Welf
RS-Chars: Amos Triskal, Kanto Garison
II
Das Lomin-Ale war lauwarm und schmeckte eher bitter als süß. Gavin stellte das Glas leicht angewidert auf die schmierige Tischplatte und beobachtete Naven Vuin. Der war seit geraumer Zeit in ein Gespräch mit einem Weequay an der Bar vertieft. Er sah, wie einige Creditchips den Besitzer wechselten und der Weequay scheinbar Navens Fragen beantwortete. Gavin sah sich weiter in dem schäbigen Etablissement um. In dieser Art von Informationsbeschaffung hatte er keinerlei Erfahrung, aber Vuin schien sich da bestens auszukennen. Wahrscheinlich war das eine der wichtigsten Fähigkeiten für einen Schmuggler. Sein Blick viel auf zwei Gestalten, die gerade die Bar betraten. Sie waren von oben bis unten in grauen Stoff gewickelt, von dem sie sich jetzt den roten Staub klopften, der draußen allgegenwärtig schien.
Entgegen Gavins Erwartungen, die darauf basierten, was er vor seiner Reise über Nal Hutta gelesen hatte, von saurem Regen und sumpfigen Verhältnissen, schien ein ewiger Wind durch die Straßen Bilbousas zu wehen, der feinen roten Staub in Augen und jede Kleiderfalte trug. Sein säurefester Mantel war dagegen nicht hilfreicher als jeder beliebige Umhang. Die „Händlerbeute“ war auf dem weitläufigen Landefeld des Raumhafens gelandet und den ganzen Weg bis zum Terminal hatte Gavin halb geblendet stolpernd und sich den Sand aus den Augen wischend hinter sich gebracht. Nach ein paar unseriös wirkenden Formalitäten mit dem Raumhafenpersonal, die dafür sorgen sollten, dass die „Händlerbeute“ nicht vom Landefeld gestohlen oder zerlegt wurde, war er Naven durch den ekelhaft peitschenden Wind gefolgt. Die Stadt schien eine weitläufige Ansammlung von niedrigen Gebäuden zu sein und nur in der Nähe des Raumhafens erhoben sich ein paar höhere Häuser. Weit konnte man in dem diffusen Licht des Sandsturms ohnehin nicht sehen. Der Sullustaner hatte ihn zielstrebig zu der Bar geführt und sie hatten sich den Staub aus den Ohren gekratzt, wie es die beiden Neuankömmlinge gerade taten, die Gavin jetzt als Menschen erkannte.
In der Tat waren es die ersten Menschen, die sie bisher auf dem Planeten gesehen hatten. Vorerst blieben sie im Eingang stehen und musterten die Barbesucher, und erst als der Blick des einen sich mit Gavins kreuzte, bemerkte er, dass er die Beiden relativ unverhohlen angestarrt hatte. Der Mensch machte seinen Kameraden mit einem sanften Stoß des Ellenbogens auf Gavin aufmerksam und Gavin gab schnell vor, woanders hinzuschauen. Aber aus dem Augenwinkel sah er, wie sich die Beiden auf seinen Tisch zubewegten. In einem Anflug von Nervosität hob er das Glas und nippte an dem zweitklassigen Drink, während er einen kurzen Seitenblick in Richtung Naven Vuin warf, der noch immer an der Bar tratschte. Der Tisch erschütterte leicht, als ein Mann seine Hand darauf legte. Die Adern auf dem Handrücken traten deutlich hervor obwohl die Hand locker dalag, eine Hand wie sie zu einem muskulösen Arm gehörte. Der war jedoch in dem grauen Ärmel des Umhangs verborgen, den der Mann trug. Gavin blickte ruckartig in das dazugehörige Gesicht, als ihn der Mann ansprach: „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Seine Stimme war kratzig und passte nicht zu einem so großen Mann. Bei ihrem Klang kam Gavin der rote Sand in den Sinn, der auf der Haut brannte.
„Wie bitte?“, fragte Gavin erstaunt.
„Nun, so wie Sie zu uns herübergeschaut haben, als wir gerade die Bar betreten haben, suchen Sie wohl etwas Bestimmtes.“, sagte er mit einem leicht bedrohlichen Unterton.
Gavin musterte die Beiden jetzt genauer. Die zweite Person war eine Frau, stellte er erst jetzt fest. Der weite Mantel verbarg ihre weibliche Figur und auch das kantige, scharf geschnittene Gesicht mit den zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebundenen, rabenschwarzen Haaren kaschierte leicht ihr weibliches Aussehen. Sie hielt sich etwas im Hintergrund, aber Gavin glaubte ein sanftes Lächeln um ihre Mundwinkel huschen zu sehen, als sie seinen Blick erwiderte. Er räusperte sich und antwortete dem Mann: „Ich war nur erstaunt, hier Menschen zu sehen.“
Sein Gegenüber klopfte beiläufig mit seinen fleischigen Fingern auf die Tischplatte. „Hm. Menschen sind die häufigste Rasse in der Galaxis.“
„Ja, aber seit ich auf diesem Planeten bin, sind Sie beide die ersten außer mir, die ich sehe.“, erklärte er und machte zum Beweis einen Wink mit der Hand, der die ganze Bar einschloss.
