[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp ]
In Gedanken war Exodus das Gespräch mit Giselle noch einige – ach was: etliche! – Male durchgegangen. Er kam immer zu demselben Ergebnis: Das Schicksal lachte mal wieder herzlich über ihn. Oder die Macht. Bei der Sache mit dem Schicksal war er sich auch nach all den Jahren immer noch nicht so sicher.
Giselles letzte Woche waren nicht nur irgendein Flirt gewesen. Sie hatte es als Flirt verpackt, das schon. Aber die tiefere Botschaft war eigentlich unübersehbar. Oder zumindest wollte Exodus es – trotz der ironischen Situation, die diese Interpretation erzeugte – so sehen. Giselle war an ihm interessiert. Sie stand auf ihn. Die Hand, die er ihr die ganze Zeit so bereitwillig hingehalten hatte – jetzt würde die Vahla sie ergreifen. Die leise Stimme in seinem Hinterkopf jubelte bei diesem Gedanken auf. Sein Körper verging ohnehin in Begehren nach ihr. Und trotzdem musste er die Hand zurückziehen. Oder etwa nicht?
Im Camp wurde über sie, das hieß Giselle und ihn, geredet. Soweit war das nichts Ungewöhnliches. Es waren immer irgendwelche Geschichten über den Chef im Umlauf. Aber die Blicke der Nautolaner hatten ihm deutlich die möglichen – und vielleicht schon eingetretenen – Folgen dieses Geredes aufgezeigt: Er verlor an Respekt. Seine Autorität wurde nach und nach untergraben.
Exodus‘ bisherige Erfahrungen hatte ihn gelehrt, dass auch ein lockerer Umgang mit seinen Mitarbeiten zielführend sein und gute Ergebnisse bringen konnte. Aber Respekt vor dem Chef – das war etwas, das immer vorhanden sein musste. Respektierten sie ihn nicht, konnte er auch keine Anweisungen mehr durchsetzen. Damit würde das Projekt erlahmen und sie konnte ihre Zelte hier über kurz oder lang abbrechen. Aber das alles nur wegen ein paar Flirts mit Giselle? So kurz vor dem Ziel gezwungen sein, aufzugeben? Bevor er dieses persönliche Opfer für den Beruf brachte, musste er Gewissheit darüber haben, ob er mit seinen Gedankengängen richtig lag. Spontan konnte er sich – neben Giselle, die aber aus naheliegenden Gründen nicht zur Wahl stand – nur einen seiner Mitarbeiter vorstellen, mit der über das Thema reden konnte: Dan’el.
Er beschloss, den Piloten nach dem gemeinsamen Abendessen um ein persönliches Gespräch zu bitten. Bewusst wählte er schon während des Essens einen Platz neben dem Menschen und sprach harmlose Themen an, wie die Arbeitsprozesse, die Technik der Gleiter und die durchgeführten Reperaturarbeiten am Generator. Als sie beide ihr Essenstablett zurück zu den Camp-Köchen brachten, sprach Exodus den Piloten von der Seite an:
„Dan’el, darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“
Dan’el zögerte sichtlich und nestelte länger als nötig gewesen wäre an seinem Besteck herum, um es ordentlich auf dem Tablett zu positionieren. Männer wie er waren es nicht gewohnt über private Dinge zu sprechen – zumal nicht während der Arbeit und schon gar nicht mit dem eigenen Chef. Aber hierbei ging es ja nicht um ihn.
„Worum geht es denn?“
Exodus stellte sein Tablett ab und sah den Piloten fest an. Es war niemand in direkter Hörreichweite. Trotzdem ging er ein paar Schritte und bedeutete dem Menschen mit einem Nicken, ihm zu folgen.
„Es geht um Giselle und mich – und was darüber im Camp geredet wird.“
Dan’el hielt für den Bruchteil einer Sekunde in seinen Bewegungen inne.
„Oh.“
Er war unangenehm berührt. Seine große Hand wanderte langsam zu seinem Nasenrücken und strich nachdenklich darüber.
„Jaah – nunja, Sir. Es wird doch immer geredet, nicht wahr?“
„Vielleicht.“
gab Exodus zu und über sein Gesicht huschte der Anschein eines Lächelns, ob Dan’els Antwort. Er war noch nicht bereit direkt etwas preiszugeben. Das gehörte sich nicht, zwischen Chef und Mitarbeiter. Gleichzeitig war seinem Vorgesetzten gegenüber verpflichtet die Wahrheit zu sagen – oder zumindest fühlte er diese Verpflichtung.
„Aber nicht so.“
Exodus‘ Blick wanderte prüfend zu seinem Piloten. Dan’el überlegte eine Weile, bis er schließlich eingestand:
„Nein, nicht so.“
Der Vizepräsident der Wingston Corporation nickte bedächtig. Die Lage war verzwickt. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, schien ihm das Opfer, das er bringen musste, unendlich groß und dazu schlicht unfair. Er hatte in Giselle eine Freundin gefunden, jemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Die Zeit mit ihr zu verbringen war immer sehr angenehm. Jetzt hatte sie auch noch Bereitschaft signalisiert weiter zu gehen – zumindest hatte er ihre Worte so interpretiert. Eine kleine Affäre, die hier auf Fresia bleiben würde. Was konnte er sich eigentlich mehr wünschen?
