Heute vor genau 70 Jahren,am 22.06.1944,pünktlich zum 3.Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjet-Union,begann die sowjetische Operation „Bagration“,welche zur Vernichtung der deutschen Heeresgruppe Mitte führen sollte,zum berühmten Kessel an der Beresina.
Am 26.061944 schrieb Josef Goebbels folgendes in sein Tagebuch: ,,Wie aus heiterem Himmel trifft die Nachricht ein, daß den Bolschewisten ein Durchbruch
großen Stils gelungen ist."1 Dieser Eintrag zeigt, wie sehr sich nicht nur Adolf Hitler sondern auch die Militärführung im Bezug auf die sowjetischen Offensivabsichten des Sommers 1944 geirrt hatte. Denn auf deutscher Seite war man nach den Erfolgen der
sowjetischen Winteroffensive überzeugt, daß der Hauptangriff der Roten Armee im Süden stattfinden würde . Im Verlauf der Winteroffensive hatte die Rote Armee nicht nur fast die gesamte Ukraine und die Krim zurückerobert,
sondern auch Leningrad aus seiner fast dreijährigen Belagerung befreit.
Als dann im Frühjahr 1944 eine Kampfpause eintrat, hatte sich das Blatt weiter zu Gunsten der Roten Armee gewendet. Durch die Winteroffensive der Roten Armee
war der Winter 1943/44 ein reiner Überlebenskampf für die deutschen Truppen an der Ostfront. Die operative Freiheit war verloren gegangen, gleichbedeutend damit , daß die Initiative endgültig an die Sowjetunion übergegangen war. Zudem war durch den Verlust der Ukraine der rechte Flügel der Heeresgruppe Mitte völlig entblößt, da sich von Witebsk bis Brest ein 1200 km langer Frontbogen erstreckte, der im Verhältnis zu seiner Länge viel zu schwach besetzt war .
Dies war die Lage, als auf beiden Seiten das Überlegen begann, wo die Sommeroffensive stattfinden würde. Wie sich herausstellte, hatte sich die Sowjetführung für den Angriff auf Weißrußland entschieden, während man auf deutscher Seite den Angriff im Süden erwartete. Zusätzlich lenkte die Invasion der Westalliierten in Frankreich am 06.06.1944 die Aufmerksamkeit in Deutschland auf den neueröffneten Kriegsschauplatz im Westen.
Zu den zahlreichen Fehleinschätzungen auf deutscher Seite kam das starrsinnige Beharren Hitlers, dem ,,politische und wirtschaftliche Überlegungen und seine
eigenen Vorurteile" wichtiger waren als Meldungen des Militärischen Nachrichtendienstes,der Abwehr vorallem der Abteilung „Fremde Heere Ost“ Die exzellente Organisation und Geheimhaltung auf sowjetischer Seite waren weitere Faktoren. Diese Aspekte führten dazu, daß die Heeresgruppe Mitte in Weißrußland eine Niederlage erlitt, die Paul Carell mit der Niederlage der Römer gegen Hannibal - im Jahr 216 v. Chr. vernichtete dieser zwei römischen Heere bei `Cannae`- gleichsetzte.
Auf sowjetischer Seite begann im März 1944 eine ausgedehnte Analyse der gesamten Front durch das Staatliche Verteidigungskomitee und den Generalstab der Roten Armee.. Diese Analyse hatte zum Ziel, Schwachpunkte der deutschen Frontlinie zu finden, um den noch auf sowjetischem Boden verbliebenen deutschen Armeen eine entscheidende Niederlage zuzufügen. Nach Abschluß
dieser Analyse erkannte man nun vier Möglichkeiten für eine Offensive im Sommer 1944. Die erste Option bot sich beinahe von selbst an, denn es lag nahe, im Süden anzusetzen, dort wo man im Winter sehr erfolgreich gewesen war. Aus der Ukraine heraus gab es die Möglichkeit, in Richtung Südpolen und Balkan vorzustoßen, um das Deutsche Reich von mehreren Verbündeten abzuschneiden. Der zweite Weg aus der Ukraine heraus wäre ein gigantischer Zangenangriff in Richtung Ostsee , um die Heeresgruppe Nord unter Generalfeldmarschall Georg von Küchler und die Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Ernst Busch abzuschneiden. Und zu vernichten.Doch mittlerweile hatte man auf sowjetischer Seite aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und eingesehen, daß beide Unternehmen die Kräfte der
Roten Armee überfordert hätten. Eine dritte Möglichkeit wäre gewesen, im Norden den Hauptschlag zu inszenieren, um Finnland aus dem Krieg zu drängen und das Baltikum zurückzuerobern. Jedoch hätte eine Hauptoffensive im Norden nur einen geringen Teil der Kräfte beansprucht. Außerdem befand man auf Höhe der Heeresgruppe Nord die deutsche Verteidigung noch für zu stark. Es wurde jedoch beschlossen, im Vorfeld der Operation ,,Bagration" eine Offensive im Norden zu in-
szenieren, um das Interesse der Deutschen dorthin zu verlagern.
