[Trandosha, an Bord der Fury, vor der Tür des Cockpits, Deira]
Deira stand nicht lange vor der geschlossenen Tür. Sie öffnete sich beinahe direkt, nachdem die junge Togruta angeklopft hatte. Es war eine Gewohnheit aus Sklavenzeiten, die sich nicht ablegen ließ. So sehr sie ihr Leben als Sklavin gehasst hatte und so wenig sie daran denken wollte, es gab da zwei drei Dinge in ihrem Leben, die sie immer wieder daran erinnerten. Diese Art von Respekt war eine davon. Hybris hatte gesagt, sie dürfe auf Titel und dergleichen verzichten, sie wussten wer welche Stellung hatte, ohne dass sie offensichtlich vor ihm kriechen musste und eigentlich war ihr das nur ganz recht. Doch ein unterdrückter Impuls, mehr ein Gefühl war es, der Deira doch dazu brachte zu klopfen und die Türe nicht einfach selbst von außen zu öffnen, was sie sehr wohl vermocht hätte, die entsprechenden Knöpfe waren vorhanden.
Hybris stand im Cockpit und wies sie sofort an ihm zu folgen ohne auch nur auf ein einziges Wort von ihr zu warten. Ehrlicherweise hätte die junge Togruta auch gar nicht gewusst, wie sie ihm hätte sagen sollen, das sie soweit fertig mit der Aufgabe war, ohne das es irgendwie dämlich und kindisch geklungen hätte. Aber solch Floskeln waren eigentlich auch nicht nötig. Die Anweisung war doch gewesen, dass sie erst vorbeikommen sollte, wenn die Aufgabe erledigt war, was gab es da noch groß zu sagen?
Sie folge Hybris zu einem weiteren Raum, einem Quartier. Der Sith blieb in der Türe stehen und die violette Togruta sah an ihm vorbei durch die geöffnete Tür. Der Raum war schlicht, zweckmäßig, unpersönlich, so wie alles hier. Auf der Bettstatt lag der Mensch, dem Deira ihre Klinge ins Auge gerammt hatte.
„Verdammt, er lebt ja doch noch“, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf, dennoch schien er in keinem so guten Zustand zu sein. Immerhin etwas. „Blödes Trainingsding“
„Wie gut sind deine Anatomiekentnisse?“
Hybris erwartete nicht wirklich eine Antwort auf die Frage, er wusste sie wahrscheinlich auch schon. Deiras Anatomiekentnisse beschränkten sich auf die ihres eigenen Volkes und dort auch nur auf das Wesentliche. Was war wo, wo tat es weh, was tun dagegen, wo musste man treffen um zu verstümmeln, wo zum Töten.
„Noch etwas tiefer und die Kosten für seinen Unterhalt hätten seinen Nutzen überstiegen. Wenn du deine Diener bestrafen willst, dann sei weniger drastisch oder töte sie gleich. Solche halben Sachen verursachen nur Mehrarbeit. Und nun setz dich mittig in den Raum.“
„Mmpf“
Die unbewusste Reaktion galt nicht seiner Aufforderung sich zu setzen. Kurz verzog Deira ihr nur schwach gezeichnetes Gesicht.
„Nächstes Mal, andere Methode“, schoss es durch ihren Lekkubewährten Kopf und sie kniete sich in die Mitte des Raumes, das Bett im Rücken und blickte zu dem Sithlord auf, dessen Gesicht durch seine schwarze Robe nicht zu erkennen war. Ihre Hände ruhten auf ihren Oberschenkeln und in ihren grünen Augen lag ein erwartungsvoller Ausdruck, der nicht auf den Rest ihres ruhigen Gesichtsausdrucks übergegriffen hatte. Hybris trat einige Schritte auf sie zu, lies allerdings die Türe offen, bevor er weitersprach. Er sprach vom Machtsinn, davon, dass sie sich nun von anderen unterscheiden konnte, denn sie hatte gelernt was er war und dadurch konnte sie nun auch die anderen Techniken der Macht erlernen.
