- Delastine - HQ - Gänge -
Still gingen die beiden Frauen nebeneinander durch die Gänge der Zentrale. Ami genoss das Schweigen ein wenig, denn sie wollte versuchen, die Erinnerungen an die letzten Wochen zu verdrängen. Mit aller Macht versuchte sie sich auf die bevorstehende Mission zu konzentrieren, und das war es wohl, das ihren Körper wach hielt und ihm neue Kraft verlieh.
Nach einigen Momenten hob Ami den Kopf und sah zu Marana
"Geh schonmal vor zu den Quartieren, ich komme gleich nach. Habe noch schnell etwas zu erledigen."
Marana nickte ihr still zu und ging den Gang weiter entlang, während Ami schon in einen Gang abbog, der sie in den Innenhof brachte, der an den großen Garten grenzte.
Es war später Abend und die Sonne war untergegangen. Grelle Neonlichter säumten den gepflasterten Weg durch den Innenhof, vorbei an den Trainingshallen und Lagerräumen, die um diese Zeit selten benutzt wurden. Sie steuerte auf ein flaches, kleineres Gebäude zu. Aus einem der kleinen Fenster strahlte Licht.
Ami hielt vor der verriegelten schweren Eisentüre inne, und erst nachdem sie ihren Identifikationscode in das kleine Terminal neben dem Türrahmen eingegeben hatte, öffnete sie sich mit einem leisen Surren.
Sie trat ein und stand vor einer Panzerglaswand, hinter der ein kleiner Schreibtisch stand. Der Raum hinter der Glaswand war gesäumt von Aktenschränken, die bis zur Decke reichten, und die den Schreibtisch noch kleiner erschienen liessen.
Am Schreibtisch saß eine kleine gedrungene Gestalt, die über ein Blatt Papier gebeugt dasaß, was neben der Neonlampe das einzige Utensil auf dem Schreibtisch war.
In die Glaswand war eine mit Eisendrähten durchzogene Tür eingelassen, die ebenfalls aus Glas bestand. Wieder gab Ami am danebenliegenden Terminal ihren Code ein und die Tür öffnete sich. Fast erschrocken blickte die Gestalt auf, atmete aber durch, als seine Blicke erkennen liessen, daß er Ami erkannt hatte.
"Ami..." murmelte er aus seinem zahnlosen Mund hervor "Ich habe dich hier lange nicht gesehen. Was kann ich Gutes für dich tun?"
Ami schmunzelte, und liess sich dabei die Abscheu gegen diese jämmerliche Kreatur nicht anmerken
"Ja, viel zu lange, Karak. Ich brauche vor allem einen neuen Blaster und vielleicht zeigst du mir mal, welche neuen Spielereien du mal wieder ausgetüftel hast."
Das schien ihm zu gefallen und er wuchtete seinen kleinen, fast runden Körper von seinem Stuhl, wobei ein dickes metallernes Bündel an seinem Gürtel klimperte.
Als er einen der metallenen Stifte vom Bund löste und mit ihm eine versteckte winzige Türe öffnete, die unterhalb der Aktenschränke lag und eher einer Klappe als einem Durchgang ähnelte, murmelte er Ami entgegen
"Ach weisst du Ami. Sie lassen mich nicht mehr so wie ich gerne möchte. Sie meinten, ich sei eine Gefährdung für alle, wenn ich weiter so herum experimentiere. Aber ich lasse mich nicht so leicht einschüchtern..." Dann lachte er kurz bitter auf und kroch durch die Luke.
Ami musste sich stark bücken und zusammenkauern, um ihm folgen zu können, doch als sie hinduch war, kam sie in einen großen Raum, der völlig steril und in silber glänzendes Metal gebettet war. Das Metal zog sich von der Decke, über alle Wände, bis über den Boden. Nur die ebenfalls aus Metal bestehenden Schränke, Rollwagen und Tische schienen lose im Raum zu stehen.
Etwas aufgeregt, endlich wieder seine Erfindungen präsentieren zu können, huschte Karak sofort zu einem der Schränke und holte einen Beutel hervor, den er auf einem der Tische entleerte. Etwa zehn faustgroße Kugeln rollten über die Tischplatte und Karak versuchte sie mit seinen dicken Händen aufzufangen.
