Fan-Fiction Die Farbe des Horizonts

II


Das Lomin-Ale war lauwarm und schmeckte eher bitter als süß. Gavin stellte das Glas leicht angewidert auf die schmierige Tischplatte und beobachtete Naven Vuin. Der war seit geraumer Zeit in ein Gespräch mit einem Weequay an der Bar vertieft. Er sah, wie einige Creditchips den Besitzer wechselten und der Weequay scheinbar Navens Fragen beantwortete. Gavin sah sich weiter in dem schäbigen Etablissement um. In dieser Art von Informationsbeschaffung hatte er keinerlei Erfahrung, aber Vuin schien sich da bestens auszukennen. Wahrscheinlich war das eine der wichtigsten Fähigkeiten für einen Schmuggler. Sein Blick viel auf zwei Gestalten, die gerade die Bar betraten. Sie waren von oben bis unten in grauen Stoff gewickelt, von dem sie sich jetzt den roten Staub klopften, der draußen allgegenwärtig schien.

Entgegen Gavins Erwartungen, die darauf basierten, was er vor seiner Reise über Nal Hutta gelesen hatte, von saurem Regen und sumpfigen Verhältnissen, schien ein ewiger Wind durch die Straßen Bilbousas zu wehen, der feinen roten Staub in Augen und jede Kleiderfalte trug. Sein säurefester Mantel war dagegen nicht hilfreicher als jeder beliebige Umhang. Die „Händlerbeute“ war auf dem weitläufigen Landefeld des Raumhafens gelandet und den ganzen Weg bis zum Terminal hatte Gavin halb geblendet stolpernd und sich den Sand aus den Augen wischend hinter sich gebracht. Nach ein paar unseriös wirkenden Formalitäten mit dem Raumhafenpersonal, die dafür sorgen sollten, dass die „Händlerbeute“ nicht vom Landefeld gestohlen oder zerlegt wurde, war er Naven durch den ekelhaft peitschenden Wind gefolgt. Die Stadt schien eine weitläufige Ansammlung von niedrigen Gebäuden zu sein und nur in der Nähe des Raumhafens erhoben sich ein paar höhere Häuser. Weit konnte man in dem diffusen Licht des Sandsturms ohnehin nicht sehen. Der Sullustaner hatte ihn zielstrebig zu der Bar geführt und sie hatten sich den Staub aus den Ohren gekratzt, wie es die beiden Neuankömmlinge gerade taten, die Gavin jetzt als Menschen erkannte.

In der Tat waren es die ersten Menschen, die sie bisher auf dem Planeten gesehen hatten. Vorerst blieben sie im Eingang stehen und musterten die Barbesucher, und erst als der Blick des einen sich mit Gavins kreuzte, bemerkte er, dass er die Beiden relativ unverhohlen angestarrt hatte. Der Mensch machte seinen Kameraden mit einem sanften Stoß des Ellenbogens auf Gavin aufmerksam und Gavin gab schnell vor, woanders hinzuschauen. Aber aus dem Augenwinkel sah er, wie sich die Beiden auf seinen Tisch zubewegten. In einem Anflug von Nervosität hob er das Glas und nippte an dem zweitklassigen Drink, während er einen kurzen Seitenblick in Richtung Naven Vuin warf, der noch immer an der Bar tratschte. Der Tisch erschütterte leicht, als ein Mann seine Hand darauf legte. Die Adern auf dem Handrücken traten deutlich hervor obwohl die Hand locker dalag, eine Hand wie sie zu einem muskulösen Arm gehörte. Der war jedoch in dem grauen Ärmel des Umhangs verborgen, den der Mann trug. Gavin blickte ruckartig in das dazugehörige Gesicht, als ihn der Mann ansprach: „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Seine Stimme war kratzig und passte nicht zu einem so großen Mann. Bei ihrem Klang kam Gavin der rote Sand in den Sinn, der auf der Haut brannte.

„Wie bitte?“, fragte Gavin erstaunt.

„Nun, so wie Sie zu uns herübergeschaut haben, als wir gerade die Bar betreten haben, suchen Sie wohl etwas Bestimmtes.“, sagte er mit einem leicht bedrohlichen Unterton.

Gavin musterte die Beiden jetzt genauer. Die zweite Person war eine Frau, stellte er erst jetzt fest. Der weite Mantel verbarg ihre weibliche Figur und auch das kantige, scharf geschnittene Gesicht mit den zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebundenen, rabenschwarzen Haaren kaschierte leicht ihr weibliches Aussehen. Sie hielt sich etwas im Hintergrund, aber Gavin glaubte ein sanftes Lächeln um ihre Mundwinkel huschen zu sehen, als sie seinen Blick erwiderte. Er räusperte sich und antwortete dem Mann: „Ich war nur erstaunt, hier Menschen zu sehen.“

Sein Gegenüber klopfte beiläufig mit seinen fleischigen Fingern auf die Tischplatte. „Hm. Menschen sind die häufigste Rasse in der Galaxis.“

„Ja, aber seit ich auf diesem Planeten bin, sind Sie beide die ersten außer mir, die ich sehe.“, erklärte er und machte zum Beweis einen Wink mit der Hand, der die ganze Bar einschloss.

„Das wundert mich dann doch nicht so sehr. Meines Wissens gibt es hier auf Nal Hutta wirklich nicht besonders viele Menschen und die meisten davon bleiben eher unter sich. Und das hier ist ein Etablissement, das nicht gerade den Ruf hat, ein Treffpunkt für ‚Unseresgleichen‘ zu sein.“

„Umso mehr frage ich mich, was jemand wie Du hier sucht, mein Junge.“, warf die Frau ein. Sie hatte eine warme, wohlklingende Stimme, die irgendwie auch nicht zu ihrem kühlen Äußeren passte. Außerdem war es seltsam, wie sie ihn als ‚ihren Jungen‘ bezeichnete.

Gavin entschloss sich, gleich mit der Sprache herauszurücken.

„Ich suche tatsächlich etwas. Meinen Bruder.“ Er wusste nicht, was ihm Schlechtes widerfahren könnte, wenn er diesen beiden davon erzählte. Er hatte ja sowieso keine Ahnung, wie er seine Suche nach Rayland beginnen sollte und diese beiden Menschen waren immerhin ein Anfang. „Vielleicht könnten Sie mir ja dabei weiterhelfen.“, fragte Gavin vorsichtig.

„Ich wüsste nicht wie.“, gab der Mann kurz angebunden zurück, was ihm einen fragenden Seitenblick seiner Partnerin einbrachte.

„Wie ist denn sein Name? Vielleicht kennen wir ihn ja rein zufällig.“, antwortete sie.

„Rayland Kchron.“

„Nie gehört.“, sagte der Mann brüsk und warf einen Blick in Richtung Barkeeper. Und auch die Frau schüttelte den Kopf. Wäre ja auch zu einfach gewesen, dachte Gavin.

„Nun, wo wäre denn ein Treffpunkt für ‚Unseresgleichen‘? Wo kann ich mit anderen Menschen sprechen?“

„Du kannst mit mir mitkommen.“, stieß die Frau hervor, so schnell, dass Gavin sofort vorsichtig wurde. „Meylir muss noch nach Hinten und eine Angelegenheit mit dem Barbesitzer regeln, aber ich werde gleich wieder von hier verschwinden.“, setzte sie hinzu.

Gavin zog eine Augenbraue hoch und wollte wissen: „Wohin?“

„Ins Hinterzimmer, die Sache ist privat.“

Jetzt war Gavin noch mehr verwirrt. „Im Hinterzimmer ist ein privater Treffpunkt für Menschen?"

Wieder schüttelte sie den Kopf, aber diesmal grinste sie belustigt.

„Natürlich nicht!“, entgegnete der Mann ernst mit krächzender Stimme und wandte sich in Richtung Bartresen. Im Weggehen sagte er leiser zu seiner Begleiterin: „Ich glaube der Junge ist nicht ganz richtig im Kopf. Wir sehen uns später.“ Mit einem Wink einer seiner Pranken machte er den Barkeeper auf sich aufmerksam.

Gavin machte ein schiefes Gesicht und sie zuckte mit den Schultern. „Mach dir nichts draus, Junge. Komm mit wenn du willst, ich verzieh mich.“

Gavin warf einen Blick zu Naven Vuin, der mit dem Weequay an der Bar stand. „Einen Augenblick noch.“ Er kippte den verbliebenen Inhalt seines Bechers hinunter und trat zu seinem Partner. „Naven.“ Er tippte dem kleinen Piloten auf die Schulter und der drehte sich mit fragendem Blick um. „Wie lange brauchst du hier noch? Ich könnte mich doch in der Zwischenzeit woanders nach meinem Bruder umhören, oder?“

„Klar, mach nur. Ich habe jetzt dann eine Verabredung mit einem Freund dieses Herren hier, “, mit seinem Daumen wies er auf den Weequay, der soeben an seinem Getränk schnüffelte, „und ich denke nicht dass ich dich dabei gebrauchen kann, wenn du verstehst was ich meine.“ Der Sullustaner musterte kurz die Menschenfrau, die noch am Stehtisch stand und zu ihnen her schaute, und überlegte dann. „Wir treffen uns in vier Stunden bei der ‚Händlerbeute‘.“

„Ja, ich denke das reicht.“

„Aber sei vorsichtig.“, sagte Naven zum Abschied.

Der Mensch grinste und setzte hinzu: „Das letzte Mal musste immerhin ich deinen Arsch retten…“
 
Gavin trat hinter der Frau aus der Bar auf die Straße und sofort umfing sie wieder der garstige Wind. Schützend zog er sich die Kapuze des Mantels tief ins Gesicht, aber trotzdem musste er gegen den roten Staub anblinzeln.

„Also, wo bringen Sie mich jetzt hin?“, fragte er nochmal.

„Zum ‚Sandplatz des Ruhmes‘. Ein bescheuerter Name, wenn du mich fragst. Aber was soll man machen. Tim, der Betreiber ist eben ein ziemlich romantischer Spinner und findet Gefallen an gesülztem Gehabe und Dramatik. Aber ansonsten macht er seine Sache gut, es gibt wenig Betrug und alle werden dort gleich behandelt. Es gibt zwar bessere…“ Sie war schon in eine Richtung losmarschiert und der Rest ihrer Worte wurde vom pfeifenden Wind verschluckt. Gavin eilte ihr hinterher. Sie hatte einen flotten Schritt. Langsam ging ihm ihre Art zu reden, als wisse jeder wovon sie sprach, auf den Geist.

„Und was genau ist dieser ominöse ‚Sandplatz des Ruhmes‘?“, erkundigte er sich leicht genervt.

„Eine Arena, in der Kämpfer gegeneinander antreten. Die Zuschauer bezahlen einen lächerlich niedrigen Eintritt und setzen dafür umso höhere Einsätze auf immer die gleichen Favoriten, die immer gewinnen und Tim streicht dabei als einziger einen wirklichen Gewinn ein.“, erklärte sie mit unterdrücktem Ärger in der Stimme.

Gavin legte noch einen Gang zu um mit ihr Schritt zu halten. „Hört sich nicht sehr spannend an. Und warum wettest du dann dort, wenn es nichts zu holen gibt?“

„Wetten?“, rief sie lachend. „Ich wette nie. Ich kämpfe!“

„Oh.“, gab Gavin zurück und bemerkte dann: „Und anscheinend gehörst du nicht zu diesen Favoriten…“

Sie sagte nichts dazu und das war Antwort genug. Sie bogen in eine Seitenstraße ab und sie drehte sich im Gehen um und sagte: „Ist nicht weit. Wie heißt du eigentlich?“

„Gavin Kchron.“

Sie blieb kurz stehen und bot ihm ihre Hand an. „Lina Task.“ Sie hatte einen erstaunlich festen Händedruck, den er ihr nicht zugetraut hatte. Andererseits war sie ja eine Arenakämpferin, da war es doch nicht verwunderlich, dass sie zupacken konnte.

Nach kurzer Zeit erreichten sie ein größeres Gebäude, das seine runde Front in die Straße hineinschob. In leuchtenden Buchstaben stand ‚Sandplatz des Ruhmes‘ über dem zweiflügligen Eingangstor und Gavin trat ohne zu zögern hinter Lina ein. Im Eingangsbereich stand ein miesepetrig dreinblickender Mensch mit verschränkten Armen, der sich Gavin in den Weg schob, bevor dieser Lina weiter ins Innere folgen konnte. Sie drehte sich um und erklärte: „Du musst den Eintritt bezahlen, wenn du herein willst.“

Er schaute den Kassier an und fragte: „Also?“

„30 Credits.“

Gavin griff in die Manteltasche und holte drei der handlichen Creditchips heraus. Mit breitem Grinsen nahm sie der Türsteher entgegen und machte den Weg frei. Lina war bereits um die nächste Ecke verschwunden. Gavin folgte ihr. Der schmale Gang öffnete sich hier linkerhand, durch weite Bogenfenster konnte man auf den kreisrunden Kampfplatz hinuntersehen, dessen Grund gut fünf Meter tief unten lag. Als er sich nach vorn über die niedrige Brüstung beugte, konnte er auf vereinzelte Zuschauer hinabblicken, die auf den steinernen Stufen saßen, die den kreisrunden Kampfring umgaben. Überhaupt schien das gesamte Gebäude rund um den Platz in der Mitte gebaut zu sein: Der Arkadengang führte einmal um den Innenbereich herum und auf der gegenüberliegenden Seite sah Gavin mehrere Menschen, die wie er von dort nach unten sahen oder kurz zu ihm herüberschauten. Derzeit war der Kampfring leer. Er schritt den Gang entlang, von dem ein paar Türen rechts abzweigten, bis er die andere Seite erreichte. In einer großen Einbuchtung der Außenwand befanden sich hier Hocker und eine Theke, an die gelehnt Lina auf ihn wartete. Sofort fiel ihm ein kleiner Mann auf, der in einem Durchgang hinter der Theke stand und die Arme energisch in die Seiten gestemmt hatte. Er trug einen langen, roten Mantel und hatte einen fast kahlen Kopf, auf dem nur noch einige wenige kurzgeschorene weiße Härchen sprossen.

„Das hier ist Gavin Kchron.“, sprach Lina und wies mit der Hand auf Gavin. Die Art, wie der Kopf des Mannes in seine Richtung ruckte, erinnerte Gavin an einen Raubvogel. „Gavin, dieser Herr hier ist Tim Gelvar, der Leiter dieser Arena.“, schloss sie die Vorstellung ab.

„Was kann ich für Sie tun, Herr Kchron?“, quäkte Tim Gelvar und machte zwei kurze Schritte hinter dem Tresen hervor.

„Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder. Sein Name ist Rayland Kchron und er ist vor einigen Jahren nach Nal Hutta gekommen um mit Ersatzteilen für Minenfahrzeuge zu handeln. Mehr weiß ich leider nicht über ihn, aber ich hatte gehofft, dass ich hier jemanden finde, der mir weiterhelfen kann.“, erklärte Gavin und zwang sich ein Lächeln ab, von dem er glaubte, dass es diplomatisch wirkte.
 
Tim Gelvar legte die Stirn in Falten. „Soweit ich weiß, gibt es nicht viele Menschen hier auf Nal Hutta, die mit den Hutts in enger Zusammenarbeit stehen. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum das so ist, aber meine Vermutung ist, dass die Hutts mit einigen Menschen schlechte Erfahrungen gemacht haben, und sich daher nur selten auf jedwede Beziehungen einlassen. Es kann aber auch anders herum sein, hier in dieser Gemeinde haben die Gangsterbosse jedenfalls auch nicht den Ruf ehrbarer Händler und Geschäftemacher. Wie auch immer, falls Ihr Bruder für einen der ansässigen Hutten arbeitet, kann es nicht allzu schwierig sein, ihn ausfindig zu machen.“, schloss er.

„Und Sie könnten mir dabei helfen?“, fragte Gavin.

„Ich könnte einige Kontakte abklappern und nach einem Rayland Kchron fragen, ja.“ Er musterte Gavin von oben bis unten und fuhr sich dabei nachdenklich mit der Hand über den kahlen Kopf.

Im Universum gibt es nichts umsonst… ging es Gavin durch den Kopf.

„Aber was springt für Tim Gelvar dabei heraus?“ Er breitete die Arme zu einer weiten Geste aus.

Gavin entschloss sich, vorerst zu schweigen.

Gelvar ließ den Kopf nach unten fallen und hielt die Arme weiterhin ausgebreitet, was in gewisser Weise wie eine Verbeugung wirkte – er schien wirklich auf theatralisches Gehabe zu stehen. „Also gut. Ich werde sehen, was ich herausfinden kann, während Sie sich den nächsten Kampf in der Arena ansehen und einen netten Betrag setzen können. Falls sich etwas erfahren lässt, in Bezug auf Ihren Bruder, dann können wir uns über eine Gegenleistung unterhalten.“

Gavin nickte und dankte dem Arenaleiter. Gelvar drehte sich mit einem jovialen Lächeln um und verschwand durch die Tür hinter dem Tresen.

„Also irgendwie musst du ihn beeindruckt haben. Oder er verspricht sich irgendetwas davon, dir einfach so zu helfen.“, Lina verschränkte die Arme und sah auf den Sandplatz hinunter als sie hinzufügte: „Ich hätte gewettet, dass er keinen Finger rührt, ohne etwas dafür zu bekommen.“

„Gut, dass du nie wettest.“, bemerkte Gavin mit einem schelmischen Grinsen. Er ging zur Brüstung und schaute ebenfalls hinunter. Ein junger Mensch hatte die Fläche betreten und hielt einen kurzen Schockstab in der Hand. Noch sah er sich mit ernstem Gesicht um und beobachtete die Zuschauer – offensichtlich wartete er auf seinen Kontrahenten. „Also, auf wen sollte ich setzen?“

„Das werde ich ganz dir überlassen…“

„Wer ist denn sein Gegner?“

„Weiß ich nicht, ich habe nicht nachgesehen. Ah! Melosch. Der ist ganz gut…“, Lina Task deutete mit dem Zeigefinger auf einen Mann mittleren Alters mit breiten Schultern und großspurigem Gang, der soeben den Sandplatz betrat. Auch er trug einen Schockstab bei sich.