Aus der schwarzen Robe schob sich plötzlich eine blasse, irgendwie doch menschliche, wenn auch etwas klauenartige Hand hervor. Hybris drehte die Handfläche nach oben zur Decke hin und winkelte die Finger an. Erst geschah gar nichts doch dann begann die Luft um die Finger herum zu verschwimmen. Von jetzt auf gleich schossen Blitze aus den Fingern gen Decke, doch sie erreichten diese nicht. Es waren nur Sekunden, nicht mehr als der Blitzschlag bei einem Gewitter und doch waren die Augen der Togruta groß geworden. Nur eine kurze Reaktion nicht länger als das Schauspiel selbst doch Deira war tief beeindruckt, was jemand durch die Macht zu tun vermochte. Natürlich kam sie der Aufforderung nach, ihr Lichtschwert abzulegen und sie legte es schweigend vor ihren Knien hin. Die Art wie Hybris etwas erklärte, zeigte der jungen Togruta, dass er schon sehr lange von der Macht Gebrauch machte. Er erklärte sachlich, doch mit wenig Begeisterung.
Ein Kopfnicken war ihre einzige Reaktion darauf, wie sie die weiteren Techniken lernen würde, wobei sie nicht umhin kam sich kurz vorzustellen, was das wohl für ein Gefühl war, wenn man Raumschiffe vom Himmel holen konnte. Deira schloss ihre grünen Augen und suchte nach dem Fluss, der die Macht für sie war. Jetzt wo sie ihn kannte, dauerte es nur Sekunden, ihn ausfindig zu machen. Unbewusst spürte sie ihn stets, sodass auf ihn zugreifen keine Anstrengung mehr erforderte, selbst jetzt nicht, wo sei eigentlich müde war. Nicht länger brauchte sie, um Hybris in der Macht zu finden. Eine große Ansammlung aus rot und schwarz, fast wie eine große Pfütze, nicht weit von ihr entfernt.
„Hoffentlich kann er keine Gedanken lesen“, schoss es ihr durch den Kopf. So genau wollte sie lieber nicht wissen, was Hybris wohl davon hielte, wenn sie sein Auftreten in der Macht mit einer Pfütze gleichstellte. Da bewegte sich der Schwall aus rot und schwarz. Ein kleiner Strom, mehr ein Bach oder ein Rinnsal, ging plötzlich davon aus und bewegte sich auf das Lichtschwert zu, welches vor der Togruta am Boden lag. Ängstlichere Individuen hätten sich sicherlich vor den dunklen Farben gefürchtet, nicht so die Togruta. Sie beobachtete fasziniert, wie der dunkle Fluss das Lichtschwert einhüllte und vom Boden hob. Dort verharrte es, bis sich der Strom zurückzog.
Als er dies tat, zog sich auch die junge Togruta zurück und öffnete ihre Augen wieder. Sie blinzelte ein zweimal gegen das Licht, dann sah sie wieder zu Hybris auf, der auch ohne die Macht zu benutzen wohl eine unangenehme Erscheinung war. Doch alles in allem war er nur ein Mensch und Deira mochte keine Menschen. Sie würde mit ihm auskommen weil sie es musste, weil es ihr etwas brachte und Schluss.
Hybris erklärte seine Handlung knapp und wollte dann von Deira wissen, was genau er getan hatte.
„Du hast das Lichtschwert mit der Macht umschlossen und es auf diese Weise vom Boden gehoben. Dort blieb es auf deinen Wunsch hin, bis du es die Macht hast wieder freigeben lassen“, antwortete sie mit ebenso ruhiger Stimme wie ihr Gesicht es war. Doch eigentlich konnte sie es kaum erwarten, es selbst zu probieren. Als Hybris weitersprach und ihr erklärte, dass sie lieber früher als später lernen sollte, ein Objekt vollständig einzuhüllen, musste Deira an den Kampf im Tempel mit Rake denken, der ihr sein Lichtschwert aus der Hand gerissen hatte, ohne sie überhaupt zu berühren. Nun wusste sie, wie er das getan hatte.
Nach dem Schwert sollte sie mit dem Menschen weitermachen, der – so gesehen doch glücklicherweise – noch lebte. Allerdings sollte sie definitiv vorher mal nachlesen wo das Herz überhaupt war, doch das verschob sie erst einmal auf später.
„Du weißt ja wo du mich findest.“
Waren die letzten Worte von Hybris, bevor er sie mit dem bewusstlosen Menschen in dem Quartier alleine ließ.
„Soll ich es jetzt noch versuchen?“
Das war mehr eine rhetorische Frage, die sie dem Quartier stellte. Der Mensch antwortete sicherlich nicht und sie hätte auch keine Antwort von ihm gewollt. Selbst wenn er hätte antworten können, er sprach kein Lekku. Auf einen Versuch wollte sie es ankommen lassen und so schloss sie ihre Augen wieder und streckte ihre Hand nach dem Lichtschwert aus. Die Macht darum zu bündeln und dahin zu schicken wo sie das haben wollte, war definitiv schwerer als es ausgesehen und sich angefühlt hatte.