Die vierte Möglichkeit war ein Angriff auf die Heeresgruppe Mitte in Weißrußland. Diese Möglichkeit wurde schließlich auch gewählt. Die Grundsatzentscheidung zu Gunsten der vierten Angriffsoption fiel Ende April 1944. Diese Option sah vor, die Heeresgruppe Mitte anzugreifen, da die Vorteile auf der Hand lagen. Ein derartiger Angriff würde im Erfolgsfall die schwach besetzten Feldarmeen,die 4.Armee unter General der Infanterie Kurt von Tippelskirch ,die 9.Armee unter General der Infanterie Hans Jordan,die 2.Armee unter Generaloberst Walter Weiß sowie die 3.Panzerarmee unter Generaloberst Georg-Hans Reinhardt, , der Heeresgruppe Mitte weiter schwächen, die Heeresgruppe Nord abschneiden, das eigene Territorium in den Grenzen von 1939 zurückerobern und den Weg nach Warschau und Berlin freimachen. Im Mai 1944 begannen Marchall der Sowjet-Union Georgie Konstantinowitsch Schukow und Marschall der Sowjet-Union Alexander Michailowitsch Wassilewski, einen Plan für die Operation in Weißrußland auszuarbeiten. Der Entwurf dieses Planes wurde Stalin am 20. Mai vorgelegt und während einer Konferenz am 22. und 23.05.1944 diskutiert. Am 31. 05.1944genehmigte Stalin den Angriff und taufte die Operation auf den Namen ,,Bagration" nach einem Helden des Bürgerkriegs von 1812,dem georgisch-russischen General Pjotr Iwanowitsch Bagration.
Im Zuge der Gesamtplanung wurde nun auch beschlossen, vorab im Norden eine Offensive zu eröffnen um die Kräfte der Heeresgruppe Nord zu binden.
Der Beschluß, kurze Zeit später die Heeresgruppe Mitte anzugreifen, machte eine Umstrukturierung der Führungsebenen auf sowjetischer Seite nötig. Die Stawka
bildete zwei Gruppen, denen die vier an der Operation beteiligten Fronten unterstanden. Der Gruppe A unter Marschall Wassilewski waren die 1. Baltische Front unter dem damaligen Armeegeneral und späteren Marschall der Sowjet-Union Hovhannes Baghramjan und die
3. Weißrussische Front unter dem damaligen Generaloberst und späteren Armeegeneral Iwan Danilowitsch Tschernjachowski unterstellt.Der Gruppe B unter Marschall Schukow waren die 1. Weißrussische Front. Unter Marschall der Sowjet-Union Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski und die 2. Weißrussische Front unter dem damaligen Generaloberst und späteren Marschall der Sowjet-Union Matwie Wasiljetitsch Scharaow.
Außerdem mußten die Fronten erheblich verstärkt werden um ein Kräfteübergewicht zu erzielen. Dies stellte einen enormen Anspruch an die Logistik dar, da 40% der russischen Infanteriearmeen und sogar 80% der Panzer-
armeen im Süden standen.9 Erschwerend kam hinzu, daß die Verstärkungen aus dem Süden geheim zu den jeweiligen Fronten gebracht werden mußten. Das Gros der Verstärkungen war für die 1. und 3. Weißrussische Front bestimmt, da diese beiden die Offensive eröffnen sollten. Vorgesehen war, die Offensive mit einem Angriff auf Witebsk zu eröffnen und die dort konzentrierten deutschen Flankengruppen einzukesseln. Hierfür waren die 1. Baltische und die 3. Weißrussische Front bzw. die 1. Weißrussische Front vorgesehen.
