Da der Herr Feldmarschall im Urlaub verweilt übernehme ich das heute mal:
Heute vor exakt 200 Jahren wurde bei der Ortschaft Waterloo im heutigen Belgien jene Schlacht geschlagen, die Napoleon Bonapartes Herrschaft endgültig beenden sollte.
Napoleon, 1814 auf die Mittelmeerinsel Elba verbannt, beobachtete von dort die wachsende Unzufriedenheit der Franzosen unter der widerhergestellten Monarchie unter König Ludwig XVIII.
Anfang 1815 sah Bonaparte seine Chance gekommen. Am 1. März landete er mit etwa 1000 Getreuen in Antibes. Sein Marsch auf Paris wurde zu einem Triumphzug, als sich immer mehr Truppen, die eigentlich geschickt waren, ihn aufzuhalten zu Napoleon überliefen. Darunter auch sein ehemaliger Marschall Michel Ney, der noch beim Abmarsch in Paris geschworen hatte, Bonaparte in einem Käfig zurück in die Hauptstadt zu bringen.
Die noch beim Wiener Kongress tagenden Siegermächte von 1814 konnten die Rückkehr Napoleons natürlich nicht widerstandslos hinnehmen, und beschlossen sofort die Aufstellung eines ca. 700.000 Mann starken Heeres, um den Korsen erneut in die Schranken zu weisen. Dies wusste Bonaparte natürlich, doch ebenso wusste er, dass die Anmarschwege aus Österreich und Russland lang waren, und das er schnell handeln musste, wollte er in dem heraufziehenden Konflikt eine Chance haben seine wiedererlangte Macht gegen die äußeren Feinde zu sichern.
Im Laufe des Frühjahres hob er folglich eine neue Armee aus, die er alsbald gedachte in Marsch zu setzen. Die insgesamt ca. 120.000 Mann starke Armée du Nord war lange nicht die Grande Armée vergangener Tage, weder was die Soldaten noch die Führung anging. Napoleons alter Generalstabschef Berthier war tot, Murat in Ungnade gefallen, und viele andere hohe Offiziere standen ebenfalls nicht zur Verfügung, da sie entweder im Ruhestand waren, oder - anders als Ney - an ihrem Treueeid auf Ludwig XVIII. festhielten. Schließlich wurde Nicholas-Jean de Dieu Soult Generalstabschef, obwohl ihm dazu die nötige Ausbildung fehlte, Emmanuel de Grouchy sollte den rechten Flügel der Armee führen, obwohl er zuvor nie mehr als ein Korps befehligt hatte und Ney - ein Kämpfer, dem es allerdings an operativen Fähigkeiten fehlte - übernahm den linken Flügel. Louis-Nicholas Davout, der wohl fähigste Kopf in der neuen militärischen Führung, beließ Bonaparte in Paris, um als Kriegsminister die Hauptstadt gegen eventuelle Aufstände zu sichern.
Über Spione hatte Napoleon unterdessen erfahren, dass sie die Gegner in den vereinigten Niederlanden begannen zu sammeln. Die Preußen unter Gebhard Lebrecht von Blücher im Raum Lüttich - Dinant -Charleroi sowie eine britische Armee verstärkt durch Niederländer, Hannoveraner, Braunschweiger und Nassauer unter dem Duke of Wellington im Raum Brüssel - Gent - Mons.
Napoleons Plan sah vor mit seiner zusammengezogenen Armee zwischen die verstreut liegenden Korps des Gegners zu stoßen, diese nacheinander anzugreifen und über die innere Linie wahlweise den rechten oder den linken Flügel zu verstärken. Zudem wusste Napoleon, dass die Nachschub- Rückzugswege seiner Gegner auseinanderstrebten. Die der Preußen nach Osten, die der Briten nach Norden zu den Kanalhäfen, sodaß er davon ausgehen konnte, dass sich beide Armeen in verschiedene Richtungen zurückziehen würden, was es ihm erleichtern würde, deren Vereinigung zu verhindern.