„Das wundert mich dann doch nicht so sehr. Meines Wissens gibt es hier auf Nal Hutta wirklich nicht besonders viele Menschen und die meisten davon bleiben eher unter sich. Und das hier ist ein Etablissement, das nicht gerade den Ruf hat, ein Treffpunkt für ‚Unseresgleichen‘ zu sein.“
„Umso mehr frage ich mich, was jemand wie Du hier sucht, mein Junge.“, warf die Frau ein. Sie hatte eine warme, wohlklingende Stimme, die irgendwie auch nicht zu ihrem kühlen Äußeren passte. Außerdem war es seltsam, wie sie ihn als ‚ihren Jungen‘ bezeichnete.
Gavin entschloss sich, gleich mit der Sprache herauszurücken.
„Ich suche tatsächlich etwas. Meinen Bruder.“ Er wusste nicht, was ihm Schlechtes widerfahren könnte, wenn er diesen beiden davon erzählte. Er hatte ja sowieso keine Ahnung, wie er seine Suche nach Rayland beginnen sollte und diese beiden Menschen waren immerhin ein Anfang. „Vielleicht könnten Sie mir ja dabei weiterhelfen.“, fragte Gavin vorsichtig.
„Ich wüsste nicht wie.“, gab der Mann kurz angebunden zurück, was ihm einen fragenden Seitenblick seiner Partnerin einbrachte.
„Wie ist denn sein Name? Vielleicht kennen wir ihn ja rein zufällig.“, antwortete sie.
„Rayland Kchron.“
„Nie gehört.“, sagte der Mann brüsk und warf einen Blick in Richtung Barkeeper. Und auch die Frau schüttelte den Kopf. Wäre ja auch zu einfach gewesen, dachte Gavin.
„Nun, wo wäre denn ein Treffpunkt für ‚Unseresgleichen‘? Wo kann ich mit anderen Menschen sprechen?“
„Du kannst mit mir mitkommen.“, stieß die Frau hervor, so schnell, dass Gavin sofort vorsichtig wurde. „Meylir muss noch nach Hinten und eine Angelegenheit mit dem Barbesitzer regeln, aber ich werde gleich wieder von hier verschwinden.“, setzte sie hinzu.
Gavin zog eine Augenbraue hoch und wollte wissen: „Wohin?“
„Ins Hinterzimmer, die Sache ist privat.“
Jetzt war Gavin noch mehr verwirrt. „Im Hinterzimmer ist ein privater Treffpunkt für Menschen?"
Wieder schüttelte sie den Kopf, aber diesmal grinste sie belustigt.
„Natürlich nicht!“, entgegnete der Mann ernst mit krächzender Stimme und wandte sich in Richtung Bartresen. Im Weggehen sagte er leiser zu seiner Begleiterin: „Ich glaube der Junge ist nicht ganz richtig im Kopf. Wir sehen uns später.“ Mit einem Wink einer seiner Pranken machte er den Barkeeper auf sich aufmerksam.
Gavin machte ein schiefes Gesicht und sie zuckte mit den Schultern. „Mach dir nichts draus, Junge. Komm mit wenn du willst, ich verzieh mich.“
Gavin warf einen Blick zu Naven Vuin, der mit dem Weequay an der Bar stand. „Einen Augenblick noch.“ Er kippte den verbliebenen Inhalt seines Bechers hinunter und trat zu seinem Partner. „Naven.“ Er tippte dem kleinen Piloten auf die Schulter und der drehte sich mit fragendem Blick um. „Wie lange brauchst du hier noch? Ich könnte mich doch in der Zwischenzeit woanders nach meinem Bruder umhören, oder?“
„Klar, mach nur. Ich habe jetzt dann eine Verabredung mit einem Freund dieses Herren hier, “, mit seinem Daumen wies er auf den Weequay, der soeben an seinem Getränk schnüffelte, „und ich denke nicht dass ich dich dabei gebrauchen kann, wenn du verstehst was ich meine.“ Der Sullustaner musterte kurz die Menschenfrau, die noch am Stehtisch stand und zu ihnen her schaute, und überlegte dann. „Wir treffen uns in vier Stunden bei der ‚Händlerbeute‘.“
„Ja, ich denke das reicht.“
„Aber sei vorsichtig.“, sagte Naven zum Abschied.
Der Mensch grinste und setzte hinzu: „Das letzte Mal musste immerhin ich deinen Arsch retten…“