[Lianna | Lola Curich | Jenseits des Raumhafens | Rohbau | 11. OG] Nen-Axa, Cethra Jayne, Yuno Odan
Es war also abgemacht: Die beiden Jedi wollten mit der Kopfgeldjägerin zusammenarbeiten. Wieviel er sich tatsächlich von dieser Kooperation versprechen durfte, wusste Nen-Axa nicht, aber es war ihm ganz recht, wenn die Zabrak in ihrer Nähe blieb. Gemeinsam stiegen sie in den Speeder ein, den sie ohnehin nicht hier zurück lassen konnten, wenn sie nicht riskieren wollten, dass er noch einmal verschwand. Zum Glück bot das Fahrzeug genug Platz für sie alle. Cethra setzte sich ans Steuer, Yuno neben sie auf den Beifahrersitz. Der Arcona hatte sich bewusst für die Rückbank entschieden, da er ihre Zweckverbündete so im Blick behalten konnte. Mit hoher, aber nicht gefährlicher oder auffälliger Geschwindigkeit schlugen sie den Weg zu den Docks ein. Während der Fahrt schwiegen sie die meiste Zeit. Der Arcona dachte über die beiden jungen Frauen nach, die vor ihm saßen. Bildete er sich das ein, oder bestand zwischen ihnen irgendeine Art von Chemie? Sicherlich, sie hatten einige Gemeinsamkeiten. Beide waren weibliche Fastmenschen und in einem ähnlichen Alter, soweit er das beurteilen konnte. Außerdem war ihre (in Cethras Fall: ehemalige) Tätigkeit als Kopfgeldjägerinnen ein verbindendes Element, ebenso wie der Verlust ihrer Lieben. Ihre Begegnung unter diesen merkwürdigen Umständen hatte immer weniger von einem Zufall; das Universum schien es so arrangiert zu haben. Oder doch jemand anders? Denn die Geschichte passte fast schon zu gut, um sowohl Cethras Wohlwollen zu gewinnen als auch das des Arcona. Er als Familienwesen mochte sich gar nicht vorstellen, wie es Yuno ging, so kurz nach dem Tod ihrer Verwandten auf einem fremden Planeten. Genau diese Knöpfe würde jemand drücken müssen, der sich bei ihnen einschmeicheln wollte. Längst war ihm der insektoide Informationshändler wieder in den Sinn gekommen, dem er durchaus zutrauen würde, ihnen jemanden unterzujubeln - er wusste ja, wo ihr Ziel lag, denn er selbst hatte sie zu der Baustelle geschickt. Sofern er schon seit Längerem eine Akte über den Jedi und eventuell auch über seine Padawan führte, konnte er wissen, wie man ihr Vertrauen gewann. Aber eine solche Täuschung hatte Nen-Axa nur kurz in Betracht gezogen: Er war normalerweise kein Verfechter von Verschwörungstheorien. Außerdem waren die Trauer und der Schmerz der Kopfgeldjägerin echt gewesen, als sie vom Tod ihrer Familie berichtet hatte. Und nach wie vor gab es kein Anzeichen der Falschheit bei ihr. Warum sollte er, ein Jedi-Ritter, den Eindrücken misstrauen, die er von der Macht erhielt?
Außerdem hatte die Kopfgeldjägerin sich bereits nützlich gemacht, denn ohne sie wäre es den Jedi schwer gefallen, der Fährte der Räuberin weiterhin zu folgen. Nur dank ihrer Hilfe wussten sie, wo sie die Suche fortsetzen konnten, und erhielten einen ersten Einblick in die möglichen Hintergründe. Der Händler, der Yunos Auftraggeber war, schien in der Sache drinzustecken und ein doppeltes Spiel zu spielen. Es konnte nicht schaden, ihm auf den Zahn zu fühlen. Doch es kam nicht zu diesem Gespräch. Als sie das Geschäft erreichten, wurden sie Zeuge einer Rangelei zwischen zwei Personen. Sie waren nicht nah genug, um Einzelheiten zu erkennen, aber Nen-Axa vermutete in einer der beiden Gestalten die gesuchte Räuberin und in der anderen den Ladenbesitzer. Zu seinem Entsetzen musste der Jedi mit ansehen, wie die schlanke Frau ihren Gegner niederschoss und sich dann auf ein Bike schwang, um zu verschwinden. Die Szene war der ganz ähnlich, die sie vorhin nahe der Basis beobachtet hatten: Prik konnte offenbar von Glück reden, dass er nur umgestoßen worden war, als er sich gegen den Diebstahl seines Fahrzeuges hatte wehren wollen. Es hätte schlimmer kommen können. Sehr viel schlimmer. Der Jediritter hatte keinen Zweifel daran, dass soeben ein Leben vor seinen Augen vergangen war. Nicht das erste Mal, dass er so etwas mit ansehen (und bis zu einem gewissen Punkt mitfühlen) musste, aber es war schwer, sich daran zu gewöhnen.
Im nächsten Moment waren sie mitten drin in einer Verfolgungsjagd. Jetzt prügelte Cethra Jayne das Fahrzeug bis an den Rand seiner Leistungsfähigkeit, was auch nötig war, um an der Verbrecherin dranzubleiben. Ihr und auch Yuno war eine weit größere Anspannung anzumerken als zuvor. Schließlich waren sie jetzt nicht mehr auf der Suche nach einer einfachen Kriminellen: Sie waren Zeugen eines Mordes geworden und die einzigen, die in der Lage waren, die Verbrecherin zu fassen! Aber noch bevor er eine Idee hatte, wie man ihre Flucht stoppen konnte, bemerkte diese, dass sie verfolgt wurde. Sie zog einen Blaster und schoss. Trotz der rasanten Fahrt sprang Nen-Axa aus seinem Sitz hoch und setzte sich so mit voller Körperhöhe dem nicht gerade sanften Fahrtwind aus. Seine Zehen krallten sich in den Boden und verschafften ihm einen sicheren Stand. Einen Wimpernschlag später hatte er das Lichtschwert aus der Westentasche geholt. Im gleichen Moment wies seine Schülerin die Zabrak an, das Steuer zu übernehmen. Auch sie griff nach ihrem Schwert, das nun viel schneller im Ernstfall erprobt werden sollte, als man ihr hätte wünschen mögen.