Am 15. Juni überschritt die Armée du Nord die Grenze, am Abend nahm Napoleon Quartier in Charleroi. Beim Abendessen erfuhr Wellington, dass französische Aufklärer die für die geplante Vereinigung mit Blüchers Armee immens wichtige Kreuzung Quatre-Bras erreicht hatten. Wellington war davon ausgegangen, dass Napoleon ihn rechts versuchen würde zu umgehen und begonnen, seine Armee 11km westlich von Quatre-Bras bei Nivelle zusammen zu ziehen. Jedoch hatte der niederländische Befehlshaber bei Quatre-Bras die strategisch wichtige Lage der Kreuzung erkannt und den Befehl nach Nivelles zu gehen ignoriert, sodasß nun zwei Brigaden die Kreuzung hielten. Ney, der in einer ähnlichen Situation in Spanien schlechte Erfahrungen gemacht hatte, als er beim Angriff auf vermeintlich leichte Kräfte mitten in Wellingtons eingegrabene Hauptstreitmacht gelaufen war, führte den Angriff zunächst nur zögerlich und verpasste so die große Chance, die Kreuzung zu nehmen, bevor Verstärkung eintraf.
Etwa zeitgleich begann auf dem rechten Flügel die Schlacht von Ligny, Napoleons letzter Sieg, gegen Blüchers Preußen. Der ungestüme, als "Marschall Vorwärts" bekannte Blücher hatte seine Truppen schlecht aufgestellt und begünstigte so den französischen Sieg, der jedoch deutlicher ausfallen müssen. Zwar konnte Napoleon den Rückzug der Preußen erzwingen, verpasste es jedoch Blüchers Armee zu zerschlagen. Ney hatte sich bei Quatre-Bras festgebissen, und konnte keinerlei Verstärkungen für einen energischeren Angriff abstellen. Schlimmer noch: Durch widersprüchliche Befehle irrte ein komplettes französisches Korps den ganzen Tag lang zwischen beiden Schlachtfeldern hin und her, ohne an einer der beiden Schlachten teilzunehmen. Zudem war Blücher während der Schlacht verwundet worden und wurde von seinem Generalstabschef August-Neidhardt von Gneisenau vertreten, der sich nicht nach Osten Richtung Lüttich zurückzog, sondern nach Wavre im Norden, von wo es möglich sein würde zu Wellington zu stoßen, zumal mit dem IV. Korps (von Bühlow) frische Kräfte im Anmarsch waren. Bonaparte hatte Grouchy mit 33.000 Mann losgeschickt, die Preußen zu verfolgen und zu binden, was sich jedoch im weiteren Verlauf als fatal erweisen sollte.
Als Wellington am Abend von der preußischen Niederlage bei Ligny hörte, vermutete er zurecht, dass die Franzosen sich schon bald mit ihrer Hauptmacht ihm zuwenden würden. Daher rückte er am Morgen des 17.6. ab und nahm Stellung zwischen dem Städtchen Braine-l’Alleud und dem Meierhof Papelotte. Seine Hauptmacht bezog Defensivpositionen beiderseits der Straße von Charleroi nach Brüssel entlang eines Höhenzuges, dem vor dem rechten Flügel das Schloss Hougoumont, in der Mitte der befestigte Gutshof La Haye Sainte und dem linken Flügel die Höfe Papelotte, La Haye und Fichermont vorgelagert waren.
Napoleon stellte sein Truppen ca. 2km entfernt in Schlachtordnung auf, und legte den Angriffsbeginn auf dem 18.6. um 9:00h morgens. Allerdings regnete es die ganze Nacht hindurch sehr stark, was die Beweglichkeit der Truppen, besonders der Artillerie, sehr stark einschränkte. Deswegen wurde der Angriffsbeginn auf 11:30 verschoben.
Doch bereits vor dem Beginn der Auseinandersetzung beging Napoleon einen schwerwiegenden Fehler. Obwohl er durch Spione erfahren hatte, dass sich die Preußen nach Wavre statt nach Lüttich zurückzogen, unterließ er es Grouchy entsprechenden Befehle zukommen zu lassen, die ihn nach Wavre beordert und mit der französischen Hauptmacht hätte Fühlung halten lassen können. Offenbar unterschätzte Bonaparte die Fähigkeiten der Preußen, sich nach der Niederlage bei Ligny so schnell sammeln zu können, um in die Schlacht einzugreifen.
