micah
EU-Fossil
Mittlerweile habe ich den Film auch gesehen.
Naja.
Das zunächst befürchtete Komplett-Katastrophen-Kinoerlebnis war es zwar nicht, aber eindeutig einer der weniger befriedigenden Kinobesuche dieses Jahres. Er ist aber wenigstens nicht schlimmer als Into Darkness (ob er besser war oder ob es nur ein Effekt von Gewöhung bzw. heruntergeschraubter Erwartungen war, kann ich im Moment nicht sagen) und auch nicht so schlimm, wie man von den ersten Trailern befürchten musste.
Andererseits hatte der letzte Trailer bei mir auch wieder falsch-positive Erwartungen geweckt, nämlich dass der Film eine wesentlich intensivere Auseinandersetzung mit Kirks "Vaterkomplex" und Identitätssuche beinhalten würde. Das wurde aber nur im "Vorgeburtstagsgespräch" mit Pille kurz angerissen und die meisten Zeilen zu diesem Thema aus dem Trailer kamen gar nicht vor (oder habe ich was verpasst? - kann durchaus sein, da ich meine Gedanken das ein oder andere mal beim Wandern ertappt habe
). U. a. das mit dem "my last report as the Captain" - da hatte ich erwartet, dass er aus irgendwelchen Gründen gezwungen ist, seinen Posten niederzulegen, vielleicht um andere zu retten, aber sicherlich nicht wegen bore-outs und völlig widersinniger Bewerbung auf einen noch "öderen" Job. 
Aber mal ganz von vorne (also noch vor irgendwelchen Trailern) mit den Erwartungen: Nach dem Ende von Into Darkness, das den Start zur fünfjährigen Reise in "Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat" markierte, und noch verstärkt durch den Untertitel "Beyond" (Frage am Rande: Kann mir jemand die Bewandtnis des Titels für diesen Film erklären?) hätte ich eigentlich erwartet, dass man jetzt auch tatsächlich etwas von dieser Reise zu sehen bekommt. Klar ist das in einem Kinofilm schwieriger umzusetzen als bei einer Fernsehserie, bei der man wunderbar den Planeten / die Alienspezies der Woche abarbeiten kann.
Aber möglich wäre es dennoch: Man könnte die ersten Wochen und Monate der Reise zeigen, mit den entsprechenden Anfangsschwierigkeiten und Charakterdynamiken und dabei verschiedene Stationen ansteuern, aus denen sich dann nach und nach ein großes, filmübergreifendes Mysterium oder eine Bedrohung zusammenpuzzelt, vielleicht anhand von ähnlichen Legenden bei den besuchten Kulturen, aus denen sich dann ein wahrer Kern ergibt. Dann von mir aus ein ordentliches Weltrettungs-Actionspektakel und am Ende haben Schiff und Besatzung ihre Stärke gefunden, sind zu einer Einheit zusammengewachsen und bereit für weitere Herausforderungen.
Stattdessen springt man gleich mal 3 Jahre in die Reise hinein, vermittelt in den ersten 10 Minuten des Films, dass Sinn und Zweck der Unternehmung eh total langweilig und nutzlos sind und kehrt dann in den bekannten und gut erforschten Teil des Raumes zurück (davon gehe ich bei so einer riesigen, luxuriösen und "zivilen" Raumstation mal aus), um von da aus einen Kurztrip mit dem Ergebnis des üblichen Gemetzels und Actiongewitters zu unternehmen.
Wie öde! Darf ich daran erinnern, dass dieses Franchise Star Trek heißt und nicht Star Wars?
Aber gut, die Erwartung eines richtigen "Treks" hatte ich mir sowieso schon länger abgeschminkt - leider war der Film aber auch ohne diese Prämisse nicht wirklich überzeugend. So kam der erste und einzige Moment, in dem mich der Film emotional berührt hat, erst im Abspann mit den Widmungen für Leonard Nimoy und Anton Yelchin. Alles andere ließ mich einfach völlig kalt. Wie in vielen anderne Fällen hat man versucht, über schiere Zerstörungs- und Bedrohungs-Gigantomanie angesichts der vielen auf dem Spiel stehenden Menschen- und Nichtmenschenleben ein Drama zum Mitfiebern zu erzeugen, das an mir aber völlig vorbeiging bzw. genau das Gegenteil auslöste, weil das persönliche Element fehlte (Sulus durch's Bild laufende Tochter reicht dafür nicht aus).
Zur zielverfehlenden Gigantomanie gehörte natürlich auch die Zerstörung der Enterprise selbst. Das kann man mal machen, klar, aber man muss doch vorher eine Beziehung zu dem Schiff und seiner Besatzung aufgebaut haben, damit einen das trifft. Und die hat hier gefehlt, da man diese Enterprise vielleicht gerade mal 30 Minuten gesehen hat, bevor sie (wieder einmal
) vollständig geschrottet wurde.
Irgendwo habe ich gelesen, dass der Original-Kirk die Original-Enterprise 25 (!) Jahre lang zusammengehalten hat, bevor sie zerstört wurde. Wow, das ist mal eine Zeitspanne, in der der Zuschauer eine Beziehung (sogar zu einem "toten Objekt") aufbauen konnte! In der man miterleben konnte, wie das Schiff Heimat für die Besatzung geworden ist (was man in der Exposition von Beyond zwar zu vermitteln versucht hat, aber auf mich durch die lakonische Brille des gelangweilten Kirk gesehen eher negativ gewirkt hat) und wie es durch "Schrammen", Reparaturen, Modifikationen usw. zu einem wertvollen Individuum geworden ist (der Falke lässt grüßen
), dessen Zerstörung ein echter Verlust ist. Und die nicht zuletzt deutlich macht, dass nachdem das Schiff mit dieser Besatzung über so lange Zeit so viele Gefahren und Kämpfe durchgestanden hat, jetzt aber wirklich die Kacke am Dampfen ist.
Aber für so was kann (will?) man sich ja heute keine Zeit mehr nehmen.
Vielleicht setzt man darauf, dass es für den Drama-Effekt schon allein ausreicht, dass es "die Enterprise" ist, weil sie so ikonisch ist oder besser gesagt war. Denn es ist eben nicht mehr "die Enterprise", weil Enterprises gibt's offensichtlich viele und alle paar Jahre - im Zeitraffer gebaut - neuere und bessere. So what, wenn mal wieder eine Schrott ist?
Wahrscheinlich entspricht das einfach dem Zeitgeist, wo alle möglichen, noch voll funktionstüchtigen Geräte in immer schnellerem Rhythmus ersetzt werden, nur weil es ein geringfügig besseres gibt...