„Na gut, dann setze ich auf den Anderen.“, sagte Gavin lächelnd und drehte sich wieder zur Theke, wo ein schmieriger Geselle seinen Einsatz über 50 Credits entgegennahm. Der gab ob des kleinen Betrags ein unwilliges Grunzen von sich, sagte aber sonst nichts. Gavin gesellte sich wieder zu Lina und beobachtete die Kämpfer. „Wann trittst du wieder in den Ring?“

Die beiden Menschen unten hatten inzwischen ihre Plätze gegenüber voneinander eingenommen und schienen auf ein Startsignal zu warten. Beide schauten gespannt auf ein Arkadenfenster weiter oben.

„Erst Morgen wieder. Und ich fürchte es wird ein schwieriger Kampf.“, antwortete Lina.

Nun erschien ein weißgekleideter Mann in dem Fenster, der einen seltsamen Metallgegenstand in der einen und einen Schlägel in der anderen Hand hielt. Beides hob er nun langsam hoch und auch die Kämpfer erhoben ihre Waffen und gingen leicht in die Hocke. Einen Augenblick noch zögerte der Mann im Fenster und schlug dann mit dem Schlägel auf das Metall. Ein durchdringendes Klirren ertönte, wie von vielen kleinen Glöckchen, die geschüttelt wurden und sofort setzte sich der junge Arenakämpfer in Bewegung.

„Der Junge heißt übrigens Jared. Und ich glaube, das ist erst sein dritter Kampf. Bisher hat er nur verloren.“, merkte sie an.

Jared näherte sich mit schnellen Schritten seinem Gegner und duckte sich geschickt unter dessen Schlag hindurch. Aber der war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen und Melosch rammte Jared fast gleichzeitig seine Faust in die Seite. Der fiel in den Staub und Melosch setzte nach, aber Jared trat mit dem Fuß nach der Hand seines Gegners, die den Schockstab hielt, und ihm gefährlich nahe kam. Melosch zuckte zurück und der Junge rappelte sich hastig auf, wobei er noch weiter zurückwich. Die beiden begannen, sich aufmerksam zu umkreisen, Jared war nun vorsichtiger geworden. Plötzlich machte Melosch einen Ausfallschritt nach vorne und stach mit dem Schockstab nach dem Jungen. Der aber wich knapp zur Seite aus und hieb nach dem ausgestreckten Arm und erwischte Meloschs Unterarm. Das elektrische Knistern war bis zum Bogengang herauf zu hören und auch der unterdrückte Schrei, als Melosch den Schockstab fallen ließ.

Gavin zog gespannt die Luft ein, aber er hatte sich zu früh gefreut. Der erfahrene Kämpfer ließ sich nicht von den sicherlich großen Schmerzen aufhalten und stürzte sich sofort unbewaffnet auf seinen Kontrahänden. Mit seinem gesenkten Kopf rammte er dessen Kinn und Gavin verzog mitfühlend das Gesicht. Jared taumelte rückwärts und wäre wieder zu Boden gefallen, wäre er nicht mit dem Rücken gegen die Begrenzungsmauer geprallt. Er riss seinen Schockstab hoch und hielt ihn weit von sich gestreckt, um Melosch auf Distanz zu halten. Der ignorierte ihn aber völlig und drehte sich um, um sich eiligst wieder zu bewaffnen. Gerade als er seinen Schockstab wieder aufhob, führte Jared einen kräftigen Schwinger mit seiner Waffe auf ihn, aber Melosch erwischte mit der Linken sein Handgelenk und hielt es eisern fest. Mit der freien Waffenhand drosch er nach dem Kopf des Jungen, dem schon Blut aus dem Mundwinkel lief. Der riss seinen Arm hoch, aber es war zu spät und mit diesem knisternden Geräusch, das Gavin die Härchen auf dem Arm aufstellte, traf der Schockstab seine Stirn. Er brach im Staub zusammen und rührte sich nicht mehr.

„Der wird einige Zeit brauchen, bis er wieder auf dem Damm ist.“, bemerkte Lina Task abschätzig.

Einige der Zuschauer unten applaudierten dem Sieger, der sich verbeugte und dann den Ring durch den kleinen Durchlass verließ, durch den er ihn auch betreten hatte. Zwei Angestellte des Sanitätsteams kamen herein und schleiften den bewusstlosen Jared ebenfalls vom Sandplatz und die meisten der Zuschauer erhoben sich und strebten zu einer Treppe, die zum Bogengang heraufführte.

Gavin sah zur Theke um herauszufinden, ob Tim Gelvar schon wieder da war, aber er erntete nur ein schadenfrohes Grinsen von dem schmierigen Wettleiter. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als hier noch ein bisschen zu warten.

„Komm Lina, ich spendiere dir einen Drink.“

Er ging zur Bar und bestellte sich ein Sumpfbier. Nachdem er so schlechte Erfahrung mit seinem normalerweise bevorzugten Lomin Ale gemacht hatte, wollte er lieber etwas Einheimisches probieren. Vielleicht konnten sie das ja besser.

„Einen Slinger bitte.“, bestellte Lina.

„Wie gut verdient man denn so als Kämpfer in der Arena?“, fragte Gavin beiläufig, während er die Getränke bezahlte.

„Mit ein paar gelegentlichen Nebeneinkünften kann ich mich gerade so über Wasser halten.“, beschied Lina.

„Und wonach richtet sich die Bezahlung?“

„Ganz einfach: Nach Siegen. Je besser du bist, desto mehr Credits gibt dir Tim pro Kampf. Meiner Meinung nach ein ganz faires System. Leider bin ich eben nicht besonders gut.“ Sie nahm ihr Glas, das mit einer durchsichtigen, goldenen Flüssigkeit gefüllt war, in der gefrorener Stickstoff brodelte. Er selbst nahm seine Flasche und stieß mit ihr an, aber sie atmete nur vorsichtig den aufsteigenden Dampf ein. „Man muss erst warten, bis alles verdampft ist, wenn man sich nicht die Lippen abfrieren will.“, erläuterte sie in Bezug auf ihren Drink.

Gavin zuckte mit den Schultern und nahm einen Zug des kühlen Bieres. Es schmeckte recht gut, irgendwie erdig.

„Wie oft gewinnst du denn so im Durchschnitt?“, fragte Gavin vorsichtig.

„Hm… Einen von vier Kämpfen vielleicht.“, gestand sie und schwenkte behutsam ihr Glas.

„Ja, Aber Lina ist hartnäckig. Und sie hat Ehrgeiz. Ich bin mir sicher, dass sie es noch einmal weit bringen wird.“ Tim Gelvar war plötzlich zu ihnen gestoßen und hatte ein breites Grinsen im Gesicht.

„Ich muss zugeben, “, fuhr er an Gavin gewandt fort, „dass es nicht sehr schwer war, etwas über Ihren Bruder herauszufinden, Herr Kchron.“

Gavin stieß sich von der Bar ab und blickte den alten Mann erwartungsvoll an.

„Auch wenn er seinen Nachnamen geändert zu haben scheint: Rayland Borin.“
 
Gavin verließ das Raumhafenterminal in Bilbousa und betrat das weite Landefeld. Das Wetter hatte umgeschlagen und die Umgebung war in nebeligen Dunst gehüllt, der so dicht war, dass man nur die nächststehenden Raumschiffe erkennen konnte. Gavin marschierte in die Richtung, in der sich die ‚Händlerbeute‘ befinden musste. Das hier passte schon eher zu dem Klima, über das er gelesen hatte. Der Nebel hatte einen beißenden Geruch und legte einen blassgrünen Schleier über alles und jeden.

Er musste daran denken, was für ein Glück er gehabt hatte, denn nie hätte er gedacht, seinen Bruder so schnell finden zu können. Rayland schien seinen Nachnamen geändert zu haben - aus welchem Grund auch immer. Aber Gavin hatte das unbestimmte Gefühl, nein, er war sich irgendwie sicher, dass es tatsächlich sein Bruder war, den Tim Gelvar für ihn ausfindig gemacht hatte. Seltsamerweise arbeitete Rayland anscheinend nicht in einem Reparaturbetrieb für Minenfahrzeuge, sondern in einer eben solchen Kampfarena, wie Gelvar sie betrieb. Das war auch der Grund, warum es für den Arenaleiter so einfach gewesen war, Informationen über Gavins Bruder zu beschaffen. Gelvar hatte berichtet, Rayland manage dort ein Team von ausgewählten Kämpfern. Ein System, welches es im ‚Sandplatz des Ruhmes‘ nicht gebe, dass Gelvar aber äußerst interessant finde. Wie sein Bruder von der Arbeit als Mechaniker oder Händler zu so etwas gekommen war, konnte sich Gavin nicht erklären, aber er würde es hoffentlich bald erfahren.

Dieser Nebel war wirklich arg. Gavin konnte Navens YV-660 immer noch nicht ausmachen. Rechts von ihm stand ein A-Z-Z-3 aus einer der Mon-Cal-Werften. Das runde Cockpit stach aus dem wabernden Dunst hervor und lies ihn unwirklich erscheinen und das amphibisch anmutende Design des Frachters bestärkte diesen Eindruck. Er ging daran vorbei und erkannte kurz darauf wenige Meter vor sich die erdfarbene Außenhülle der ‚Händlerbeute‘. Hätte Gavin nicht gewusst, dass hier irgendwo ein Schiff stehen musste, wäre er wohl beinahe dagegen gerannt – so gut getarnt war der Frachter durch seine braune Lackierung in diesem Dunst. Gavin versuchte sich zu orientieren und fand die Einstiegsrampe, die heruntergelassen war. Er war pünktlich, so wie sie sich verabredet hatten und anscheinend war Naven schon an Bord und wartete auf ihn.

In der restlichen Zeit, die Gavin in den vier Stunden noch gehabt hatte, war er noch mit Lina Task in der Arena geblieben und hatte zweimal gewettet und verloren. Lina hatte auf ihren Begleiter aus der Bar gewartet und Gavin hatte ihr derweil Gesellschaft geleistet. Sie hatten sich hauptsächlich über das Kämpfen unterhalten.

„Wird hier immer mit diesen Schockstäben gekämpft?“, fragte Gavin.

Gerade war ein Kampf zu Ende gegangen und Gavin hatte weitere 50 Credits verwettet. Lina sah den Sanitätern zu, die den Besiegten stützten, als er aus dem Kampfring humpelte. „Nicht immer, aber meistens. Manchmal gibt es auch Duelle mit einfachen Kampfstäben. Aber die gehen meistens übler aus als mit diesen Schockwaffen, weil man davon nicht so schnell K.O. geht. Ich selber habe bisher nur ein paarmal damit gekämpft.“

Gavin lies den Blick über die anwesenden Zuschauer schweifen. Bis auf einen Trandoshaner waren nur Menschen anwesend.

„Woanders, in anderen Arenen, wird zum Beispiel auch mit Betäubungsblastern und exotischeren Waffen gekämpft. Es soll auch Kämpfe mit richtigen Waffen geben, die oft mit dem Tod eines der Kämpfer enden, aber davon will ich erst gar nichts wissen und halte mich davon lieber fern.“, ergänzte sie.

Nachdem ihr Partner aus der Bar wiedergekommen war und Lina den Geldanteil an irgendeinem Nebengeschäft gegeben hatte, das er offensichtlich dort getätigt hatte, hatte sie sich verabschiedet und die beiden waren verschwunden. Gavin hatte noch ein ‚Sumpfbier‘ an der Bar getrunken, aber es war kein weiterer Kampf angesetzt und außerdem war es dann auch bald Zeit gewesen, zum Raumhafen aufzubrechen. Tim Gelvar hatte keine Gegenleistung für seine Auskunft verlangt. Er hatte lediglich mit einem kühlen Lächeln und einem Augenzwinkern gesagt, Gavin schulde ihm nun einen Gefallen und nichts weiter.

Der Gedanke daran war Gavin mittlerweile nicht mehr so angenehm, aber was hätte er schon tun sollen. Eine offene Rechnung war trotzdem nicht gerade das, was er jetzt unbedingt haben wollte. Aber vielleicht reichte dem Arenaleiter ja auch, dass er ein paar Credits verwettet und ein paar Drinks getrunken hatte… vielleicht.
 
Er stieg die Rampe hinauf ins erste Deck und ging dann weiter zu den privaten Aufenthaltsräumen direkt beim Cockpit. Die Tür zum Wohnraum auf der ‚Händlerbeute‘ glitt zischend beiseite und Gavin trat ein. Naven Vuin saß auf einer der gemütlichen Bänke und war über ein Datapad gebeugt, das auf dem Tisch vor ihm lag. Als er den Menschen eintreten hörte, sah er auf.

„In einem Stück wieder da, wie erfreulich.“

Gavin setzte sich auf die zweite Bank, die im rechten Winkel zur ersten an der Wand stand und der Sullustaner schob ihm das Datapad zu.

„Du hast etwas herausgefunden?“, fragte Gavin.

Naven lehnte sich zurück und verschränkte die kurzen Arme hinter dem Kopf. „Allerdings. Mein Kontaktmann, Wellard, scheint Probleme mit den Behörden bekommen zu haben. Und da wir hier auf Nal Hutta sind, heißt das so viel wie: Probleme mit den ansässigen Hutt-Gangsterbossen.“ Er ruckte das Kinn in Richtung Datapad.

Gavin studierte die geöffnete Datei. Es handelte sich um eine Art Steckbrief: Das fette Mondgesicht eines Hutten war darauf abgebildet. Die riesigen, schwarzen Augen wirkten verschlafen unter den fleischigen, halb geöffneten Lidern und auf der linken Wange hatte das Individuum ein klobiges Geschwür. „Karridan der Derbe“, las Gavin murmelnd. Weiter unten waren Teilhaberschaften und diverse Firmen angegeben, die der Beschriebene angeblich unterhielt. Man konnte sich zum Beispiel unschwer vorstellen, was sich hinter ‚Dienstleistungsgewerbe – Vergnügungssektor‘ verbarg. In der Datei befand sich außerdem eine Karte, die den Wirkungsbereich des Hutten anzeigte. Bilbousa befand sich ebenso darin wie Drummoy, die Großstadt, in der sich angeblich Rayland aufhielt. Gavin schaute den Sullustaner fragend an.

Der tippte mit dem Finger auf den Rahmen des Pads und erklärte: „Dieser ‚Karridan der Derbe‘ ist einer der drei mächtigsten Hutten in dieser Region.“ Er berührte das Pad und rief eine Datei mit einer ähnlichen Karte auf. „Und dies ist der Einflussbereich von ‚Blebbor‘, noch so eine schleimige Huttenvisage. Die beiden können sich anscheinend nicht riechen und spucken Gift und Galle, wenn sie aneinander geraten – im wahrsten Sinne des Wortes.“

„Und was haben die beiden mit deinem Kontaktmann zu tun?“, wunderte sich Gavin.

„Das habe ich von dem Freund des Weequay erfahren, mit dem ich heute sprach. Er hatte zufällig zur gleichen Zeit ein Geschäft mit eben diesen beiden Hutten am Laufen und hat die Sache mit Wellard mitbekommen: Wellards Plan war es, die Glitzerstim-Aufbereitungsanlage teuer an Blebbor zu verkaufen. Dummerweise hat auch Karridan von dem Deal Wind bekommen und wollte die Anlage für sich haben. Und Wellard, dieser Trottel, hat anscheinend gedacht, er könne die beiden Gangsterbosse gegeneinander ausspielen, um den Preis in die Höhe zu treiben.“

Gavin stand auf und holte sich etwas zu trinken und lehnte sich an die Küchenzeile. „Ein Fehler, wie ich anhand deiner Aussage annehme?“, hakte er nach.

Vuin nickte bedächtig. „Karridan hat ihn sofort durchschaut und sich ihn vorgenommen. Seitdem ist Wellard verschwunden. Mehr konnte ich nicht herausfinden.“

„Hm…“, machte Gavin nachdenklich. „Es könnte sein, dass Karridan dann diesen Belas gedungen hat, um die Anlage sozusagen kostenlos an sich zu bringen.“

„Gut möglich.“, überlegte Naven. „Vielleicht werde ich ja auch das herausfinden, wenn ich mich in Karridans Stadtvilla umsehe.

Gavin zog die Augenbrauen zusammen. „Du willst einfach zu diesem Schleimbeutel gehen und ihn unverblümt nach dem Verbleib eines Typen fragen den er beseitigen hat lassen, nur weil er ihn verärgert hat? Das hört sich für mich recht leichtsinnig an.“, meinte Gavin und trank einen Schluck. „Und ich verstehe nicht ganz was du dir davon versprichst.“, fügte er hinzu.

