- Lianna – Lola Curich – Café „Méera“ – Mit Britney –
Die Überraschung auf Noas Gesicht hätte nicht größer ausfallen können, als sie Britney in Ermangelung einer Idee, wie sie ihre Gedanken artikulieren sollte, anstarrte. Sie hatte ja mit vielem gerechnet – wenn man so pessimistisch war wie Noa und anderen generell mit einer gesunden Portion Misstrauen begegnete, war man in der Regel immer gewappnet – aber nicht mit der Eröffnung, dass Britney, gegenüber der sie gerade noch zugegeben hatte, ihren Chef sexy zu finden, mit eben diesem in die Kiste stieg. Prinzipiell konnte natürlich jeder machen was er wollte. Prinzipiell. Aber das hieß nicht, dass Noa nicht trotzdem darüber urteilen würde.
“Du… machst es mit Robin?“
Wiederholte sie Britneys Worte schließlich fragend, nur um auch wirklich ganz sicher zu gehen, dass sie das richtig verstanden hatte. Um ehrlich zu sein, was gab es da zu missverstehen?
„Neidisch?“
Britney grinste über beide Ohren. Mit ihrem Gesicht war etwas geschehen. Die Lässigkeit war aus ihren Mundwinkeln gewichen, in ihren Augen lag plötzlich ein Funkeln.
“Überrascht trifft es besser.“
Noa begann allmählich, die Information zu verarbeiten. Auf die Idee, dass Robin und Britney etwas miteinander haben könnten, wäre sie nicht gekommen. Die beiden gingen in der Redaktion ganz normal miteinander um, fast gleichgültig sogar. Aber nun wurde klar, dass genau das Absicht war. Sie hatten nicht nur etwas miteinander, sondern sie hielten es geheim. Nun, das erklärte zumindest, warum sich jeder so sehr für Robins Liebesleben interessierte und es darüber so viele Gerüchte gab, nämlich weil er wahrscheinlich eisern darüber schwieg und man darüber so wenig hörte. Gleichzeitig warf das allerdings die Frage auf, warum Britney um alles in der Galaxis ausgerechnet Noa davon erzählt hatte.
“Und er hat dir versprochen, dich bald zu befördern? Ist das der Ausgleich dafür, dass er dir die Kolumne nicht geben konnte? Wow."
Die Neuigkeit sackte allmählich. Britney schüttelte den Kopf.
"Ich wollte sie ja gar nicht."
Behauptete sie, doch Noa war nicht sicher ob sie das glauben sollte. Was Britney tat war zumindest in ihren Augen moralisch verwerflich. Sie schlief mit ihrem Chef um sich berufliche Vorteile zu verschaffen. Pfui, das war nichts anderes als Prostitution. Sie musterte Britney eingehend und wieder fiel ihr der gelöste Ausdruck in ihrem Gesicht auf. Oder steckte hinter all dem noch viel mehr?
"Es weiß niemand davon."
Bestätigte Britney schließlich Noas Verdacht. Das war inzwischen so gut wie klar gewesen. An einem der benachbarten Tische erklang lautes Gelächter und für einen Moment war Noas Aufmerksamkeit gespalten.
"Das habe ich mir gedacht."
Erwiderte sie, kurzzeitig abgelenkt durch die beiden Männer, die erst vor ein paar Minuten das Café betreten hatten und interessiert von Britney gemustert worden waren.
"Aber wieso erzählst du es dann ausgerechnet mir? "
"Warum nicht?"
Britney grinste.
"Wem solltest du es schon weiter erzählen? Viele Freunde hast du hier nicht und mit der einzigen, die dich leiden kann, willst du es dir nicht verscherzen, oder?"
Sie hielt Noas Blick und für ein paar Sekunden schien keine von beiden den Blickkontakt als erste abbrechen zu wollen. Es war Britney, die schließlich ihre Tasse hob.
"Hier. Auf ein neues Bündnis?"
Der Schalk stand in ihren Augen, doch wie viel von alldem sie wirklich ernst nahm und wie viel nicht, war schwer zu sagen. Noa dachte in diesem Moment noch etwas ganz anderes. Sie war nicht allein auf Lianna. Sie hatte Thalia hier und Jesper, ihre Nichte und ihren Neffen und natürlich Cris, doch mit seiner neuen Verpflichtung gegenüber seiner plötzlich wie aus dem Nichts aufgetauchten Tochter, mit Amatas ungewissem Schicksal, an dem Noa Mitschuld trug, und Cloés Weigerung, mit ihr zu sprechen, konnte sie definitiv eine neue Freundin gebrauchen.