Äh ja, wo war ich? Ach ja, verfehltes Drama. Spocks Verletzung war auch so ein Ding. Abgesehen davon, dass ich sowieso um keine/n aus der Kern-Besatzung ernstlich besorgt sein konnte, fand ich sie auch noch ausgesprochen unglücklich - nämlich teils albern, teils unglaubwürdig - inszeniert. Vulkanische Physiologie hin oder her, irgendein äußeres Anzeichen, dass Spock kurz davor ist, den Löffel abzugeben, hätte man schon bringen müssen und ihn insbesondere nicht noch minutenlange, völlig unangestrengte Dialoge führen lassen sollen. (Das mit den plötzlich wieder sauberen und intakten Klamotten - nicht nur bei Spock - habe ich mich übrigens auch gefragt.)
Der Antagonist war für mich leider auch nicht überzeugend. Seine Motivation konnte ich genauso wenig nachvollziehen wie den Grund, warum er überhaupt unbedingt diese Megasuperwaffe haben wollte - er konnte doch mit seinem Drohnenschwarm sowieso schon alles plattmachen?
Und die große Enthüllung seiner Identität war für mich eher ein "was soll das jetzt?"- als ein "aha"-Moment. Nach seiner Reaktion auf den Namen Kirk hatte ich auf ein persönliches Element mit schönem Psychokrieg gehofft (siehe oben, "my last report as the Captain"), aber leider nix davon.
Auffällig fand ich, dass wir seit dem Reboot schon den zweiten Widersacher aus der Sternenflotte selbst haben, dem die friedliche Ausrichtung nicht gefällt und der sie zu sabotieren versucht. Auch bei Kirk taucht dieses Element in Form der Anödung durch seinen Entdecker- und Unterhändlerjob auf, mit dem er sich erst versöhnt, als er merkt, wie kampf- und actionträchtig er sein kann. Ich frage mich, ist das:
- Phantasie- und Einfallslosigkeit,
- Teil eines übergeordneten Plans für die Reboot-Zeitlinie (ob zum Guten oder Schlechten, sei mal dahingestellt) und/oder
- Ausdruck und Aufarbeitung der politischen und psychosozialen Situation in der Realwelt?
Darf ich noch einmal daran erinnern, dass dieses Franchise Star Trek heißt und nicht Star Wars?
Die Action war mir grundsätzlich schon zu viel, aber noch dazu konnte ich den schnellen Schnitten und der rasanten Abfolge (obwohl nicht 3D) teilweise nicht folgen. Insbesondere bei der Enterprise-Schrottungs- und Rettungskapsel-Abschussszene habe ich komplett den Überblick verloren, wer jetzt eigentlich wo ist... Wahrscheinlich bin ich einfach zu alt für sowas.
Mit den überall herumspringenden Effekthascherei-Aliens kann ich mich auch im dritten Reboot-Film immer noch nicht abfinden. Nach meinem Verständnis sollten sie zu diesem Zeitpunkt erst mit wenigen Spezies in so engem und vertrauensvollem Kontakt sein, dass sowas überhaupt in Frage kommt. Die anderen müssen Kirk und Co. ja erst noch entdecken.
In der alten Zeitlinie war das selbst in TNG noch keine Selbstverständlichkeit und die Herausforderungen der kulturellen Unterschiede wurden da auch noch thematisiert - 100 Jahre später!
Apropos Zusammenleben: Mir ist aufgefallen, dass man sich bei der Besatzung der Enterprise betont Mühe gegeben hat, viele Asiaten vorkommen zu lassen. Umso auffälliger war (jenseits von Uhura) das Fehlen von schwarzen Besatzungsmitgliedern. Und der eine schwarze Sternenflottenoffizier war dann auch noch zum Bösewicht mutiert... Wenn es da Proteste gibt/gab, habe ich vollstes Verständnis.
Und das andere gesellschaftliche Thema, Sulus "Outing": Ob es die richtige Entscheidung war, gerade diesen Charakter homosexuell zu machen, kann man in der Tat diskutieren, aber ich fand es auf jeden Fall sehr schön umgesetzt. Erst mit dem Foto des kleinen Mädchens die falsche Erwartung auf eine klassische Familie wecken und ihn dann, total beiläufig und von allen als das normalste der Welt angesehen, von seinem Partner/Ehemann abholen lassen.
Wobei es wohl sogar zu untertrieben war, da von meinen Kinobegleitern einige dachten, dass es sich um seinen Bruder handelte.
Da wäre es wohl besser und eindeutiger gewesen, keinen Asiaten zu wählen, so dass eine Verwandtschaft ausgeschlossen gewesen wäre. (Die andere Lösung, mehr und explizitere Intimität zu zeigen, hätte vermutlich dann doch zuviel Barrikaden-Steigerei verursacht.
)
Ein Punkt, der mir erst in Beyond stärker aufgestoßen ist, ist der technologische Entwicklungsstand. Kein Frage, dass man die Technik der Zukunft heute nicht mehr auf die Vorstellungen und filmtechnischen Möglichkeiten der 1960er Jahre beschränken kann und soll. Aber eine gigantische Luxus-Raumstation wie Yorktown, die nicht nur ein karger Forschungs-Außenposten, sondern ganz offensichtlich eine komplette zivile Kolonie ist, und dann auch noch so weit "draußen", dass die Enterprise auf ihrer Reise mal eben dort vorbeischauen kann, passt IMHO einfach nicht in den Status Quo. Aber da man für die Gigantomanie halt Menschenmassen als potenzielle Opfer brauchte (Alienmassen hätten es wohl nicht getan
) und die Erde nun wirklich zu weit weg war, blieb nichts anderes übrig...
Auch ansonsten finde ich, dass man dem Zuschauer nicht jedes technologische Gimmick einfach so als glaubwürdig verkaufen kann, nur weil es (eine Art von) Science Fiction ist. Die Lebensverlängerungsaussaug-inklusive-optischer-Anpassung-Technologie von Krall konnte ich ja noch irgendwie schlucken. Bei Jaylahs Selbstvermehrfachung-Projektion-Teleportation-Minizeitsprung-wie-auch-immer-das-funktionieren-sollte, Fallentricks inklusive sich verfestigendem und wieder auflösenden Staub und Tarntechnik wurde es mir dann aber doch zu absurd. Das hatte schon mehr von Magie als von Technologie. Dazu kommt noch, dass sie all das quasi aus dem Nichts entwickelt haben muss, aber gleichzeitig nicht in der Lage gewesen sein soll, die Franklin selbst wieder flugfähig zu machen bzw. sich ein flugfähiges Schiff zusammenzubauen.
Und all diese Technologie wird wohl im nächsten Film genauso vergessen sein wie Khans Unsterblichkeits-Wunderblut in diesem...
Habe ich das übrigens richtig verstanden, dass Jaylah von den Logbüchern und Aufzeichnungen der Franklin so flüssig und akzentfrei (jedenfalls in der deutschen Synchro) die "Erdensprache" gelernt haben soll?