Die 2. Weißrussische Front sollte etwas später frontal die deutschen Truppen bei Mogilev und Orscha angreifen. Dann sah der Plan vor in Richtung Minsk vorzu-
stoßen, die Stadt mit der 1. und 3. Weißrussischen Front zangenförmig zu umfassen und dort die Kerntruppen der Heeresgruppe Mitte einzukesseln.
Um diese Pläne erfolgreich durchzuführen, mußten zwei Voraussetzungen gewährleistet werden: Zum einen Geheimhaltung und erfolgreiche Täuschung, zum anderen
eine äußerst gute Aufklärung.
Nachdem man alle Informationen und möglichen Ereignisse einkalkuliert und die Planungen abgeschlossen hatte, wurde beschlossen zwischen dem 15.06.1944 und 20.06.1944
die Offensive zu starten. Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Operation war die Herstellung
eines Kräfteübergewichts. Hierfür waren enorme Umgruppierungen und Verstärkungen nötig, die von den Deutschen nicht bemerkt werden durften, wenn man den Überraschungseffekt nicht verlieren wollte. Man mußte also enorme Mengen an
Ausrüstung aus dem Landesinneren und ganze Armeen aus den Flanken unbemerkt
abziehen und zu den drei Weißrussischen Fronten und zur 1. Baltischen Front transportieren.Die Umsetzung dieses Vorhabens im genannten Zeitplan war von zwei Faktoren abhängig: Von der Eisenbahn, die durch derartige Anforderungen bis ans Limit beansprucht wurde und von einer erfolgreichen Verschleierung. Um die Geheimhaltung auch zu gewährleisten, beschloss die Stawka am 3. Mai 1944 die Operation ,,Maskirovka. Um die Wehrmacht zu täuschen mußten Angriffsort, Angriffsdatum und die enormen Truppenbewegungen geheim bleiben, was durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet werden sollte. Zunächst wurden den gesamten Monat Mai hindurch Ablenkungsangriffe und Manöver im Süden durchgeführt, um die Wehrmacht darin zu bestärken, daß der Angriff im Süden zu erwarten sei. Außerdem
wurde auf sowjetischer Seite absolute Funkstille gewahrt, die mit drakonischer
Disziplineingehalten wurde.
Trotzdem gelang es auf sowjetischer Seite nicht ganz, den Zeitplan einzuhalten, was jedoch nur auf die logistische Überforderung der Eisenbahn zurückzuführen war, die immerhin in kürzester Zeit Verstärkungen in Höhe von 400.000 Mann transportieren mußte. So fiel nun der Angriffstermin wie zufällig auf den 22. Juni 1944, den Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion.Was natürlich kein Zufall war,denn Daten wie der 22.06. hatten gerade bei Stalin immer hohe symbolische Bedeutung. War u.a. sehr gut bei der Rüpckeroberung von Kiew zu beobachten.
Eine wichtige Rolle für die Gesamtplanung spielten auch die Aufklärungsdaten. Die Aufgaben der sowjetischen Aufklärung waren die Überwachung der Geheimhaltung, die Überwachung von deutschen Truppenbewegungen und die systematische Beobachtung der deutschen Verteidigungsstellungen. Wichtig war hierbei, daß keinerlei Informationen durchsickerten, weil die deutschen Reserven in der Ukraine, die eine beachtliche Streitmachtdarstellten, auch in der Ukraine bleiben sollten.
Desweiteren waren genaue Informationen über die deutsche Verteidigung notwendig, um die eigene Planung zu optimieren. Um alle Aufgaben bewältigen zu können setzte die sowjetische Führung auf eine Aufklärung großen Stils. Dazu gehörten
sowohl Agenten wie auch Luft,- Boden,- und Funküberwachung.