Naven Vuin betrachtete Karridans Steckbrief auf dem Datapad. „Das ist nicht weiter schwierig zu verstehen: Wellard wollte mit ihm verhandeln, obwohl er eigentlich gar nicht in der Situation dazu war. Er hatte die Anlage ja noch gar nicht! Er hätte so oder so auf mich und meine Lieferung warten müssen. Und deshalb glaube ich auch nicht, dass er tot ist. Der Hutt muss genauso darauf warten und mit Sicherheit denkt er, dass er Wellard braucht, um an mich oder die Anlage zu kommen.“ Der Sullustaner grinste breit. „Aber da täuscht er sich. Im Grunde hat er mir sogar einen Gefallen getan, indem er Wellard aus dem Weg geschafft hat: Nun kann ich den ganzen Preis einstreichen und muss mich nicht mit dem Lohn für den Transport zufriedengeben.“ Naven tippte auf dem Pad herum und ließ sich den Standort der Villa des Gangsterbosses anzeigen. Nicht zum ersten Mal dachte Gavin, dass sein neuer Freund ein wirklich harter Geschäftsmann war. „Aber du hast natürlich Recht. Das Ganze wird nicht ganz einfach werden, ich muss mir da noch ein paar Dinge im Kopf zurechtlegen.“ Er blickte auf. „Aber wie ist es bei dir gelaufen? Hast du was rausgefunden?“

Gavin stellte das leere Glas ab und stützte sich mit den Händen auf die Tischplatte. „Allerdings. Mein Bruder arbeitet nicht in einer Werkstatt sondern in einer Wettkampfarena, in der Kämpfer mit nicht tödlichen Waffen gegeneinander antreten. Er ist dort Trainer oder Manager. Und er hat seinen Nachnamen geändert.“, schloss er.

Vuin kratze sich hinter dem Ohr. „Das riecht förmlich nach Schwierigkeiten.“, mutmaßte er.

Gavin nickte versonnen. Er griff über den Tisch nach dem Datapad und rief erneut die Einflusskarte Karridans auf. Er zeigte Naven den Punkt, der für die zweite große Stadt stand, in der der Gangsterboss Beziehungen unterhielt. „Diese Arena befindet sich in Drummoy. Wenn du bei deinem Freundlichkeitsbesuch morgen meine Hilfe nicht brauchst, dann würde ich dort hinfliegen.“

„Ist gut. Ich wüsste nicht, wozu ich dich da brauchen könnte.“ Naven erhob sich und kam hinter dem Tisch hervor. „Hast du schon was gegessen?“, fragte er.

Erst jetzt merkte Gavin, wie hungrig er eigentlich war. „Nein.“, gestand er.

„Gut!“, sagte Naven und wandte sich zur Küchenzeile. „Dann werde ich uns eine wohlverdiente Mahlzeit machen und danach überlegen wir uns, was genau ich diesem Wurm morgen erzählen werde…“
 
Der Aufenthaltsraum der ‚Händlerbeute‘ war dunkel bis auf die Statusdiode des Datapads das auf dem Tisch lag. Plötzlich erwachte der Bildschirm zum Leben und erhellte den Raum mit bläulichem Licht. Ein durchdringendes Piepen weckte Gavin, der sich auf der Sitzbank schlafen gelegt hatte. Mäßig verwirrt und schlaftrunken tastete er mit der Hand nach dem Pad um die Weckfunktion zu deaktivieren und fegte es stattdessen vom Tisch. Klappernd fiel es zu Boden, mit dem Bildschirm nach unten; Es war wieder stockdunkel im Zimmer. Aber das Piepsen hielt an, also wälzte er sich ächzend herum und suchte das Gerät mit den Fingern am Boden. Er fand und deaktivierte es. Dann betätigte er den Hauptschalter, der sich an der Unterseite der Tischplatte befand und die Beleuchtung ging an.

Kurz ließ er seine Gedanken schweifen und dachte an den gestrigen Tag. Die Aussicht, heute seinen Bruder zu treffen, den er seit Jahren nicht gesehen hatte und auch nicht wirklich kannte, erfüllte ihn mit Aufregung und machte ihn sofort gänzlich wach. Und unerwartet plötzlich schob sich die Erinnerung an seine toten Eltern in seine Gedanken. Aber er schob sie mit aller Macht wieder fort und stand auf, um in die Dusche zu gehen. Irgendwie war er immer noch nicht bereit, sich alldem zu stellen.

Gavin war bereits mit dem Duschen und Anziehen fertig und packte seinen Rucksack für den heutigen Tag, als auch Naven Vuin in den Aufenthaltsraum kam. Gavin drehte gerade wieder einmal das kleine verschlüsselte Datapad in der Hand hin und her, das er in der Hemdtasche seines Vaters gefunden hatte.

„Was ist das?“, wollte Naven wissen und musste gleich darauf gähnen.

„Hm.“, machte Gavin. „Das weiß ich selber nicht.“ Er schob das Pad in den Rucksack. Seinem Bruder wollte er es auf jeden Fall zeigen. Aber Naven konnte er die Angelegenheit kaum erklären, ohne die ganze Tragödie vom Rest seiner Familie zu rekapitulieren. „Ich erzähl dir ein Andermal davon. Und vielleicht weiß ich sogar heute Abend schon mehr darüber.“, sagte er lediglich. Damit musste der Sullustaner sich vorerst begnügen.

Naven nickte nur und trat zur Kücheneinheit um sich sein Frühstück zuzubereiten.
 
Als Gavin von der Ausstiegsrampe auf das Landefeld trat hatte sich das Wetter nicht verändert. Noch immer waberte leicht grünlicher Nebel zwischen den Raumschiffen und beschränkte die Sicht auf wenige Meter. Zielstrebig wanderte er Richtung Terminal und mietete dort eines der zahlreichen Schwebetaxis, das ihn in die Stadt bringen sollte, in der sich Rayland befand.

Unterwegs erzählte ihm der Fahrer, dass Drummoy ein gutes Stück größer sei als Bilbousa, nur über keinen vergleichbaren Raumhafen verfügte. Sobald sich der Personengleiter über den Nebel erhoben hatte, konnte man überraschend weit sehen. Der Fahrer erklärte, dass der Dunst von den riesigen Sumpfgebieten südlich der Städte herankroch, wenn nicht – wie gestern – dieser scharfe Wind aus den östlichen Ebenen heranwehe. Von diesen Sümpfen konnte Gavin nichts erkennen, denn wie die Stadt lag auch der weitere Süden im Nebel. Rechterhand im Norden allerdings erhob sich eine zerklüftete Bergkette aus dem Dunst empor, die sich in weitem Bogen bis nach Westen hin zog. Im Licht der aufgehenden Sonne erstrahlten die Hänge in feurigem Kontrast zu dem graugrünen Meer aus Nebel zu ihren Füßen. Und dort, weit voraus erkannte Gavin einige größere Gebäude, die kuppelförmige Aufbauten und spitze Türme gen Himmel streckten. Das musste Drummoy sein. Gavin musste sich eingestehen, dass selbst ein Planet wie Nal Hutta sich von einer wundervollen Seite zeigen konnte.

Die beiden Städte lagen nur einige Kilometer voneinander entfernt. Bald tauchten sie in unmittelbarer Nähe der Hochhäuser wieder in die Nebelschwaden ein. Er fragte sich einen Moment, wie der Fahrer sich hier zurechtfand, aber dann bemerkte er die ungewöhnlich ausführlichen Sensorbildschirme. Man hatte ihm versichert, ihn direkt zu der Kampfarena zu bringen. Der Pilot aktivierte einen Schalter und die Nebelscheinwerfer des Gleiters erwachten zum Leben. Eine großartige Sichtverbesserung brachten sie allerdings nicht. Aber anscheinend waren sie erst in unmittelbarer Nähe der Arena in den Nebel zurückgekehrt, denn der Pilot setzte den Gleiter nun mit einem sanften Schaukeln auf dem Boden ab. Im Lichtkegel der Scheinwerfer konnte er lediglich eine graue Gebäudewand ausmachen. Er bedankte sich, bezahlte und stieg dann aus.

Der Gleiter erhob sich augenblicklich und ließ Gavin alleine im Nebel zurück. Jetzt kam ihm der Gedanke, dass er den Fahrer vielleicht noch hätte fragen sollen, wo denn der Eingang sei. Er ging an der Wand entlang, bis diese um die Ecke bog. Dann sah er wage eine Leuchtschrift durch den Dunst und ging darauf zu. ‚Drummoy Kampfarena‘ stand über einer gewaltigen Eingangstür. Anscheinend schien es sich hier um etwas Größeres zu handeln als beim ‚Sandplatz des Ruhmes‘. Die Tür glitt automatisch auf als er sich näherte und sein Eindruck wurde bestätigt, als er eine große Halle betrat. Ein paar Personen saßen auf Bänken, die entlang der Säulen aufgestellt waren, die die hohe Decke des Raumes abstützten. Leise Musik erklang aus Lautsprechern und auf den Seiten waren ein Kiosk und eine Bar eingerichtet. Um diese Tageszeit schien allerdings kaum etwas los zu sein. Am anderen Ende der Halle befand sich eine breite Treppe und seitlich davon eine verglaste Box, in der ein alter Weequay saß und anscheinend Creditchips abzählte. Gavin trat an ihn heran und wollte den Eintritt bezahlen, aber der schüttelte nur den Kopf und antwortete auf Basic: „Es finden noch keine Kämpfe statt. Der erste ist erst mittags.“

„Ich möchte mit meinem Bruder sprechen, der arbeitet hier.“, erklärte Gavin.

Der Weequay fuhr sich mit der Hand durch sein spärliches, zu grauen Zöpfen geflochtenes Haupthaar und fragte: „Wie heißt er?“

„Rayland.“

„Ah ja, er ist vor einer halben Stunde raufgegangen.“ Mit einem krallenbewehrten Finger wies er die Treppe hinauf.

„Wo genau finde ich ihn?“, wollte Gavin noch wissen.

„Hm. Er hat ein kleines Büro den Gang oben links, die zweite oder dritte Tür rechts.“

Gavin nickte freundlich und stieg die Stufen hinauf. Sie mündeten in einen runden Raum, der stirnseitig ein breites Fenster aufwies, durch das man in die Arena hinuntersehen konnte, die etwas größer als der ‚Sandplatz des Ruhmes‘ war. Vor Allem hatte sie größere Tribünen. Links und rechts führte jeweils ein Gang aus dem Raum. Gavin ging nach links und bemerkte, dass es rechterhand nur zwei Türen gab. Vor der zweiten Tür blieb er stehen und zögerte. Ein Schild an der Tür bekundete: „Borin, Kämpfermanagement“

Er war nervös. Das letzte Mal, als er seinen Bruder gesehen hatte, war vor gut sechs Jahren gewesen. Und die beiden hatten wegen des großen Altersunterschieds nie eine innige Beziehung gehabt. Trotzdem war Gavin aufgeregt und gespannt, wie sein Bruder sich verändert hatte. Er würde jetzt 25 sein. Einen Moment zögerte er noch, bevor er klopfte und die Tür aufdrückte. Hinter einem kleinen Schreibtisch, der in den winzigen Raum gezwängt war, saß Rayland und kramte in einer Schublade herum. Gavin erkannte ihn sofort wieder, obwohl er sich doch stark verändert hatte: Er ließ sich einen eleganten Oberlippenbart stehen und trug sein schwarzes Haar, im Gegensatz zu früher, kurz. Rayland schien es ähnlich zu ergehen. Als er aufblickte um seinen Besucher zu betrachten, wurden seine Augen groß.

„Bei allen Sternen, Gavin!“ Er sprang auf und quetschte sich hinter dem Schreibtisch hervor um seinen Bruder in die Arme zu schließen. Gavin war von dieser herzlichen Begrüßung etwas überrumpelt, aber er merkte sofort, wie gut ihm der warme Empfang nach all den furchtbaren Erlebnissen der letzten Tage tat.

„Hallo Rayland.“, sagte er, nachdem er sich aus der Umarmung gelöst hatte.

Rayland musterte ihn eingehend. „Bei der Macht, bist du groß geworden! Ich schwöre, das letzte Mal als ich dich gesehen habe, bist du mir gerade mal bis zum Bauchnabel gegangen. Ich hätte dich fast nicht erkannt!“, stellte er lächelnd fest. „Was führt dich hierher? Und wie hast du mich gefunden? Das war sicher nicht ganz einfach. Ich hab ja schon ewig nichts mehr von euch gehört!“

Gavin hob die Hand um seinen Redefluss zu unterbrechen. „Ich habe schlechte Nachrichten.“, sagte er ernst.

Sein Bruder runzelte die Stirn. „Hm.“, machte er. „Lass uns in die Kantine runtergehen. Hier drin hab ich nicht einmal Platz für einen zweiten Stuhl.“
 
Die Kantine stellte sich als eine sehr gemütliche kleine Bar heraus. Rayland bestellte zwei Drinks und sie setzten sich an einen Tisch, von dem aus man auf den Kampfplatz hinuntersehen konnte. Er schob Gavin ein Glas zu und kommentierte: „Schlechte Nachrichten verträgt man besser mit einem harten Schnaps.“

Gavin schnupperte an der gelblichen Flüssigkeit, die nach Branntwein roch. Er seufzte. „Also gut. Mama und Papa sind tot. Und Lora auch.“ Plötzlich konnte er nicht mehr weitersprechen. Seine Kehle hatte sich schlagartig zugeschnürt, sowie die Worte heraus waren. Dadurch, dass er es selbst ausgesprochen hatte, war die ganze Sache für Gavin irgendwie ein gutes Stück realer geworden. Unterbewusst hatte er geahnt, dass er sich den Tod seiner Schwester und seiner Eltern noch nicht wirklich klargemacht hatte. Doch jetzt, da er seinem Bruder davon berichten sollte, wurden die Erkenntnis und die schaurige Erinnerung wieder erdrückend. Er starrte auf das Glas, an das sich seine Hand klammerte und stürzte es in einem Satz hinunter. Der Alkohol brannte fürchterlich in seiner Kehle und ergoss sich als warmer Strom bis in seinen Bauch hinunter. Er atmete tief durch und sah zu seinem Bruder. Der war merklich bleicher geworden und das hob seinen dunklen Bart komisch hervor. Auch er hob jetzt sein Glas und trank einen guten Schluck. „Was?“, fragte er unsinnigerweise. Seine Stimme war rau.

„Man hat sie umgebracht. Ich weiß nicht wer. Ich war nicht da, ich war unterwegs, um bei einem Kunden etwas zu reparieren. Als ich wieder nach Hause kam waren sie alle tot, erschossen.“ Die Einzelheiten ersparte er sich beiden. „Papa muss in irgendwelche Schwierigkeiten geraten sein, aber ich habe keine Ahnung welche. Ich habe nur -“, er langte in seinen Rucksack und holte das verschlüsselte Datapad hervor. „- das hier in seiner Hemdtasche gefunden. Aber es ist irgendwie gesichert.“ Er reichte es seinem Bruder, der es gedankenverloren in der Hand drehte. Dann nahm er einen weiteren Schluck von seinem Getränk und fragte: „Was hast du dann gemacht?“

Gavin erzählte ihm, wie er die Toten beerdigt und das Geld von der Stellar-Energiestation geholt hatte. Auch von seiner Reise hierher berichtete er, und von Naven Vuin und den Zwischenfällen auf Nar Shaddaa. Das Gespräch mit Rayland erleichterte Gavins Seele und als er geendet hatte und sie sich schweigend gegenübersaßen, ein jeder seinen eigenen Gedanken nachgehend, fühlte er sich wesentlich besser.

Rayland schien mittlerweile relativ gefasst. Zweifelsohne erschütterte ihn, der er seit Jahren keinen Kontakt zur Familie gehalten hatte, die Nachricht bei weitem nicht so tief. Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. „Phu… und was wirst du jetzt tun, kleiner Bruder?“, wollte er wissen.

Gavin nahm das verschlüsselte Datapad vom Tisch auf und betrachtete es.
 
Naven Vuin beobachtete eine Gruppe Bewaffneter, die das Gebäude durch den Haupteingang verließen. Sie waren einigermaßen einheitlich in dunkle Kampfanzüge gekleidet und trugen Blasterkarabiner, offensichtlich handelte es sich um eine Miliz der Hutts. Der Sullustaner überquerte die Straße und betrat die Stadtvilla. Nachdem er das tunnelartige Eingangstor hinter sich gelassen hatte, befand er sich in einem staubigen Innenhof. Der allgegenwärtige Nebel senkte sich auch zwischen diesen Mauern herab und verschleiert konnte Naven rechterhand einige Gleiter erkennen, von denen einer die Scheinwerfer eingeschaltet hatte. Er durchschritt den Hof und gelangte an eine geschlossene doppelflüglige Tür vor der zwei Wachen standen. Beide waren grauhäutige Twi‘lek und erinnerten ihn sofort an Belas‘ Schergen auf dem Schmugglermond. Er ignorierte das leicht unangenehme Ziehen, das sich in seinem Bauch bemerkbar machte und sprach die beiden an.

„Ich möchte mit Karridan ‚dem Derben‘ sprechen.“

Die beiden Wächter musterten ihn abschätzig. „Wie ist Ihr Name? Und was wollen Sie vom Meister?“

„Ich habe ihm ein Geschäft vorzuschlagen. Naven Vuin.“, antwortete er.

Der, der mit ihm gesprochen hatte, warf seinem Kameraden einen kurzen Seitenblick zu, worauf dieser nickte. Dann öffneten sie die Türflügel und Naven trat ins düstere Innere. Einer der Twi’leks geleitete ihn einen schlecht beleuchteten Gang entlang und blieb dann vor einer weiteren, prunkvoll verzierten Tür stehen. Er ging vor Vuin in die Hocke und untersuchte ihn auf Waffen. Naven drückte ihm mit einem kurzen Nicken seine Blasterpistole in die Hand, die der Wächter in die Innentasche seiner Weste schob. „Sie bekommen ihn selbstverständlich nach der Unterredung mit dem Meister wieder.“, erklärte er mit einem Grinsen, das seine spitzen Zähne entblößte. Dann öffnete er auch diese Tür und bedeutete Naven mit einer Geste einzutreten.

Der Audienzraum Karridans ‚des Derben‘ war zu seiner Überraschung hell erleuchtet. Eine große, runde Öffnung in der Decke, die mit einer Transparistahlscheibe geschlossen war, ließ trotz des Nebels Licht ein und zahllose kunstvolle Lampen hingen von der Decke, die ein warmes, gelbes Licht verbreiteten. Naven musste dem Hutten einen guten Geschmack zugestehen.