Überhaupt kann ich nicht nachvollziehen, warum sie in so vielen Kritiken so hoch gelobt wird - ich fand sie ziemlich klischeehaft und langweilig und ihre "Wunderfähigkeiten" nervig. Und dann war sie noch inkonsequent umgesetzt: Wenn man schon so einen starken Frauencharakter hat, sollte sie sich nicht ständig "ungestraft" mit einem despektierlichen Kosenamen bezeichnen lassen. Spätestens beim dritten Mal hätte es ein "Ich habe einen Namen" und beim fünften mit einen Hieb auf die Nase setzen müssen.
Ansonsten rangierten die Darstellungen über einen weiten Bereich: Klar am besten gefiel mir Karl Urban, der den Pille'schen Sarkasmus zwar etwas anders als DeForest Kelley, aber trotzdem passend rüberbringt. Zachary Quinto war wahrscheinlich besser, als ich ihn wahrgenommen habe, aber er hat halt auch urfies große Stiefel zu füllen. Im ersten Reboot-Teil ist ihm das interessanterweise aber noch besser gelungen als jetzt. Auch das mit der Uhura-Romanze war im ersten Teil als "Gag" passender - ernsthafte Beziehungsdiskussionen wie hier, das passt einfach nicht. Anton Yelchin seinerseits macht einfach Spaß, daher ist es doppelt traurig, dass wir ihn verloren haben.
Den Rest fand ich solide bis gut - bis auf Scotty, der mir viel zu sehr zur Witzfigur gemacht wurde, verschärft noch durch die "Vermagischung" der Technologie, die einen die Ingenieurleistungen weniger wertschätzen ließ.
Ansonsten noch ein paar Momente und Elemente, die mir gefallen haben:
Dass die gefährlich aussehenden Viecher aus der Anfangsszene Winzlinge waren, war ein lustiger Überraschungseffekt.
Das "saubere" Bild ohne Lensflares ist mir insbesondere in den ersten 10-15 Minuten sehr positiv aufgefallen. Auch ansonsten war er optisch absolut gelungen. Dass man meinte, mit Pappmachefelsen TOS-Atmosphäre zu müssen und zu können (!), naja...
Einige Charaktermomente und Dialoge, insbesondere das Gekabbel zwischen Spock und Pille, waren wirklich schön. So richtig genießen konnte ich sie aber leider nicht, weil ich immer wieder den Eindruck hatte, dass sie nur / hauptsächlich zur "Fanversöhnung" eingebaut waren, nach dem Motto, schaut mal, das haben wir auch gemacht, jetzt seid gefälligst zufrieden. (Ähnlich wie bei den vielen OT-Referenzen und -zitaten in TFA.)
Zum Ende gab es noch einige nette, kreative Ideen, mit denen ich so nicht gerechnet hatte, wie das Versteckspiel mit dem Superwaffen-MacGuffin-Teil, den Einsatz der Musik zur Verwirrung des Schwarms (wäre auch in einem "trekkigeren" Film ein cooles Selbstironie-Element gewesen
) und das "Abfangen" von Kralls Jäger mit der Untertassensektion der Franklin.
Positiv auch, dass Kirk nach seiner Prügelei mit Krall mal so richtig ramponiert war (soll ja sogar ein echtes blaues Auge gewesen sein), statt das alle Kampfspuren wieder einfach weggewischt sind.
Summa summarum hat sich mit diesem Film der Trend bestätigt und verstärkt, dass Star Trek seine "Besonderheit" verloren hat und beliebig geworden ist. Die Handlung ist austauschbar mit Star Wars-Superhelden-Independence Day und Co. Schade, denn ich glaube nach wie vor, dass eine schonendere Modernisierung und "Attraktivisierung" für heutige Sehgewohnheiten möglich gewesen wäre, ohne das aufzugeben, was Star Trek von anderen Franchises und Einzelfilm-Spektakeln abgehoben hat. Vielleicht hätte man den ganz hirnlosen Teil des jungen Kinopublikums damit nicht mitgenommen - aber im Gegenzug hätte man weniger des harten Fankerns verschreckt und vergrault.
Es gibt also keine Notwendigkeit, warum die letzten beiden Filme überhaupt im ST-Universum spielen müssen, aber ironischerweise hätte man sich dafür sogar den ganzen Reboot-Zeitreisen-Paralleluniversum-Aufwand sparen können. Es gibt nämlich auch keinerlei Notwendigkeit, warum diese Ereignisse unbedingt in dieser Ära spielen müssen und warum es unbedingt Kirk & Co. sein müssen, die darin verwickelt sind. Aber dann hätte man natürlich die Sympathien des Publikums für eine neue Besatzung wecken müssen und sich nicht auf den Nostalgiefaktor verlassen können...
Und am Ende von Beyond wird alles im Prinzip wieder zurück auf Null gesetzt. Die Crew wird mit einer neuen, besseren Enterprise weiterfliegen - der einzige Verlust ist Chekov, und das ist "ungeplant". Wahrscheinlich wird es zum nächsten Film wieder einen ordentlichen Zeitsprung geben, so dass Jaylah nach megafixem Durchlaufen der Sternenflottenakademie die Besatzung ergänzen kann. Und dann kann man es wieder rumsen lassen...
Ob noch mal mit mir, weiß ich noch nicht. Interessanterweise waren meine Begleiter, die mich zum Kinobesuch überredet haben, diesmal auch nicht mehr so angetan wie von Into Darkness... (Es war übrigens - Samstag der zweiten Spielwoche um halb sechs – auch ziemlich leer im Kino. Der große kommerzielle Einschlag scheint dieser Film also auch nicht zu sein.)
Micah
Naja.
Das zunächst befürchtete Komplett-Katastrophen-Kinoerlebnis war es zwar nicht, aber eindeutig einer der weniger befriedigenden Kinobesuche dieses Jahres. Er ist aber wenigstens nicht schlimmer als Into Darkness (ob er besser war oder ob es nur ein Effekt von Gewöhung bzw. heruntergeschraubter Erwartungen war, kann ich im Moment nicht sagen) und auch nicht so schlimm, wie man von den ersten Trailern befürchten musste.
Andererseits hatte der letzte Trailer bei mir auch wieder falsch-positive Erwartungen geweckt, nämlich dass der Film eine wesentlich intensivere Auseinandersetzung mit Kirks "Vaterkomplex" und Identitätssuche beinhalten würde. Das wurde aber nur im "Vorgeburtstagsgespräch" mit Pille kurz angerissen und die meisten Zeilen zu diesem Thema aus dem Trailer kamen gar nicht vor (oder habe ich was verpasst? - kann durchaus sein, da ich meine Gedanken das ein oder andere mal beim Wandern ertappt habe