Um 11:30 eröffneten die Franzosen die Schlacht mit einem Angriff der 6. Infanteriedivision unter Jérôme Bonaparte auf das Gehöft Hougoumont, welches jedoch von einem britischen Garderegiment sowie Braunschweigern und Nassauern zäh verteidigt wurde. Gegen Mittag begannen die Franzosen die Gebäude mit Haubitzen zu beschießen, woraufhin die Scheune Feuer fing, in dem viele der dort liegenden Verwundeten umkamen.
Der Angriff auf den linken Flügel der Alliierten – der eigentliche Hauptangriff, die Attacke gegen Hougoumont sollte lediglich eine Ablenkung sein – begann um 13:30h mit einer Kanonande aus 70 Geschützen. Der linke Flügel lag auf einem Höhenzug zwischen den Höfen La Haye-Sainte und Papelotte. Auf dem Höhengrat ein Weg, links und rechts von Ilexhecken flankiert. Dort standen die Scharfschützen der 95th Rifles verstärkt durch niederländische Einheiten, dahinter dann die schottische Infanterie (Picton) und 200m hinter diesen die Unions-Kavallerie (Ponsonby) bestehend aus den Inniskillings, den Royals und den Scots Greys. Wegen der Kanonade zog Wellington die Infanterie zeitweilig bis zu 100m hinter die Hügelkuppen zurück. Um 14:00h schließlich begann der Angriff der Franzosen unter Ney mit einer Attacke des I. Korps (d’Erlon) auf das Gehöft La Haye-Sainte. Dieser Hof sollte zum Fels in der Brandung werden. Gehalten von ca. 400 Hannoveranern aus dem 2. Leichten Batallion der King’s German Legion unter Major Georg Baring sollten den Hof den ganzen Tag über gegen eine erdrückende Übermacht behaupten. Da die Franzosen den Hof nicht nehmen konnten, stürmten sie um ihn herum die Hügel hinauf, wo sie unter möderisches Feuer der Scharfschützen gerieten, weswegen Ney die Niederländer angreifen ließ. Als diese zurückwichen ließ Picton seine Highlander vorrücken, als die Franzosen noch versuchten die dornigen Ilexhecken zu überwinden. Zusätzlich führte Ponsonby die Unionskavallerie ins Gefecht, die den französischen Angriff bis unter deren Batterien zurückwarf. Sowohl Picton als auch Ponsonby fanden dabei den Tod, und die Unionskavallerie ging in einem mörderischen Gegenangriff der Ulanen der französischen Chevauxlegeres unter. Gut die Hälfte der britischen Reiterei blieb dabei auf dem Schlachtfeld, aber der erste große Angriff war abgeschlagen und 3000 Franzosen in Gefangenschaft.
Gegen 15h ließ Ney wiederum La Haye-Sainte angreifen und wurde wiederum abgewiesen, jedoch hatten die Hannoveraner kaum noch kampffähige Männer und nur noch 4-5 Schuss Munition pro Soldat.
Es folgte eine erneute Kanonade auf das Zentrum der Alliierten, diesesmal mit 84 Geschützen dem ein Kavallerieangriff der schweren Reiterei auf das Zentrum Wellington’s erfolgte. Trotz Kartätschenfeuers erklomm die Reiterei die Hügel, geriet dann jedoch, als sie nur noch 30m von diesen entfernt war, unter mörderischen Gewehrfeuer der Infanterie, die sich in Karrees aufgestellt hatten und in dieser Formation für dieses Zeitalter schnell und massiv auf die heranpreschenden Reiter feuern konnte. Was Ney anschließend dazu trieb, noch zwei weitere solcher Kavallerieattacken führen zu lassen, den letzten mit 77 Schwadronen, bleibt bis heute rätselhaft. Beide Angriffe wurden durch die fest stehenden Alliierten abgewiesen, auch weil keinerlei Infanterie nachgeführt wurde.
Diese stand hauptsächlich im Kampf um die Gehöfte. Hougoumont war zu gut befestigt und konnte nicht genommen werden; La Haye-Sainte hingegen musste gegen 18h geräumt werden. Von den 400 Hannoveranern waren nur noch 42 einsatzfähig, jedoch war die Munition endgültig aufgebraucht.
