Ich habe das Buch von gestern Nachmittag an gelesen und folgendes Review dann in der Nacht noch geschrieben. Mein Internetzugang mag hier nicht so richtig, ich weiß nicht, wann er wieder richtig funktioniert, deshalb schicke ich meine Rohfassung jetzt, vermutliche Tippfehler und eine uhrzeitbedingt zunehmend wirrer werdende Gliederung inbegriffen. Auf andere Beiträge nehme ich dann später Bezug (spätestens Montag, würde ich schätzen). Spoiler voraus, und so.
Ei, ei, ei... wie sich die Perspektive doch durch neue Erkenntnisse verschieben kann. Vor einem Jahr hätte ich noch vermutet, dass wohl Troy Denning das schwächste Glied der Legacy-Autoren sein würde (war das vor einem Jahr schon bekannt? ich denke, schon). Nach 'Dark Nest' - und dem jediphoben 'Triple Zero' - fürchtete ich eher um die Qualität (oder wenigstens Akzeptabilität) von Karen Traviss' Romanen. Und nun? Naja, die Reihe setzt sich logisch fort.
Ich hatte vor der Lektüre von 'Betrayal' keine Spoiler gelesen, wusste nur ungefähr, dass Vergere angesprochen würde, dass es wieder neue Erkenntnisse über die Macht geben sollte und dass der Roman in den USA ganz gut angenommen wurde. Den Klappentext kannte ich auch so ungefähr. Dass Lumiya in der Serie auftreten würde, war mir ebenso bekannt, allerdings hatte ich nicht erwartet, sie gleich im ersten Band zu treffen. Ansonsten war ich nicht vorbelastet, wenn mal man von einer kurzen Inhaltsangabe von 'Bloodlines' absieht, die aber (zumindest meiner Erinnerung zufolge; manchmal hat so ein dauerrostendes Gedächtnis auch Vorteile) keinen direkten Bezug auf 'Betrayal' nahm.
Ich sollte wohl beginnen, wie es sich gehört: am Anfang. Und am Anfang steht (oder liegt) das Cover. in natura gefällt es mir besser als auf dem Bildschirm; ich war eigentlich von einer Computergrafik ausgegangen (so hatte das für mich stets ausgeschaut). Ich habe keine Ahnung, was der Hintergrund darstellen soll. Der auf der Vorderseite hat natürlich etwas vom Fenster in der Wolkenstadt, könnte aber auch etwas ganz anderes sein. Bei der Rückseite des Umschlags dachte ich zuerst an einen Spieltisch... mit, äh, Schrauben und, äh, Blut. Etwas besseres will mir jedenfalls nicht einfallen.
Galaxiskarte gibt's nicht, Zeitlinie ebenso wenig. Ersteres braucht man nicht unbedingt, weil die Handlung sich größtenteils auf die Schauplätze Corellia und Coruscant beschränkt, nett wär's aber trotzdem gewesen. Eine Timeline hätte ich insofern gerne gesehen, um zuordnen zu können, worauf genau der Erzähler gerade wieder anspielt wenn er sagt "vor soundsovielen Jahren". Ich hätte natürlich auch anderswo nachschauen können, aber im Buch selbst wär's einfacher gewesen.
Das Kapitelsymbol finde ich gut, das ist eine schöne Idee. Allerdings weiß ich nicht, wie ich reagieren werde, wenn mich in 'Bloodlines' alle paar Seiten Boba Fett anstarrt. Das Legacy-Symbol oben bei der Seitenzahl, naja... das ist dann schon zuviel des Guten. Ich habe mich irgendwann daran gewöhnt, aber trotzdem wirkt's wie ein Fremdkörper. Und Del Rey sollte sich endlich mal angewöhnen, in der Seitenzahlzeile das Kapitel anzugeben und nicht den Titel.
Das müsste es dann zu der Präsentation gewesen sein. Es folgt: Inhaltliches.
Zunächst die Dramatis Personae: Es ist ja fein, dass diese Tradition aus der NJO weitergeführt wurde (bzw., letztendlich, schon aus den X-Wing-Romanen), aber irgendwie führt Allston die Begründung für DP hier ad absurdum, indem er Personen aufführt, die kaum auftauchen. Meiner Meinung nach sollten DP entweder auf Haupt- und wichtige Nebencharaktere beschränkt sein, oder (wie im Theater)
sämtliche Figuren aufführen. Letzteres ist für einen Roman kaum machbar, weshalb ich es für verfehlt halte, dass Allston hier viele eher unwichtige Personen nennt.
Streichen könnte man imho jeden außer Brisha, Pellaeon, die Angehörigen des Solo/Skywalker-Klans, Wedge, Syal (die sogar zweimal drin steht, unnötigerweise; dabei ist doch schon sehr früh klar, wer sich hinter Lysa Dunter verbirgt), Nelani, Tycho und Zekk. Meinetwegen auch noch Thrackan, Cal Omas und Aidel Saxan, auch wenn alle drei nicht wirklich viel zu tun haben. Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut, Tahiri aufgelistet zu sehen, und war dann äußerst enttäuscht, als sie nur eine Szene hatte.
Desweiteren ist es schon ziemlich blöd, nach Vornamen zu sortieren...
Allgemein war ich von 'Betrayal', wie oben schon angedeutet, eher enttäuscht. Kein schlechter Roman, aber einer, der hinter seinem Potential zurückbleibt. Das hat verschiedene Gründe, teils formale, teils inhaltliche. Ich fange mit ersteren an: den formalen Schwächen.