„Naven Vuin, Meister.“, kündigte der Twi’lek den Besucher an. Die leisen Gespräche der im Raum verteilten anwesenden Gäste oder Bediensteten verstummten als Naven in die Mitte des Raumes vor den prachtvollen Hochsitz des Hutten trat. Er erkannte das fleischige Geschwür auf der Wange des Reptils, das ihm auch schon auf dem Steckbrieffoto aufgefallen war. Doch Karridans Augen musterten den Gast hellwach und ein interessiertes Funkeln stand in ihnen. Naven beherrschte kein Huttisch, also sprach er einfach auf Basic. „Ich freue mich, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen, Karridan. Aber ich will Eure zweifellos kostbare Zeit nicht mit übertriebener Freundlichkeit vergeuden und komme sofort zum Geschäft. Ich habe etwas, von dem ich weiß, dass Ihr es haben wollt.“

Er wartete geduldig, bis ein Protokolldroide, der neben dem Hochsitz stand, seine Worte übersetzt hatte. Karridan neigte den massigen Schädel und breitete die kurzen Stummelarme in einer huldvollen Geste aus. Dann sprach er einige Worte in der kehligen Sprache der Hutts und der Droide übersetzte nun für Naven.

„Der Meister heißt Sie willkommen und weiß Ihre Direktheit zu schätzen. Er lässt verlauten, dass er stets an einem Geschäft interessiert ist. Nun will er also wissen, um was es sich bei dieser Sache handeln soll, die Sie anzubieten haben.“

„Ich bin mir sicher, dass Sie das bereits ahnen. Doch wir kommen nur unter der Bedingung ins Geschäft, dass ich zuvor mit meinem Kontaktmann sprechen darf, den Sie hier festhalten.“, sprach Naven selbstbewusst. Von der Seite erklangen unterdrückte Laute der Empörung ob dieser dreisten Unterstellung. Wieder wartete der Sullustaner die Antwort geduldig ab.

„Der Meister verlangt zu wissen, um wen es sich dabei handeln soll. Wie Sie hier sehen beherbergt der großzügige Meister stets zahlreiche Gäste in seinem Haus. Und er möchte darauf hinweisen, dass es nicht gerade üblich ist, Forderungen an Ihn zu stellen, ohne überhaupt ein überzeugendes Angebot vorgebracht zu haben.“, tönte die blecherne Stimme des Droiden.

Naven nickte. „Ein Mensch namens Wellard. Und ich bin mir sicher, dass er sich hier unfreiwillig als Gast aufhält. Wie dem auch sei, wenn ich nicht zuerst mit ihm sprechen kann, werden wir nicht ins Geschäft kommen.“, beharrte er.

Nach einigen Augenblicken, während denen das allgemeine Gemurmel ringsum anhielt, gab der Hutt sein Einverständnis und bedeutete dem Twi’lek, seinen Gast wegzuführen. Der brachte ihn zuerst wieder hinaus auf den Korridor und geleitete ihn bis zu dessen anderem Ende. Ein quadratisches Tor öffnete sich nach der Eingabe eines Zugangscodes. Dahinter befand sich offensichtlich der Teil der Villa, der generell nicht für Besucher bestimmt war. Der Wächter zeigte auf eine schwere Stahltür neben der ein Bildschirm angebracht war, der das Zelleninnere zeigte. Naven betrachtete das Bild. Die Kamera schien an der Decke in der Ecke des kleinen Raums angebracht zu sein. Sie blickte von oben auf einen Mann herab, der auf einer einfachen Pritsche zusammengesunken war. Sein Haar war spärlich und sein Hinterkopf bereits kahl. Trotz des schlechten Bildes machte er einen verwahrlosten Eindruck. Seine bloße Haltung strahlte Niedergeschlagenheit aus. Vuin hatte Wellard nie zuvor gesehen, also verließ er sich einfach darauf, dass der Wächter ihn zur richtigen Zelle gebracht hatte. Er nickte dem Twi’lek auffordernd zu und dieser schloss die Zellentür auf. Als der Sullustaner eintrat sah Wellard auf. Der Ausdruck, den er im Gesicht des Menschen sah, bestätigte, was Vuin schon über die Kamera gesehen hatte. Doch als der Gefangene erkannte, wen er vor sich hatte, trat ein unpassend breites Grinsen in dessen Züge.

„Na sieh einer an, wen der verdammte Nebel hereinträgt. Naven Vuin, nehme ich an.“, sagte der Gefangene mit rauer Stimme und hustete ein paar Mal.

„Die Gastfreundschaft der Hutts scheint Ihnen nicht besonders zu bekommen.“

Der andere ignorierte Navens Kommentar und räusperte sich. „Ich bin Wellard, Ihr Kontaktmann. Ich hatte natürlich gehofft, sie unter anderen Umständen zu treffen, aber ich denke, nun da Sie hier sind, können wir sofort mit Karridan ins Geschäft kommen und ich muss nicht länger in seinem Haus bleiben.“

„Die Verhandlungen mit Karridan haben sogar schon begonnen.“, sagte Naven bedeutungsvoll und grinste breit. Das Lächeln verschwand von Wellards Gesicht, als ihm dämmerte, was das für ihn bedeutete - dass dieser Sullustaner ihn gar nicht brauchte, um die Glitzerstim-Aufbereitungsanlage an den Hutten zu verkaufen. Er stand abrupt auf und drückte sich mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Aber ohne meine Kontakte hätten Sie gar niemanden gefunden, dem Sie eine so gefährliche Fracht problemlos verkaufen können!“, rief er aufgebracht. „Und genau das ist es doch, wofür ein Kontaktmann bezahlt wird!“

„Das stimmt, ohne Sie wäre ich nicht auf Karridan den Derben gekommen, aber Sie haben mich auch nur indirekt zu ihm geführt, weil ich mich nach Ihrem Verbleib erkundigt habe. Das war nicht gerade Ihr Verdienst.“

Wellard machte ein grantiges Gesicht und trat aufgeregt ein paar Schritte in der kleinen Zelle auf und ab. Als er wieder zu Naven herabsah, versuchte er es mit einem freundlichen Lächeln. „Ich habe Sie aber auch nicht an Karridan verraten. Mit den Informationen, die ich von unserem gemeinsamen Auftraggeber erhalten habe, um Kontakt mit Ihnen aufzunehmen, wenn sie auf Nal Hutta ankommen, hätten Karridans Söldner Sie kurz nach der Landung im Raumhafen abgefangen und die Fracht unter irgendeinem billigen Vorwand beschlagnahmt.“

Naven kratzte sich hinterm Ohr, so als müsse er darüber nachdenken. „Sicherlich nobel von Ihnen. Aber ich bezweifle, dass Sie mich aus diesem Grund nicht verraten haben. Sie hatten mich schon viel früher verraten, als ich noch irgendwo im Hyperraum auf dem Weg in dieses System war.“

Wellard hörte wieder auf zu Lächeln. „Wie kommen sie auf so einen Unsinn?“, stieß er hervor.

„Sie dachten, sie könnten sich meinen Lohn für den Transport der Anlage sparen, indem sie einen Zabrak namens Belas dazu anstiften, mein Schiff zu kapern und an sie weiterzuleiten. Bei den Transportkosten einer so weiten Reise mit einer solch illegalen Fracht durchaus lohnenswert. Keine dumme Idee, und faste hätte es auch geklappt. Aber das war Ihnen offensichtlich noch nicht genug und Sie wollten die örtlichen Gangsterbosse gegeneinander ausspielen um noch mehr herauszuholen. Das hingegen war wohl doch eine dumme Idee, sonst würden Sie nicht hier sitzen. Und weil Sie dachten, dass mein Schiff und die Fracht noch immer auf Nar Shaddaa festsitzen, waren auch die Informationen über mich und mein Schiff wertlos.“, schloss Vuin.

Während dieser Rede war Wellard langsam wieder auf die Pritsche gesunken und hatte Naven mit einem schlecht verborgenen Ausdruck der Fassungslosigkeit angestarrt. Doch jetzt stemmte er die Hände auf die Pritsche und erhob sich halb. „Nun, da Sie jetzt hier sind, hat sich das ja offensichtlich geändert. Und ich schätze es wird Karridan brennend interessieren, dass sich die Glitzerstim-Aufbereitungsanlage, “- er drehte sich jetzt halb zur geöffneten Zellentür, wo noch immer der Twi’lek stand, sodass dieser ihn bestens verstehen konnte - „in einem YV-660 leichten corellianischen Transporter namens Händlerbeute befindet.“ Er machte eine kurze Pause und fügte „Mit brauner Lackierung.“, hinzu.

Verdammter Mistkerl – dachte Naven und bemerkte, wie der Wächter in den Gang spähte und unauffällig jemandem zunickte.

„Für jemanden wie Karridan den Derben, der über ein gutes Spionagenetz verfügt, wird das sicher nichts Neues sein.“, zwang er sich zu sagen, obwohl er es selbst nicht glaubte. Er wandte sich an den Wächter und sagte: „Ich denke das Gespräch hat alle meine Fragen beantwortet.“

Der Twi’lek bedeutete ihm mit einer Geste, die Zelle zu verlassen. Naven trat auf den Gang hinaus und die Tür wurde hinter ihm wieder geschlossen. Nervös folgte er dem Wächter wieder zurück durch den Korridor. Als sie an einem kleinen Nebenraum neben dem Eingang der Villa vorbeikamen, der wie eine Garderobe aussah, blieb er stehen. „Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden.“, sagte er, zog sein Komgerät hervor und winkte vielsagend damit in Richtung der Garderobe. Zu seiner Erleichterung nickte der Wächter diskret und gab keinen Kommentar ab. Naven betrat den kleinen Raum und aktivierte das Kom.

„Auf geht’s, Gavin. Lass mich nicht hängen.“, murmelte er.
 
Ein Pfeifton erklang und riss Gavin und seinen Bruder aus ihren Gedanken. Er legte das verschlüsselte Datapad wieder auf den Tisch und griff sich in die Westentasche, in der das Komgerät war, das er von Naven Vuin bekommen hatte. Per Knopfdruck aktivierte er den Lautsprecher.

„Gavin? Ah, wunderbar.“, erklang die Stimme des Sullustaner leicht verzerrt.

„Was ist los?“, fragte Gavin.

„Ich brauche deine Hilfe, hör genau zu.“ Eine kurze Pause folgte und Rayland warf Gavin einen argwöhnischen Blick zu. „Bist du noch in Drummoy?“, meldete sich Naven wieder.

„Ja.“

„Dann kehre so schnell wie möglich zum Raumhafen in Bilbousa zurück. Du musst die ‚Händlerbeute‘ wegschaffen!“

„Ähm…“, machte Gavin.

„Ich erklär es dir dann später.“

Gavin zog die Augenbrauen zusammen. „Ja, und wo soll ich sie hinbringen?“

„Versteck sie irgendwo, es braucht nicht für lange zu sein – Keine Ahnung. Möglichst ein bisschen abseits von huttischem Einfluss.“, wies ihn Naven an.

Gavin warf seinerseits Rayland einen fragenden Blick zu, der sich nachdenklich am Kinn kratzte.

„Gut, ich bin schon auf dem Weg.“, antwortete Gavin.

„Ich melde mich, wenn ich hier fertig bin.“, verabschiedete sich Vuin und das grüne Licht am Komgerät erlosch. Gavin schob es wieder in die Tasche.

„Das klingt nach Schwierigkeiten.“, meinte Gavins Bruder und lehnte sich auf der Bank zurück.

Gavin zuckte die Schultern. „Es hätte mich auch gewundert, wenn es keine Schwierigkeiten gegeben hätte.“ Er erhob sich vom Tisch und gabelte seinen Rucksack auf. Dann fragte er: „Du weißt nicht zufällig, wo ich einen gut sechzig Meter langen Frachter vor den Hutts verstecken könnte?“

„So auf Anhieb nicht. Aber ich kann versuchen etwas aufzutreiben. Gib mir mal dein Kom.“

Gavin reichte ihm das Gerät und Rayland hielt es an sein eigenes Modell um den Kanal zu synchronisieren.

„Ich melde mich, falls ich etwas finde.“ Rayland war ebenfalls aufgestanden und umarmte ihn noch einmal kurz. „Immer nach vorne schauen, kleiner Bruder. Wir sehen uns später.“

Er sah seinem Bruder hinterher, wie er aus der Kantine eilte. Dann sah er das verschlüsselte Datapad auf dem Tisch liegen. Er nahm es, drehte es noch einmal nachdenklich in der Hand und schob es dann in die Hosentasche.

Gavin eilte aus der Bar und die breite Treppe hinab in den Eingangssaal. Mittlerweile hatten sich schon weit mehr Leute eingefunden, die auf den Sitzbänken saßen, anscheinend darauf wartend, dass der Erste Kampf des Tages begann. Er beachtete sie nicht und lief auf die Straße, um das nächstbeste Schwebetaxi nach Bilbousa zu nehmen.



Gavin lief die Einstiegsrampe der ‚Händlerbeute‘ hinauf. Während der Taxifahrt hatte er versucht, darauf zu kommen, was bei Naven schiefgegangen sein könnte. Er war zu der Annahme gekommen, dass der Hutt Karridan herausgefunden hatte, wo sich der Frachter des Sullustaners und welche Fracht sich in dessen Frachtraum befand. Und nun fürchtete Naven Vuin, dass der Gangsterboss einfach seine Schergen aussandte, um den YV-660 Frachter samt Ladung zu Beschlagnamen. Er betrat das Cockpit und startete die Systeme. Am besten fragte er bei der Raumhafenzentrale erst gar nicht nach einer Starterlaubnis an, sonst würde man seinen Abflug zurückverfolgen können. Er hoffte, dass er das Schiff alleine sicher irgendwo hinbringen konnte, aber jetzt zu zögern nützte auch nichts. Also stellte er den Pilotensessel um, der noch auf Naven eingestellt war und schnallte sich an. Er brachte den Frachter vorsichtig einige Meter über den Boden – mit den Hubgeneratoren hatte er ja schon ein wenig Übung. Der Nebel stand wie eine undurchdringliche Wand außerhalb des Cockpits. Auf dem Sensorschirm konnte Gavin die Reflexe des A-Z-Z-3 Mon-Calamari-Frachters und zwei weiterer kleiner Raumschiffe sehen, aber vor ihm war alles frei. Er zündete die Sublicht-Triebwerke und zog die Nase des Schiffs vorsichtig nach oben. Nach ein paar Sekunden begann sich der grünliche Dunst zu lichten und dann erhob sich die ‚Händlerbeute‘ über die Nebelschwaden. Gavin richtete das Schiff nach Westen aus. Er hatte vor, zunächst in Richtung Drummoy zu fliegen und darauf zu hoffen, dass Rayland sich meldete. Falls daraus nichts wurde, gedachte er, das Schiff irgendwo in den Bergen hinter der Stadt zu verstecken. Die Sonne des Systems begann vor ihm im Westen zu versinken. Ihr gewaltiger roter Kreis berührte die ersten Gipfel der Bergkette und ließ die Dächer von Drummoys Hochhäusern glühen. Gavin warf einen Blick auf das Komgerät und seufzte.
 
Naven Vuin trat wieder vor den Hochsitz Karridans ‚des Derben‘. Hinter ihm hatte der Twi’lek Position bezogen und es lag eine unbestimmte Spannung im Raum. Bis auf gelegentliches Geflüster waren die anwesenden Günstlinge und sonstigen Gäste des Hutts verstummt. Dieser handelte nun mit dem Sullustaner um den Preis der Glitzerstim-Anlage.

„Der Meister hält 300.000 Credits für äußerst übertrieben, werter Herr Vuin.“, übersetzte der Protokolldroide. „Sie werden sich mit einer Summe von 230.000 Credits zufrieden geben müssen.“

„Mit 275.000 würde ich mich zufrieden geben. Und zwar wenn eure Exzellenz mir Wellards Schiff zusätzlich überlassen würden.“, schlug Naven vor.

Karridan ließ ein blubberndes Grollen verlauten, nachdem ihm der Droide Navens Angebot unterbreitet hatte. Er schien zu überlegen, während er sich irgendeinen ekelhaft aussehenden Snack in das breite Maul schob und schmatzte. Naven hatte Wellards Schiff noch nie gesehen und keine Ahnung in welchem Zustand es war. Und ein kleiner Frachter, wie er ihn diesem Mistkerl ungefähr zutraute, war – selbst wenn er noch einigermaßen gut in Schuss war – nur 20.000 Credits wert. Aber er schätzte auch, dass der Hutt absolut keine Verwendung dafür hatte, sich aber sicherlich nicht dazu erweichen ließe, Wellard sein Schiff einfach behalten zu lassen. Und das war Naven auch nur gefällig. Nach dem Gespräch in der Zelle war er sich nun sicher, dass der Mensch von Anfang an die Absicht gehabt hatte, ihn hereinzulegen – was ja auch beinahe geklappt hätte. Ihm war es also völlig gleichgültig, was aus diesem halbseidenen Halunken wurde. Falls Naven das Schiff bei diesem Handel obendrauf bekam, würde er es Gavin schenken. Der Junge konnte ein Fortbewegungsmittel gebrauchen und hatte sich in den letzten Tagen Navens Dankbarkeit sehr wohl verdient. Aber im Großen und Ganzen ging es eigentlich nur darum, den Hutten ein bisschen einzuwickeln um möglichst viel für die Anlage herauszuholen.

Karridan sagte etwas zum Protokolldroiden und dieser erklärte: „Seine Derbheit weißt Sie darauf hin, dass der Frachter dieses Wellard in tadellosem Zustand ist. Trotz dieser Tatsache ist Er bereit, zusätzlich 250.000 Credits zu bezahlen.“ Der Übersetzer beugte sich leicht nach vorne und fügte hinzu: „Ich würde Ihnen raten, dieses überaus großzügige Angebot anzunehmen, Herr Vuin.“

Im Grunde war Naven schon bereit, darauf einzugehen. Aber er konnte es nicht lassen, das Spiel noch ein bisschen weiter zu treiben.