Thalias Wohnung war nicht groß, doch wie klein sie wirklich war wurde deutlich, als Noa am Nachmittag von der Arbeit zurück kam. Cloé hatte Wäsche gewaschen, die sie überall in den Zimmern verteilt zum Trocknen aufgehangen hatte, Camilla spielte zwischen Kochbereich und Esstisch mit Bauklötzen und Ricardo hatte die Magengrippe. Das Echo eines beißenden, übelriechenden Geruchs lag in der Luft.
"Er hat sich schon zweimal übergeben."
Erklärte Thalia, als Noa naserümpfend ihre Jacke auszog. Das erste Mal war auf den Teppich gegangen, der inzwischen notdürftig geschrubbt worden war, beim zweiten Mal hatte Ricardo es gerade noch rechtzeitig zur Toilette geschafft. Er lag jetzt im Bett, fühlte sich elend und wollte weder essen noch trinken. Noa wünschte , sie hätte ihre Sachen bereits in ihr kleines Zimmer in der Jedi-Basis gebracht. Überall war jetzt besser als hier.
"Thalia, brauchst du Hilfe?"
Bot sie sich dennoch an. Sie konnte nicht wortlos wieder abhauen und sich vergnügen, wenn sie hier gebraucht wurde, so sehr sie es auch wollte. Ihre Schwägerin hatte gerade Tee aufgesetzt, eine beruhigende Mischung für den Darm. Sie sah müde aus.
"Kannst du meinen Sohn dazu bringen, das zu trinken?"
Sie überreichte Noa eine heisse Tasse. Das war so ziemlich die undankbarste Aufgabe, die sie sich vorstellen konnte. Welcher kleine Junge mochte schon Tee? Der schmeckte nicht nur ekelhaft, sondern war auch noch extrem uncool. Noa betrat das kleine Kinderzimmer. Ricardo lag mit dem Gesicht zur Wand im Bett.
"Hey Virenschleuder."
Sie setzte sich auf einen Stuhl. Abstand halten war wichtig, wenn sie sich nicht auch was einfangen wollte. Und das wollte sie nicht, ohhh nein.
"Wie geht's dir? Ist dir noch schlecht?"
Er zeigte keine Reaktion. Es war, als hätte Ricardo einfach abgeschaltet. Noa überlegte. Okay, es gab nichts Cleveres das sie sagen konnte. Krank zu sein war einfach kacke.
"Ich weiss, Tee ist scheußlich, aber ich hab hier trotzdem welchen für dich."
Informierte sie ihn.
"Ich kann nicht versprechen, dass er dich direkt wieder fit macht, aber er köööönnte helfen."
Ricardo drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war angestrengt verzogen, auf seiner makellosen Stirn lag eine dicke Falte.
"Ich will meinen Papa."
Kamen seine Worte gequält heraus.
"Papa soll bei mir sitzen!"
So einfach seine Bitte auch schien, sie ließ Noa hilflos verstummen. Was sagte man einem Kind in dieser Situation? Was sagte man einem Kind, dessen Vater die halbe Galaxis entfernt im Krieg für die Freiheit eines Planeten kämpfte, die so unsicher schien wie Schneeflocken wie Sommer? Rámon war nicht hier auf Lianna und er würde auch nicht kommen.
“Dein Papa ist leider auf Coruscant. Komm, trink was.“
Aufmunternd hielt Noa Ricardo den Becher hin. Sie hätte versucht ihn mit Süßigkeiten zu bestechen, hätte er es nur nicht im Magen gehabt. Warum konnte er nicht Husten und Schnupfen haben, wie alle normalen Kinder?
“Komm, ist auch nicht mehr heiß.“
Sie pustete in die Tasse hinein, die sich von außen angenehm lauwarm anfühlte. Thalia hatte selbstverständlich bereits auf die richtige Temperatur geachtet. Sie war Mutter mit Herz und Seele.
„Nein.“
Ricardo drehte den Kopf weg.
„Ich will zu Papa.“
Noa seufzte. Sie hatte keine Lösung dafür, zum Kuckuck! Wie sollte sie auch?
“Vielleicht kann sich Onkel Jesper gleich ein bisschen zu dir setzen, wenn er wieder kommt. Was hälst du davon?“
Schlug sie vor und wusste noch, bevor sie es ausgesprochen hatte, dass es eine schlechte Idee gewesen war. Ricardo fing an zu weinen.
