Dark Horse hat wochenlang nichts veröffentlicht. Dafür kommt's jetzt Knall auf Fall.
Also, hier die erste neue Comic-Kritik (von insgesamt drei). Wie für alle meine Kritiken gilt natürlich auch hier:
Vorsicht, massive Spoiler!!! *g*
Empire #13: What Sin Loyalty?
...spielt zeitgleich zu den Ereignissen in Ep.IV
Script: Jeremy Barlow
Zeichungen: Patrick Blaine
Colorierung: Studio F
Die Veröffentlichungspolitik von "Darklighter" entwickelt sich langsam zu einer neverending story. Nachdem dieser Vierteiler nach zwei Heften schon durch die Roons Sewell-Geschichte in Empire #10 und #11 unterbrochen war, müssen wir nach dem dritten "Darklighter"-Teil in Empire #12 nun schon wieder warten, denn der Abschluß kommt erst in #14.
Am Freitag hab ich mir also die Lückenfüller-Ausgabe #13 geholt. Und ich muss ehrlich sagen, so sehr ich mich bei der Ankündigung, daß Darklighter schon wieder verschoden wurde, geärgert hatte, so überaus überrascht wurde ich durch dieses Heft. Das hat's echt in sich.
Zunächst zur Story: Das Imperium versucht auf Raltiir (siehe Radio Drama zu Ep.IV, und "Princess...Warrior") die Lage unter Kontrolle zu kriegen. Einer der für den Wiederaufbau verantwortlichen imperialen Offiziere ist Commander Akobi. Es kommt immer wieder zu Sabotageakten und Anschlägen durch örtliche Rebellentruppen, was die Arbeit des imperialen Offiziers natürlich stark erschwert, und sein Leben bedroht. Ein besonders kollegiales Arbeitsverhältnis hat Akobi zu TK-622, einem Sturmtruppler (eindeutig ein Klon von Jango), der ihm schon häufiger das Leben gerettet hat, dem er auch schon häufiger das Leben gerettet hat, und den er als Freund und Untergebenen überall mitnimmt, egal, wo er stationiert ist. So geschieht es auch, daß TK-622 auf den Todesstern mitkommt, als Akobi dorthin versetzt wird. Die Mordanschläge auf Commander Akobi hören allerdings auch auf dem Todesstern nicht auf. Es ist offensichtlich, daß ein Rebell den Todesstern infiltriert hat, und TK-622 beginnt mit Nachforschungen...
Was sich hier wie ein Krimi-Rache-Plot liest, ist weit mehr als das. Zum ersten mal bekommt der geneigte Comicleser eine Geschichte
komplett aus imperialer Sicht geboten. Es gab früher schon Geschichten, die von Vader und Palpatine handelten ("Betrayal"), oder in letzter Zeit vor allem welche, die den Kampf gegen das Imperium aus Rebellen-Sicht zeigten ("Princess...Warrior", "Darklighter"). "What Sin Loyalty?" stellt das Gegenstück dar: eine Darstellung der Ereignisse aus Sicht des Imperialen Fußvolks.
Das birgt natürlich eine gewissen Gefahr in sich. Wie soll man so ein Setting politisch korrekt umsetzen? Die Imperialen sind ja schließlich die Bösen im SW-Universum, das Sci-Fi-Equivalent zu den Nazis. Jeremy Barlow (und Herausgeber Randy Stradey), haben einen mutigen Schritt getan: dieser Comic ist politisch absolut unkorrekt, wie man so schön sagt. Versteht mich nicht falsch, es geht hier nicht um braun angehauchte Propaganda, wie man vielleicht denken könnte. Ok, "What Sin Loyalty?" macht auf eindrückliche Weise deutlich, daß nicht alle Imperialen die bösen sind, und wenn man diese Geschichte in Relation zum Dritten Reich setzen würde, dann hätte sie durchaus etwas reaktionäres. Das ist aber nicht die Provokation, die Barlow und Stradley hier dem Leser direkt zwischen die Augen knallen. Dieser Comic ist etwas ganz anders: eine direkte Ohrfeige für die aktuelle amerikanische Außenpolitik!! Ich seh's schon: ihr sitzt da draußen vor euren Rechnern, lest das hier gerade, und verdreht die Augen "was sieht denn Poli da schon wieder für Bezüge, wo gar keine sind?" Nein, glaubt mir, dieses Heft thematisiert genau das: den amerik... äh, imperialen Kampf gegen den internatio... äh, intergalaktischen Terrorismus.