Aber mal ganz von vorne (also noch vor irgendwelchen Trailern) mit den Erwartungen: Nach dem Ende von Into Darkness, das den Start zur fünfjährigen Reise in "Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat" markierte, und noch verstärkt durch den Untertitel "Beyond" (Frage am Rande: Kann mir jemand die Bewandtnis des Titels für diesen Film erklären?) hätte ich eigentlich erwartet, dass man jetzt auch tatsächlich etwas von dieser Reise zu sehen bekommt. Klar ist das in einem Kinofilm schwieriger umzusetzen als bei einer Fernsehserie, bei der man wunderbar den Planeten / die Alienspezies der Woche abarbeiten kann.
Aber möglich wäre es dennoch: Man könnte die ersten Wochen und Monate der Reise zeigen, mit den entsprechenden Anfangsschwierigkeiten und Charakterdynamiken und dabei verschiedene Stationen ansteuern, aus denen sich dann nach und nach ein großes, filmübergreifendes Mysterium oder eine Bedrohung zusammenpuzzelt, vielleicht anhand von ähnlichen Legenden bei den besuchten Kulturen, aus denen sich dann ein wahrer Kern ergibt. Dann von mir aus ein ordentliches Weltrettungs-Actionspektakel und am Ende haben Schiff und Besatzung ihre Stärke gefunden, sind zu einer Einheit zusammengewachsen und bereit für weitere Herausforderungen.
Stattdessen springt man gleich mal 3 Jahre in die Reise hinein, vermittelt in den ersten 10 Minuten des Films, dass Sinn und Zweck der Unternehmung eh total langweilig und nutzlos sind und kehrt dann in den bekannten und gut erforschten Teil des Raumes zurück (davon gehe ich bei so einer riesigen, luxuriösen und "zivilen" Raumstation mal aus), um von da aus einen Kurztrip mit dem Ergebnis des üblichen Gemetzels und Actiongewitters zu unternehmen.
Wie öde! Darf ich daran erinnern, dass dieses Franchise Star Trek heißt und nicht Star Wars?

