In meiner Grundausbildung gab es einen Soldaten, der machte normal mit bei der vorbereitenden Waffenausbildung. Als es dann erstmals zum Schießen ging, lag er dort und konnte einfach nicht abdrücken. Das hatte nichts mit der "Angst vor dem Schuß(knall)" zu tun. Er lag dort einfach einige Zeit, sicherte dann die Waffe, stand auf und meldete ganz normal, daß er nachträglich verweigern will.
2 1/2 Jahre später kam ein Obergefreiter (!) an, der ebenfalls nachträglich verweigern wollte . Er wolle mit Waffen nichts mehr zu tun haben. Ok, muß man akzeptieren - allerdings sollte er sich dann nicht dabei erwischen lassen, wie er in der Mittagspause nach (!) seiner Meldung dabei ertappt wird, wie er Waffen in die Hand nimmt oder ähnliches. Da war dann auch seine nachträgliche Verweigerung erledigt..... Oben erwähntes Eigentor.
In unserer Kaserne gab es einen Soldaten - einen Zeitsoldaten Unteroffizier - der in Jugoslawien eingesetzt war. Meines Wissens nach wurde er auf eigenen Wunsch vorzeitig abgelöst und verweigerte nachträglich den Wehrdienst bzw. fühlte sich nicht mehr in der Lage, den Dienst an der Waffe weiter zu versehen. Ob ein bestimmtes Ereigniss diesen Sinneswandel ausgelöst hat, ob es sein allgemeines Erlebnis oder die Erfahrung war, die er dort unten durchgemacht hat, kann und will ich nicht sagen. Soweit ich weiß, wäre er durchaus noch in der Lage gewesen, sich selbst und andere altiv zu verteidigen, allerdings war er nicht mehr dazu bereit, Soldat zu sein.
Man kann die Seele, das Empfinden oder die Entwicklung keines Menschen vorab analysieren oder seine Handlungen voraussagen. Viele können sich selber noch nicht einmal einschätzen. Sicherlich gibt es auch Leute, die einzig aufgrund von Faulheit, Bequemlichkeit oder was auch immer nachträglich verweigern - und das gilt nicht nur für Wehrpflichtige. Allerdings verstehe ich durchaus die Soldaten, die dies aus ernstgemeinten Gründen tun.
Abgesehen von einem Luftgewehr habe ich mein ganzes Leben vorher niemals eine (Schuß)Waffe in den Händen gehabt. Als es dann soweit war, hatte ich ein komisches Gefühl, denn - im Gegensatz zu vielen anderen Menschen - war ich mir der Tatsache durchaus bewußt, was für ein gefährliches Instrument ich da in meinen Händen habe und was ich damit anrichten kann. Ich hatte niemals Angst vor der Waffe, aber immer einen gesunden respekt. Manche kommen erst später zu dieser Erkenntnis. Wenn sie einen Schießunfall sehen. Oder die Trefferwirkung eines MGs auf Sandsäcke usw. usf.. Oder wenn sie in eine Krisengebiet kommen und die dortige Zerstörung sehen. Ihre ersten toten Menschen (ich beziehe mich da mal auf obige Beispiele). Eine solche Entscheidung ist auch niemals oder nicht immer ein spontaner Entschluß, sondern oft ein längerer Denkprozeß, bei dem der Soldat sowohl mit seinem Gewissen als auch mit seinem Ansehen als "Mann" hadert (so albern sich das auch anhört - aber wir kennen alle dieses Rollendenken und den Gruppenzwang, dem man sich ausgesetzt fühlt). Auch ich selber habe in meinen 4 Jahren ab und zu mal gewzeifelt (ich erwähnte schonmal die Geschichte, wo man auf mich schoß bzw. ich meine Waffe ziehen mußte), auch wenn ich mir vorher nie Illousionen gemacht habe. Trotzdem hätte ich auch nie sagen können, wie ich wirklich im "Ernstfall" reagiert hätte oder wie ich es - auch emotional verkraftet hätte. Denn das kann niemand sagen.
Manche wissen - sponaten oder nach einem Denkprozeß - das "das" nichts für sie ist und entscheiden sich doch noch einmal dagegen. Andere machen sich was vor und bezahlen dafür dann später (oder andere machen das für sie
). Sicherlich kann man durchaus behaupten, wie du es gesagt hast, Sabermaster, daß sie sich für Härter gehalten haben. Aber was ist denn dann an der (Selbst)Erkenntnis so schlimm, daß sie es nun doch nicht sind (*)? Es ist ein Lehr- und Erfahrungswert. Vielleicht sogar ähnlich eines Praktikums oder einer Berufsausbildung, in der man sich (selber?) etwas vorgemacht hat und nun zu der Erkenntnis kommt, daß man das falsche tut.
(*) Als aktiver Soldat wäre ich froh über eine solche frühzeitige Selbsterkenntnis, als das man im Einsatz dann plötzlich einen Mann hat, auf den man sich nicht mehr verlassen kann.....auch wenn er es nicht unbedingt böse meinte.