Zusätzlich gab es im Hinterland der Heeresgruppe Mitte 61 Abhörposten der Partisanen, die ständig die Bewegungen und Aktionen der Heeresgruppe in Weißrußland meldeten.
Wie sich zeigte, war die sowjetische Aufklärung bei der Durchführung dieser Aufgaben sehr erfolgreich und damit auch ein Garant für die Operation Bagration, denn es war gelungen, detaillierte Daten über Position, Stärke und die Art der deutschen Verteidigung zu erhalten. Auf deutscher Seite war die Aufklärungsarbeit weniger erfolgreich. Detaillierte Daten, wie sie die sowjetische Aufklärung hatte, konnte weder die Abteilung Fremde Heere Ost, noch die militärische Abwehr ermitteln. Trotzdem es kaum gesicherte Aufklärungsergebnisse gab, wurden doch zumindest Anzeichen für eine größere Offensive der Roten Armee gegen die Heeresgruppe Mitte bemerkt, doch ,die militärische Führung hat sie nicht beachtet. Der Chef der Abteilung Fremde Heere Ost, der damalige Oberst und spätere Generalmajor Reinhard Gehlen, erwartete den sowjetischen Hauptschlag im Süden, entweder in Richtung Balkan, oder in Richtung Ostsee . Auch als er Mitte Juni einräumen mußte, daß ,ein Ansatz stärkerer Kräfte über den oberen Pripjet gegen die tiefe Flanke der Heeresgruppe Mitte nicht ausgeschlossen werden könnte wich er nicht von seiner vorgefaßten Meinung ab, daß die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte in diesem Sommer nur ein Nebenschauplatz sein würde. Als Begründung dafür nannte Gehlen fehlendes Kräftepotential auf Seiten der Roten
Armee. Der Hauptfehler Gehlens bzw. seiner gesamten Abteilung war wohl derselbe wie bei Adolf Hitler: Zur Beurteilung der eigenen Lage ,,benutzte Fremde Heere Ost nur diejenigen Informationen, die ihr ins Konzept paßten.Die Abteilung Fremde Heere Ost ignorierte demnach nicht nur die Anzeichen für eine sowjetische Offensive auf die Heeresgruppe Mitte, sondern beging auch den Fehler, das Kräftepotential der Roten Armee bei weitem zu unterschätzen.Auch muß hier erwähnt werden daß der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Ernst Busch eine eher schwache Persönlichkeit war der sich wann immer er Bedenken äusserte sich der starken Persönlichkeit Adolf Hitlers unterwarf und die sich abzeichenende Bedrohung auf Grund von Hitlers Einfluss schlicht weg „übersah“. Auch im Führerhauptquartier und in der Wehrmachtsführung ist man ,geblendet von dem Phantom einer Weichsel-Ostsee-Operation so daß die Anzeichen für einen Angriff auf die Heeresgruppe Mitte kurzerhand zu Täuschungsmanövern erklärt werden. Also erwartete man sowohl im Führerhauptquartier, wie auch in der Wehrmachtsführung den Hauptstoß der Roten Armee im Süden und beharrte darauf, daß die Angriffsvorbereitungen auf die Heeresgruppe Mitte nur eine Nebenoperation darstellten. Diese Meinung wurde kurzzeitig revidiert, nachdem der Angriff erfolgt war, doch am 24 Juni glaubte man im Führerhauptquartier nicht mehr, daß es sich um die große Sowjetoffensive handelt.. Es stellte sich jedoch schnell heraus, daß man die Rote Armee unterschätzt hatte. Außerdem lenkten sowohl die Sowjetische Karelienoffensive,welche am 10.06.1944 begannals auch die Front in Italien und die Invasion der Westalliierten am 06.06.1944 in der Normandie die Aufmerksamkeit der deutschen Führung ab. Diese Vernachlässigung
der Mittelfront zugunsten der anderen Kriegsschauplätze war ein weiterer entscheidender Fehler der deutschen Führung.
