Spätestens jetzt versteht man, warum es in den ersten beiden Folgen der Staffel verdächtig ruhig und fast komplett ohne Action zuging. Was hier zur Staffelmitte von der Leine gelassen wird, hätte sonst allenfalls in einer der berüchtigten vorletzten Folgen einer Staffel stattgefunden.
Die Schlacht dürfte tatsächlich das Spektakulärste und Größte sein, was wir bisher in der Serie in dieser Hinsicht zu sehen bekommen haben. Und auch wenn in den letzten drei Folgen bestimmt nochmal gekämpft wird, glaube ich auch kaum, dass das hier nochmal überboten wird. Schon im Vorfeld war ja "von der längsten ununterbrochenen Actionsequenz der gesamten Film- und Fernsehgeschichte" die Rede, und obwohl die Schlacht für ein paar kleinere, ruhigere Momente natürlich hin und wieder unterbrochen worden ist, denke ich, dass das tatsächlich hinkommen könnte. Der Aufwand, der hierfür betrieben wurde, ist jedenfalls sichtlich enorm. Und solch ein Spektakel über so eine lange Laufzeit zu inszenieren, ohne dass es anstrengend oder gar langweilig oder ermüdend wird, ist schon ein Kunststück, welches man hier aus meiner Sicht meisterhaft vollführt hat. Ich jedenfalls fand nicht, dass man die Überlänge der Folge sonderlich stark zu spüren bekommen hat.
Die Folge ist aber nicht nur wegen der gigantischen und spektakulär inszenierten Schlacht an sich so großartig, es finden sich auch wiederum viele kleinere Momente, die teilweise erst im Nachhinein ihre Wirkung entfalten. Die Szene, in der Melisandre die Arakhs der Dothraki entflammt und diese so auf die Armee der Toten zureiten, war schon einmal der Wahnsinn, und da hatte die Folge ja im Grunde gerade erst begonnen. Und wie dieses erste Gefecht dann inszeniert ist: Man sieht es als Zuschauer, so wie die Charaktere eben, größtenteils nur aus der Ferne, nach und nach erlöschen die Flammenschwerter, es wird alles dunkel und still. Hammer! Ein weiterer, toller Einzelmoment ist das Gespräch zwischen Arya und Melisandre: "Was sagen wir dem Gott des Todes?" "Nicht heute!" Oder die Anspielung auf die Prophezeiung, die Melisandre Arya in der dritten Staffel gemacht hatte. "Blaue Augen"... Man könnte hier kritisieren, dass man das Ende des Nachtkönigs spoilert, zum Glück erschloss sich mir die wahre Bedeutung dahinter nicht vor dem Ende der Folge. In dieser Szene hatte ich, im Zusammenspiel mit Melisandres Ankündigung Ser Davos gegenüber, dass sie die Nacht nicht überleben würde, ganz ehrlich den Eindruck, es gehe darum, dass Arya Melisandre töten muss (ihre Augen gehen als blau durch, oder? Gut
).
Man könnte hier noch viel mehr aufzählen, aber das sprengt irgendwann den Rahmen. Halten wir fest, dass das Großereignis, also die Schlacht an sich, hervorragend inszeniert und umgesetzt ist. Insbesondere natürlich wieder die Feuereffekte, die die Kulisse aufwerten. Oder die "Dogfights" zwischen Daenerys' Drachen und dem wiedererweckten Drachen, ebenfalls sehr spektakulär. Aber auch generell der Wechsel zwischen den ganzen Charakteren, die im Mittelpunkt stehen und von denen jeder um sein Leben und das seiner Freunde und Verbündeten kämpft.
Stichwort Charaktere: Wie schon zu vermuten war, fällt der eine oder andere Charakter. Teilweise hat man vielleicht mit anderen oder auch bedeutsameren Toden gerechnet, aber ich lese zum Teil auf verschiedenen Seiten schon wieder Kritik, dass man sich bei Game Of Thrones mittlerweile nicht mehr trauen würde, Charaktere sterben zu lassen, weil es eine Mainstream-Serie geworden sei. Äh... bitte was? Ich meine, auch wenn jetzt nicht gleich der halbe Hauptcast verschwunden ist, sind in dieser Folge mit Ed, Lyanna, Beric, Theon, Jorah und Melisandre immerhin sechs doch namhafte Charaktere gestorben, die größtenteils schon sehr lange, teils gar von Anfang an dabei waren. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, ich glaube so viele Charaktertode auf einmal hatten wir zuletzt im Staffelfinale der sechsten Staffel bei der Explosion der Septe in Königsmund. Dabei war es bei mir persönlich der eigentlich am ehesten zu erwartende Tod, der mich am stärksten getroffen hat: Theon. Meine Fresse... bei Brans Worten "Du bist ein guter Mensch, Theon. Danke" spürte ich wirklich kurz, dass mir fast die Tränen kamen. Einfach weil man als Zuschauer weiß, was nun kommen wird, und man weiß auch, dass es stimmt und erinnert sich daran, wie man den Charakter zwischenzeitlich verabscheut hat. So ging es mir jedenfalls, hat mich ziemlich erwischt. Für Überraschungsmomente haben am ehesten Ed und Beric bei mir gesorgt, weil ich damit jeweils nicht unbedingt gerechnet hatte und es dann auch jeweils relativ plötzlich passierte.