Ich werde euch ein paar Beispiele geben: Das geht schon auf der ersten Seite los. Eine Gruppe von Rebellen ziehen mit einem Landspeeder an einem Seil einen Sturmtruppler hinter sich her, und versuchen ihn hinzurichten. Eindeutiger Bezug zu den Ereignissen in Somalia vor zehn Jahren, als amerikanische GIs eine ähnliche Behandlung mit Autos erfuhren.
Es werden in einem Gespräch zwischen Commander Akobi und einem Techniker mehrere Selbstmordattentate (!!) durch Rebellen erwähnt, die sich inzwischen sogar gegen Infrastruktur und nichtmilitärische Ziele richten. Aus einem anderen Gespräch geht hervor, daß sogar Frauen und Kinder an diesen Terrorakten beteiligt sind.
Was in seiner Wirkung echt erschreckend ist: die Rebellen, die man in diesem Comic zu Gesicht bekommt, sind wirklich brutale Fanatiker. Und die beiden Hauptfiguren, Akobi und TK-622 sind absolute Symphatieträger. Die glauben an das, was sie tun, und versuchen ehrlich, für die Zivilbevölkerung von Raltiir das Leben zu erleichtern. Sie sind das absolute Paradebeispiel dessen, wie die USA ihre Armee in der medialen Propaganda dargestellt sehen wollte. Das erste mal, daß wir Akobi in diesem Heft zu sehen bekommen, ist er gerade dabei die Instandsetzung eines Stromgenerators zu überwachen, was nicht so ganz vorankommt. Was Akobi dazu sagt, zieht dem Leser echt die Schuhe aus: "Überprüft es nochmal. Wir haben den Leuten hier versprochen, daß wir für sie am Ende des Tages Strom hätten, und daran halten wir uns auch. Wir können nicht erwarten, daß sie uns vertrauen, wir wir ihnen keinen Grund dazu geben. Ansonsten wäre alles andere, was wir hier tun, umsonst." Whooooaaaaa... hallo Irak sag ich da nur!! Ein paar Seiten weiter kommt es dann zu einem Gespräch zwischen TK-622 und Akobi, das jedem Leser, der bis dahin noch nicht bemerkt hat, wohin der Hase läuft, diese Erkenntnis ziemlich böse vermittelt:
TK-622: "Sir? Wir wurden hierhergeschickt, um diesen Menschen dabei zu helfen die Kontrolle durch die Allianz abzuschütteln, und sie danken uns indem sie Gewehre auf unsere Rücken richten, und Detonatoren unter unseren Betten verstecken."
Akobi: "Nicht jeder denkt, daß wir hier sind um zu helfen. Für einige sind wir Besetzer, nicht Befreier."
Na, ist das bitter, oder ist das bitter??
Auch die letzte Seite ist nochmal ein Schuss vor den Bug. Man sieht TK-622 ein paar Sekunden, bevor der Todesstern in die Luft geht. Er hat von einer Aussichtspaltform an der Oberfläche mitangesehen, wie Lukes Torpedo den Schacht getroffen hat. Und sein innerer Monolog, der daneben abläuft, zeigt seine aufrichtige Überzeugung: "Ich treffe meinen Tod ohne Furcht oder Zögern. Ich bin ein Soldat. Aber die anderen an Bord dieser Station sind sich nicht dessen bewußt was kommt. Sie haben keine Chance, sich vorzubereiten. Laßt die Allianz diesen Sieg haben. Am Ende wird er nur die die Wahrheit bloßlegen - wird die Rebellen als die Terroristen entlarven, die sie wirklich sind."