Schließlich kam noch die Ansicht Hitlers über die Ziele eines Krieges hinzu. Hitler selbst hatte seine Angriffsoperationen nach wirtschaftlichen Zielen geplant und daher das Donezgebiet und den Kaukasus wegen Öl, Kohle und Stahl als ,die Schlacht-
felder der Entscheidung angesehen. So sah er nun auch die Wichtigkeit Südost-
europas als wirtschaftliches Ziel. Da er selbst seine Prioritäten bei den wirtschaft-
lichen Faktoren setzte, unterstellte er seinem Gegner Stalin dasselbe. Aus dieser falschen Einschätzung heraus legte er sich darauf fest, daß der sowjetische Hauptangriff im Süden kommen mußte.
In die Reihe der Fehler Adolf Hitlers fügte sich auch sein Befehl Nr. 11 vom 08.03.1944 ein, den er im Mai auf die Städte Bobruisk, Orscha, Mogilew und Vitebsk prä-
zisierte, indem er diese zu festen Plätzen erklärte. Dieser Befehl definiert die Auf-
gabe der festen Plätze: ,,Sie haben sich einschließen zu lassen und dadurch
möglichst starke Feindkräfte zu binden!
Zusammen mit diesem Befehl sprach Adolf Hitler noch ein kategorisches Rückzugsverbot aus.
Die Summe dieser Fehleinschätzungen zog Konsequenzen nach sich, die sich zu Beginn der Operation ,,Bagration" verheerend auswirkten und rückwirkend betrachtet kriegsentscheidend waren. Da die sowjetischen Geheimhaltungsmaßnahmen und Ablenkungsmanöver der Wehrmacht erfolgreich das Bild vermittelten, daß der Generalangriff der Roten
Armee im Süden stattfinden würde, wurde der Großteil der deutschen Reserven im Raum der Heeresgruppen Nord- und Südukraine konzentriert. Diese Reserven umfaßten also vor allem Panzerverbände, nämlich vier Panzerkorps und zwei Panzergrenadierdivisionen. Zum Vergleich: In der Reserve der Heeresgruppe Mitte befand sich zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Panzerdivision.
Das bedeutete, daß die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte, die außerdem den Winter nicht zur Erholung hatte nutzen können, im Verhältnis zu ihrer Länge viel zu schwach besetzt war und auf keine nennenswerten Reserven im rückwärtigen Raum zurückgreifen konnte. Die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte erstreckte sich als 1200 km langer Frontbogen von Witebsk im Norden bis nach Brestden oben genannten Führererlass Nr. 11 wurden die Frontlinien noch weiter entblößt, da die Heeresgruppe Mitte sechs ihrer vierzig Divisionen abstellen mußte, um die oben genannten Orte zu Festungen auszubauen.
Weitere Kräfte der Heeresgruppe waren im rückwärtigen Raum durch die ständige Bedrohung des Nachschubs durch Partisanen gebunden und alle verfügbaren Luftwaffenreserven nach Frankreich abkommandiert worden, um dort die Invasion der Westalliierten abzuwehren.
Unter diesen Umständen ist es der Roten Armee auch gelungen, ein deutliches Kräfteübergewicht sowohl an Kämpfern, als auch an Material herzustellen und die Lufthoheit zu erringen.
In Zahlen waren das etwa 1,4 Mio Soldaten in 140 Divisionen und 24 Panzerbrigaden auf sowjetischer Seite gegen ungefähr 850.000 Soldaten in 40 Divisionen und
2 Panzerdivisionen auf Seiten der Heeresgruppe Mitte. Unter derartigen Voraus-
setzungen war es nicht verwunderlich, daß die Heeresgruppe Mitte, nachdem am
22.06.1944 der Angriff der Roten Armee begonnen hatte, innerhalb von wenigen Wochen überrannt wurde und zusammenbrach. Die Partisanenbewegung in Weißrußland hatte ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg der Operation Bagration. Im Frühjahr 1944 kämpften etwa 140.000 Partisanen als straff organisierte Bewegung unter der Führung der Kommunistischen Partei im rückwärtigen Raum der Heeresgruppe Mitte. In Weißrußland bot sich in den Wäldern und Sümpfen eine ideale Umgebung für Partisanentätigkeit, die es den deutschen Truppen schwer machte gegen die Bedrohung vorzugehen. Die Tätigkeit der Partisanen stieg ab April 1944 kontinuierlich an, obwohl die Antipartisaneneinheiten der SS in zwei groß angelegten Aktionen mit den Namen ,,Frühlingsfest" und ,,Regenschauer" relativ erfolgreich waren, was Verhaftungen und Aufdeckung betraf. Doch auch diese Erfolge konnten die Partisanentätigkeit nicht einschränken; sie hatten sogar noch den Nachteil, daß eine erhebliche Anzahl von Kräften gebunden wurde. Die Partisanen blieben dennoch eine permanente Bedrohung und kontrollierten weite Teile des Landes. Die unterbesetzten Sicherungstruppen der Wehrmacht mußten sich darauf beschränken die Hauptverkehrslinien zu sichern.