Genau: Dass das alles nicht seine Position bei der restlichen Crew beeinflussen würde.
„Was genau wird denn so geredet?“
Zugegeben, eine ziemlich offene Frage für einen verschlossenen Typen wie Dan’el. Exodus erwartete schon fast, dass er eine Antwort verweigern würde. Tatsächlich aber gab er sich sichtlich Mühe, eine Antwort zu finden.
„Also … momentan wetten die Nautolaner darauf, wo man sie wohl als erstes … erwischen wird.“
Sie wetteten? Exodus zog unwillkürlich die Augenbrauen hoch. Das musste Dan’el jetzt wirklich Überwindung gekostet haben. Trotzdem war er bereit, noch mehr preiszugeben:
„Am Strand, im Dschungel, in ihrer … Hütte.“
Exodus presste die Lippen aufeinander. Er wollte Dan’el nicht noch länger quälen. Immerhin hatten seine Auskünfte gezeigt, dass er nicht überall an Respekt eingebüßt hatte.
„Verstehe.“
Das war doch wirklich die Höhe. Die Nautolaner wetteten darauf, wo man ihn und Giselle zuerst bei ihrer – vermeintlich – heißen Affäre ertappen würde? Eine trotzige Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass sie es darauf ankommen lassen sollten. Einer von ihnen würde schon auf den richtigen Ort getippt haben.
Pah. Das war doch lächerlich.
„Danke. Das wäre auch schon alles.“
Dan’el warf ihm nun seinerseits einen prüfenden Blick zu. Offenbar fiel es ihm schwer, einzuschätzen, inwieweit seinem Chef dieses Gespräch gefallen hatte. Es hatte ihm nicht gefallen. Denn einerseits war er drauf und dran, sich dem Gedanken hinzugeben, dass selbst unanständige Wetten noch im Bereich dessen waren, was Mitarbeiter über ihre Vorgesetzten nunmal so redeten – andererseits beschlich ihn das eindeutige Gefühl, dass es besser wäre, sie würden solche Wetten eben nicht abschließen. Außerdem schienen sie ja fast zu erwarten, ihn irgendwann mit entblößtem Hintern und heruntergelassener Hose vor Giselle kniend vorzufinden. Das Bild an sich gefiel Exodus trotzdem. Er wollte Giselle. Verdammte Nautolaner!
[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp ]
In Gedanken war Exodus das Gespräch mit Giselle noch einige – ach was: etliche! – Male durchgegangen. Er kam immer zu demselben Ergebnis: Das Schicksal lachte mal wieder herzlich über ihn. Oder die Macht. Bei der Sache mit dem Schicksal war er sich auch nach all den Jahren immer noch nicht so sicher.
Giselles letzte Woche waren nicht nur irgendein Flirt gewesen. Sie hatte es als Flirt verpackt, das schon. Aber die tiefere Botschaft war eigentlich unübersehbar. Oder zumindest wollte Exodus es – trotz der ironischen Situation, die diese Interpretation erzeugte – so sehen. Giselle war an ihm interessiert. Sie stand auf ihn. Die Hand, die er ihr die ganze Zeit so bereitwillig hingehalten hatte – jetzt würde die Vahla sie ergreifen. Die leise Stimme in seinem Hinterkopf jubelte bei diesem Gedanken auf. Sein Körper verging ohnehin in Begehren nach ihr. Und trotzdem musste er die Hand zurückziehen. Oder etwa nicht?
Im Camp wurde über sie, das hieß Giselle und ihn, geredet. Soweit war das nichts Ungewöhnliches. Es waren immer irgendwelche Geschichten über den Chef im Umlauf. Aber die Blicke der Nautolaner hatten ihm deutlich die möglichen – und vielleicht schon eingetretenen – Folgen dieses Geredes aufgezeigt: Er verlor an Respekt. Seine Autorität wurde nach und nach untergraben.
Exodus‘ bisherige Erfahrungen hatte ihn gelehrt, dass auch ein lockerer Umgang mit seinen Mitarbeiten zielführend sein und gute Ergebnisse bringen konnte. Aber Respekt vor dem Chef – das war etwas, das immer vorhanden sein musste. Respektierten sie ihn nicht, konnte er auch keine Anweisungen mehr durchsetzen. Damit würde das Projekt erlahmen und sie konnte ihre Zelte hier über kurz oder lang abbrechen. Aber das alles nur wegen ein paar Flirts mit Giselle? So kurz vor dem Ziel gezwungen sein, aufzugeben? Bevor er dieses persönliche Opfer für den Beruf brachte, musste er Gewissheit darüber haben, ob er mit seinen Gedankengängen richtig lag. Spontan konnte er sich – neben Giselle, die aber aus naheliegenden Gründen nicht zur Wahl stand – nur einen seiner Mitarbeiter vorstellen, mit der über das Thema reden konnte: Dan’el.
