[Hyperraum - Route nach Rendili – schwer angeschlagener Vindicator Kreuzer Behemoth – Offiziersquartier von Norin Asharra] Norin Asharra
Er schrak hoch. Abermals war er über der Arbeit eingeschlafen. So würde er nie fertig werden bis sie das Rendili-System erreicht hatten. Die Arbeit musste delegiert werden. Die Minuten vergingen nur allzu rasch, während er eingenickt war. Schon wieder gähnte er und merkte, wie ihm die Lider schwer wurden. Es hatte keinen Zweck, so ging es nicht. Er aktivierte sein Com und stellte eine Verbindung zur Ersatzbrücke her.
„Lieutenant Terius, falls Ihnen langweilig ist, können Sie die Aufzeichnungen, die während der Schlacht gemacht worden sind analysieren und gleichzeitig führen sie noch eine schiffsweite Analyse durch, lassen alle Systeme checken. Und rufen Sie mich, bevor wir den Hyperraum verlassen“, es war keine Bitte, sondern ein Befehl. Terius bestätigte nur knapp, woraufhin Norin die Verbindung trennte und den Maschinenraum rief. Dort erkundigte er sich nach dem Fortschritt der Reparaturen. So wie es aussah, würden sie doch nicht gleich auseinanderbrechen. „Wie sieht es mit den Schildgeneratoren aus? Falls sie Probleme machen, ziehen Sie wieder Energie aus dem Lebenserhaltungssystem, etwas Kälte wird uns nicht gleich umbringen.“
„Momentan haben wir ausreichend Energie, Sir. Aber ich behalte die Option im Hinterkopf.“
„Tun Sie das“, dann trennte er die Verbindung und gähnte herzhaft. Er nahm die Dienstmütze vom Kopf und legte sie auf den Tisch. Müde streckte er die Beine aus und schaute zur Cam hoch, die in einer Ecke knapp unter der Zimmerdecke gut sichtbar befestigt war. Er hasste dieses Teil und wie er es hasste. „Verpìss dich“, sagte er, nahm ein Kissen und warf es in die entsprechende Richtung. Es traf die Cam, ohne Schaden anzurichten. Danach ließ er die Listen, Listen sein und schloss die Augen. Auch wenn er nicht wirklich schlief, sondern in Erwartung schlechter Nachrichten nur döste, war es erholsam und verschaffte zumindest dem Körper Zeit, ein wenig zu regenerieren. Seine Gedanken jedoch liefen im Kreis. Jede seiner Entscheidungen ging er durch, redete sich zum Schluss schon ein, zu viele Fehler gemacht, zu viele Fehlentscheidungen getroffen, unnötig Leben riskiert zu haben. Norin Asharra hasste die Verschwendung von Ressourcen – und in der zurückliegenden Schlacht waren jede Menge davon verbraucht worden. Dann war da wieder diese feindselige Stimme in ihm, die ihn beschuldigte, aus lauter Feigheit den Rückzug angetreten zu haben. Scheinbar gab es kein Entrinnen vor dieser Stimme und er rechnete sich bereits Konsequenzen aus, wenn sie das Rendili-System erreichten. Der Commander war nicht erfreut über die Schäden an seinem Schiff und er würde weiter meckern, so viel war gewiss. Leichter würde das Leben unter Commander Mengsk nicht werden, dessen war er sicher. Nur konnte er nicht schon wieder um Versetzung ansuchen. Es war verdammtes Pech gewesen, dass der Commander verletzt worden und somit die Schlacht bewusstlos auf der Krankenstation verbracht hatte. Vielleicht hätte er, Norin, besser aufpassen sollen. Doch vor dem trudelnden Bomber, Norin wusste nicht einmal mehr, was für ein Modell es gewesen war, hatte es kein Entrinnen gegeben. Die weiteren Handlungen waren protokollgemäß abgewickelt worden, das war automatisch abgelaufen, ohne dass er nachdenken hätte müssen. Doch nun hatte er die Zeit dazu und er fragte sich, ob seine Befehle alle so klug gewesen waren. Feigheit vor dem Feind, vielleicht hatte die Stimme recht. Das wenigste was ihm blühte, war eine unehrenhafte Entlassung, alles andere blendete er lieber aus. Er wusste, wie im Kriegsfall mit feigen Offizieren verfahren wurde.
Gerade malte er sich die schlimmsten Bilder aus, als sich die Brücke meldete.
„Terius hier, Sir, es tut mir leid, Sie zu wecken, aber wir erreichen in dreißig Minuten das Rendili-System“, erklang die Stimme des Lieutenants, ein wenig verzerrt und abgehackt zwar, aber verständlich.
„In Ordnung, bin gleich da. Der Maschinenraum soll die Schildleistung verstärken, bereiten Sie eine Nachricht an die Systemkontrolle vor, sobald wir in den Normalraum springen, absenden. Wir werden mit hochgefahrenen Schilden eindringen. Und evakuieren Sie sicherheitshalber alle Bereiche, die größere Strukturschäden aufweisen. Die Reparaturteams sollen sich von dort zurückziehen.“
„Aye Sir“, bestätigte der Lieutenant und trennte die Verbindung.