Aber gut, die Erwartung eines richtigen "Treks" hatte ich mir sowieso schon länger abgeschminkt - leider war der Film aber auch ohne diese Prämisse nicht wirklich überzeugend. So kam der erste und einzige Moment, in dem mich der Film emotional berührt hat, erst im Abspann mit den Widmungen für Leonard Nimoy und Anton Yelchin. Alles andere ließ mich einfach völlig kalt. Wie in vielen anderne Fällen hat man versucht, über schiere Zerstörungs- und Bedrohungs-Gigantomanie angesichts der vielen auf dem Spiel stehenden Menschen- und Nichtmenschenleben ein Drama zum Mitfiebern zu erzeugen, das an mir aber völlig vorbeiging bzw. genau das Gegenteil auslöste, weil das persönliche Element fehlte (Sulus durch's Bild laufende Tochter reicht dafür nicht aus).
Zur zielverfehlenden Gigantomanie gehörte natürlich auch die Zerstörung der Enterprise selbst. Das kann man mal machen, klar, aber man muss doch vorher eine Beziehung zu dem Schiff und seiner Besatzung aufgebaut haben, damit einen das trifft. Und die hat hier gefehlt, da man diese Enterprise vielleicht gerade mal 30 Minuten gesehen hat, bevor sie (wieder einmal