“Neeeeeiiiiiin. Ich will meinen Papa.“
Schniefte er. Spätestens jetzt, dachte Noa, ging es mehr als nur darum, dass ihm schlecht war. Jetzt kam alles auf einmal. Ricardo war krank, er war hier fremd, er hatte keine Freunde, er vermisste seinen Vater, seinen Großvater, seine lustigen Onkel und vermutlich sah er auch, wie schwer es seine Mama hatte. Er wimmerte weiter und aus dem Weinen wurde ein Heulen, lauter und verzweifelter. Die Tür ging auf und herein kam Thalia.
„Was ist los?“
„Paaapaaaaaaaaaaaaa!!!“
“Es ist nicht meine Schuld, ich habe nix gemacht.“
Unschuldig hob Noa beide Hände. Sie wusste ja, wie das lief. Mit Kindern war das so eine Sache, da wurde man von den überfürsorglichen Eltern ganz schnell beschuldigt für Dinge, die man gar nicht getan hatte. Thalia setzte sich zu Ricardo aufs Bett und zog ihn an sich, doch der war noch lange nicht wieder beruhigt und Noa dröhnten bereits jetzt die Ohren. Schlimmer noch war aber, dass ihr sein Geschrei auch im Herzen weh tat. Sie stand von ihrem Stuhl auf und drehte sich um, in der Absicht, in die Küche zu gehen und den Tee dort warm zu halten, wenn er im Augenblick schon nicht getrunken wurde. Es war die perfekte Ausrede, um Ricardos Weinen zu entkommen – eigentlich.
„Mama?“
Eine dünne Stimme machte Noa einen Strich durch die Rechnung. In der Tür stand Camilla, die Augen so groß und feucht, dass es nur eine Frage von Sekunden war, bis sie überlaufen würden. Oh nein, nicht das auch noch. Doch es war bereits zu spät. Ricardo plärrte weiter und Camilla heulte aus Solidarität mit. Mitleidig stellte Noa die Tasse irgendwo ab und hob ihre Nichte vom Boden auf. Beide Kinder brüllten jetzt im Chor, ihre Gesichter tränenüberströmt und mit einem Ausdruck völliger Hilfosigkeit. Auch das war das Werk des Imperiums.
„Sschhh, ist ja gut.“
Gurrte Thalia in ihrer monotonen, mütterlichen Stimme und strich über Ricardos Kopf, als könne sie mit dieser einen bloßen Geste alles wieder gut machen. Auf gewisse Weise stimmte das sogar. Allmählich wurde Ricardos Weinen erstickter, sein Schluchzen leiser, ebenso wie Camillas, die Noa auf ihrem Arm hielt und deren Rücken sie tätschelte. Dennoch hing in der Luft noch immer diese schwere Verzweiflung und Noa hätte sich am liebsten selbst neben Thalia gesetzt und sich von ihr, die wie ein Fels in der Brandung wirkte und von deren Müdigkeit auf einmal nichts mehr zu sehen war, in den Arm nehmen lassen.
Sehr viel später, es war längst Abend, saß Noa alleine im Dunkeln auf einer der Schaukeln des Spielplatzes. Ihre Füße zogen ungleichmäßige Muster in den Sand unter ihr, während sie sanft mal vor und zurück schwang und mal nach links und nach rechts. Sie dachte an Cris. Sie wusste, dass sie sich längst bei ihm hätte melden sollen und dass sie den ganzen Tag Ausflüchte gesucht hatte, es nicht zu tun, auch wenn sie zugegebenermaßen ziemlich beschäftigt gewesen war. Mit ihm zu reden, ihn zu sehen, würde bedeuten, dass sie sich nicht nur mit ihren eigenen Gefühlen, sondern auch mit ihren Ängsten auseinander setzen musste und sie war nicht sicher, wohin dies führen würde. Noa wollte eine Beziehung. Sie wollte Cris. Mehr und mehr begann sie jedoch zu verstehen, dass er alleine nicht war, worauf sie sich einließ, wenn sie es wirklich ein weiteres Mal mit ihm versuchte – etwas, das sie so sehr gewollt hatte, als sie noch auf Coruscant gewesen war. Cris war nicht mehr allein, er hatte eine Tochter und auch wenn noch viele Fragen offen waren und Noa so vieles noch nicht verstand, war doch längst klar, dass es ihn nur noch im Doppelpack geben würde.