Erst passierte einfach mal nichts, und dann schepperte es plötzlich. Verwundert und mit zu einem fragenden Gesichtsausdruck verzogenem Gesicht, öffnete Deira ihre Augen wieder. Dann schnaubte sie genervt. Anstatt das Lichtschwert anzuheben, was sie eigentlich gewollt hatte, hatte sie es geräuschvoll gegen die Tür geschmissen.
„Nicht ganz das was ich wollte“
Also doch lieber erst einmal schlafen gehen. Sie würde es morgen weiter versuchen.
Die Dunkelheit war erdrückend und es war so heiß. Schweiß tropfte von ihrer Haut und brannte in den frischen Wunden, die ihr die dornenbesetzte Peitsche geschlagen hatte. Sie konnte sich kaum bewegen. Ihre Hände waren frei, doch der Sklavenkragen an ihrem Hals hing fest in seiner Verankerung an der Wand hinter ihr. Der kleine Käfig war gerade groß genug dass sie aufrecht darin sitzen konnte. Irgendjemand hatte eine dicke Decke darüber geworfen, denn eine verletzte Sklavin war kein gutes Verkaufsargument. Dieses Mal würde sie nicht pfeilgeboten werden, dafür hatte sie gesorgt. Sie lag halb auf der Seite, aufgestützt auf den zerschundenen Unterarmen. Sand und Schweiß scheuerten an ihren Wunden, doch den Schmerz ertrug sie gern. Wenn es hieß, dass sie einige Tage nicht aus diesem dunklen Käfig kam, gut, wenn das auch hieß, dass man sie einige Tage in Frieden ließ, noch besser. Ihr Magen rumorte. Alleine gelassen werden hieß auch, nichts zu essen zu bekommen. Einzig ein Krug Wasser stand in einer Ecke, sie hatte ihn mit ihren nackten Füßen schon mehrmals berührt wenn sie sich vorsichtig bewegte. Sie nahm tiefe Atemzüge, wenn auch die Decke stank und die Luft heiß war und in den Lungen brannte. Sie musste hier raus!
Urplötzlich schlug Deira die Augen auf. Stöhnend fuhr sie sich über den Kopf und setzte sich hoch.
„Kann das nicht endlich mal aufhören?“
Ihre Kleider klebten an ihr und so beschloss die junge Togruta erst einmal zu duschen. Erst danach kümmerte sie sich kurz und knapp um die verbliebenen Sklaven und kehrte dann in den kleinen Raum zurück, den sie schon die letzte Woche genutzt hatte um den Machtsinn zu erlernen. Hier gab es nichts, was sie ablenken konnte und für den Anfang war das nicht schlecht. Sie legte den Griff ihres Schwertes vor sich auf den Boden und kniete sich wieder hin. Mit geschlossenen Augen fuhr sie mit den Händen durch den Fluss, der sie umgab. Erst geschah nichts, sie spürte ihn auch nicht. Doch dann war er da, wie leichte Stromschläge und Wasser, unangenehm war es nicht. Sachte das stetig die Farbe verändernde Wasser mit den Händen bewegend, versuchte sie, unter ihr Lichtschwert zu greifen.
Es gelang nach mehreren Versuchen und am Ende des Tages schaffte sie es, das Schwert anzuheben ohne dabei die Augen schließen zu müssen. Es hatte schon etwas Faszinierendes das Lichtschwert in der Luft schweben zu sehen ohne das es offensichtlich jemand hielt. Mit offenen Augen war es anstrengender als mit geschlossenen, soviel stand auch fest.
Es kostete sie drei Tage, bis sie das Lichtschwert genauso umschließen und anheben konnte, wie Hybris es verlangt hatte. Zwar nutzte sie ihre Hand noch als Hilfe, doch die Togruta ging felsenfest davon aus, dass sie das in einiger Zeit nicht mehr müsste.
Erst am vierten Tag kehrte sie in das Quartier zurück, in welchem sich der Mensch befand. Er sah noch genauso aus wie zuvor, die Wunde dort, wo mal sein Auge gewesen war sah nicht gut aus. Aber Deira war keine Ärztin, sie konnte nicht sagen, ob die geröteten Ränder gut oder schlecht waren. Der Fluss der Macht brachte ihr die Farben des Menschen mit. Sie waren schwach, fast durchscheinend aber noch da. Kurz legte sie den Kopf schief, sodass alle drei Lekku auf eine Seite ihres Kopfes fielen und begutachtete den viel größeren Menschen zum ersten Mal genauer. Es war überhaupt das erste Mal, dass sie sich die Mühe machte, sich einen Menschen genauer anzusehen. Ihre Abneigung gegen sie ließ sie für gewöhnlich von solchen Dingen absehen.