Ami half ihm und hielt dabei eine der Kugeln fest und drehte sie vor ihrem Gesicht zwischen ihren Fingern
"Was ist das?"
"Das", sagte Karak fast kichernd und nahm Ami dabei die Kugel aus der Hand und hielt sie stolz vor sich gestreckt "Das ist meine neueste Erfindung. Ich nenne sie Kar-Granate."
"Und was ist an ihr besonders?" fragte Ami etwas ungeduldig, auch wenn sie ihm gönnte, das Gefühl zu haben, daß sich jemand für seine Arbeit interessierte.
Der Winzling schaute sie nur zynisch von unten an und man konnte das weiße seiner Pupillen erkennen. Dabei drückte er mit seinem Daumen eine Mulde in die Kugel, die sich leise Surrend öffnete und ihr mechanisches Inneres freigab.
"Das wirst du jetzt sehen, meine Liebe"
Ein Leuchten glitt über seine Augen, als er einen kleinen knopf drückte, der zum Vorschein gekommen war und die Kugel durch ein Loch in der angrenzenden Glaswand warf. Er drehte sich schnell um, drückte auf einen Knopf an der Wand und sofort schloss sich das Loch in der Glaswand.
Einige Sekunden später sah Ami, wie in dem Raum hinter der Glaswand die Kugel in tausend kleine Einzelteile zersprang und sich diese kleinen runden Einzelteile blitzschnell in dem Raum verteilten. Etwas verwundert sah sie zu Karak, der ihr aber nur mit einem erwartungsvollen Lächeln zunickte und wieder durch die Glaswand starrte.
Ein lauter Knall, oder waren es hunderte, liessen Ami zusammenzucken und in dem gesicherten Raum erhellte eine Explosion gefolgt von der nächsten die Umgebung. Es dauerte Minuten bis es wieder ruhig wurde und sich der Qualm legte.
"Oha", sgte Ami noch etwas erschrocken.
Karak kicherte leise und schien überglücklich über seine geglückte Demonstration und Amis Reaktion "Sie funktioniert ähnlich wie eine Clustergranate, nur suchen sich die einzelnen Module solange ihren Weg durch die Umgebung bis sie in Ecken oder an einem festen gegenstand ankommen und sie dann zerstören. So kannst du mit einer einzigen Granate sogar ein ganzes Schiff sprengen.
Durch die Bedienung nach der Öffnung der Granate kannst du sogar einen Zeitcode einstellen, der den Zeitpunkt der Explosion festlegt", erklärte er stolz mit geschwellter Brust.
Ami lächelte leicht "Sehr schön..." Dann griff sie nach den restlichen Kugeln auf dem Tisch und packte sie zurück in den Beutel, den sie in ihrer Hand fest hielt.
"Sehr gut Karak, und nun gib mir noch den besten Blaster, den du kennst und ich lasse dich in Ruhe. Leider habe ich keine Zeit, mir noch mehr deiner atemberaubenden Erfindungen anzusehen." sagte sie in einer aufgesetzt netten Stimme, denn sie wusste, daß es nützlich sein konnte, Karak gutmütig zu stimmen.
Etwas enttäuscht über Amis Zeitmangel nickte er, schlich zu einer der Schubladen, zog sie auf, holte zwei Handblaster heraus und reichte sie Ami.
Ami nahm sie dankend an, begutachtete sie kurz und kroch dann durch die kleine Klappe, durch die Karak ohne Umstände hindurch passte.
In dem Raum mit Schreibtisch und Aktenschränken lehnte sie sich über den ebenfalls sehr niedrigen Tisch, zog Stift und Papier zu sich und fragte, ohne sich umzudrehen "wo muss ich abzeichnen?"
Karak presste seinen dicken Zeigefinger auf eine Stelle auf dem Papier und Ami notierte ihren Namen und Sicherheitscode für die Waffenausgabe darauf. Dann verliess sie ohne ein weiteres Wort das Büro und schritt über den Innenhof in Richtung ihres Quartiers...
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