Die Verfolgte sah mit Sicherheit die grell magentafarbene und die silbrig-grüne Klinge aufleuchten und wusste, was das hieß. Abermals schoss sie in rascher Folge auf ihre Verfolger. Ganz automatisch war Nen-Axa in die Bewegungen des Soresu verfallen und wehrte die Schüsse ab, so gut es ihm möglich war. Allerdings war das ein Kampf unter erschwerten Bedingungen: Bei der hohen Geschwindigkeit, den raschen Manövern und beengten Verhältnissen war es fraglich, ob es ihm gelingen würde, dem Beschuss lange standzuhalten. Auch mit Cethras Hilfe würden sie nicht das gesamte Fahrzeug und alle Insassen flächendeckend schützen können. So dicht beieinander mit den tödlichen Klingen zu hantieren, war ja auch nicht ungefährlich.
»Nicht zu ihr zurück lenken!« wies Nen-Axa hektisch seine Padawan an. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es gelungen wäre, das Speederbike der Verfolgten mit einem ihrer eigenen Schüsse zu treffen; vielleicht sogar die einzige Möglichkeit, sie zum Halten zu zwingen, denn sie besaßen alle drei keine Schusswaffen. Aber im dichten Verkehr war die Gefahr, stattdessen einen unbeteiligten Verkehrsteilnehmer zu treffen, viel zu groß. Fieberhaft dachte der Jedi darüber nach, welche Optionen sie noch hatten: Ihr mit der Macht die Waffe aus der Hand reißen? Etwas am Bike manipulieren? Die Strecke zwischen den beiden Fahrzeugen vielleicht sogar mit einem extrem gewagten Machtsprung überbrücken? Doch bevor er zu einem Schluss kam, endete die Flucht der Frau auch ohne ihr Zutun.
Ganz auf ihre Verfolger konzentriert, hatte die Räuberin nicht ausreichend darauf geachtet, was vor ihr geschah. Die Gefahr, in der sie sich befand, bemerkte sie zu spät. Blitzschnelle Reflexe konnten verhindern, dass sie frontal auf das wesentlich größere Schwebefahrzeug krachte, das ihr entgegen kam, aber ganz vermeiden konnte sie die Kollision nicht. Es war nicht viel mehr als eine sanfte Berührung, doch bei diesen hohen Geschwindigkeiten konnte auch das gravierende Auswirkungen haben. Während der größere und massigere Gleiter seinen Flug offfenbar recht unbeeindruckt fortsetzte, geriet das Speederbike komplett außer Kontrolle. Es scherte aus der Fahrtrichtung aus und es war ein reines Wunder, dass es dabei keinen weiteren Crash baute. Der Pilotin gelang es nicht, die Kontrolle zurückzugewinnen. In steilem, schlingerndem Sinkflug steuerte sie auf die Dächer der Gebäude unter ihnen zu. Sie verschwand hinter einer großen Reklametafel, wodurch die Verfolger nicht sehen konnten, was mit ihr geschah. Doch dann stieg eine bläulich-schwarze Rauchsäule auf, die davon kündete, dass sie ihr Bike nicht heil auf dem Flachdach gelandet hatte.
»Sieh nach, ob du in der Nähe landen kannst!« sagte Nen-Axa zu der Kopfgeldjägerin. Er deaktivierte seine Klinge und setzte sich wieder, blieb aber höchst angespannt.
Es war dunkel auf dem Dach. Die große Reklametafel verhinderte, dass Lichter der Straßen und Nachbargebäude hierher schienen. Die Absturzstelle lag in nächtlicher Schwärze. Dennoch konnten sie beim Überflug sehen, dass das Bike so schnell nicht wieder starten würde. Sein Wärmesinn ließ den Arcona einige Details des Brandes erkennen, der sich in dem Wrack ausbreitete. Die Silhouette der Pilotin konnte er aber nicht erkennen. War sie bei der Bruchlandung aus dem Sattel geschleudert worden, vielleicht sogar von dem Gebäude gestürzt?
Aus einer Nische zuckte ein weiterer Blasterstrahl in ihre Richtung. Er war auf Nen-Axa gezielt und er hatte nicht die Zeit, seine Waffe erneut zu aktivieren. Doch dank seiner Jedi-Reflexe legte er den Kopf gerade im richtigen Moment in den Nacken. Dicht vor seinem Gesicht zuckte das glühende Geschoss vorbei, den Geruch von Ozon verbreitend.
»Alle in Deckung!« rief er. »Sie ist da hinter dem Kasten!«
Bei dem eckigen Aufbau auf dem Dach handelte es sich möglicherweise um die Klimaanlage des Gebäudes. Das Konstrukt war groß genug, um einer Person oder mehreren Deckung zu bieten. Die Gesuchte hatte ihre Bruchlandung also nicht nur überlebt, sondern sie war sogar noch in der Lage gewesen, ihren Verfolgern einen kleinen Hinterhalt zu legen! Natürlich leuchteten augenblicklich wieder die Lichtschwerter auf, bereit, weitere Schüsse abzuwehren. Und diese ließen nicht lange auf sich warten.
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