Nomis Ar Somar
Wanderer
Meiner Meinung nach hat Episode VII es nicht geschafft eine eierlegende Wollmilchsau zu sein, geschweige denn ein klasse Streifen. Aber das ist völlig irrelevant, denn es ging um Tiefe und davon ist nun Mal nichts zusehen. Tiefe bei der Ersten Ordnung? Fehlanzeige, einfach nur ein Abklatsch des Imperiums, die nächste Faschistenvereinigung mit Hang zum Völkermord. Tiefe bei den Rebellen? Fehlanzeige, einfach nur eine Kopie der Rebellen - die Guten halt. Tiefe der Republik? Wir durften nur ihrer Vernichtung beiwohnen. Tiefe bei den Charakteren? Genauso nicht vorhanden wie beim Rest. Entweder sind die Leute gut oder eben böse, was dazwischen gibt es doch nicht. Hux ist ein Göbbels-Verschnitt, Phasma eine Befehlsempfängerin (selbst von ihren Gegnern), Snoke ein Imperator Abkaltsch, Poe ein guter Fliegerass, Finn ein guter Stormtrooper der in den ersten fünf Minuten die Seiten wechselt und nirgends irgendwelche Probleme damit hat, Rey, Han, Chewie, Leia, Ackbar, der Asiate, "Porkins Sohn", alles reine Good Guys. Und Kylo Ren? Kylo Ren hat soviel Tiefe wie ein Straßenpfütze. Ist er irgendwas anderes als ein Bösewicht? Hat er irgendwann mal eine andere Meinung? Eine Motivation außer ein Darksider zusein? Nein, er ist einfach durchweg böse, zögert mal kurz bei seinem Vater, dann gehts auch schon wieder weiter. Kein Dialog, keine Aktion zeigt einen Charakter mit Tiefe. Kylos Charakter kann auf Post-It beschrieben werden - Villain. Einfach ein Mörder und Folterer. Bei Kylo Ren hat man nichts zu bieten außer seine Ansprache an den Vader Helm aber ein dementsprechendes Handeln? Zögern, Reue, Zweifel, Widersprüche? Nichts davon zusehen.
Puh, das ist jetzt schon eine krasse und vor allem gewollte Wahrnehmung. Da kann und möchte ich gar nicht viel zu sagen. Es ging vor allem um das Potenzial, ein tiefer einprägsamer Charakter zu werden. Ich habe beispielsweise nie gesagt, dass Snoke in VII von vorne bis hinten durchleuchtet wurde. Aber weniger Charaktere bringen nunmal eher das POTENZIAL mit als fünfzundzwanzig. Man hätte in VII auch hundert komplett neue Dinge zeigen können, aber dabei hätte man Zeit verloren und wäre möglicherweise ähnlich in die Bredouille geraten wie bei den Prequels, als man nach dem Ende des zweiten Aktes immer noch fleißig neue Charaktere eingeführt hat, obwohl diverse bereits existierende noch Potenzial hatten und so nur Plot-Füller wurden. Natürlich kommen jetzt auch noch Benicio del Toro, Laura Dern und Kelly Marie Tran an Bord. Aber man versucht die ST-Story eher als große Geschichte im kleinen Rahmen zu erzählen, welche im Gesamtkontext der Saga wieder groß erscheint. Ungefähr so würde ich es mal ausdrücken. Die ganze Zeit nur die "Abklatsch!"-Keule zu schwingen ist nicht gerade hilfreich, um gewisse Zusammenhänge zu verstehen. Allein schon wie eindimensional Du die Rolle 'Kylo Ren' beschreibst. Da fällt mir nichts mehr zu ein.
Ja richtig, das hier ist Akt I aber es ist nichts unfaires daran, mangelnde Tiefe zu attestieren. Man kann mit wenigen Sätzen und Filmsekunden einem Charakter mehr Tiefe verleihen, in dem man ihm gar nicht erst ein Gut und Böse-Korsett auferlegt. Natürlich kann man trotzdem alle möglichen Wendungen in den nächsten Akten einbringen aber was Charaktere betrifft, der Glaubwürdigkeit zuliebe, wäre eine Vorbereitung gut, in dem ein Charakter eben schon etwas komplexer aufbaut, anstatt ihn irgendwann um 180 Grad zu drehen. Und genau hier kommt die dritte Partei ins Spiel. Sie würde gerade den Antagonisten eine bessere Motivation geben und ihr kompromissloses Handheln besser erklären als es bisher der Fall ist. Es wäre immer noch kein großer Wurf aber zumindest glaubwürdiger als wenn den Charakteren entweder erst später einfiele, dass sie ja doch anders handeln und empfinden können, falls sie überhaupt noch mal eine Wandlung durchmachen. Eine dritte Partei würde auch die bisherigen Guten vor eine neue Herausforderung stellen, anstatt sie einfach denselben Kampf wieder durchführen zu lassen.
Gut, kann man so sehen. Und ich bin auch der Meinung, dass 180°-Wenden nicht das richtige Mittel sind. Bezüglich des Gut/Böse-Korsetts: Wie war das denn in der allseits beliebten OT nochmal? Hatte Tarkin seine menschlichen Momente? Konnte man den Imperator "nachvollziehen"? Oder waren das nicht auch bloß "die bubu Bösen"? Man muss aufpassen, dass man die Vergangenheit nicht allzu sehr verklärt und präziser formuliert, was man möchte. Denn die OT war mitnichten ein ausgewogenes, ultra-tief durchleuchtetes Personen-Portrait, wo jeder seiner zutiefst nachvollziehbaren Gründe hatte. Mit anderen Worten: Du möchtest, dass sich SW ändert und vielleicht weniger berechenbar wird. Eine Radikaländerung möchte ich jedenfalls nicht, aber so eine Grau-Zone würde SW guttun, da gebe ich Dir Recht und da bin ich auch für. Aber mit welcher Konstellation geht solch ein glaubwürdig dargestelltes Szenario am besten? Na klar: Mit viel Zeit, in der man die Charaktere zeigt. Und wie bekommt man Zeit in einem "maximal" 140 Minuten langen Film? Indem man Dinge weglässt, im Idealfall unnötige Rollen. Man fokussiert sich gezielt auf Charaktere und kann so - nachdem sie eingeführt wurden!! Stichwort Episode VII!! - die Puppen beliebig tanzen lassen. So behält man die Kontrolle als Geschichten-Erzähler. 'Das Erwachen der Macht' hat in dieser Hinsicht sehr viel richtig gemacht. Oder sagen wir es so: Er hat seine Hausaufgaben erledigt. Jetzt kommen völlig neue Geschichten von Johnson und Trevorrow. Man muss nicht mehr übermäßig viel Zeit aufwenden, um Charaktere vorzustellen; höchstens mal hier und da einen.
Jetzt lasst uns doch erst einmal mindestens einen weiteren Saga-Film abwarten, bevor wir die Episode VII für Dinge kritisieren, die (möglicherweise) alle ihre Berechtigung haben. Tja, vielleicht hat der Begriff der "Trilogie" für mich einfach einen höheren Stellenwert, kann schon sein. Aber ich finde, man muss es einfach als VII-IX sehen. Eine Beurteilung können wir uns noch früh genug erlauben.
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