Er war groß, gebräunt und hatte ebenfalls hier und da unverkennbare Spuren einer Peitsche auf dem nackten Oberkörper. Deira empfand keinerlei Mitleid für den bewusstlosen Mann und auch für keinen anderen Sklaven, den sie in ihrem Leben je getroffen hatte. Sich selbst schloss sie in dieser Liste mit ein. Auch für sich selbst empfand sie kein Mitleid, nein, sie war höchstens wütend auf sich selber, dass das überhaupt geschehen war.
„Aber… wäre es das nicht, wäre ich jetzt nicht hier. Obwohl das nichts besser macht“
Die violette Togruta schüttelte knapp ihren Kopf sodass ihre blau-weißen Lekku flogen und ging dann hinüber zu dem Terminal, welches Hybris ihr gewiesen hatte.
Die entsprechende Datei war schnell gefunden und die junge Togruta war erstaunt darüber, wie ähnlich sich die Anatomie von Menschen und Togruti doch waren. Die auffälligsten Unterschiede waren fast alle nicht von außen zu erkennen, von den Ohren jetzt mal abgesehen. Menschen hatten Ohren, eine recht hässliche Extremität, wie sie fand. Togruta hatten Montrals, die viel empfindlicher waren als diese kleinen Löcher im Kopf. Außerdem saß das Herz der Togruta anders, ein Fakt, den sich Deira gerne merkte. Zu wissen wo jemand sein Herz hatte, war stets ein guter Vorteil in einem Kampf.
Nachdem sie den Artikel gelesen und verinnerlicht hatte, wandte sie sich zu dem Menschen um ohne einen Schritt auf ihn zuzugehen. Langsam hob sie die rechte Hand und drehte die Handfläche nach oben. Dabei schienen ihre Finger kurz eine wischende Bewegung zu machen, als würde sie durch Wasser fahren. So wie sie die Macht verstand, war dem auch so. Mit der kurzen, wischenden Geste ihrer Finger schickte sie den kleinen bunten Bach hinüber und schob ihn unter den Arm des Menschen. Sachte, ganz langsam hob sich dieser von der Bettstatt auf welcher er lag. Ohne dass sie ihn selbst körperlich berührte, konnte Deira das Gewicht des Armes spüren. Er war deutlich schwerer als ihr Lichtschwert, welches wieder an ihrem Gürtel hing, allerdings nicht schwerer als erwartet. Die Togruta mochte weder riesig sein, noch sonderlich trainiert aussehen, doch in ihr steckte mehr als die meisten sahen und das war auch gut so.
Sie verbrachte den ganzen Tag damit, verschiedene Teile seines Körpers anzuheben und unterschiedlich lange in der Luft zu halten. Am Ende des Tages versuchte sie sogar ihn komplett anzuheben, wozu sie allerdings sogar beide Hände zur Hilfe nahm. Es gelang nicht auf Anhieb und als es ihr gelang, hielt sie ihn nur wenige Sekunden einige Zentimeter über dem Bett bevor er schwungvoll herunterkrachte und sie sich keuchend an der Wand abstützte. Dieses Training war härter als alles, was sie bisher in ihrem Leben gemacht hatte.
Sie schlief nachts solange, wie sie es sich selbst gestattete um ihre Kräfte zu regenerieren und kümmerte sich morgens sowohl weiter um die Sklaven, auch wenn sie sie inzwischen wieder alle im Sklavenquartier geparkt hatte und ihnen keine weiteren Anweisungen gab. Sie wusste momentan auch einfach nicht, was sie mit ihnen machen sollte. Vielleicht ergab sich später mal noch was. Der Zabrak warf ihr immer noch die lüsternen Blicke zu, welche sie je nach Laune mal quittierte mal ignorierte.
