Das RKI hat endlich seine Definition für Kontaktpersonen angepasst. Jetzt haben es die Gesundheitsämter (hoffentlich) nicht mehr so leicht nur direkte Sitznachbarn oder einzelne Kinder in Quarantäne zu schicken. Mittlerweile oft vorgekommen und total idiotisch in kleinen Räumen mit vielen Menschen und einer hohen Belastung an Aersolen.
Wow, das ist ja wirklich eine Sensation!

Aber wie lange, 4-5 Monate, nachdem klar war, dass nicht nur direktes Anspucken sondern auch Aerosole gefährlich sind?
Hier scheint es mir aber noch eine Regelungslücke zu geben:
Personen, die nach Risikobewertung durch das Gesundheitsamt mit hoher Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration von Aerosolen auch bei weiterem Abstand zum bestätigten COVID-19-Fall als 1,5m entfernt ausgesetzt waren (z.B. Feiern, gemeinsames Singen oder Sporttreiben in Innenräumen) oder wenn sich zusätzlich zuvor der bestätigten COVID-19-Fall eine längere Zeit (>30 min) im Raum aufgehalten hat
Was ist, wenn sich der bestätigte COVID-19-Fall nicht zuvor, sondern
parallel > 30 Minuten im gleichen Raum aufgehalten hat bzw. aufhält?
Ich hoffe das macht jetzt ein wenig Druck auf die Kultus- und BildungsministerInnen, dass ordentliche Schutz- und Hygienekonzepte ausgearbeitet werden. Ansonsten drohen eben Schließungen von ganzen Gruppen und Klassen.
Die Schließung und Quarantäne passiert doch in der Praxis häufig schon. Es wird aber wahrscheinlich dazu führen, dass die ganze Klasse / Gruppe als Kontaktpersonen der Kategorie I jetzt auch getestet werden muss, was ja offensichtlich derzeit noch nicht gemacht wird. Das könnte dann sehr interessant sein, wie viele Fälle dann auf einmal gerade unter jüngeren Kindern gefunden werden. Ich vermute, aufgrund der Symptomlosigkeit unterschätzt man die Verbreitung bei ihnen drastisch.
Aber natürlich stimmt es trotzdem, dass es Druck ausübt, weil man sich eben nicht mehr auf den Abstand zurückziehen kann. Wobei diejenigen in den Kindergärten natürlich sowieso die Deppen bleiben, denn da kann man nicht viel ändern, nur das Beste hoffen...
Hendrik Streeck faselt ständig etwas von Immunität. Leider ist er nicht dazu in der Lage falsche Annahmen zu überprüfen und zu korrigieren. Er haut auch Aussagen wie diese raus: "Je mehr Menschen sich infizieren und keine Symptome entwickeln, umso mehr sind – zumindest für einen kurzen Zeitraum – immun. Sie können zum pandemischen Geschehen nicht mehr beitragen." die ja per se nicht falsch ist aber eben doch in dem Zusammenhang den er bringt:
[...]
Ich war gestern auch stocksauer auf ihn. Was mich besonders aufgeregt hat, war der Vorschlag, vor den Eingängen von Pflegeheimen "Security-Schleusen" zum Testen von Pflegenden und Besuchern aufzustellen.
Der Vorschlag an sich ist natürlich in Ordnung, aber mich stört, dass das mal wieder zu kurz gedacht ist: Was soll mit den Privathaushalten passieren, in denen besonders gefährdete Personen leben? Überall "Security-Schleusen" aufstellen? Und wo gehen die Menschen hin, die nicht nur zu Besuch kommen, sondern dort ebenfalls wohnen, wenn sie eines Tages aufgrund eines positiven Tests die Schleuse nicht mehr passieren dürfen? Werden für sie Quarantäne-Hotels bereitgehalten oder Corona-Lager eingerichtet? Und was passiert, wenn diese Menschen nicht nur dort wohnen, sondern als Pflegende, Eltern etc. auch dort
gebraucht werden?
Der Aspekt, dass bei Weitem nicht alle gefährdeten Personen in Alters- und Pflegeheimen kaserniert sind, wird bei den Vorschlägen von Schutzkonzepten immer ignoriert. Vermutlich, weil es in einem Privathaushalt nicht zu einem Massenausbruch kommen kann und eventuelle Tote lediglich "Einzelfälle" wären. Allerdings können sich Infektionen in vielen Privathaushalten dennoch zu einer großen Masse summieren, wenn die Infektionen zu breit verteilt sind, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Gesamt-Todesfall-Zahl. Von den ganzen individuellen Tragödien mal gar nicht zu reden!
Mein Zorn ist jetzt aber etwas verraucht, weil heute im Podcast Drosten Streeck tatsächlich in Schutz genommen hat. Man weiß halt wirklich nicht, was wie verkürzt oder gefärbt in den Medien ankommt. Haben wir ja nach Drostens Podcasts auch schon oft genug erlebt - siehe z. B. vor zwei Wochen die Sache mit der kürzeren Quarantäne / Isolierung, die ja immer noch nicht wieder aus der Welt bzw. richtiggestellt ist.
Streeck macht natürlich Fehler, insbesondere dass er immer wieder zu unvorsichtig oder vielleicht auch absichtlich provokant formuliert, und seine eher lockere Ausrichtung teile ich natürlich auch nicht. Aber vielleicht wird er zumindest in Teilen auch immer wieder missverstanden oder miss-zitiert.
Ob er mit der Immunität so falsch liegt, bin ich mir auch nicht sicher. Wir wissen ja, dass zwar die nachweisbaren Antikörper gerade nach leichten Erkrankungen schnell verschwinden (oder gar nie da waren), das Gedächtnis des Immunsystems aber trotzdem weiter auf das Virus anspringt, wenn es damit konfrontiert wird. Auch die "echten" Reinfektionen, die vor ein paar Wochen scheinbar lawinenartig gemeldet wurden (im Gegensatz zu den Fällen von Mai, die anders erklärt werden konnten - siehe Drostens Goldfisch-Analogie), scheinen (zum Glück!) doch eher Einzelfälle als Massenphänomen zu sein.
Und letztlich haben wir das Experiment ja in den letzten Monaten auch gemacht: Die Feierwütigen und Demonstranten haben sich nicht davon abhalten lassen, sich in gefährliche Situationen zu begeben. Da müsste sich das Virus eigentlich ausgebreitet haben. Dazu vielleicht schon deutlich mehr durchseuchte Schul- und Kindergartenkinder als erfasst. Es wäre schön - auch wenn man damit natürlich nicht kalkulieren sollte - wenn sich in den nächsten Monaten herausstellt, dass die Verbreitung dadurch schon stärker abgebremst wird und wir besser durch den Herbst/Winter kommen als erwartet.
Auf jeden Fall hoffe ich auf eine doch deutlich länger anhaltende Immunität. Denn wenn die nicht besteht, kriegen wir ja auch ein Riesen-Problem mit der Impfung. Den Großteil der Weltbevölkerung alle paar Monate durchimpfen zu müssen, wäre unmöglich zu stemmen bzw. wir müssten quasi unsere gesamte Wirtschafts- und Medizinwelt auf dieses Ziel ausrichten.
Micah