Irgendwo habe ich gelesen, dass der Original-Kirk die Original-Enterprise 25 (!) Jahre lang zusammengehalten hat, bevor sie zerstört wurde. Wow, das ist mal eine Zeitspanne, in der der Zuschauer eine Beziehung (sogar zu einem "toten Objekt") aufbauen konnte! In der man miterleben konnte, wie das Schiff Heimat für die Besatzung geworden ist (was man in der Exposition von Beyond zwar zu vermitteln versucht hat, aber auf mich durch die lakonische Brille des gelangweilten Kirk gesehen eher negativ gewirkt hat) und wie es durch "Schrammen", Reparaturen, Modifikationen usw. zu einem wertvollen Individuum geworden ist (der Falke lässt grüßen

Aber für so was kann (will?) man sich ja heute keine Zeit mehr nehmen.
Vielleicht setzt man darauf, dass es für den Drama-Effekt schon allein ausreicht, dass es "die Enterprise" ist, weil sie so ikonisch ist oder besser gesagt war. Denn es ist eben nicht mehr "die Enterprise", weil Enterprises gibt's offensichtlich viele und alle paar Jahre - im Zeitraffer gebaut - neuere und bessere. So what, wenn mal wieder eine Schrott ist?

Wahrscheinlich entspricht das einfach dem Zeitgeist, wo alle möglichen, noch voll funktionstüchtigen Geräte in immer schnellerem Rhythmus ersetzt werden, nur weil es ein geringfügig besseres gibt...
Äh ja, wo war ich? Ach ja, verfehltes Drama. Spocks Verletzung war auch so ein Ding. Abgesehen davon, dass ich sowieso um keine/n aus der Kern-Besatzung ernstlich besorgt sein konnte, fand ich sie auch noch ausgesprochen unglücklich - nämlich teils albern, teils unglaubwürdig - inszeniert. Vulkanische Physiologie hin oder her, irgendein äußeres Anzeichen, dass Spock kurz davor ist, den Löffel abzugeben, hätte man schon bringen müssen und ihn insbesondere nicht noch minutenlange, völlig unangestrengte Dialoge führen lassen sollen. (Das mit den plötzlich wieder sauberen und intakten Klamotten - nicht nur bei Spock - habe ich mich übrigens auch gefragt.)
Der Antagonist war für mich leider auch nicht überzeugend. Seine Motivation konnte ich genauso wenig nachvollziehen wie den Grund, warum er überhaupt unbedingt diese Megasuperwaffe haben wollte - er konnte doch mit seinem Drohnenschwarm sowieso schon alles plattmachen?

Auffällig fand ich, dass wir seit dem Reboot schon den zweiten Widersacher aus der Sternenflotte selbst haben, dem die friedliche Ausrichtung nicht gefällt und der sie zu sabotieren versucht. Auch bei Kirk taucht dieses Element in Form der Anödung durch seinen Entdecker- und Unterhändlerjob auf, mit dem er sich erst versöhnt, als er merkt, wie kampf- und actionträchtig er sein kann. Ich frage mich, ist das:
- Phantasie- und Einfallslosigkeit,
- Teil eines übergeordneten Plans für die Reboot-Zeitlinie (ob zum Guten oder Schlechten, sei mal dahingestellt) und/oder
- Ausdruck und Aufarbeitung der politischen und psychosozialen Situation in der Realwelt?
Darf ich noch einmal daran erinnern, dass dieses Franchise Star Trek heißt und nicht Star Wars?