Während der Operation Bagration hatte der zentrale Partisanenstab den Befehl, bestimmte Landesteile zu befestigen, um Rückzugskorridore für die deutschen Truppen zu schaffen, die durch sowjetische Verbände schnell verschlossen werden konnten. Im Vorfeld des Angriffs, ab der Nacht vom 19. auf den 20.06.1944 begannen die
Partisanen groß angelegte Aktionen gegen die Versorgungslinien der Heeresgruppe Mitte. Schwerste Schäden, vor allem am Schienensystem, ließen den Nachschub der Heeresgruppe fast vollständig zum Erliegen kommen.
Auch diese Partisanenaktionen waren ein Faktor für den Erfolg des sowjetischen Angriffs, der am 22.06.1944 um 5.00 Uhr Morgens begann. Die 1. Baltische Front eröffnete die sowjetische Offensive mit schwerem Artillerie-
feuer und massiven Luftangriffen gegen die dritte Panzerarmee im Raum Witebsk. Innerhalb von zwei Tagen gelang es ihr das LIII. Korps unter General der InfanterieFriedrich Gollwitzer , welches den ,,festen Platz" Witebsk halten sollte, von Norden her einzuschließen. Als sich am 25.06.1944 westlich der Stadt die Flanken der 1. Baltischen und der 3.Weißrussischen Front trafen,
waren 35.000 Deutsche in Witebsk gefangen. Ein Ausbruchsversuch scheiterte ,und das LIII. Korps hörte auf zu bestehen. Nun begann die 1. Baltische Front einen Angriff auf die Südflanke der Heeresgruppe Nord, hauptsächlich um Entlastungsversuche aus dem Norden zu unterbinden
Die 3. Weißrussische Front hatte am 23.06.1944 die rechte Flanke der 3. Panzerarmee angegriffen und nach drei Tagen Orscha erobert. Daraufhin begann man den Vorstoß auf Minsk als nördlicher Umfassungsarm, wie es geplant war.
Der zweite geplante Umfassungsarm, die 1. Weißrussische Front, begann am
24.06.1944 und schloß bis zum 27.06.1944Bobruisk und damit den Großteil der 9. Armee ein. Dann begann auch hier der Vorstoß auf Minsk. Während also die beiden erstgenannten Fronten Minsk umfassen sollten, bestand die Aufgabe der 2. Weiß-
russischen Front zuerst in einem Angriff auf Mogilew, welches bis zum 28.06.1944 ebenfalls erobert wurde. Danach sollte ein Frontalvorstoß auf Minsk durchgeführt werden.
Ein kurzes Fazit am 27. Juni zeigt, wie verheerend die Lage in Weißrußland war. An diesem Tag begriff Adolf Hitler vielleicht zum ersten Mal, daß die Front seiner Heeresgruppe Mitte weit aufgerissen war. und enthob den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Busch, seines Kommandos. Zu diesem Zeitpunkt waren sowjetische Panzer und Kavallerie schon tief in deutsches Gebiet vorgestoßen, die zu Festungen erklärten Städte waren schon gefallen oder im Begriff dazu und die
3. Panzerarmee und die 9. Armee waren entweder eingeschlossen oder schon vernichtet. Die sowjetische Sommeroffensive hatte bereits nach wenigen Tagen die Heeresgruppe Mitte in ihren Grundfesten erschüttert und damit gleichzeitig die gesamte deutsche Ostfront in dem bestehenden Verlauf in Frage gestellt.
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