Wellington’s Heer war inzwischen auf knapp die Hälfte zusammengeschmolzen. Zwar hatten auch die Franzosen große Verluste erlitten, jedoch waren sie nah an die Hauptlinie des Gegners herangekommen, und konnten noch immer hoffen diese im Laufe des Abends zu durchbrechen. In dieser Situation soll Wellington seinen berühmten Satz „Ich wollte es wäre Nacht, oder die Preußen kämen.“ gesagt haben.
Diese waren in Gestalt des frischen IV. Korps unter Friedrich-Wilhelm Bülow von Dennewitz seit ca. 16:30h am östlichen Rand des Schlachtfeldes an den Kämpfen beteiligt, indem sie die Einheiten von General Lobau vor sich hertrieben, der sich auf das Dorf Plancenoit zurückziehen musste. Dort brachte er den preußischen Vormarsch vorerst zum Stehen, auch weil im Napoleon zwölf Batallione der Jungen Garde mit 24 Kanonen zur Verstärkung geschickt hatte. Die preußische Streitmacht war jedoch inzwischen auf über 45.000 Mann angewachsen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Plancenoit fallen würde.
In dieser Situation setzte Bonaparte alles auf eine Karte. Um vor dem Durchbruch der Preußen seinerseits Wellington’s Linie zu durchbrechen schickte er die Alte Garde los. Die verbleibende Infanterie Neys sowie 10 Batallione der berüchtigten Alten Garde gingen frontal gegen die Linien der Alliierten vor, doch es war zu spät. Die Alliierten unter der persönlichen Führung Wellingtons schlugen die Franzosen zurück, die sich bei Belle Alliance sammelten, Lediglich die Garde bewahrte halbwegs Haltung. Ihrem kommandierenden General Etienne Cambronne wird in dieser Situation das geflügelte Wort „Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!“ zugeschrieben, wobei andere Quellen behaupten Carbonne habe angesichts einer in der Nähe in Stellung gehenden britischen Batterie schlicht „Merde!“ gerufen.
Etwa zeitgleich als die bis dahin noch immer mit dem Nimbus der Unbesiegbarkeit ausgestattete Garde unterging fiel auch der Weiler Plancenoit und die Preußen drückten das Schlachtfeld von Osten her zusammen. Der Rückzug der Franzosen über Charleroi nach Laon artete schon bald in eine wilde Flucht aus, bei der so ziemlich alles schwere Gerät einschließlich der Feldequipage des Kaisers zurückgelassen werden musste.
Die Verluste auf beiden Seiten waren gewaltig. Die Franzosen hatten 25.000 Tote und Verwundete zu beklagen sowie 7.000 Gefangene und den Verlust von 182 Geschützen. Auf Seiten der Alliierten fanden ca. 21.000 Soldaten den Tod oder wurden verwundet.
So endete Napoleons erneuter Griff nach der Macht in Frankreich und Europa nach knapp 100 Tagen. Er selbst wurde auf die Insel St. Helena verbannt, wo er 1821 starb. Seinem Mythos tat die Niederlage jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass er in den 20 Jahren zuvor Europa verändert hatte, wie kaum jemand vor oder nach ihm, und wir heute noch immer die Folgen des napoleonischen Zeitalters spüren. Interessant: Laut einer aktuellen Umfrage unter Besuchern der historischen Stätten in Belgien glaubt fast die Hälfte dieser, dass Napoleon die Schlacht gewonnen hätte.
In Preußen, bzw. Deutschland hieß die Schlacht im übrigens bis ins 20. Jh. hinein „Schlacht bei Belle Alliance“, was vor allem auf Blücher zurückgeht, der sie in seinen Memoiren und seinem Schriftwechsel stets so nannte, während in Frankreich, Belgien und England seit jeher der Terminus „Schlacht bei Waterloo“ geläufig ist.
Zum geflügelten Wort wurde die Schlacht schließlich im Ausspruch „Sein Waterloo erleben“ als Beschreibung eines kompletten Scheiterns.
C.