Die Action war mir grundsätzlich schon zu viel, aber noch dazu konnte ich den schnellen Schnitten und der rasanten Abfolge (obwohl nicht 3D) teilweise nicht folgen. Insbesondere bei der Enterprise-Schrottungs- und Rettungskapsel-Abschussszene habe ich komplett den Überblick verloren, wer jetzt eigentlich wo ist... Wahrscheinlich bin ich einfach zu alt für sowas.

Mit den überall herumspringenden Effekthascherei-Aliens kann ich mich auch im dritten Reboot-Film immer noch nicht abfinden. Nach meinem Verständnis sollten sie zu diesem Zeitpunkt erst mit wenigen Spezies in so engem und vertrauensvollem Kontakt sein, dass sowas überhaupt in Frage kommt. Die anderen müssen Kirk und Co. ja erst noch entdecken.

Apropos Zusammenleben: Mir ist aufgefallen, dass man sich bei der Besatzung der Enterprise betont Mühe gegeben hat, viele Asiaten vorkommen zu lassen. Umso auffälliger war (jenseits von Uhura) das Fehlen von schwarzen Besatzungsmitgliedern. Und der eine schwarze Sternenflottenoffizier war dann auch noch zum Bösewicht mutiert... Wenn es da Proteste gibt/gab, habe ich vollstes Verständnis.
Und das andere gesellschaftliche Thema, Sulus "Outing": Ob es die richtige Entscheidung war, gerade diesen Charakter homosexuell zu machen, kann man in der Tat diskutieren, aber ich fand es auf jeden Fall sehr schön umgesetzt. Erst mit dem Foto des kleinen Mädchens die falsche Erwartung auf eine klassische Familie wecken und ihn dann, total beiläufig und von allen als das normalste der Welt angesehen, von seinem Partner/Ehemann abholen lassen.



Ein Punkt, der mir erst in Beyond stärker aufgestoßen ist, ist der technologische Entwicklungsstand. Kein Frage, dass man die Technik der Zukunft heute nicht mehr auf die Vorstellungen und filmtechnischen Möglichkeiten der 1960er Jahre beschränken kann und soll. Aber eine gigantische Luxus-Raumstation wie Yorktown, die nicht nur ein karger Forschungs-Außenposten, sondern ganz offensichtlich eine komplette zivile Kolonie ist, und dann auch noch so weit "draußen", dass die Enterprise auf ihrer Reise mal eben dort vorbeischauen kann, passt IMHO einfach nicht in den Status Quo. Aber da man für die Gigantomanie halt Menschenmassen als potenzielle Opfer brauchte (Alienmassen hätten es wohl nicht getan

Auch ansonsten finde ich, dass man dem Zuschauer nicht jedes technologische Gimmick einfach so als glaubwürdig verkaufen kann, nur weil es (eine Art von) Science Fiction ist. Die Lebensverlängerungsaussaug-inklusive-optischer-Anpassung-Technologie von Krall konnte ich ja noch irgendwie schlucken. Bei Jaylahs Selbstvermehrfachung-Projektion-Teleportation-Minizeitsprung-wie-auch-immer-das-funktionieren-sollte, Fallentricks inklusive sich verfestigendem und wieder auflösenden Staub und Tarntechnik wurde es mir dann aber doch zu absurd. Das hatte schon mehr von Magie als von Technologie. Dazu kommt noch, dass sie all das quasi aus dem Nichts entwickelt haben muss, aber gleichzeitig nicht in der Lage gewesen sein soll, die Franklin selbst wieder flugfähig zu machen bzw. sich ein flugfähiges Schiff zusammenzubauen.

Habe ich das übrigens richtig verstanden, dass Jaylah von den Logbüchern und Aufzeichnungen der Franklin so flüssig und akzentfrei (jedenfalls in der deutschen Synchro) die "Erdensprache" gelernt haben soll?