„Ich würdige dieses Angebot, werter Karridan, und ich schlage Ihnen deshalb folgendes vor: Sie zahlen mir diese 250.000 Credits für die Anlage, überlassen mir Wellards Schiff – sozusagen als Entschädigung für meine Schwierigkeiten mit diesem nutzlosen Wurm – und für weitere zehn Prozent der Summe gebe ich Ihnen meinen Kontakt auf Kessel.“

Karridan machte ein böses Gesicht, seine fleischigen Mundwinkel zogen sich nach unten. Aber dann trat ein anderer Twi’lek vor indem er sich verbeugte und eine Nachricht für den Meister meldete. Der Hutt winkte ihn herbei und der Wächter flüsterte ihm etwas ins Ohr. Naven bemerkte, wie sich die gewaltigen Pupillen des Gangsters weiteten. Offenbar waren die Neuigkeiten unangenehmer Art. Sogleich verzog sich das breite Maul wieder zu einem geschäftsmäßigen Lächeln. Karridan ‚der Derbe‘ breitete die Arme gütig aus und willigte zu Navens Überraschung ohne weitere Überlegung in den Handel ein. Natürlich war irgendein Kontakt, eine Quelle von der man im Falle dieser Aufbereitungsanlage das Rohmaterial bezog, extrem wichtig. Aber Vuin hätte dem Hutten zugetraut, bereits über entsprechende Verbindungen zu verfügen. Einerlei: 25.000 Credits Bonus waren immer gut und Naven konnte den Kontakt ja selbst nicht nutzen. Vielleicht hatte auch das, was ihm die Wache gesagt hatte den Hutten überzeugt, dass der Sullustaner ein harter Geschäftsmann war, denn Naven konnte sich schon vorstellen, dass Karridans Leute überrascht gewesen waren, als sie am Raumhafen nur noch den verbrannten Beton gefunden hatten, wo die ‚Händlerbeute‘ noch vor kurzem gestanden hatte.
 
Der leichte corellianische Frachter vom Modell YV-660 war bereits auf dem Weg in die Berge hinter der Stadt Drummoy, als sich das Interkom im Cockpit mit einem Klicken aktivierte und Raylands Stimme erklang.

„Gavin? Ich hab tatsächlich was gefunden. Eine Werkstatt im Süden von Drummoy. Ich schicke dir die Koordinaten durch.“

„Danke.“ Erleichtert wendete Gavin das Schiff. Eine kurze Pause trat ein, während Rayland die Koordinaten des Unterschlupfs übermittelte und Gavin sie sich auf den Hauptschirm holte.

„Ok. Ich werde in einer Viertelstunde dort Eintreffen. Ich hoffe, du kriegst die Landung in diesem Nebel hin.“

Gavin gab als Antwort nur ein unbestimmtes Grunzen von sich.

„Der Typ, dem diese Werkstatt gehört, schuldet mir mehr als einen Gefallen, weil er ein hoffnungsloser Versager im Wettgeschäft ist. Aber er kann sich einfach nicht von der Arena fernhalten. Sein Name ist Leemon. Du kommst schon mit ihm klar und ich bin ja gleich dort.“, erklärte Rayland.

„Gut, alles klar.“, bestätigte Gavin. Er unterbrach die Verbindung und steuerte die Koordinaten an. Das Versteck lag im Süden der Stadt, was bedeutete: Näher an den Sümpfen. Und wie Gavin befürchtet hatte, kräuselten sich hier die Nebelschwaden dichter und höher in den abendlichen Himmel. In unmittelbarer Nähe seines Ziels aktivierte Gavin die Landescheinwerfer und behielt die Bodensensoren genauestens im Auge, während er in den wabernden Dunst eintauchte. Unter ihm schien sich ein langgezogenes Gebäude mit einer rechteckigen Landebucht in der Mitte zu befinden. Er deaktivierte die Sublichttriebwerke und senkte die ‚Händlerbeute‘ mit Hilfe der Hubgeneratoren auf eine freie Fläche am einen Ende der Grube hinab. Mit einem etwas zu heftigen Ruck, der früher als erwartet kam, setzte das Landegestell auf dem Grund auf. Einen kurzen Moment horchte der Pilot noch und fuhr dann die Systeme des Schiffs auf Bereitschaft herunter. Dann verließ er das Cockpit und schritt die Ausstiegsrampe hinunter.

„Hallo?“, rief er in den grünlichen Nebel, der jedes Geräusch sofort zu verschlucken schien. Er machte ein paar Schritte weg vom Frachter. Die Luft war merklich kühler geworden, jetzt, da die Sonne hinter den Bergen versunken war und der Nebel und die kalte Luft schienen sich in diese grubenartige Landebucht zu senken.

„Hierher, hier bin ich.“, antwortete eine nasale Stimme aus der Richtung, in die Gavin ging. Dann schälte sich eine definitiv nicht humanoide Gestalt aus dem Nebel direkt vor ihm.
 
„Sind Sie Herr Kchron? Sie müssen Herr Kchron sein, ja, ja.“, krächzte das Alien. Gavin erkannte jetzt, dass er es doch mit einem relativ humanoiden Geschöpf zu tun hatte, denn er bemerkte, dass das, was er für einen Vierfüßler gehalten hatte, nur auf Armen und Beinen am Boden herumkroch und etwas zu suchen schien. Die Haut des Wesens war von dunklem Grau mit einem leichten Grünschimmer, den Gavin für einen Widerschein des grünlichen Nebels hielt. Es legte den Kopf in den Nacken um ihn aus gewaltigen Komplexaugen zu mustern. Dann suchte es wieder den Boden ab mit seinen klauenbewehrten Händen. Gavin kam zu dem Schluss, dass die Kreatur eindeutig insektenartig war.

„Sind Sie Leemon?“

Sein Gegenüber hielt wieder inne und schaute zu ihm herauf. „Ja, ja, der bin ich, Leemon, ja.“ Seine Stimme schwankte zwischen einem notorischen Näseln und einem von Klicklauten durchsetzten Krächzen. Unentschlossen, wie er sich gegenüber dieser eigenartigen Kreatur verhalten sollte, trat Gavin von einem Fuß auf den anderen.

„Irgendwo hier muss er sein … - und deshalb, also weil Sie so fragen, müssen Sie der junge Herr Kchron sein.“, stellte Leemon fest, ohne vom Boden aufzusehen.

„Äh, ja.“, bestätigte Gavin. „Suchen Sie etwas?“

„In der Tat, ja, ja. Meinen Hydro-Schraubenschlüssel.“, der Insektoide blickte wieder auf und deutete mit den Händen einen dünnen Gegenstand von ungefähr zwanzig Zentimetern Länge an. „Ich, äh – für gewöhnlich liegt er hier irgendwo herum wenn ich ihn nicht finde.“

An was für einen seltsamen Kauz bin ich denn hier gekommen, dachte sich Gavin und sah sich nach dem Schraubenschlüssel um. Gleich hinter ihm am Boden lag das gesuchte Werkzeug. „Ich denke hier ist er.“ Er hob den Schlüssel auf und reichte ihn Leemon, der sich erhob und das Teil genau betrachtete.

„Ja, ja, das ist er.“ Er hängte sich das Werkzeug an den Gürtel, an dem noch weitere technische Gegenstände verschiedenster Größe und Ausführung baumelten. „Wissen sie, Herr Kchron, meine Augen sind zwar gut dafür geeignet, selbst kleinste Details auszumachen, aber sobald das Licht etwas nachlässt, bin ich ein halber Blinder.“ Er blickte nach oben, wie um den dichten Nebel durchdringen zu wollen. „Und Sie haben wohl Recht, wenn Sie denken, dass ich dann am falschen Ort lebe. Aber so ist es nun einmal.“

Gavin hob abwehrend die Hände. „Oh, ich habe gar nichts gedacht!“

Leemon schaute ihn wieder aus seinen Insektenaugen an. „Nun, Denken ist aber an sich keine schlechte Sache, Sie sollten es ab und an versuchen.“, empfahl er.

Statt einem Dankeschön ein leicht beleidigender Rat. Auch nicht schlecht.

„Folgen Sie mir, Herr Kchron, dann verstecken wir Ihr Schiff.“

Gavin folgte Leemon zum Rand der Grube, zu einem offenen Tor, das in einen Werkstattraum führte. Dort betätigte das Alien einen Schalter und das seltsam singende Geräusch von sich spannenden Drahtseilen pfiff durch die Landebucht. Gavin erkannte, dass eine Art Folie über die Grube gespannt wurde.

Leemon aktivierte einen Lichtschalter, der zahllose an der Decke angebrachte UV-Lampen einschaltete. Er faltete die feingliedrigen Hände vor seinem kantigen Brustpanzer. „Wo das Schiff schon einmal hier ist, so wäre dies eine ausgezeichnete Gelegenheit, “ er klackte mit seinen Mundwerkzeugen, scheinbar um seine Aussage zu unterstreichen, „um einige Reparaturen vorzunehmen. An einem solchen Frachter gibt es immer irgendwelche Kleinigkeiten, um die es sich zu kümmern lohnt! Ja, ja.“

„Das kann gut sein, aber das Raumschiff gehört mir nicht.“

Leemon richtete sich auf. „Sie müssen ein Raumschiff dringend vor den Hutts verstecken, das Ihnen nicht einmal selbst gehört und offensichtliche Kampfspuren aufweist? Nun, ich werde keine Fragen stellen…“ Er drehte sich um und begann seine Werkzeuge in einer Werkbank zu verstauen. Gavin wunderte sich, wie er die Kampfspuren auf der Hülle der ‚Händlerbeute‘ hatte bemerken können, wenn er doch im Zwielicht offensichtlich kaum etwas sah.

Ein sanfter Summton erklang. Leemon schob die Schubladen der Werkbank zu und drehte sich um. „Das muss Herr Borin sein.“ Er verließ die Werkstatt durch das Tor und durchquerte die Landebucht, Gavin folgte ihm. Er wollte schon fragen, wer denn dieser Herr Borin sei, als ihm einfiel, dass dies der Name war, den sich sein Bruder zugelegt hatte. Er hatte ganz vergessen Rayland zu fragen, was es damit auf sich hatte. Sie erreichten eine andere höhlenförmige Öffnung in der Ummauerung der Landebucht, die eine großzügige Vertiefung darstellte, in der sich eine Tür befand. Sie betraten anscheinend die Wohnung des Mechanikers. Die Räumlichkeiten erinnerten an einen Höhlenbau, wie ihn vielleicht staatenbildende Insekten bevorzugten. Sie durchschritten einen tunnelartigen Gang. An dessen anderem Ende befand sich eine weitere Tür, an der ein grünes Licht leuchtete. Leemon drehte sich zu Gavin um und nickte ihm mit vor der Brust gefalteten Händen zu, bevor er auf das grüne Licht drückte und die Tür sich öffnete. Draußen stand Rayland, in einen grauen Mantel gehüllt, der ihn vor dem ekelhaften Wetter schützen sollte.

„Grüß dich, Leemon.“ Mit diesen Worten trat er ein und schloss die Tür hinter sich.

„Guten Abend, Herr Borin.“, sprach Leemon.

Rayland hüllte sich aus dem Mantel und hängte ihn an einen einzelnen Haken an der Wand, der offensichtlich zu diesem Zweck dort angebracht war. Dann wandte er sich an seinen Bruder. „Ich sehe, du bist gut hier angekommen. Darf ich dir nun Leemon vorstellen?“ Er zwinkerte ihm mit einem leichten Grinsen zu. „Gavin, dies ist Leemon, ein Verpine von Nickel Eins im Roche Asteroidenfeld.“ Mit der Hand wies er auf den Insektoiden, der in bescheidener Haltung leicht gebeugt da stand. „Und dies, werter Leemon, “, sprach Rayland weiter, „ist mein Bruder Gavin Kchron von Ord Mantell.“

„Wie schön, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Kchron. Man sieht Ihnen an, dass Sie beide Brüder sind. Obwohl ich gestehen muss, dass für mich die meisten Menschen sehr ähnlich aussehen.“

Gavin neigte leicht den Kopf und lächelte etwas verwirrt.

„So, was hast du nun vor?“, fragte ihn sein Bruder.

„Ich warte, bis Naven Vuin sich über Kom meldet. Ich schätze, das Schiff muss nur kurzfristig versteckt bleiben, bis seine Verhandlungen mit dem Hutten abgeschlossen sind.“

„Warum das?“, wollte Rayland wissen.

Leemon trat an einen runden Durchlass in der Tunnelwand, der in einen Wohnraum führte. „Wir sollten uns so lange in mein Wohnzimmer setzen. Haben Sie schon zu Abend gegessen, Herr Borin? Herr Kchron, ich denke auch Sie sind hungrig. Nur keine Scheu.“

Er führte sie in einen gemütlichen Raum mit einem niedrigen Tisch, an den sie sich setzten.

„Nun, es geht um die Ladung der ‚Händlerbeute‘.“ Gavin berichtete seinem Bruder von der Aufbereitungsanlage für Glitzerstim und Navens Vorhaben, sie Karridan dem Derben zu verkaufen.
 
Wenig später zog Gavin das pfeifende Komgerät aus seiner Tasche. „Ja?“

„Gavin, hier ist Naven. Der Deal steht. Ich gebe dir die Koordinaten des Rendezvouspunktes durch, ich treffe mich dort mit dir in vierzig Minuten. Dann besprechen wir den Rest.“, erklärte der Sullustaner mit durch das Kom verzerrter Stimme.

„Geht klar.“ Gavin wartete, bis das Lämpchen für laufende Datenübertragung am Kom erloschen war. „Hab‘ die Koordinaten. Bis dann.“ Er deaktivierte das Gerät und schob es wieder in die Tasche und erhob sich von der Bank. „Also.“ Er blickte erst seinen Bruder und dann Leemon an. “Ich danke Ihnen für das Essen und dafür, dass ich die ‚Händlerbeute’ hier kurz unterstellen durfte. Und ich werde Sie Naven Vuin empfehlen, falls er noch einige Reparaturen am Schiff machen lassen will.“

Die beiden anderen standen ebenfalls auf und begleiteten ihn bis zum Schiff.

„Du meldest dich bei mir, ja?“, sagte Rayland.

„Ja, spätestens Morgen.“, antwortete Gavin und stieg die Rampe des Frachters hinauf.

Rayland beobachtete, wie sich das Schiff in die Luft erhob und die Sublichttriebwerkte zündeten. Dann rauschte es davon und war einen Augenblick später vom abendlichen Nebel verschluckt.



Während sie beim Essen an Leemon’s Tisch zusammengesessen waren, hatten sie ein wenig über die Zeit seit Raylands Fortgang von zu Hause gesprochen. Gavin wollte vor Allem wissen, warum er seinen Namen geändert hatte. Also berichtete Rayland von seinem kleinen Unternehmen, das er sich in kurzer Zeit aufgebaut hatte. Das Geschäft mit der Reparatur und Wartung von verschiedensten Minenfahrzeugen war theoretisch eine wahre Goldgrube auf Nal Hutta. Die Nachfrage danach war riesig, da die ansässigen Hutten und anderen Geschäftsleute hauptsächlich an der Rohstoffgewinnung im Tagebau verdienten. Also hing im Grunde die gesamte restliche Gesellschaft davon ab. Und ein gewiefter Geschäftsmann und Mechaniker konnte sich hier schnell einen guten Namen machen und einen großen Kundenstamm aufbauen. Beide Fähigkeiten hatte Rayland von seinem Vater auf Ord Mantell gelernt. Doch nach einigen Monaten im Geschäft musste er feststellen, dass es doch nicht so einfach war. Die Schwierigkeiten waren derart, wie er sie nicht bedacht hatte: Das Problem waren die Kunden. Die Hutten, meist die Köpfe krimineller Organisationen, die alles und jeden auf dem Planeten zu kontrollieren versuchten, waren es gewohnt sich ihre Regeln selbst zu machen. Sie bezahlten schlecht und oft auch gar nicht. Andererseits setzten sie Rayland meistens zeitlich stark unter Druck. Und wieder andere beobachteten genau, von wem er Aufträge annahm und machten ihm deutlich, dass es sich vielleicht bei jenem Gangsterboss um einen Rivalen handle und er doch keine weiteren Arbeiten für diesen erledigen solle, wenn er Unannehmlichkeiten vermeiden wolle.

Das ging längere Zeit so und Rayland verdiente trotz der häufigen Hindernisse gut in diesem Geschäft. Eines Tages jedoch kam ein Hutt namens Blebbor in die Werkstatt und begutachtete mehrere Minenfahrzeuge, die zur Wartung unterstanden. Sie gehörten einem anderen Hutten und waren erst vor wenigen Tagen eingetroffen, sodass Raylands Arbeiter bisher nur die Zustandserfassung der Fahrzeuge abgeschlossen hatten. Also wusste Rayland, dass lediglich das übliche Programm an Routinechecks durchgeführt werden musste.

Für Blebbor hatte Rayland allerdings bisher noch nie gearbeitet und außer, dass er dessen Name vielleicht ein paar Mal gehört hatte, war ihm dieser Kunde eigentlich unbekannt. Blebbor kam jedoch schnell zur Sache.

„Ich brauche mehrere Lastengleiter in der Barim-Mine. Und wie ich sehe, haben Sie hier einige brauchbare Exemplare.“

Rayland warf einen Blick in Richtung der an der Hallenwand aufgereihten Lastengleiter, die auf ihre Routinechecks warteten. „Ich betreibe eine Werkstatt für Wartung und Reparatur. Aber ich verkaufe keine Fahrzeuge. Ich muss Sie enttäuschen, werter Blebbor – Diese Lastengleiter sind im Besitz von Elessar Tresdol.“

„Oh, dessen bin ich mir bewusst, Herr Kchron. Ich habe schon mit Tresdol gesprochen. Er sagte, er würde sie vor dem Verkauf noch einmal warten lassen und aus diesem Grund sind sie ja wohl auch hier.“ Der fettleibige Hutt vollführte mit seinen Stummelarmen eine erstaunlich geschmeidige Geste, die die gesamte Halle umfasste.