Er beschloss, den Piloten nach dem gemeinsamen Abendessen um ein persönliches Gespräch zu bitten. Bewusst wählte er schon während des Essens einen Platz neben dem Menschen und sprach harmlose Themen an, wie die Arbeitsprozesse, die Technik der Gleiter und die durchgeführten Reperaturarbeiten am Generator. Als sie beide ihr Essenstablett zurück zu den Camp-Köchen brachten, sprach Exodus den Piloten von der Seite an:
„Dan’el, darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“
Dan’el zögerte sichtlich und nestelte länger als nötig gewesen wäre an seinem Besteck herum, um es ordentlich auf dem Tablett zu positionieren. Männer wie er waren es nicht gewohnt über private Dinge zu sprechen – zumal nicht während der Arbeit und schon gar nicht mit dem eigenen Chef. Aber hierbei ging es ja nicht um ihn.
„Worum geht es denn?“
Exodus stellte sein Tablett ab und sah den Piloten fest an. Es war niemand in direkter Hörreichweite. Trotzdem ging er ein paar Schritte und bedeutete dem Menschen mit einem Nicken, ihm zu folgen.
„Es geht um Giselle und mich – und was darüber im Camp geredet wird.“
Dan’el hielt für den Bruchteil einer Sekunde in seinen Bewegungen inne.
„Oh.“
Er war unangenehm berührt. Seine große Hand wanderte langsam zu seinem Nasenrücken und strich nachdenklich darüber.
„Jaah – nunja, Sir. Es wird doch immer geredet, nicht wahr?“
„Vielleicht.“
gab Exodus zu und über sein Gesicht huschte der Anschein eines Lächelns, ob Dan’els Antwort. Er war noch nicht bereit direkt etwas preiszugeben. Das gehörte sich nicht, zwischen Chef und Mitarbeiter. Gleichzeitig war seinem Vorgesetzten gegenüber verpflichtet die Wahrheit zu sagen – oder zumindest fühlte er diese Verpflichtung.
„Aber nicht so.“
Exodus‘ Blick wanderte prüfend zu seinem Piloten. Dan’el überlegte eine Weile, bis er schließlich eingestand:
„Nein, nicht so.“
Der Vizepräsident der Wingston Corporation nickte bedächtig. Die Lage war verzwickt. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, schien ihm das Opfer, das er bringen musste, unendlich groß und dazu schlicht unfair. Er hatte in Giselle eine Freundin gefunden, jemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Die Zeit mit ihr zu verbringen war immer sehr angenehm. Jetzt hatte sie auch noch Bereitschaft signalisiert weiter zu gehen – zumindest hatte er ihre Worte so interpretiert. Eine kleine Affäre, die hier auf Fresia bleiben würde. Was konnte er sich eigentlich mehr wünschen?
Genau: Dass das alles nicht seine Position bei der restlichen Crew beeinflussen würde.
„Was genau wird denn so geredet?“
Zugegeben, eine ziemlich offene Frage für einen verschlossenen Typen wie Dan’el. Exodus erwartete schon fast, dass er eine Antwort verweigern würde. Tatsächlich aber gab er sich sichtlich Mühe, eine Antwort zu finden.
„Also … momentan wetten die Nautolaner darauf, wo man sie wohl als erstes … erwischen wird.“
Sie wetteten? Exodus zog unwillkürlich die Augenbrauen hoch. Das musste Dan’el jetzt wirklich Überwindung gekostet haben. Trotzdem war er bereit, noch mehr preiszugeben:
„Am Strand, im Dschungel, in ihrer … Hütte.“
Exodus presste die Lippen aufeinander. Er wollte Dan’el nicht noch länger quälen. Immerhin hatten seine Auskünfte gezeigt, dass er nicht überall an Respekt eingebüßt hatte.
„Verstehe.“
Das war doch wirklich die Höhe. Die Nautolaner wetteten darauf, wo man ihn und Giselle zuerst bei ihrer – vermeintlich – heißen Affäre ertappen würde? Eine trotzige Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass sie es darauf ankommen lassen sollten. Einer von ihnen würde schon auf den richtigen Ort getippt haben.
Pah. Das war doch lächerlich.
„Danke. Das wäre auch schon alles.“
Dan’el warf ihm nun seinerseits einen prüfenden Blick zu. Offenbar fiel es ihm schwer, einzuschätzen, inwieweit seinem Chef dieses Gespräch gefallen hatte. Es hatte ihm nicht gefallen. Denn einerseits war er drauf und dran, sich dem Gedanken hinzugeben, dass selbst unanständige Wetten noch im Bereich dessen waren, was Mitarbeiter über ihre Vorgesetzten nunmal so redeten – andererseits beschlich ihn das eindeutige Gefühl, dass es besser wäre, sie würden solche Wetten eben nicht abschließen. Außerdem schienen sie ja fast zu erwarten, ihn irgendwann mit entblößtem Hintern und heruntergelassener Hose vor Giselle kniend vorzufinden. Das Bild an sich gefiel Exodus trotzdem. Er wollte Giselle. Verdammte Nautolaner!
[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp ]
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