Er streckte sich, ging noch einmal in die Nasszelle und bespritzte sich das Gesicht mit kaltem Wasser, platzierte danach die Mütze an ihren angestammten Platz und lief zur Ersatzbrücke. Noch vor vor Commander Mengsk kam er dort an. Auf dem Weg dorthin traf er auf Reparaturmannschaften, die eifrig dabei waren, die schlimmsten Schäden auf ein Minimum zu reduzieren. Sie mussten hoffen, dass sowohl Schilde als auch Hülle die Belastung des Hyperraumfluges und die anschließende Rückkehr in den Normalraum aushielten. Die Belastung für das Material war dabei enorm.
„Bleiben Sie sitzen. Sind die Analysen fertig?“, fragte er Terius, kaum dass er die kleine Ersatzbrücke betreten hatte. Stehen schien dem Exil-Courscanti angenehmer zu sein, denn er fürchtete, sobald er saß, erneut einzunicken.
„Aye Sir. Alle Befehle wurden ausgeführt. Die Sensoren laufen momentan wieder so halbwegs, was heißt, wir können im Normalraum wieder „sehen“, die Kommunikation funktioniert, nur mit der Energieversorgung haben wir noch vereinzelt Probleme. Der Maschinenraum hat jetzt weitere Decks abgekoppelt, damit die essentiellen Systeme damit gespeist werden.“
„Sehr gut. Wie sieht …?“, weiter kam er nicht, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür zur Ersatzbrücke und spie Commander Mengsk, wieder in Uniform, und Major Manscherov aus. „Commander auf der Brücke“, rief ein Crewman eifrig, doch an der Geschäftigkeit auf der Ersatzbrücke änderte sich nichts. Norin hob die Augenbrauen, dann sagte er: „Für das Protokoll: Commander Mengsk übernimmt mit sofortiger Wirkung wieder das Kommando über die Behemoth.“ Erst jetzt wandte er sich an seinen Vorgesetzten, grüßte diesmal den Vorschriften entsprechend und sagte zu dem bärtigen Bastioner: „Sir, die Behemoth gehört Ihnen.“ Gedanklich fügte er noch hinzu: „Oder was davon übrig ist.“ Zur Krücke bemerkte er nichts, auch ersparte er sich jeden weiteren Kommentar über das Aussehen des Commanders, es wäre ohnehin zwecklos gewesen. Wenn Lieutenant Hanson meinte, Mengsk sei wieder diensttauglich, dann musste er sich damit begnügen.
„Wir verlassen den Hyperraum in 3 ...2 ...1 ...jetzt!“, meldete eine Person von einer der zahlreichen Konsolen, ohne auch nur aufzublicken. Die Behemoth erbebte in der ruckartigen Abbremsung in den Normalraum. Norin schien es, als sei das Schiff von den weißen Schlieren des Hyperraums gepackt und in den Normalraum geworfen worden. Ein weiterer Ruck durchfuhr den Kreuzer. Der überstrapazierte Durastahl, sämtliche Legierungen, welche die Hülle bildeten, ächzten und knarrten, schienen sich zu verformen, zu dehnen und wieder zu schrumpfen, zumindest in der Einbildung des XO. Unbewusst ballte er die Hände zu Fäusten und biss fest die Zähne zusammen, denn er rechnete mit dem Schlimmsten, nämlich einem totalen Hüllenbruch.
„Bereiten sie eine Nachricht zum Identifizieren vor, sobald wir gefragt werden wer wir sind will ich das sie sofort abgeschickt wird und wir so keinen Ärger erhalten!“, befahl der Commander, was den Mann an der Kommunikation sich herumdrehen ließ. „Die Nachricht wurde vorbereitet und mit der Rückkehr in den Normalraum an die Systemkontrolle abgeschickt, Sir“, gab der Mann Auskunft, wobei sein Blick kurz zu Norin wanderte, der die Hände nun in einer entspannt wirkenden Haltung hinter dem Rücken gefaltet hatte und dem Mann kaum merklich zunickte.
„In Ordnung, Ensign Kenten, weitermachen. Ich gab den Befehl dazu, Commander, als noch niemand wusste, dass Sie wieder das Kommando übernommen haben.“ Damit spielte er auf den fehlenden Logbucheintrag an und bemängelte gleichzeitig, nicht über den Wechsel informiert worden zu sein, da er ihn und die folgende Befehlskette direkt betraf. So etwas konnte leicht ins Auge gehen, denn es hinterließ unklare Kommandostrukturen. „Maschinen stopp und in Warteposition gehen“, ordnete er noch an, dann biss er sich auf die Unterlippe, da er schon wieder den Commander übergangen hatte.
Die Müdigkeit nagte noch schwer an ihm, ebenso die Selbstzweifel und er hoffte, das alles so lange verbergen zu können, bis sie ein Reparaturdock erreicht und er sich tatsächlich für einige Stunden zurückziehen konnte. Schlafen, dachte er und diese dumme Stimme zum Schweigen bringen. Schlafen, du Feigling, höhnte seine innere Stimme, während sie auf neue Befehle der Admiralität warteten.
[Rendili System – schwer angeschlagener Vindicator Kreuzer Behemoth – Ersatzbrücke] Norin Asharra, Arcturus Mengsk, Brückenbesatzung