Er hatte jetzt eine Tochter. Er würde nie mehr so sein wie er einst war und zwischen ihnen würde es nie wieder so sein wie es hätte werden können. Ein Kind veränderte alles, machte alles ernster, wichtiger und endgültiger. Aber wollte Noa endgültig? Sie konnte ihm keine Versprechungen machen. Das hatte sie ihm sogar gesagt! Im Geiste sah sie Thalia und Rámon, umringt von schreienden Kindern. Sie hörte Ricardo noch immer weinen, so wie am Nachmittag, hörte sein Wimmern, seine Anklagen und seine Angst. Er war ein Wirbelwind, konnte nie lange still sitzen, war zuweilen vorlaut, bockig und frech. Er machte seine Kleidung schmutzig, musste versorgt werden, erbrach sich auf Teppiche und konnte manchmal mitten in der Nacht nicht schlafen. Dazu kam Camilla, die es hasste, gebadet zu werden und jedes Mal einen Aufstand machte. Sie pinkelte in Kindertöpfe, die man mit den bloßen Händen leeren und auswaschen musste und manchmal machte sie noch in die Hose, wenn sie nicht mehr einhalten konnte oder wenn sie so sehr mit Spielen beschäftigt war, dass sie alles andere vergaß. Kinder bedeuteten Verantwortung, Ärger, Stress und irgendwann wurden sie groß, kamen in die Pubertät und hörten auf gar nichts mehr das man ihnen sagte. Natürlich war das nicht alles. Es gab auch die andere, die liebevolle Seite. So viel Kinder auch von ihren Eltern verlangten, so viel gaben sie auch zurück. Es war nicht so, dass Noa das nicht wusste. Thalia hatte es nicht nur schlecht, doch sie lebte ihr Leben in erster Linie für ihre Kinder und Noa war nicht sicher, dass sie das konnte oder wollte. Noch nicht. Nicht jetzt. Frauen wie Britney hatten es da einfacher. Sie lebte ihren Traum, nahm sich genau das was sie wollte. Unterschiedlicher wie sie und Thalia hätten zwei Frauen nicht sein können. Welche von beiden wollte Noa sein? Sie hörte Schritte hinter sich, als es längst stockfinster war. Auf dem Spielplatz selbst brannten keine Lichter und die hell erleuchteten Fenster der umliegenden Häuser wirkten wie Zufluchtsorte in der Dunkelheit. Noa drehte sich auf ihrer Schaukel halb um. Ihr Hintern tat weh und ihr war kalt. Überrascht, Jesper zu sehen, war sie nicht. Wer hätte es auch sonst sein sollen, abgesehen vielleicht von einem blutrünstigen Serienkiller, der sie umbringen wollte?
"Hier steckst du… alles in Ordnung? Cloé meinte, du hättest ziemlich nachdenklich gewirkt als du gegangen bist."
Jesper blieb neben ihr stehen. Also ignorierte Cloé sie doch nicht ganz. Noa seufzte.
"Ich weiß nicht, was ich tun soll."
Gestand sie.
"Hast du schon mal etwas gesucht, es wieder gefunden aber dann plötzlich fest gestellt, dass du es nicht behalten kannst?"
"Hmm... Du willst nicht schon wieder kündigen, oder?"
Sie deutete ein Lachen an, doch es war alles andere als heiter
"Nein. Nein das will ich nicht. Es geht um Cris."
"Oh."
"Ja. Er hat eine Tochter."
Jesper sah sie an, irritiert vermutlich, so weit sie im Dunkeln erkennen konnte.
"Frag nicht. Ich weiß selbst so gut wie nichts darüber."
Er wanderte um sie herum, setzte sich auf die zweite Schaukel und eine Weile saßen sie schweigend da. Gerade jetzt, wo sie das Gefühl hatte, ein paar vernünftige Entscheidungen in ihrem Leben getroffen zu haben, geriet dieses aus den Fugen. Oder war es ganz anders? Bot das Schicksal ihr eine Möglichkeit, noch seriöser zu werden, noch verantwortungsbewusster und noch erwachsener? Und was, wenn sie genau das nicht wollte? Was, wenn sie lieber eine Britney sein wollte statt einer Thalia?! Dann musste sie Cris verlassen und wieder von vorne beginnen und alles wäre umsonst gewesen. Nichts von dem, das sie bis dahin mit ihm erlebt hatte, zählte dann noch etwas. Es wäre nichts als verschwendete Zeit gewesen. Wenn sie aber mit ihm zusammen bliebe, würde sie jemand werden, der sie nicht sein wollte.
