micah schrieb:
Was den Zeitpunkt betrifft, wäre es mir daher auch ganz lieb, wenn man noch ein paar langfristigere Erkenntnisse hätte, auch wenn mein Leidensdruck aufgrund all des Verzichts schon ziemlich hoch ist und ich bei der Vorstellung, dass es locker noch mal so lange gehen könnte, wirklich nicht mehr weiß, ob und wie ich das durchhalten soll...
Kann ich verstehen. Mir macht zwar weniger der Verzicht auf einzelne Aktivitäten zu schaffen, die kann ich glücklicherweise relativ gut mit anderen Tätigkeiten kompensieren, dafür aber umso mehr die gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere das menschliche Miteinander, das für mein Gefühl deutlicher denn je von Egoismus und Rücksichtslosigkeit geprägt ist. Der erzwungene Rückzug ins Private scheint das noch zu begünstigen.
Der Anspruch, diese Krise solidarisch zu bewältigen, scheitert schon alleine daran, dass sich Menschen mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontieren sehen, für die es ganz oft keine Lösung gibt, die alle gleichermaßen berücksichtigt. Es werden Prioritäten gesetzt, die bestimmten Gruppen zugutekommen, anderen jedoch Belastungen aufbürden, die sie zuvor nicht tragen mussten. Es ist daher nicht wirklich ein gemeinsames Schultern, sondern eine Bürde, die sich doch sehr ungleich verteilt.
So kenne ich einerseits Personen, die unter den Maßnahmen kaum leiden, teilweise sogar Vorteile daraus ziehen; andererseits aber auch solche, denen die Existenzgrundlage wegbricht, die nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen, sich mit diesen Sorgen alleine gelassen fühlen, die auch keine Familie haben, auf die sie sich (rück)besinnen können, für die also all das weggebricht, was ihr Leben zuvor ausgemacht und letztlich auch stabilisiert hat.
Ganz allgemein mache ich mir Sorgen um die psychisch weniger belastbaren Menschen, die ebenfalls auf Unterstützung angewiesen wären, diese aber nicht mehr in dem Ausmaß erfahren, wie das zum (Über)leben notwendig wäre. Ich mache mir auch Sorgen um eine Gesellschaft, in der nur noch in Feindbildern und Gegensätzen gedacht wird, in der lieber verurteilt, als zugehört und miteinander gesprochen wird. Dieser Hass, der aus allen Richtungen kommt, macht mir Angst. Kein Wunder, dass sich viele für den Rückzug entscheiden und mit all dem am liebsten gar nichts mehr zu tun haben wollen.