provozieren, der Sith sollte reden. Hatte er erst einmal damit angefangen, so war es leichter, mehr aus ihm herauszubekommen. Arkadi legte die Fingerspitzen aneinander, was half, seine Hände ruhig zu halten, und schwieg einen Moment.
„Ihre Wahrheit, Mr. Dice. Ich will wissen, was Sie als die Wahrheit ansehen. Über sich selbst. Über die Sith, den Virus...alles. Ich muss es wissen. Ich muss wissen, was für ein Mensch Sie sind.“
Arkadis Stimme war gleichmäßig, doch lag darin eine Energie, ein Ausdruck von Entschiedenheit.
„Wenn wir in einen Spiegel sehen, dann sehen wir uns, wie wir wirklich sind. Woran wir glauben, was wir lieben, was wir hassen. Was wir getan haben und was wir tun werden. Wir können unserer eigenen Reflexion nicht entkommen, Mr. Dice. Niemand kann das. Heute...heute stehe ich neben Ihnen, wenn Sie in den Spiegel blicken.“
Erklärte der blonde Mensch und aus gutem Grund hatte er von „wir“ gesprochen, traf das doch auch auf den Agenten zu, der kurz gezögert hatte. Wie oft hatte er in den Spiegel geblickt und mit sich gerungen, hatte diese und jene Entscheidung hinterfragt? Es war gut, dass Ian in diesem Moment die Augen schloss, der Sith schien von Erinnerungen überwältigt und konnte so die Verletzlichkeit nicht sehen, die in den sonst so kühlen Augen Arkadis aufgeblitzt war. Dadurch bot sich die Gelegenheit, sich zu sammeln. In einem Verhör niemals Schwäche zeigen, rief er sich in Erinnerung, und er warf Eowyn einen kurzen Blick zu, nun wieder gefasst und kontrolliert. Die Großmeisterin konnte durch die Macht ohnehin schon viel zu viel über ihn wissen. Das Schweigen endete, als Ian seine Augen wieder öffnete und der Aufforderung folgte, über seine Zeit bei den Sith zu sprechen. Er war jung gewesen, als er zu ihnen gegangen war, gerade einmal Mitte zwanzig. Freiwillig gegangen war. Doch wie freiwillig traf man solche Entscheidungen? Arkadi hörte aufmerksam zu, als der Sith eine Art Kodex zitierte, er klang dabei von Bitterkeit erfüllt. Sieg, Stärke, Macht, Befreiung...alles verlockende Worte, die vieles bedeuten konnten und voller Verheißungen waren. Frieden, eine Lüge? Angesichts des Zustands der Galaxis eine Aussage, die durchaus nicht von der Hand zu weisen war. Sahen die Sith das Dasein als einen niemals endenden Krieg? Ein abschreckender Gedanke, fand der ehemalige Soldat, der mehr genug seiner Schrecken erlebt hatte. Er kämpfte, damit Frieden herrschen konnte, wahrer Frieden, nicht um Blutlust oder Herrschsucht zu befriedigen, wie es bei den Sith offenbar der Fall war.
Ian erläuterte, wie dieser Kodex zu verstehen war. Absoluter Gehorsam gegenüber dem Imperator und das Recht der Stärkeren, die Vernichtung oder Misshandlung aller, die als schwach angesehen wurden. Es waren Prinzipien, die mit denen der Neuen Republik vollkommen unvereinbar waren, die ihnen absolut konträr gegenüberstanden. So abstoßend diese Ideologie auch war, in einem Punkt hatte sie recht: Wer die Macht besaß, der bestimmte auch, was gut und was schlecht war. Ideale und Werte waren immer nur so stark wie diejenigen, die für sie eintraten. Hätte die Neue Republik entschieden, sich nicht zu wehren, sondern sich dem Imperium zu unterwerfen, wären ihre Ideale mit ihr begraben worden. Deshalb musste sie endlich wieder stärker werden und den Willen finden, sich gegen das Imperium mit allen Mitteln zu behaupten. Nun kam Ian auf die Aufgabe zu sprechen, die er vom Imperator erhalten hatte, nämlich die Vorbereitung der Vorverhandlungen, dabei erwähnte er eine Schülerin und lachte, ein kurzes, bitteres Lachen ohne Freude. Gespannt hörte Arkadi zu und sog jedes Detail in sich auf. Er erhielt einen Einblick in die innere Funktionsweise der Sith, die Annahme durch einen Meister nach einer Prüfung, die Herstellung einer Verbindung zwischen Schüler und Meister, die vorkam, aber nicht unbedingt üblich war. Dem Agenten fiel auf, dass Ian von Schülern gesprochen hatte.
„Existiert diese Verbindung noch? Und wie viele Schüler haben Sie ausgebildet?“
Hakte Arkadi an dieser Stelle nach. Es klang so, als wäre es eine Sache der Vergangenheit, doch er wollte auf Nummer sicher gehen. Nun sah der Sith ihn direkt an, seine Stimme voller Überzeugung. Ian machte deutlich, dass er nicht zu Jedi, Sith, Imperium oder Neuer Republik gehörte und auch kein Überläufer war, seine Motivation bestand darin, das Richtige zu tun und das Virus aufzuhalten. Dem Stih schien es damit ernst zu sein, er klang wie ein Mann, der sich für etwas entschieden hatte. Nachdenklich sah der Agent ihn an. Es wirkte glaubwürdig...aber das taten gute Lügen auch.