Worüber man meiner Meinung nach auch reden muss, ist die Symbolik in der Folge, die ich an vielen Stellen sehr stark fand. Das beginnt schon beim genialen Spiel mit dem Titel "The Long Night". Ich meine, letzten Endes wird durch die siegreiche Schlacht und den Tod des Nachtkönigs die "Lange Nacht" ja verhindert, aber für die Charaktere findet sie genau in der Folge statt, was man auch durch die Inszenierung merkt. Gerade so in den schätzungsweise letzten zehn Minuten, die nochmal großes Kino innerhalb des großen Kinos darstellen, als dieses tolle, ruhige und dramatische Musikstück gespielt wird, spürt man allerorts die Verzweiflung. Besonders packend fand ich in diesem Zusammenhang den Moment zwischen Jon und dem wiedererweckten Drachen (ich glaube es ist Viseryon): Jon weicht seinen Flammen die ganze Zeit über aus, schlussendlich stellt er sich dem Drachen aber gegenüber und schreit ihn an. Ein absoluter Ausdruck der puren Verzweiflung und Hilflosigkeit und ein richtig ergreifender Moment. Ebenso die letzten Augenblicke zwischen Bran und dem Nachtkönig, in denen Bran seinem drohenden Schicksal gelassen entgegenblickt, weil er wohl akzeptiert, was ihm nun blüht. Bis dann durch Arya die große Erlösung folgt. Und damit wären wir beim nächsten Aspekt, den ich großartig finde. Schon alleine die Idee, den Nachtkönig durch Arya sterben zu lassen, gefällt mir sehr. Auch ich war mir eigentlich relativ sicher, dass er von Jon getötet wird, aber so finde ich es deutlich besser, zumal es auch im Kontext der Folge und sogar der ganzen Serie und Aryas Handlungsbogen Sinn ergibt: Relativ zu Beginn der Folge sagt Bran zu Theon im Götterhain das, was wir auch im Staffeltrailer schon hörten. Dass alles, was er getan hat, ihn nun hierher gebracht hat. Und genau das trifft auch auf Arya zu. Sie hatte Westeros verlassen, sich von den gesichtslosen Männern ausbilden lassen und wollte "Niemand" werden, doch dann akzeptierte sie ihre Identität als Arya Stark, akzeptierte, wer sie ist, und kehrte zurück. Ohne diese Reise und ohne ihre Fähigkeiten, die sie dabei erlernt hat, wäre es ihr sicher nicht gelungen, den Nachtkönig zu töten. Ihre Reise arbeitete auf diesen Moment hin und brachte sie zur richtigen Zeit mit den richtigen Fähigkeiten an den richtigen Ort. Finde ich grandios und wertet Aryas generellen Handlungsbogen rückblickend nochmal ein ganzes Stück auf. Und der Umstand, dass die Weißen Wanderer nun Geschichte sind, ist auch nicht zu verachten. Immerhin haben wir diese Bedrohung in der allerersten Folge der Serie schon kennengelernt und eigentlich immer darauf gewartet, bis sie richtig ernst wird, und nun sind sie weg und besiegt. Ich denke auch das muss man erst einmal wirken lassen.
Ach ja... je mehr ich so darüber nachdenke, desto mehr gefällt mir die Folge noch zusätzlich, weil mir immer mehr dazu einfällt und mir immer mehr tolle Aspekte im Nachgang bewusst werden. Ich werde sie mir heute definitiv nochmal ansehen, eventuell gönne ich mir auch gleich einen Re-Watch der kompletten ersten Staffelhälfte. Wenn ich an der Folge etwas auszusetzen habe, dann eigentlich nur zwei Punkte: Erstens war das Szenenbild oftmals schon sehr dunkel. Sicher war das auch ein bewusst eingesetztes Stilmittel, aber gerade in der Anfangsphase der Schlacht, als vor den Mauern Winterfells gekämpft worden ist, war es teilweise schwer zu erkennen, welcher Charakter da gerade gezeigt wird. Zweitens bediente man sich für meinen Geschmack zu oft des irgendwo doch klischeehaften "Charakter wird in letzter Sekunde gerettet" - Tricks. Aber das sind nur kleine Abstriche in einer insgesamt wirklich grandiosen Folge.