Nach zwei weiteren Tagen in denen sie es endlich schaffte den Menschen in der Luft zu halten, ohne, dass er sofort wieder herunterkrachte, traute sie es sich zu, nach seinem Herzen zu suchen. So schwer zu finden konnte es nicht sein. Also streckte sie ihre schmale, violette Hand aus und schloss die Augen. Sie schickte ihre Empfindungen mit dem Fluss mit, etwas was sie bei der Sondierung der Sklaven durch das Schiff gelernt hatte. Der Fluss wechselte zu einem schwachen blassorange und sie spürte die sachten Bewegungen, die das Atmen des Menschen an seinem Körper verursachte. Deira wagte sich weiter vor und spürte bald das schwache, aber stetige Schlagen, das nur ein Herz von sich geben konnte. Ohne es verhindern zu können, begann sie böse zu grinsen. Doch sie war allein, niemand konnte es sehen. Als wäre er durch ihr Grinsen angestachelt worden, färbte der zuvor orangene Fluss sich schwarz als sie das schlagende Herz damit umschloss. Viel heftiger als sie dessen Schlagen spüren konnte, spürte sie plötzlich Angst. Angst, die nicht ihre war. Auch wenn der Mensch nicht bei Bewusstsein war, er konnte wohl doch spüren, was sie da gerade tat und – es ängstigte ihn. Das allerdings spornte die Togruta nur noch mehr an. Ihr Grinsen wuchs soweit, dass man ihre spitzen Fangzähne sehen konnte und sachte hob sie ihre Hand nur Millimeter in die Höhe. Sie konnte spüren, wie sich das schlagende Organ mit ihr bewegte und wie dessen Schlagen sich urplötzlich beschleunigte.
Sie mochte das Gefühl, es hatte was von dem, was Hybris ihr vor einer Weile gezeigt hatte. Diese uneingeschränkte Kontrolle, die sie über den Körper des Menschen hatte, gefiel ihr. Jetzt war sie es, die die Kontrolle hatte und nicht mehr die anderen! Nach einiger Zeit ließ sie von dem Herzen ab und zog sich zurück. Sein Schlagen war ins Stottern geraten und auf Dauer war es auch anstrengend.
Mit halb geschlossenen Augen lehnte sie an der Wand neben der Tür und beobachtete den Menschen dabei, wie er sich langsam, ganz langsam, davon erholte was sie gerade mit ihm getan hatte. Würde sie das Herz weiter bewegen oder hätte sie es länger festgehalten, wäre er gestorben. Und ihre Anweisung hatte ja gelautet, ihn nicht umzubringen, obwohl sie das gerne würde.
„Nur weil du Menschen hasst, kannst du sie nicht alle töten!", schoss es ihr durch den Kopf. Sie wusste, dass das stimmte, dennoch war die Idee manche Sekunde verlockend. Sie schüttelte den Kopf und überließ den Menschen für heute sich selbst. Sie würde es morgen noch einmal versuchen, mit offenen Augen. Sie wollte sein Leiden sehen, nicht nur spüren.
Auch wenn sie nach wie vor ihre Hand zur Hilfe nahm um die Macht dorthin zu schicken wohin sie wollte, schaffte sie es doch am nächsten Tag, die Augen offen zu halten. Jetzt wo sie wusste, wo sie suchen musste, war es allerdings auch weniger anstrengend als zuvor. Als sie die Macht um sein Herz schoss und es sachte wenige Millimeter nach oben hob, konnte sie, nun da ihre grünen Augen offen waren, sehen wie sein Körper zu zittern begann. Wie sich Schweiß auf seiner Haut bildete, sich Atem und Herzschlag beschleunigten. Er wachte nicht auf, dazu war er zu schwach, doch – er musste auch nicht wach sein. Sie konnte das Zucken und Zittern seiner Hände sehen, wie sein Kopf von einer Seite auf die andere rollte in dem verzweifelten Versuch das Gefühl zu beenden, das nicht aus ihm selber kam. Wieder lächelte Deira böse mit entblößten Zähnen. Sie sah dem Menschen gern beim Leiden zu. Und auch dieses Mal ließ sie erst von ihm ab als sie spürte, wie der Rhythmus seines Herzens ins Stocken geriet. Würde sie das noch zwei dreimal machen, würde sie ihn wahrscheinlich doch damit umbringen.
„Vielleicht später“, befand sie und machte sich dann wieder auf den Weg zum Cockpit. Sie wusste sofort, dass Hybris dort war, denn wieder brachte ihr der Fluss das seltsame schwarz-rot mit, das sie von ihm erkennen konnte. Mehr als das wollte und sollte sie von ihm auch gar nicht wissen. Und daran hielt sie sich auch und klopfte wieder schweigend an die Cockpittür. Was auch immer er darin tat, sie war die Schülerin, sie wartete.
[Trandosha, an Bord der Fury, vor dem Cockpit, Deira, Hybris darin]