Rayland zögerte. Diesem Gangstergesindel war im Allgemeinen nicht zu trauen. „Nun, jedenfalls ist die Wartung noch nicht abgeschlossen. Wenn Ihr wollt, kann ich gerne Kontakt zu Elessar Tresdols Verwalter aufnehmen und abklären, ob er sie auch ohne abgeschlossene Wartung verkauft. Allerdings kann ich das nicht glauben, da die Wartung schon im Voraus bezahlt wurde.“ – Was bei einem Hutten wirklich ungewöhnlich ist! – dachte Rayland bei sich.

„Ich bezahle Ihnen 100.000 Credits für diese 6 Lastengleiter. Eine schöne, runde Summe, meinen Sie nicht auch?“, fuhr der Hutt, Raylands Einwände ignorierend, fort. Seine weit voneinander entfernten Mundwinkel verzogen sich dabei zu dieser schmierigen, mondgesichtigen Fratze, die Rayland als das geschäftsmäßige, breite Lächeln der Hutts kennengelernt hatte. Rayland musste sich zusammenreißen um sein Erstaunen zu verbergen. 100.000 Credits! Das war eine ganze Menge… selbst in diesem guten Zustand waren die Lastgleiter kaum so viel wert. Das Ganze schrie förmlich danach, nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Und dieser Handel würde wahrscheinlich Schwierigkeiten nach sich ziehen, die wohl auch auf ihn zurückfallen könnten. Aber verflucht, 100.000 Credits!

„Nun, wenn Ihr mir versichert, den Handel mit Elessar Tresdol persönlich abgeklärt zu haben, soll es mir recht sein.“ Er bot dem Hutten seine Hand an, die dieser mit seiner riesigen, fleischigen Pranke umfasste. Uah, ich werde mir danach gründlich die Hände waschen müssen – dachte Rayland.

„Ha-ha-ha!“, drang das kehlige Lachen aus Blebbors Mund. „Der alte Tresdol schuldet mir noch einige Gefallen und nun sind wir wieder quitt.“ Der Hutt wälzte seinen massigen Wurmleib herum und winkte jemandem außerhalb der Halle zu. „Ich war mir sicher, dass sie wissen, wann sich ein gutes Geschäft machen lässt. Deshalb habe ich gleich meine Männer mitgebracht, die die Fahrzeuge sofort mitnehmen können.“

Einige Angestellte in Mechanikeroveralls marschierten in Richtung der Lastgleiter und nickten Rayland im Vorbeigehen freundlich zu. Einer von ihnen, ein Weequay, kam direkt zu den Verhandlungspartnern.

„Herr Kchron.“, grüßte er und schüttelte Raylands Hand.

Blebbor stellte seinen Mann vor. „Devers wird Ihnen die Credits in bar auszahlen.“ Er machte seinem Angestellten eine Geste. Dieser nahm eine kleine Metallbox von seinem Gürtel und schloss sie auf. Dann zählte er mehrere bunte Creditchips auf Raylands Hand. „Zwanzig, vierzig, sechzig, achtzig, einhunderttausend.“ Er sah auf und grinste Rayland an. Dann verschloss er die Box, trat einen Schritt zurück und befestigte sie wieder an seinem Gürtel.

„Es war ein Vergnügen, mit Euch Geschäfte zu machen, werter Blebbor.“, sprach der Mensch und verbeugte sich vor dem Hutten.

Dieser gab nun seinen Männern das Zeichen, die Lastgleiter nach draußen zu fahren, dann wandte er sich noch einmal Rayland zu. „Das Vergnügen war ganz meinerseits. Auf Wiedersehen, Herr Kchron.“

Träge kroch er den sechs großen Fahrzeugen hinterher, neben denen selbst er klein wirkte. Rayland ging in sein Büro und ließ die fünf Creditchips klappernd auf seinen Schreibtisch fallen. Er hatte noch immer ein ungutes Gefühl. Aber es waren 100.000 Credits! Und er hatte sie sich verdient, ohne wirklich etwas dafür tun zu müssen. Er wusste, er hatte eine Schwäche für entsprechend große Beträge. Aber er wusste auch, das mulmige Gefühl würde sich bei einigen Gläsern guten Branntweins und ebenso guter Gesellschaft in Wohlgefallen auflösen. Er schloss das Geld in seinen Safe, verließ das Büro und gab seinen Angestellten Bescheid, dass für heute Feierabend sei und er sie alle zu ein paar Runden Schnaps in der Cantina einlud.
 
Ein paar Tage später, Rayland saß gerade in seinem Schreibtisch und erledigte einige Rechnungsangelegenheiten, klopfte jemand an seine Bürotür.

„Herein.“, rief er.

Die Tür öffnete sich und ein Weequay trat ein. Rayland musste kurz überlegen, bis er ihn als den Kassier von Blebbor dem Hutten erkannte.

„Herr Devers. Was kann ich für Sie tun.“

„Wenig. Aber ich kann etwas für dich tun, Mensch.“

Rayland wurde bei dem gehässigen Tonfall des Weequay sofort wachsam.

„Ich höre?“, hackte er nach.

„Es geht um den Handel, den seine Fettleibigkeit, Blebbor der Hutt, mit dir abgeschlossen hat. Aber wenn du genau wissen willst, was ich weiß, dann kostet dich das 5.000 Credits.“

Rayland zog in gespielter Verärgerung die Augenbrauen zusammen. In Wahrheit war er aber ziemlich aufgeregt und neugierig, was das Gerede von Devers betraf. „Sie kommen zu mir in mein Büro, legen miserable Manieren zu Tage und verlangen dann auch noch eine beträchtliche Summe von mir, nur damit ich mir Ihr Geschwätz anhören soll?“, entgegnete er.

Devers verschränkte lediglich die Arme vor der Brust und beschränkte sich auf Stillschweigen.

Rayland rieb sich nachdenklich das schwarze Kinnbärtchen. „2.000 Credits. Mehr ist mir eine Information über einen Handel, der bereits in der Vergangenheit liegt, nicht wert.“, schlug er vor.

„4.000 Credits. Die Sache wird dich noch wesentlich mehr kosten, wenn du dir nicht anhörst, was ich weiß.“, erwiderte Devers.

„3.500, oder du kannst wieder verschwinden.“

Der Kassier nickte und wartete dann geduldig ab, während Rayland den Safe aufschloss und die Credits herausholte. Dann beugte er sich vor, stützte die Hände auf die Schreibtischplatte und brachte sein wettergegerbtes Gesicht nahe an Raylands. „Folgendes: Der Kauf dieser Lastengleiter war keineswegs vorher mit Elessar Tresdol abgesprochen gewesen, so wie es Blebbor dir zweifelsohne weißmachen wollte. Und ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie du auf so einen Schwachsinn hereinfallen konntest. Elessar Tresdol und Blebbor sind alte Rivalen. Und ich muss hinzufügen, dass der alte Tresdol bei weitem der gewieftere Gangster von beiden ist. Er hat Blebbor in den letzten Jahren des Öfteren gehörig über den Tisch gezogen, bei verschiedensten Geschäften. Tresdol hätte die Lastengleiter niemals verkauft, er braucht sie mindestens genauso wie Blebbor.“ Der Weequay richtete sich wieder auf und stellte lässig einen Fuß auf den Stuhl, während er fortfuhr. „Also wollte mein Herr und Meister es Tresdol mit diesem Banthahandel vergelten. Aber er hat es diesmal recht geschickt eingefädelt, Tresdol kann ihm nichts anhaben. Und nun will der Alte sich stattdessen an dir für seinen Verlust schadlos halten.“, eröffnete er ihm.

„Und was, schlägst du vor, soll ich jetzt tun?“, fragte Rayland mit unbewegter Stimme.

Devers beugte sich herab und brachte sein Gesicht nun wieder nahe an Raylands. Seine tief in den Höhlen liegenden Augen stachen in hellem Gelb hervor. „Du kannst dir doch wohl vorstellen, was Elessar Tresdol mit deinem Geschäft hier machen wird, und mit dir.“

Er wird ein Exempel statuieren. – dachte Rayland.

„Ich an deiner Stelle würde irgendwo untertauchen. Und nicht wieder auftauchen.“ Devers krallte sich die Creditchips vom Tisch und verließ grußlos das Büro.



Rayland war wütend auf den Weequay. Und das obwohl er ihm eigentlich hätte dankbar sein sollen, dass er ihn vor Elessar Tresdol gewarnt hatte. Und in Wirklichkeit war er auch nicht auf den Kassier wütend, sondern auf sich selbst. Auf seine Dummheit und Geldgier, als er den Handel mit Blebbor eingegangen war, der doch so offensichtlich faul gewesen war.

Missgelaunt schlug er mit der Faust in seine offene Hand und stützte dann nachdenklich sein Kinn darauf. Es gab eigentlich nicht viel zu überlegen. Er würde Devers‘ Rat befolgen und untertauchen. Seinen vier Angestellten würde er die Situation erklären und ihnen raten, ebenfalls ein paar Tage von der Bildfläche zu verschwinden. Er würde alles Geld, das er auf die Schnelle lockermachen konnte, mitnehmen, sich zur Sicherheit eine neue Identität zulegen und woanders neu anfangen.

„Ach, verdammter Mist.“, murmelte er leise. Eine wirklich ärgerliche Sache. Die ganze Zeit, die Arbeit, die er in die Werkstatt gesteckt hatte, alles schien vergeudet. Natürlich war das nicht wirklich so, er hatte eine ganz beträchtliche Summe an Credits erwirtschaftet und beiseite legen können. Und dann kamen da noch die 100.000 Credits dazu, die ihm diese Sache eingebrockt hatten. Damit ließ sich viel anfangen, ein Neuanfang wäre nicht allzu schwer. Und gleichzeitig eröffnete sich ihm dadurch eine scheinbar endlose Zahl an Möglichkeiten. Der Geschäftsmann in Rayland begann schon, sich verschiedene Pläne auszumalen, während er seine Habseligkeiten aus dem Büro zusammenpackte.

Im Grunde ging ihm diese Art von Geschäften ja schon lange auf den Geist. Als Mechaniker für Minenfahrzeuge hatte er nur mit den Besitzern der Minen zu tun, welche ausschließlich Hutts waren. Hutts waren furchtbare Geschäftspartner: Sie bezahlten schlecht oder manchmal gar nicht, verlangten kaum annehmbare Konditionen und waren fast nie mit der Arbeit der Mechaniker zufrieden. Da die gesamte Tagebauindustrie auf Nal Hutta allerdings ziemlich marode war, gab es nahezu unendlich viel Arbeit für einen guten Mechaniker und Rayland verdiente gutes Geld.

Er stand auf, schulterte seine große Reisetasche, die nun alles Wichtige enthielt und sah sich noch ein letztes Mal in seinem Büro um. „Tja. Das ist nun alles vorbei.“, sagte er laut zu sich selbst und verließ die Werkstatt.
 
Gavin klopfte dreimal an die Bürotür seines Bruders in der Kampfarena von Drummoy. Er kam gerade von der Übergabeaktion der Glitzerstim-Aufbereitungsanlage mit Naven Vuin zurück und war von diesem bei der Arena im Zentrum der Stadt abgesetzt worden.

„Ja?“, drang die Stimme seines Bruders gedämpft durch die Tür.

Gavin trat ein und schloss die Tür hinter sich. „Hallo Rayland. So spät noch an der Arbeit?“

Sein Bruder hielt in seiner Arbeit am Computerterminal des Schreibtisches inne und sah auf. „Naja, während ich auf dich warte, kann ich auch gleich ein paar leidige Formularitäten abarbeiten. Also, wie war’s?“, fragte er gespannt.

„Gut. Der Hutt hatte die Credits dabei und wir luden die Anlage aus. Naven nahm das Geld an sich und ohne ein weiteres Wort sind wir abgeflogen.“, antwortete Gavin.

„Wie viel Geld hat er jetzt dafür bekommen?“

Gavin räusperte sich und setzte sich in den Stuhl seinem Bruder gegenüber. „275.000 Credits… bar.“

Rayland machte große Augen und legte die Hand in den Nacken. Gavin nickte zustimmend. „Ich hab noch nie so viele Creditchips auf einmal gesehen.“

Rayland nickte leicht abwesend und starrte dann wieder auf das Terminal, das in der Schreibtischplatte eingebaut war. Plötzlich schaute er Gavin ins Gesicht. „Und? Was hast du jetzt vor, kleiner Bruder? Ziehst du mit dem Sullustaner weiter durchs All, auf der Suche nach Abenteuern und Credits?“

„Hm.“, machte der Jüngere und rutschte ein wenig in seinem Stuhl herum. „Nein, eher nicht. Naven ist zu einem Geschäftspartner im Süden geflogen, der einen Transportauftrag für ihn hat. Morgen Abend wird er noch einmal hierher kommen um einen gebührenden Abschied zu feiern…“

„Vielleicht gibt er dir ja zum Abschluss eine kleine Gewinnbeteiligung. Dein Beitrag bei der ganzen Geschichte war ja doch nicht unerheblich.“, meinte Rayland.

„Er hat erwähnt, dass er noch was für mich hat, ja. Mal sehen.“

Der Ältere erhob sich und schenkte Gavin ein Glas Wasser ein. „Also bleibst du vorerst hier?“

Gavin lümmelte sich noch ein bisschen tiefer in den Stuhl hinein. „Naja, wenn es dir nichts ausmacht?“, fragte er zaghaft.

Rayland klatschte belustigt in die Hände, sodass Gavin sich abrupt aufrichtete. „Keineswegs, Gavin. Ich bin hoch erfreut. Tatsächlich hab ich gehofft, dass du bleibst. Du kannst gerne bei mir schlafen, bis wir was für dich gefunden haben. Und ich habe dir auch gleich etwas vorzuschlagen, das ich mir vorhin überlegt habe.“, eröffnete er ihm, stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und legte die Handflächen aneinander. Er tippte sich mit den Fingerspitzen sachte an die Lippen, bevor er fortfuhr: „Ich habe einen Freund, oder besser Bekannten auf Nar Shaddaa. Sein Name ist Pinto Feetch. Er ist der Betreiber einer Kampfarena wie dieser hier und er hat mir von seiner neuesten Idee erzählt. Sie ist ganz einfach, aber du weißt ja, die wirklich guten Ideen sind immer einfach: Er will Teamkämpfe in der Arena einführen. Zwei gegen zwei. Ich weiß nicht, warum darauf bis jetzt noch keiner gekommen ist, aber er ist sich sicher, dass es ein voller Erfolg wird. Und ich übrigens auch. Ich habe in der Zeit als du weg warst darüber nachgedacht und ich will es ihm nachmachen. Und du kannst mir dabei helfen und am Erfolg teilhaben, wenn du willst.“

Gavin beugte sich leicht vor. „Und welche Rolle kann ich dabei spielen?“, fragte er gebannt.

Rayland zeigte mit dem Zeigefinger auf ihn. „Nachdem du mir von deinen Abenteuern auf Nar Shaddaa erzählt hattest, dachte ich mir, dass in dir ja vielleicht ein fähiger Kämpfer steckt. Du wirst einer der Newcomer in meinem Team sein!“ Der ältere Bruder lehnte sich zurück. „Wenn du gut bist, kannst du dir in einer neu eingeführten Disziplin sehr schnell einen großen Namen machen. Wenn es so klappt, wie ich es mir vorstelle, werden die Wetteinsätze in diesen Kämpfen großartig sein und du verdienst dadurch natürlich auch hervorragend!“ Er klatschte in die Hände. „Was meinst du, kleiner Bruder?“

Gavin ließ sich die Sache kurz durch den Kopf gehen. Er dachte an den Kampf, den er gestern im ‚Sandplatz des Ruhmes‘ beobachtet hatte und an die Dinge, die ihm Lina Task über das Kämpfen erzählt hatte.

„Ja. Ich werd’s versuchen.“ Es war ja nicht so als hätte er etwas zu verlieren.

„Hervorragend!“ Rayland erhob sich umrundete den Schreibtisch und schnappte sich seinen Mantel vom Hacken hinter der Tür. „Komm. Wir gehen nach Hause. Für morgen habe ich schon alles vorbereitet, dann suchen wir einen Teampartner für dich aus.“ Er trat auf den Gang hinaus.

Gavin schulterte seinen Rucksack und folgte ihm.
 
Am nächsten Morgen und nach einem ausgiebigen Frühstück gingen sie gemeinsam zur Arena. Raylands kleine Wohnung lag nur wenige hundert Meter von dem großen, runden Gebäude im Stadtzentrum entfernt. Anstatt in sein Büro zu gehen, führte er Gavin ins Kellergeschoss, wo sich, wie er erklärte, die Trainingsräume und Umkleiden der Kämpfer befanden.

Rayland blieb vor einer Tür stehen, neben der ein Schildchen seiner Agentur angebracht war. „Ich werde dir jetzt deine Ausrüstung zeigen.“ Mit diesen Worten öffnete er die Tür und bedeutete Gavin, in den kleinen Raum zu gehen. Im hinteren Bereich des Zimmers lagerten Gegenstände unterschiedlichster Art gemeinsam mit übereinander gestapelten Kisten und Behältern. Die Unordnung zog sich bis zu einer schlichten Sitzbank im vorderen Bereich. Dort befanden sich an der Wand einige Spinde und gegenüber davon eine große Plaststahltruhe.