Mein letzter Allston war schon einige Zeit her (ziemlich genau vier Jahre), deshalb kann ich nicht sagen, ob Allston nun einfach ein paar schlechte Wochen hatte, als er den Großteil von 'Betrayal' niederschrieb, ob sich mein Geschmack in den letzten Jahren geändert hat oder ob es zeitnähere Gründe gab. Auf jeden Fall, und das hat mich ziemlich überrascht, vermochte Allstons Schreibstil es nicht, mich mitzureißen. Ich empfand viele Dialoge als hölzern und eine Menge Prosastellen als ziemlich holprig und handwerklich einfach nicht auf angemessenem Niveau. Wenn ich nicht gewisse Sympathien gegenüber Allston behalten hätte, würde ich seine Schreibe jetzt vermutlich ebenso verreißen wie die von Walter Jon Williams, Timothy Zahn und den Autoren von 'Jedi Trial'.
Sowas ist freilich ein rein subjektiver Eindruck, und einer, der allein nicht allzu sehr ins Gewicht fallen würde. Es kommt aber noch ein Element hinzu, das wesentlich schlimmer ist: Ich fand den Ton des Romans über weite Strecken schlicht unpassend. Jaja, ich weiß, Allston ist für seinen Humor bekannt, und ich will nicht bestreiten, einige der Stellen lustig gefunden zu haben... allerdings nur losgelöst von ihrem Kontext. Das ständige "Bantering" zwischen Wedge und Han, Wedge und Tycho, Han und Leia hat irgendwann einfach nur irritiert und, ja, mich verärgert. Menschen sterben in unnützen und unnötigen Scharmützeln und eine Seite später wird gewitzelt, bis dem Autor die Ideen ausgehen. Anders als in Allstons X-Wing-Romanen fehlt das menschliche Element als Gegengewicht. Bei den Gespenstern hatte man das Gefühl, dass sie sich in schwarzen Humor flüchten, weil sie sonst die Realität nicht ertragen würden. In 'Betrayal' wird sich Schlagabtausch nach Schlagabtausch geliefert, weil der Autor das so will, nicht weil die Charaktere es erzwingen. Die ernsten Szenen, insbesondere von Wedge und Han, wirken wie Alibis, gekünstelt und nach Baukasten zusammengesetzt.
Das hat zu einer Lesestimmung, einer Atmosphäre beigetragen, die sehr weit entfernt ist von Dennings Vorgängerromanen. Es war zwar von Anfang an klar, dass in 'Dark Nest' kein Hauptcharakter sein Leben lassen würde, aber trotzdem hat Denning es geschafft, eine relativ dunkle Atmosphäre zu schaffen, ein Gefühl zu produzieren, dass einige der Charaktere - und die Galaxis - auf ein gigantisches Unwetter zusteuern. Ein Gefühl, das sich gesteigert hat und sich in 'Betrayal' hätte fortsetzen sollen. Das ist Allston leider nur sehr bedingt gelungen, und mit "bedingt" meine ich: vom Finale abgesehen überhaupt nicht. "Locker-flockig" beschreibt es ganz gut, was sich sehr mit der angestrebten Handlung beißt, die eigentlich einen wesentlich düsteren Ton vorschreibt.
Ausnehmen möchte ich die letzten paar Kapitel, wo sich Allston stilistisch sehr gesteigert hat und auch die Atmosphäre eine dunklere Richtung nimmt. Das macht die 310 vorhergehenden Seiten aber nicht ungeschehen, und der Negativpunkt der mangelnden Natürlichkeit (siehe irgendwo weiter unten) ist für die auf/über Tralus spielenden Szenen weiterhin zu bemängeln.
Wo ich schon dabei bin: Ich habe schon in meinen Rezensionen zu 'Dark Nest' angemerkt, dass die menschlichen Opfer, die Schrecken des Krieges, heruntergespielt bzw. nicht wirklich angesprochen werden. Verglichen mit 'Betrayal' ist Dennings Trilogie 'Im Westen nichts Neues'.
Dabei ergeht es manchen Figuren besser als anderen. Jacen ist imho noch sehr gut getroffen. Er wirkt zumindest am Anfang weniger arrogant und abgehoben als in 'Dark Nest', aber das wäre mein einziger Kritikpunkt. Ben ist klasse. Hans väterliche Eifersucht auf Zekk ist nur dann nicht verwunderlich, wenn man die Begleitumstände betrachtet, in denen Jaina und Zekk sich nähergekommen sind (Killik-Paarungstanz

); wird von Allston komischerweise aber nicht verwertet. Auch wenn von dieser gewissen Bindung die Rede ist: Jaina und Zekk waren mir beide zu wenig killikhaft. Da hätte es noch mehr Rückstände geben können/sollen, aus handlungspotentialtechnischen Gründen. Raynar ist in der Geschlossenen, und damit scheint dieser Punkt für Allston abgehakt. Die Dynamik zwischen Han und Leia ist was zum Schmunzeln, hat aber, wie oben schon gesagt, nicht dieses Retro-Spaß-Gefühl, das ich beispielsweise beim Lesen von 'Rebel Stand' erlebt habe. Denning hat den Ausgleich zwischen Humor und Ernst wesentlich besser geschafft.
Lukes Diktatoraktionen scheinen keinen gestört zu haben. Naja, vielleicht doch, aber es wird halt nicht darauf eingegangen. Lowbacca wird gar nicht erwähnt, Tahiri kommt nur am Rande vor, aber ohne, dass eine Aussage über ihre Auszeit auf Dagobah getroffen wird. Kein Jedi beschwert sich über die skywalkersche Familienbevorzugung. Es wäre äußerst schade, wenn das ganze Konfliktpotential des Endes von 'Dark Nest' in den Jahren dazwischen einfach verdunstet ist. (Denning! mach was!)
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