Ansonsten rangierten die Darstellungen über einen weiten Bereich: Klar am besten gefiel mir Karl Urban, der den Pille'schen Sarkasmus zwar etwas anders als DeForest Kelley, aber trotzdem passend rüberbringt. Zachary Quinto war wahrscheinlich besser, als ich ihn wahrgenommen habe, aber er hat halt auch urfies große Stiefel zu füllen. Im ersten Reboot-Teil ist ihm das interessanterweise aber noch besser gelungen als jetzt. Auch das mit der Uhura-Romanze war im ersten Teil als "Gag" passender - ernsthafte Beziehungsdiskussionen wie hier, das passt einfach nicht. Anton Yelchin seinerseits macht einfach Spaß, daher ist es doppelt traurig, dass wir ihn verloren haben.

Ansonsten noch ein paar Momente und Elemente, die mir gefallen haben:
Dass die gefährlich aussehenden Viecher aus der Anfangsszene Winzlinge waren, war ein lustiger Überraschungseffekt.
Das "saubere" Bild ohne Lensflares ist mir insbesondere in den ersten 10-15 Minuten sehr positiv aufgefallen. Auch ansonsten war er optisch absolut gelungen. Dass man meinte, mit Pappmachefelsen TOS-Atmosphäre zu müssen und zu können (!), naja...
Einige Charaktermomente und Dialoge, insbesondere das Gekabbel zwischen Spock und Pille, waren wirklich schön. So richtig genießen konnte ich sie aber leider nicht, weil ich immer wieder den Eindruck hatte, dass sie nur / hauptsächlich zur "Fanversöhnung" eingebaut waren, nach dem Motto, schaut mal, das haben wir auch gemacht, jetzt seid gefälligst zufrieden. (Ähnlich wie bei den vielen OT-Referenzen und -zitaten in TFA.)
Zum Ende gab es noch einige nette, kreative Ideen, mit denen ich so nicht gerechnet hatte, wie das Versteckspiel mit dem Superwaffen-MacGuffin-Teil, den Einsatz der Musik zur Verwirrung des Schwarms (wäre auch in einem "trekkigeren" Film ein cooles Selbstironie-Element gewesen

Positiv auch, dass Kirk nach seiner Prügelei mit Krall mal so richtig ramponiert war (soll ja sogar ein echtes blaues Auge gewesen sein), statt das alle Kampfspuren wieder einfach weggewischt sind.
Summa summarum hat sich mit diesem Film der Trend bestätigt und verstärkt, dass Star Trek seine "Besonderheit" verloren hat und beliebig geworden ist. Die Handlung ist austauschbar mit Star Wars-Superhelden-Independence Day und Co. Schade, denn ich glaube nach wie vor, dass eine schonendere Modernisierung und "Attraktivisierung" für heutige Sehgewohnheiten möglich gewesen wäre, ohne das aufzugeben, was Star Trek von anderen Franchises und Einzelfilm-Spektakeln abgehoben hat. Vielleicht hätte man den ganz hirnlosen Teil des jungen Kinopublikums damit nicht mitgenommen - aber im Gegenzug hätte man weniger des harten Fankerns verschreckt und vergrault.
Es gibt also keine Notwendigkeit, warum die letzten beiden Filme überhaupt im ST-Universum spielen müssen, aber ironischerweise hätte man sich dafür sogar den ganzen Reboot-Zeitreisen-Paralleluniversum-Aufwand sparen können. Es gibt nämlich auch keinerlei Notwendigkeit, warum diese Ereignisse unbedingt in dieser Ära spielen müssen und warum es unbedingt Kirk & Co. sein müssen, die darin verwickelt sind. Aber dann hätte man natürlich die Sympathien des Publikums für eine neue Besatzung wecken müssen und sich nicht auf den Nostalgiefaktor verlassen können...
Und am Ende von Beyond wird alles im Prinzip wieder zurück auf Null gesetzt. Die Crew wird mit einer neuen, besseren Enterprise weiterfliegen - der einzige Verlust ist Chekov, und das ist "ungeplant". Wahrscheinlich wird es zum nächsten Film wieder einen ordentlichen Zeitsprung geben, so dass Jaylah nach megafixem Durchlaufen der Sternenflottenakademie die Besatzung ergänzen kann. Und dann kann man es wieder rumsen lassen...
Ob noch mal mit mir, weiß ich noch nicht. Interessanterweise waren meine Begleiter, die mich zum Kinobesuch überredet haben, diesmal auch nicht mehr so angetan wie von Into Darkness... (Es war übrigens - Samstag der zweiten Spielwoche um halb sechs – auch ziemlich leer im Kino. Der große kommerzielle Einschlag scheint dieser Film also auch nicht zu sein.)
Micah