“Ich kann es nicht.“
Sagte Noa laut und es war keine von Jesper gestellte Frage, die sie beantwortete. Sie stieß die Schaukel zurück und entfernte sich ein paar Meter. Sie konnte sich sehen, mit einem Kind an der Hand und einem Mann an ihrer Seite. Er lächelte sie an. Ihr Bauch war kugelrund, bereit zum Platzen. Der nächste Schreihals war im Anmarsch. Ihre Ohren taten ihr weh. Sie sehnte sich nach Ruhe, nach einer Minute für sich, doch sie musste hungrige Mäuler füllen und endlose Schlaflieder singen. Sie musste spielen, trösten, waschen, putzen und kochen. Kochen! Allein bei dem Gedanken war Noas Magen kurz davor, sich umzudrehen. Das war kein Leben, nicht für sie.
„Was kannst du nicht?“
Sie blieb stumm, für ein paar Sekunden. Und wenn Cris der Eine war? Was geschah, wenn sie ihn gehen ließ und es für immer bereuen würde?
“Für ein Kind sorgen.“
Sie ging auf Jesper zu, der noch immer auf der Schaukel saß. Seine Beine waren viel zu lang und er hatte sie weit von sich gestreckt.
“Glaubst du, ich könnte es?“
„Es ist doch weniger die Frage, ob du es kannst, oder nicht? Natürlich könntest du es. Ausschlaggebend dafür ist, ob du es willst und ob du dich dafür bereit fühlst“
Sie biss sich auf die Unterlippe. Dies war eine Frage, dessen Antwort Noa kannte.
“Und was würdest du tun?“
Wollte sie schließlich wissen, doch Jesper schüttelte den Kopf.
„Oh nein, Noa. Nein, nicht dieses Mal.“
Sagte er entschieden und stand von der Schaukel auf. Sie lief ihm nach, als er sich zum Gehen wandte.
„Du machst das jedes Mal so, die Meinung von anderen einholen und ewig darüber debattieren, nur um selbst nichts entscheiden zu müssen.“
“Das stimmt doch gar nicht!“
Protestierte sie, obwohl sie wusste, dass er nicht ganz unrecht hatte.
“Es war meine eigene Entscheidung, nach Lianna zu kommen.“
„Das stimmt.“
Er hob die Schultern. Aber sie hatte doch sonst niemanden, wollte sie ihm sagen. Mit wem sollte sie denn sprechen? Cloé redete nicht mit ihr, Thalia konnte sie nicht belasten und Pablo war Lichtjahre entfernt. Es gab niemanden sonst. Wenn sie wollte, konnte sie Cris haben, als ihren Partner. Er konnte ihre Stütze sein und sie seine. Er liebte sie. Noas Hand schloss sich um die kühle Kette aus Stahl, an der die Schaukel befestigt war. Das war eines der Probleme. Sie wusste nicht, ob sie ihn zurück lieben konnte, so sehr sie es auch wollte. Eines Tages würde sie aufwachen und merken, dass ihr alles zu viel wurde. Zu viel Cris, zu viel Nähe, zu viel fröhliche Familie… war das fair? War das fair ihm oder Lorraine gegenüber? War es fair, sich auf sie beide einzulassen, wenn sie nicht sicher war, ob es das Richtige war? Noa fürchtete, wohin das alles führen würde. Sie fürchtete, dass sie ihre Eigenständigkeit verlieren würde und dass sie irgendwann wünschte, sie wäre den anderen Weg gegangen. Sie war nicht bereit, sesshaft zu werden, war nicht bereit für die Rolle der Stiefmutter oder der dauerhaften Lebensgefährtin. Sie wollte ihr Leben auskosten, alles probieren, spät nach Hause kommen wann immer sie wollte, reisen wohin ihr Job sie trug und Spaß haben, wie sie ihn hatte seit sie sechzehn war. Diese Phase ihres Lebens war noch nicht vorbei. Sie wollte nicht, dass sie vorbei war!
„Noa, du musst selbst wissen, was du weiter tun willst. Ich kann dir nicht helfen.“
Jesper hatte begonnen, sich zu entfernen.
„Kommst du mit? Es ist kalt hier draußen.“
Sie schüttelte den Kopf. Sie musste weiter nachdenken und wenn es bis zum Morgen dauern würde, bis sie wusste, was sie tun sollte.
“Nein, ich bleibe noch.“
Antwortete sie enttäuscht und sah Jesper nach, bis die Nacht ihn verschluckt hatte.
- Lianna – Lola Curich – Wohngebiet – Spielplatz –