Ziemlich harter Tobak das ganze. Eine Gleichsetzung der USA mit dem Imperium, wie sie in diesem Heft so eindeutig geschehen ist, hätte ich in dieser Schärfe in einem komerziellen Unterhaltungsmedium nie für möglich gehalten. Und daß das ausgerechnet in einem SW-Comic passiert, ist echt klasse.
Dieses Heft steht in einer alten Sci-Fi-Tradition: man nehme eine fiktive Zukunft, um die gesellschaftlichen Probleme und Ungerechtigkeiten der heutigen Zeit anzuprangern und bloßzustellen. Daß das nicht überall gut ankommt, konnte man schon im Forum von Dark Horse nachlesen. Wraith hat ja auf den von Jeremy Barlow geposten Brief aufmerksam gemacht, in dem ein wütender Leser ausführte, daß er eine Thematisierung von Tagespolitik in einem SW-Comic nicht gutheißen kann, und es unerträglich findet, wie man versucht ihn und seine Kinder durch dieses Heft einer links orientierten Gehirnwäsche zu unterziehen. Nunja, so kann man's auch sehen. Für mich jedenfalls ist dieses Heft ein innerer Vorbeimarsch. *g*
Kurz zu den Zeichnungen: sehr gut. Daumen hoch. Die Darstellung der Personen, Mimiken, Action, Hintergründe usw. ist wirklich beeindruckend. Die Colorierung könnte nicht besser sein. Und die Aufteilung der Seiten, von Panel zu Panel, ist mitreißend. So hat man die Schlacht um Yavin IV noch nie zuvor erlebt.
[Nachtrag] Was mir erst beim dritten oder vierten Lesen gerade eben aufgefallen ist (einem aber schockiert und ungläubig den Atem raubt): Durch die Zeichnungen wird der Angriff auf den Todesstern mit dem Anschlag auf's WTC am 11.9.2001 in Verbindung gebracht!!! Echt wahr! Ich hab ja eben schon gesagt, daß TK-622 Lukes schicksalhaften Schuss mitangesehen hat. Vielleicht sollte ich mal das besagte Bild beschreiben (welches übrigens allein fast eine ganze Seite ausfüllt): TK-622 steht an einem großen Panorama-Fenster, vor ihm breitet sich das Panorama der Todessternoberfläche aus, und direkt vor dem Fenster, ca. 5 m entfernt, befindet sich Lukes X-Wing, der in diesem Moment seinen Schuß abfeuert. Das dürfte dem letzen Blick, den die WTC-Insassen hatten, bevor ein anderes, real existierendes, Flugvehikel in ihre Etage raste, ziemlich genau entsprechen. Und im Zusammhang mit diesem speziellen Bild bekommt die Formulierung "die anderen an Bord dieser Station sind sich nicht dessen bewußt was kommt. Sie haben keine Chance, sich vorzubereiten" auf einmal eine Wirkung, die einen ganz tief trifft.
Fazit: Einer der besten Oneshots, die jemals produziert wurden. Es fehlt diesem Heft natürlich das märchen- und legendenhafte, das die Jedi-Oneshots von Ostrander und Duursema auszeichnet. Dieser Comic hier gibt dem Leser eine Überdosis Realität, die polarisieren dürfte. Das ist keine Kinder-Lektüre, sondern ernsthafteste Literatur, sofern das in einem SW-Comic überhaupt jemals möglich war. Großartige Unterhaltung mit Anspruch und Intellekt.
P.S.: Die Kritiken zu "Jedi - Count Dooku" und "Infinities: RotJ (1 of 4)" werde ich irgendwann heute Abend verfassen, weil ich jetzt meine Eltern mit einem Adventsbesuch erfreuen muss.