„Wenn Sie zu keiner dieser Organisationen gehören...zu was oder wem gehören Sie dann?“
Und dabei sah der blonde Mann für einen Moment nicht Ian an, sondern zu Eowyn. Es war ihm schon im Garten aufgefallen, wie vertraut die beiden miteinander umgingen und wie besorgt um sein Wohlergehen die Großmeisterin gewirkt hatte, und auch jetzt schienen die beiden einander nah zu sein. Nicht offensichtlich, aber das Gefühl war da, und Arkadi traute diesem Gefühl. Waren die beiden Freunde? Ein Liebespaar? Was auch immer sie waren, sie waren mehr als Wächterin und Gefangener. Ian hatte eine kurze Pause gemacht und sprach dann davon, was ihn zum Zweifeln gebracht hatte. Es war der Imperator gewesen, der rücksichtslos verkündet hatte, dass er bereit war, Milliarden von Lebewesen zu ermorden, darunter seine eigenen Bürger, um die Neue Republik endgültig zu vernichten und die absolute Herrschaft über die Galaxis zu erringen. Ein Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes...Bestürzung und Hass loderten gleichermaßen in Arkadi auf, seine Hände vor Zorn fest aneinandergedrückt. Es hatte genügend Stimmen gegeben, die vor dem Friedensvertrag gewarnt hatten. Die auf die Gräueltaten des Imperiums und die Skrupellosigkeit seines Herrschers verwiesen hatten, auf die vielen Völker, die unter imperialer Knechtschaft standen und sich von der Neuen Republik Hilfe beim Kampf um ihre Freiheit erhofft hatten, auf die Toten und Verwundeten, denen man es schuldete, das Imperium endgültig zu besiegen, auf die jüngsten militärischen Erfolge bei Corellia. Man hatte sie ignoriert, als Kriegstreiber und paranoide Feinde des Friedens gebrandmarkt, und sehenden Auges war die Neue Republik in die Falle getappt. Eine Unterschrift, und all das, wofür Arkadi und so viele andere gekämpft hatten, nämlich der Sturz des Imperiums, war vergessen worden, weggewischt von der Aussicht auf „Frieden“. Der ehemalige Soldat musste sich zwingen, sich durch den Schleier des Zorns wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
„Dann hat der Imperator alle getäuscht. Der Friedensvertrag ist nichts anderes als eine Falle, in die die Neue Republik nur allzu bereitwillig getappt ist. Hat er je von seinen weiteren Plänen gesprochen? Will er die Neue Republik durch den Virus schwächen und anschließend eine militärische Offensive starten oder rechnet er damit, dass der Virus allein ausreichen wird? Hat er Agenten im Senat, Truppenbewegungen, Allianzen mit anderen Mächten, etc. erwähnt?“
Meinte er bitter. Ian hatte zu zweifeln begonnen, als der Imperator ihm dies enthüllt hatte. Arkadi war geneigt ihm zu glauben, dass er davon ehrlich schockiert gewesen war und andere Vorstellungen davon gehabt hatte, was das Imperium sein sollte. Der Agent kannte die Propaganda und das Image, das das Imperium seinen Bürgern vermittelte. Ihm fiel auf, dass der Sith über seine Familie zu sprechen schien, die wohl ähnlich falsch gewesen sein musste wie das Imperium, jedenfalls klang es so. Ian starrte ihn an und fragte mit Trauer, wie er angesichts dieser Tatsachen nicht hätte zweifeln können.
„Sie haben es in Kauf genommen, weil Sie es damals für notwendig hielten. Weil Sie an etwas geglaubt haben, das größer ist als Sie selbst, ein Ideal. Aber dieses Ideal...es hat nie existiert.“
Der Ton von Arkadis Stimme legte nahe, dass er ebenso über den Sith sprach wie über sich selbst. Auch er fühlte Enttäuschung und Desillusionierung, Gefühle, die er bereits gehegt hatte, als der Friedensvertrag bekannt geworden war und die nun noch stärker wurden. Wofür hatten er und seine Kameraden gekämpft, wofür all die Opfer gebracht? Damit ein paar naive Senatoren dem Feind alles auf dem Silbertablett servieren konnten. Ian sprach weiter und erzählte, dass auch Eowyn eine Rolle dabei gespielt hatte, und er wirkte dabei ungeheuer erschöpft und um Jahre gealtert. Es war das Gesicht eines Mannes, der eine schreckliche Last mit sich trug. Ebenso prägnant wie bitter fasste er den Unterschied zwischen dem, was er einst über die Sith und ihre Fesseln geglaubt hatte und der Realität zusammen. Eine ganze Weile herrschte Schweigen, als Arkadi über das Gesagte nachdachte. Es machte Sinn. Es war glaubwürdig. Natürlich konnte man auch ihn auch täuschen, doch sein Bauchgefühl und alle Hinweise sagten ihm, dass Ian Dice die Wahrheit sagte. Über alles.
Die Tragweite dieser Erkenntnis war ungeheuerlich. Doch noch fehlte ein Teil des Puzzles, ein letztes Stück. Arkadi sah zu Eowyn, betrachtete die Jedi nachdenklich.
„Können Sie näher erläutern, welche Rolle die Großmeisterin dabei gespielt hat?“
Fragte der Agent schließlich und zwang sich dabei sachlich und ruhig zu klingen. Egal wer von beiden antwortete, es würde das letzte Teil des Puzzles sein.
[Coruscant-System | Coruscant | Obere Ebenen | Jedi-Tempel| Westturm, Meditationsraum | Lieutenant Arkadi Duval, Eowyn, Ian