Rayland folgte seinem Bruder in den Raum und breitete feierlich die Arme aus. „Fühl dich hier wie zu Hause. Dies ist dein Reich, hier kannst du machen was du willst.“ Er grinste. Dann ging er zu den Spinden. „Also, hier drin findest du einen hölzernen Kampfstab. Äußerst traditionell und für den Anfang tatsächlich erst einmal das Beste. Außerdem noch ein paar Kleinigkeiten wie zum Beispiel einen Tiefschutz gegen Schläge in die Lendengegend.“ Wieder grinste er, während er gegen die Spindtür klopfte. „Falls du dazu noch Kleidung oder gute Schuhe brauchst, sagst du es mir einfach.“

Gavin nickte und stupste die Truhe mit dem Fuß an. „Was ist da drin?“

Rayland ging vor der Truhe in die Hocke. „Gar nichts. Da kannst du irgendwelche Sachen von dir verstauen.“, antwortete er, während er am Codeschloss herumfummelte. Mit einem leisen Klacken entriegelte die Truhe. „Programmier’ das Schloss ruhig neu, das geht mich nichts an.“

Gavin hob den Deckel an und warf seinen Rucksack in die leere Truhe. Dann stellte er das Schloss neu ein und verriegelte sie wieder. Er schaute wieder fragend zu Rayland. „Also?“

„Ja, gut. Ähm, folgendermaßen:“, erklärte sein Bruder und trat wieder auf den Gang hinaus. Gavin machte die Tür hinter ihnen zu. „Oben in der Kantine dürften mittlerweile drei Neulinge auf uns warten. Mögliche Kandidaten als Partner für dich. Wir gehen rauf, ich stelle dich als meinen Geschäftspartner vor – was du ja im Grunde auch bist, “, bemerkte er mit einem Zwinkern, „und wir sehen sie uns an und reden ein bisschen mit den dreien. Später entscheiden wir, wer es sein soll.“

„Klingt gut.“, meinte Gavin und folgte ihm die Treppe hinauf.





Der letzte der drei Männer trat vor und sagte: „Ich heiße Ody Piel.“ Er verstummte und grinste unsicher. Der Mensch war gebaut wie ein Wandschrank. Alles an ihm schien massig und irgendwie kastenförmig, selbst sein Schädel. Seine Hände, die er gerade nervös knetete, erinnerten Gavin an Speiseteller.

„Nun, Ody. Warum möchtest du in der Arena kämpfen?“, fragte Rayland auffordernd.

„Ich möchte berühmt werden, ein Star. Damit ich viel Geld verdiene!“, erklärte Ody, wobei er die gewaltigen Arme ausbreitete um die große Menge an Credits zu zeigen, die er sich vorstellte.

Rayland nickte. „Und was qualifiziert dich für den erfolgreichen Kampf Mann gegen Mann?“

Der Hüne schaute verwirrt drein und zögerte.

„Ich meine, warum denkst du, dass du gut sein wirst in der Arena?“, half Rayland ihm auf die Sprünge.

„Achso! Ich habe schon ein paar Mal gekämpft.“, behauptete Ody stolz. „Und ich hab immer gewonnen! Kneipenschlägereien, Sie wissen schon. Und meine Arbeitskollegen haben letztens gesagt, ich wäre bestimmt ein guter Kämpfer für die Arena.“, stellte er klar.

Gavin lächelte. Er konnte sich schwerlich eine Kneipenschlägerei vorstellen, aus der dieser Typ nicht als Sieger hervorging. Aber abgesehen von seinen Muskeln und seiner Größe hatte er anscheinend keine Vorzüge; sein Intellekt schien dem einer Womp-Ratte zu entsprechen.

„Ah. Und wo arbeitest du?“, wollte Rayland wissen.

„In Volgors Müllbeseitigungsanlage.“ Ody setzte wieder sein dümmliches Grinsen auf.

Die beiden Brüder wechselten einen Blick und Rayland sagte allen drei Kandidaten, dass er genug gehört hatte und sie anrufen würde, falls die Wahl auf sie fiel. Als sie die Kantine verlassen hatten trat er an die Bar, bestellte zwei Sumpfbier und trug sie an einen der Tische. Gavin setzte sich seinem Bruder gegenüber, schaute aber nachdenklich durch die großen Fenster auf den Sandplatz hinunter.

Rayland nahm einen Schluck vom kühlen Bier. „Und, was sagst du?“

Widerwillig wandte der Angesprochene den Blick vom Arenafeld ab. „Der Letzte, dieser Ody. Der war ja dumm wie Rancordreck. Kann gut sein, dass er in der Arena ein fähiger Kämpfer ist, aber wohl eher alleine und nicht im Team, wo auch Taktik eine große Rolle spielt. Das denke ich jedenfalls, wobei ich natürlich auch keine Ahnung habe.“

Sein Bruder stimmte ihm aber zu. „Ja, da könntest du Recht haben.“

„Ich habe jedenfalls kein Verlangen mit einem Kerl zusammenzuarbeiten, der zwar gebaut ist wie ein binärer Lastenheber, aber auch die gleiche Software hat.“ Gavin nahm nun auch einen Schluck von dem grünlichen Bier. „An diesen sumpfigen Geschmack kann man sich schnell gewöhnen!“, kommentierte er.

„Stimmt. Und der Rodianer? Er hat behauptet, er habe viel Erfahrung im Umgang mit Nahkampfwaffen.“, fragte Rayland.

„Das hab ich gerade so selber verstanden. Aber ich kann unmöglich mit ihm zusammenarbeiten, wenn sein Basic so schlecht ist.“

„Ja, du hast wohl Recht. Mitten im Kampf solltest du dich nicht auch noch darauf konzentrieren müssen, zu verstehen was dein Partner sagt. Aber ich muss zu seiner Verteidigung sagen, dass ich noch keinem Rodianer begegnet bin, der gut Basic gesprochen hat. Ich denke sie sind rein anatomisch einfach nicht dazu in der Lage.“

Gavin nickte und trank noch einmal. „Und der erste… also echt, Rayland. Was soll ich da noch sagen?“

Rayland nickte zustimmend und verdrehte die Augen. „Ja, ich weiß auch nicht, wie ein Sullustaner darauf kommt, ein Arenakämpfer werden zu wollen.“ Er starrte kurz auf sein halb volles Glas. Oder war es halb leer? „Ich hatte ehrlich nicht gedacht, dass es daran scheitern könnte.“ Er lehnte sich zurück und blickte durchs Fenster auf den Sandplatz hinunter. „Also, was nun?“, sagte er mehr zu sich selbst.

„Hm…“, machte Gavin und lächelte. Sein Bruder schaute ihn an.

„Du siehst nicht gerade enttäuscht aus. Hast du einen Vorschlag?“

Gavin nickte. „Gestern vor dem Einschlafen sind mir noch ein paar Dinge durch den Kopf gegangen, unter anderem auch über diese Sache hier. Ich habe dir doch von Tim Gelvar erzählt, dem Betreiber dieser Arena in Bilbousa.“

„Der ‚Sandplatz des Ruhmes‘, ja. Er war es doch, der dir verraten hat, wo du mich finden kannst.“

„Genau. Überhaupt auf ihn gekommen bin ich aber durch eine Frau, die ich zuvor in einer Kneipe getroffen habe. Sie kämpft im ‚Sandplatz des Ruhmes‘. Ihr Name ist Lina Task.“

Rayland hatte sich nun interessiert vorgebeugt. „Nie gehört.“

„Das kann gut sein. Sie ist anscheinend nicht sehr erfolgreich und auch noch nicht lange dabei. Ich würde sie fragen, ob sie meine Teampartnerin wird.“

Rayland hob fragend eine Augenbraue. „Obwohl sie, wie du sagst, nicht sehr erfolgreich ist? Und ich wollte doch ein Team aus völlig neuen Leuten, Newcomer, unbeschriebene Blätter! Das lockt wesentlich mehr Zuschauer an. Ein essentieller Teil meines Plans.“, erwiderte er.

„Du selbst hast doch gerade gesagt, du hättest noch nie von ihr gehört. Und du bist sicher jemand, der in dem Geschäft jeden halbwegs bedeutsamen kennt. Wie viele Leute aus Bilbousa wetten hier?“, fragte Gavin.

„Wenn sich die Sache als ein solcher Erfolg herausstellt wie ich es mir wünsche, dann werden in Zukunft auch Fans aus Bilbousa und von noch weiter her in die Drummoy-Arena kommen um die spektakulären Teamkampfe zu sehen. Aber vorerst hast du wohl Recht. Und wenn ihr beide wirklich ein gutes Gespann abgebt und erfolgreich seid, interessiert sich sowieso keiner dafür, dass diese Lina schon vorher woanders in der Arena war.“
 
Den Nachmittag hatte Gavin damit verbracht, sich mit seiner neuen Ausrüstung vertraut zu machen, Kämpfe in der Arena zu beobachten und die Trainingsgeräte im Keller der Arena auszuprobieren. Einige der Kämpfer, denen er dabei begegnet war, hatten ihm zwar neugierige Blicke zugeworfen, ihn aber nicht angesprochen. Gavin war es nur recht so gewesen. Der Sport tat ihm gut. Sein Geist leerte sich auf wundersame Weiße und all die Gedanken und furchtbaren Erinnerungen, die ihn die letzten Tage fast andauernd geplagt hatten, ließen ihn für ein paar Stunden in Frieden. Nachdem er dann ausgiebig geduscht und sich seine zweite Garnitur Kleidung angezogen hatte, fühlte er sich erstaunlich gut und tatenfreudig. Er kontaktierte Naven Vuin per Kom und gab ihm die Koordinaten von Raylands Wohnung, wo sie heute Abend seinen Abschied ein wenig feiern wollten. Als Gavin schließlich Raylands Büro betrat, hielt dieser ein kleines Datapad in der Hand und tippte darauf herum. Er schaute auf, als sein Bruder die Tür schloss.

„Sieh dir das an, Gavin.“, sagte er und wedelte mit dem Datapad in der Luft herum.

Erst jetzt erkannte Gavin, dass es sich um das verschlüsselte Datapad seines Vaters handelte. „Oh, das habe ich ja gestern auf dem Tisch liegen lassen.“, fiel es ihm wieder ein. Er trat näher und betrachtete den Bildschirm. Ein typisches Auswahlmenü war darauf zu sehen. „Du hast es entsperrt? Wie?“, fragte er erstaunt.

Rayland hob so etwas Ähnliches wie ein Amulett vom Tisch auf und reichte es seinem Bruder. „Das ist Vaters Verlobungsgeschenk an unsere Mutter gewesen.“

Gavin ließ den Anhänger an der Schnur baumeln und betrachtete ihn. Er war aus einem matten dunklen Metall, flach, und hatte die Form einer senkrechten Linie mit drei Querlinien, von denen die Mittlere länger war als die an beiden Enden.

Rayland sprach weiter. „Sie hat es mir mitgegeben, als ich von Zuhause fort ging, als Erinnerung an euch. Wenn man die Form auf dem Datapad nachzeichnet, wird es entsperrt.“

Gavin gab ihm den Anhänger wieder zurück. „Hast du es schon durchsucht?“

„Ja, ich habe ungefähr die letzten zwei Stunden damit verbracht. Es enthält haufenweise privates Zeug über Vater, aber offensichtlich auch alle geschäftlichen Unterlagen. Und darunter bin ich auf etwas gestoßen –“

„Was vielleicht etwas mit den Mördern zu tun haben könnte?“, unterbrach ihn Gavin aufgeregt und setzte sich in den Stuhl am Schreibtisch.

„Ich bin mir nicht sicher. Es ist unter den neueren Einträgen und ich habe es zuerst als unwichtig abgetan. Später hab ich den Eintrag nochmal aufgerufen und eigentlich ist er doch verdächtig. Aber sieh selbst.“ Der Ältere tippte ein paar Befehle auf dem Pad ein und reichte es ihm dann.

Die Datei war stichpunktartig gegliedert, wie man es von einer geschäftlichen Eintragung erwarten würde.



Eintrag 0736-Ersatzteilbergung Piintar Cargo Systems

.. 2 Standardfrachtcontainer, nicht weiter klassifizierte Ersatzteile für SoroSub XP-38

.. Position: 3221.419.933 Tiefraum, Nicandra Sektor

.. Anmerkungen[1] Habe diesen Hinweis von einem Frachterkapitän erhalten, der für
Piintar Cargo Systems gearbeitet hat. Er weiß von einem Containerlager im Nicandra Sektor (auf halbem Weg zwischen Ord Mantell und Corsin). In dem Containerfeld befinden sich zwei Container mit Ersatzteilen für den neuen XP-38.

.. Anmerkungen[2] Der Plan: Der Frachterkapitän birgt die beiden Container und bringt sie mir und ich kaufe sie ihm ab (alles was über meinen Eigenbedarf geht wird auf dem Schwarzmarkt vertrieben). Er erhält den halben Wert der Ware zzgl. anfallender Treibstoffkosten.



Gavin sah von dem Datapad auf und schaute seinen Bruder fragend an. „Das soll es sein?“

Rayland nickte heftig und lächelte. Dann breitete er die Hände aus und erklärte: „Wie gesagt, ich habe es auch im ersten Moment noch nicht kapiert, aber…“ Er nahm Gavin das Pad aus der Hand und studierte es, während er weiterredete. „Papa schreibt hier von bergen. Was nur ein Euphemismus für stehlen ist. Und ein Containerlager, das sich irgendwo im Tiefenraum befindet, ist garantiert geheim, Betriebsgeheimnis sozusagen, und dieser Frachterkapitän hat’s verraten. Der plante, aus seinem Wissen noch etwas Profit zu schlagen, nachdem er entlassen wurde. Aber er kann nicht viel mit zwei riesen Containern voll wertvoller Ersatzteile anfangen. Da kam Papa ins Spiel. Erstens kann er einen Teil der Sachen selber brauchen, zweites kann er den Rest über seine Schwarzmarktbeziehungen auf Ord Mantell verscherbeln.“

„Alles klar, soweit kapiert. Und dann muss etwas schiefgegangen sein.“, stellte Gavin fest.

„Denke ich auch, ja. Vielleicht hatten die Leute von Piintar Cargo zufällig dort zu tun und ertappten den Frachter auf frischer Tat. Wenn sie ihn dann festgenommen haben, könnten sie von Papas Anteil an der Sache erfahren haben.“

„Sie mussten vermuten, dass er auch von dem geheimen Lagerfeld wusste. Also konnten sie entweder das Lager verlegen -“

„Was eine Menge Credits kosten würde -“, ergänzte Rayland.

„- oder den Mitwisser beseitigen.“

„Was im Falle eines unbedeutenden Werkstattbesitzers auf Ord Mantell wesentlich preiswerter ist.“, schloss der Ältere.
 
Raylands Wohnung war zwar klein, aber recht gemütlich. Naven lümmelte in einem großen Polstersessel, der in Anbetracht seiner eigenen, eher bescheidenen Körpergröße geradezu monströs wirkte. Gavin hatte sich auf dem Klappsofa niedergelassen, auf dem er wohl auch die nächste Zeit schlafen würde.

Rayland kam gerade kopfschüttelnd aus der Küche zu ihnen und bemängelte: „Lomin Ale, also wirklich, kleiner Bruder. Das ist doch was für zuckersüchtige Ewoks! Wie bringst du das klebrige Zeug bloß runter?“

Mit einem schulterzuckenden Grinsen nahm Gavin das kühle Glas entgegen und schnupperte daran.

„Wenn du es so verabscheust, wie kommt es dann, dass du’s hier hast?“

Rayland grinste breit, während er sich auf einen niedrigen Hocker plumpsen ließ. „Naja, bei Frauen ist das Zeug durchaus auch beliebt. Und… von Zeit zu Zeit werden hier manchmal welche gesichtet, weißt du?“

„Zuckersüchtige Ewokfrauen, meinst du?“

Nun verzog Rayland das Gesicht. „Nein, natürlich ni-…, ach vergiss es!“

Naven ließ sein gackerndes Lachen hören und hob dann sein Glas, um mit den anderen anzustoßen. Die Gläser klirrten leise. Nachdem er einen Schluck genommen hatte, räusperte sich der Sullustaner. Dann rutschte er auf seinem Hintern ein wenig hin und her und grinste schließlich breit.

„In ein paar Stunden wirst du mich los sein, Gavin. Morgen macht sich die Händlerbeute wieder auf den Weg, nach Corellia. Aber vorher muss ich noch etwas erledigen.“

Gavin sah ihn fragend an. Naven zuckte die Schultern.

„Naja, dein Anteil.“, meinte er schlicht. „Ohne dich wäre ich aus diesem Schlamassel auf Nar Shaddaa schließlich nicht mit heiler Haut herausgekommen. Und mit den Hutts hier hast du mir auch Unannehmlichkeiten erspart.“ Er steckte seine Hand in die Hosentasche und kramte einen kleinen Sender heraus, den er Gavin zuwarf. Der fing ihn reflexartig auf und betrachtete das winzige Elektronikmodul. Ein schwarzmetallernes flaches Quadrat mit einer Schaltfläche auf einer Seite. Er drehte es in der Hand herum und sah seinen Freund mit hochgezogener Augenbraue an.

„Der Schlüssel für Wellards Schiff. Es trägt den prächtigen Namen Strahl von Nubia. Ich hab das Teil noch nicht mit eigenen Augen gesehen, jedenfalls werden auf Nubia seit jeher echte Luxusschlitten hergestellt, ganz in Chrom und Silber. Aber um ehrlich zu sein kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Bastard ein solches Schiff besessen hat.“ Naven lehnte sich wieder zurück und nahm noch einen Schluck von seinem Sumpfbier, das auch ihm zu schmecken schien. „Der Kahn steht noch im Hof der Stadtvilla von Karridan ‚dem Derben‘. An deiner Stelle würde ich ihn gleich morgen früh holen, nicht dass der Halunke noch vergisst, dass er mir das Schiff überlassen hat.“

Gavin betrachtete den winzigen Sender noch einmal, nun mit wesentlich größerer Ehrfurcht. „Vielen Dank, Naven!“

Der lächelte zufrieden und meinte nur: „Nichts zu danken. Du hast es dir verdient. Und glaub mir, Gavin, ich bin bei der Sache mehr als gut weggekommen.“

Gavin ließ den Schlüssel in seine Hosentasche gleiten und nahm nachdenklich einen Schluck Lomin Ale. Oh ja, er würde morgen in aller Frühe ein Gleitertaxi nach Bilbousa nehmen und die Strahl von Nubia holen, gleich nachdem er Lina Task aufgesucht und ihr von seinen Plänen erzählt hatte. Er konnte nicht genau sagen warum, aber er war äußerst zuversichtlich, dass sie über sein Angebot erfreut sein würde.
 
III


Gavin hastete in die schützende Nische, die der Eingang des Sandplatz des Ruhmes darstellte und klopfte sich den roten Sand von der Weste. So wie diesiger Nebel in Drummoy die Regel zu sein schien, heulte hier in Bilbousa anscheinend ständig scharfer Wind, der den feinen allgegenwärtigen Sand mit sich trug. Gavin wandte sich von der Straße ab und wollte in das Arenagebäude gehen, als sich der bullige Türsteher von der Wand abstieß und sich ihm leicht spöttisch grinsend in den Weg stellte.

„Es ist früher Vormittag.“, grummelte Gavin. „Ich bin sicher nicht gekommen um Kämpfe zu sehen, die frühestens am Nachmittag beginnen, also zahle ich auch keinen verdammten Eintritt!“

Das Grinsen verschwand und der Kerl musterte ihn kurz. Dann nickte er mit einem Schulterzucken und ließ ihn vorbei. Drinnen war es erwartungsgemäß ruhig. Ein Blick durch die Arkaden nach unten verriet ihm, dass auch keine Trainingskämpfe im Gange waren, es lungerte noch nicht einmal der ein oder andere Tagedieb auf den runden Tribünen herum. Zielstrebig ging er zu der kleinen Bar auf der gegenüberliegenden Seite der Arena und verlangte nach dem Arenaleiter. Der Barkeeper schien sich an sein Gesicht zu erinnern und verschwand durch eine kleine Tür, während er sich am Hintern kratzte. Gavin ließ den Blick schweifen. Er war tatsächlich der einzige Gast.

„Ah, der junge Herr Kchron.“, stellte eine krächzende Stimme fest. Gavin drehte sich zu dem kleinen Durchlass hinter der Bar um. Tim Gelvar stand in einem ausfallenden, orangen Gewand vor ihm und hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt. „Sind Sie gekommen, um sich für den Gefallen zu revanchieren, den ich Ihnen bei der Suche nach Ihrem Bruder zweifelsohne getan habe?“ Der kleine Mann reckte sein kahles Kinn herausfordernd zu Gavin hoch und hob fragend die Augenbrauen.

„Nun, äh. Um ehrlich zu sein, nein.“, brachte Gavin hervor.

„So.“, machte Gelvar nur und strich sich mit der Hand über seinen fast kahlen Schädel. „Haben Sie ihn denn wenigstens gefunden?“

„Ja.“

„Drummoy-Arena, nicht wahr? Wie läuft das Geschäft dort?“

„Nun ähm, ich schätze wie immer.“, meinte Gavin in einem Ton, der Gelvar klarmachen sollte, dass er gerade kein Interesse an Geplauder hatte.

„Hm.“ Der Arenaleiter hob die rechte Hand zum Kinn und fuhr sich darüber, während er Gavin abschätzig musterte. „Also, was führt Sie wieder hierher, zum Sandplatz des Ruhmes? Der erste Kampf findet erst in 6 Standardstunden statt.“

Gavin lächelte etwas schief und fuhr sich in einer Geste der Verlegenheit durchs Haar. „Ich bin einmal mehr auf der Suche nach jemandem.“

Gelvar zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

Gavin fuhr fort: „Ich suche Lina Task, sie kämpft hier. Wissen Sie, wo ich sie finden kann?“

Der ältere Mann nickte leicht, das Kinn in die Handfläche gestützt. „Nein, das kann ich nicht. Ich sah sie das letzte Mal, als sie mit Ihnen hierhergekommen war.“

„Wirklich? Ist das nicht ungewöhnlich? Für mich hörte es sich so an, als ob sie täglich hier gewesen und trainiert oder gekämpft hat.“, fragte Gavin verwundert.

„Das hat sie in der Tat. Ungewöhnlich ist es allerdings nicht. Es kommt oft vor, dass Kämpfer - besonders wenn es sich um weniger begnadete handelt - sich vom einen Tag auf den anderen nicht mehr blicken lassen. Sobald sich irgendwo ein… ungefährlicherer oder besserer Job bietet - “ er machte eine wegwerfende Geste, „ - verschwinden sie einfach sang und klanglos.“

Gavin war enttäuscht. Mit solchen Schwierigkeiten hatte er nicht gerechnet. Vielleicht, dass es nicht so leicht wäre, Lina zu überreden, aber dass er sie erst gar nicht finden würde?

„Ihr Partner Meylir ist übrigens seitdem auch nicht wieder aufgetaucht.“, bemerkte Tim Gelvar trocken, bevor er sich schwungvoll umdrehte, sodass sein ausfallendes, oranges Gewand herumwirbelte. „Und nun wünsche ich einen guten Tag. Sie halten mich von meiner Arbeit ab!“, quäkte er unwirsch und schritt durch die Tür hinter dem Tresen.

Der Barkeeper schenkte Gavin ein schadenfrohes Lächeln, das auch nicht verschwand, nachdem Gavin grummelnd ein Sumpfbier bestellt hatte. Er war ratlos. Was Gelvar gesagt hatte hörte sich nur logisch an. Aber Lina konnte praktisch überall eine Arbeit gefunden haben, auch außerhalb der Stadt. Vielleicht konnte ihm einer der anderen Kämpfer weiterhelfen. An der Flasche, die der Barkeeper vor Gavin auf den Tresen stellte, kondensierte die Luftfeuchtigkeit. Er nahm einen guten Zug. Dabei schielte er zu dem Mann hinüber, der ihn ungeniert und weiterhin grinsend anstarrte. Gavin setzte ab und fragte leicht entnervt: „Sind heute schon Kämpfer hier? Oder weißt du etwas Genaueres über Lina Task oder diesen Meylir?“

Unglaublicherweise wurde das Grinsen dieses Kerls noch breiter, was Gavin für anatomisch unmöglich gehalten hätte.

„Die hat es dir wohl ganz schön angetan, was? Es soll ja nicht meine Sache sein, aber ist die nicht etwas zu alt für dich?“

„Schwachsinn. Sie schuldet mir Geld.“, erfand Gavin um diesem widerwärtigen Kerl ja keine Vorlage für weitere dumme Sprüche zu liefern.

„Achso.“, meinte der und polierte gelangweilt ein Glas mit einem Lappen, der so schmierig aussah, dass das Gefäß dadurch eigentlich nur dreckiger werden konnte. „Nun ja, zwei sind schon da. Edwin und der Schwachkopf Brenn. Dürften unten im Trainingsraum sein.“, nuschelte er desinteressiert.

Gavin erhob sich und trank sein Bier aus. Dann warf er dem Barkeeper einen Blick zu und zog fragend eine Augenbraue nach oben.

„Da entlang, die nächste Tür.“, gab der von sich und ruckte seinen Kopf nach rechts, wo sich der Rundgang um die Arena fortsetzte.

Gavin stellte die Flasche auf den Tresen und wandte sich ab. „Danke.“

Auf halbem Weg zurück zum Gebäudeeingang tat sich ein breiter Durchlass in der Wand des Arkadenganges auf. Eine Treppe führte in die Eingeweide der Arena. Gavin hörte die kräftige Stimme eines Mannes, während er hinunterging.

„… du darfst nicht einfach wild drauflosgehen. Das machen die Meisten.“

„Ja, ja, genau.“, meinte ein anderer leiser.

„Warte ab und sieh, was dein Gegner tut. Immer zurückweichen, vielleicht mal einen Schlag antäuschen.“

Gavin betrat einen weiten Raum mit niedriger Decke. Einer der Männer - der, der gerade Empfehlungen zum Besten gab - saß auf einer Bank und wickelte ein Stoffband von seiner Faust. Er war sehr muskulös und, soweit man das im Sitzen erkennen konnte, von überdurchschnittlicher Größe. Der andere Mann, der vor dem Redner stand, war sehr ähnlich gebaut. Ein Handtuch hing über seine Schultern. Er nickte leicht aber beständig und schien den Ratschlägen aufmerksam zuzuhören. Seine Stimme war seltsam hoch und passte nicht zu seiner Erscheinung.

„Ah, mhm.“, stimmte er beflissen zu.

Gavin räusperte sich. „Hallo. Haben Sie kurz Zeit?“

Beide schauten zu ihm herüber und Edwin - Gavin nahm einfach an, dass der stehende Typ mit der komischen Stimme der Schwachkopf Brenn war, also musste Edwin der auf der Bank sein - hielt beim Abwickeln der Stoffstreifen inne. Er war auch der, der zuerst reagierte.

„Kommt drauf an für was.“

„Ich suche Lina Task. Tim Gelvar meinte, sie sei schon seit vier Tagen nicht mehr hier gewesen, und Meylir auch nicht. Wissen Sie etwas darüber?“

„Ja, Meylir is' nich' mehr da, und das ist auch gut so!“, meinte Brenn mit trotziger Stimme. „Ein fieser Typ war das, ja, ja.“

„Halt die Klappe, Brenn.“, schnitt Edwin ihm so nebensächlich das Wort ab, als würde er das ständig tun. „Lina ist die letzten Tage nicht hier aufgetaucht, das stimmt. Allerdings kann ich dir nicht sagen, warum. Keine Ahnung. Meylir dagegen, der hat immerzu über den Meister und seine schräge Art geschimpft, über die ganze Arena im Grunde. Deshalb wundert’s mich kein bisschen, dass er weg ist.“

Der Schwachkopf Brenn nickte zustimmend. „Jaja.“

Edwin warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, bevor er fortfuhr. „Ich kann mir aber wirklich nicht vorstellen, dass Lina mit diesem Idioten abgehauen ist. Was Meylir betrifft muss ich Brenn ausnahmsweise einmal zustimmen. Ich hab nie verstanden, warum sie sich so viel mit ihm abgibt.“

Wieder nickte Brenn bestätigend, sein Kopf schien sich generell am liebsten wippend zu bewegen. „Lina ist wirklich in Ordnung.“, meinte er.

Gavin seufzte. „Na gut, vielen Dank jedenfalls.“ Gavin stieg ernüchtert die Treppe hinauf und ließ die beiden unten sitzen beziehungsweise stehen. „Vielleicht sieht man sich ja einmal in der Arena.“



Ratlos verließ er die Arena und schlenderte durch die staubigen Straßen der Stadt. Er hatte keinen einzigen Anhaltspunkt. Lina konnte noch hier in Bilbousa sein, genauso aber in eine andere Stadt, ja sogar zu einem anderen Planeten geflogen sein. Sein Blick wanderte zum blauen Himmel hinauf, in den sich rote Staubwehen emporkräuselten. Sie konnten die kleine, dunkle Scheibe des Mondes nicht verschleiern. Vielleicht war sie nach Nar Shaddaa gegangen. Der Schmugglermond, wie ihn die Meisten nannten, konnte jedem, der findig war und etwas im Köpfchen hatte, wahrscheinlich alle Chancen bieten.

Jedenfalls würde sie ihm wohl nicht einfach über den Weg laufen. Er zog seine Kapuze tief ins Gesicht und versuchte den Rest mit seinem Arm gegen den schmirgelnden Sand abzuschirmen. Da war ihm ja sogar das trübe Wetter in Drummoy noch lieber. Aber zum Raumhafen war es nicht weit. Gerade begann er sich mit dem Gedanken abzufinden, mit einem der Kandidaten vorlieb zu nehmen, die ihm sein Bruder gestern vorgestellt hatte, als er ein gedrungenes Gebäude entdeckte: Es war die Kneipe, in der Naven versucht hatte, mit Wellard Kontakt aufzunehmen. Dort wo Gavin Lina und Meylir kennengelernt hatte. Vielleicht wusste der Besitzer oder ein Gast etwas über die Sache!

Er trat durch den niedrigen Eingang und der stürmende Wind legte sich augenblicklich. Im Schankraum herrschte eine dämmrigere Atmosphäre, wie er es in Erinnerung hatte. Während er sich den Staub ordentlich aus dem Mantel klopfte, gewöhnten sich seine Augen langsam an den Helligkeitsunterschied. Um diese Tageszeit waren kaum Gäste anwesend. Auf einer kleinen erhöhten Plattform in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes baute ein Bith-Musiker seine Instrumente auf und summte dabei halblaut vor sich hin. In einer Sitznische saßen ein Weequay und ein Houk beisammen und argumentierten heftig. Ansonsten lungerte noch ein Devaronianer an der Bar herum und versuchte den Barkeeper in ein Gespräch zu verwickeln. Ihm fiel auf, dass nicht derselbe Mann hinter dem Tresen stand, wie bei seinem ersten Besuch. Er entschied sich für die Bar.

„Ein Lomin Ale.“

Ein schlichtes Kopfnicken bedeutete Gavin, dass der Mann ihn verstanden hatte, aber nicht zum Reden aufgelegt war. Der gehörnte Devaronianer mit dem kahlen Schädel und spitzen Kinn jedoch wandte seine Aufmerksamkeit sofort dem Neuankömmling zu und grinste ein breites Grinsen voll nadelspitzer Zähne.

„Neu in der Stadt?“, fragte er.

Gavin zuckte lediglich die Schultern.

„Nun, ich habe Sie hier noch nie gesehen. Und ich kenne jeden in Bilbousa, den es wert ist, zu kennen.“ Er nippte an seinem Getränk. „Und Sie sehen mir ganz danach aus, als wären Sie es wert. Als würden Sie sich schon bald einen Namen machen.“, sagte er mit der Überzeugung und Stimme eines Vertreters, der sein Sortiment an neuesten Energiezellen anpries.

„So?“, machte Gavin nur. Wenn dieser Typ bloß halb so gut über die Stadt Bescheid wusste, wie er behauptete, hatte er ja vielleicht etwas über Lina gehört. „Gavin Kchron. Mit wem habe ich die Ehre?“, sagte er, wie er hoffte, mit ironischem Unterton.

Der Devaronianer ließ sich in keiner Weise beirren und schüttelte ihm eifrig die Hand. „Driar do’Brak zu Ihren Diensten, Herr Kchron.“ Er blickte sich über die Schulter in der Bar um und beugte sich dann verschwörerisch zu Gavin herüber. „Wissen Sie, es kommen nicht gerade viele Menschen hierher. Was treibt sie in ein solches Etablissement? Die guten Drinks werden es wohl nicht gerade sein.“ Er hob sein Glas mit einem leicht trüben Getränk und grinste ihn an. „Oder - “, und seine Stimme wurde noch etwas leiser, „ - die gute Gesellschaft.“ Bei den letzten Worten ruckte sein gehörnter Kopf in Richtung der beiden anderen Gäste, die immer noch lautstark diskutierten.

„Mir ist bekannt, dass hier unter den Gästen selten Menschen sind. Und das bringt mich auch direkt zu meiner Frage: Haben Sie in den letzten Tagen Menschen gesehen, in dieser Bar?“

Do’Brak hob beruhigend die Hände. „Immer langsam mit den jungen Banthas! Ich habe mit Sicherheit Antworten auf all Ihre Fragen. Aber freilich hat alles seinen Preis, besonders auf einem Planeten wie diesem, der von der fleischigen Hand der Hutten kontrolliert wird.“

Aber natürlich, das hätte ich mir gleich denken können. Er nahm sein Lomin Ale und trank einen süßen Schluck, um den Anflug von Verärgerung aus seinem Gesicht zu bannen.

„Aber was ich verlange ist nicht der Rede wert, im Vergleich dazu, was ich Ihnen alles an Informationen bieten kann, seien Sie versichert. Sehen sie es als kleines Trinkgeld. Oder vielleicht wissen Sie ja selbst etwas, das mich interessieren könnte. Ein Tauschhandel sozusagen.“ Do’Brak lehnte sich zurück und lächelte aufmunternd.

Gavin überlegte, welchen Leckerbissen er diesem Aasgeier hinwerfen konnte. Er musste improvisieren. „Ich bin mir sicher, Sie sind stets an Neuigkeiten über die hiesigen Gangsterbosse interessiert.“, fragte er betont lässig. Die hohe Stirn des Devaronianers legte sich skeptisch in Falten, aber Gavin blieb das neugierige Flackern in seinen Augen nicht verborgen. Ihm schien es am sinnvollsten, hoch zu Pokern, um do’Brak davon zu überzeugen, dass es wirklich interessant war, was er wusste. „Aber diese Geschichte ist weit mehr wert. Um zu erfahren, wer hier in der letzten Zeit zu Gast war, könnte ich ja ebenso gut den Barkeeper fragen.“

Der Informationenhändler rieb sich nachdenklich eines seiner Hörner, aber Gavin erkannte an seiner Haltung, dass er ihn bereits geködert hatte. Er trank einen Schluck und musterte Gavin mit zusammengekniffenen Augen.

„Einverstanden. Ich werde Ihnen behilflich sein, herauszufinden, was Sie suchen, Herr Kchron. In einem gesunden Umfang versteht sich.“ Er drehte sich halb zu ihm her und schenkte ihm seine volle Aufmerksamkeit. „Wovon also haben Sie Wind bekommen, diese schmierigen fetten Würmer betreffend?“, fragte er mit einem breiten Grinsen.
 
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