[ Rendili-System – Orbit von Rendili V – VIN „Valkyrie“ – Kommandobrücke ] Sharin, Brückenbesatzung, über Holoverbindung Anwar Bolton, Gordon Aaronson, Arcturus Mengsk
Auf die überstürzten und unüberlegten Vorschläge der beiden untergeordneten imperialen Offiziere reagierte Mengsk mit einer klaren Absage. Der blauhäutige Captain musste ihm da zustimmen. Die vier übriggebliebenen Schiffe durch eine voreilige und zum großen Teil sogar unnötige Rettungsaktion zu riskieren passte vielleicht zu dem sehr emotionalen Aaronson, doch musste man hier eher mit dem Kopf als mit dem Herzen denken. Das konnte er seiner Einschätzung nach deutlich besser. Gleichsam sah es offenbar im Moment auch bei dem bärtigen Menschen aus, der sich sogar einen kurzen Moment den Respekt des Chiss verdient hatte. Um eine klare Abfuhr an seinen Kollegen und seinen scheinbaren Bruder im Geiste zu verteilen, brauchte man schon einiges an Rückgrat, was der aus einer bekannten Offiziersfamilie stammende Commander sogar wenigstens zu haben schien. Vielleicht konnte er den ranghöheren Humanoiden sogar noch anderweitig positiv beeindrucken.
Anwar Boltons Vorschlag hingegen war töricht, daran bestand kein Zweifel. Rein objektiv betrachtet war es kompletter Irrsinn, einfach blindlings in Blaue – oder eher ins Ockerfarbene, schließlich sah so der Mond aus – zu feuern. Die Bewaffnung der vier Schiffe war darauf ausgelegt, im Weltall gegen Kolosse vergleichbarer Größe zu kämpfen, nicht, Luftverstärkung zu geben. Sicherlich konnte man dies auch erfüllen, doch wäre es ein komplettes Scheitern der Mission gewesen, die ganze Stadt auf Renili V in Schutt und Asche zu legen. Und das konnte niemand ernsthaft wollen.
„Meine Herren, ich muss Commander Mengsk leider Recht geben. Im Moment ist es zu riskant unsere Schiffe in Nähe des Hyper-V-Geschützes zu bewegen. Sowohl ein Rettungsversuch der Überlebenden, als auch ein halbwegs präzises Flächenbombardement, das aufgrund der ungenauen Aufklärung sowieso nicht infrage kommt, setzen voraus, dass wir uns dem Mond nähern. Deshalb muss ich Ihre Vorschläge, seien sie noch so gut gemeint, leider ablehnen.“
Als dann der Commander mit den grauen Haaren, der offenbar auch ein sehr heißes Temperament hatte, offenbarte, er habe noch über 8.000 Mann in seinem Schiff stationiert, atmete Sharin kurz auf. Mit dieser starken Bodenunterstützung im Rücken konnte es tatsächlich recht einfach gelingen, die Piraten auszuschalten. Wichtig war dabei nur, dass man sie auf den Boden brachte und dort konzentrierte. Eine Aufgabe, der der derzeitige Befehlshaber scheinbar nicht gewachsen war.
Dieser wurde plötzlich auch als vierte Person auf dem Hologrammprojektor sichtbar. Major Strickland war nicht so gut zu vernehmen wie die restlichen Männer und die bläuliche Vision flackerte auch gelegentlich. Allerdings hielt die Verbindung glücklicherweise. Ein Umstand, der zum Teil auch auf die Kommunikationssperre beruhte, da war sich der schwarzhaarige Captain sicher. Sicher war er sich auch, dass Menschen wie Mengsk es wohl nie schaffen würden, seinen richtigen Namen korrekt auszusprechen. Allerdings würde er ihm nie anbieten, die Kurzform zu benutzen. Mit Menschen wie den bärtigen Offizier wollte Sharin sich nicht duzen. Nach der kurzen Vorstellung fragte der Commander bei dem Befehlshaber der Bodenstreitkräfte nach dem Status dieser, worauf der Major ungeschönt darstellte, dass er praktisch kaum Befehlsgewalt über die Truppen in der Stadt habe und diese größtenteils verstreut um ihr Überleben kämpften. Zudem würde die zahlenmäßige Unterlegenheit der imperialen Armee stark zusetzen. Diese Tatsachen hatten die Flottenoffiziere auch schon vorher gewusst ohne auf der Oberfläche anwesend zu sein. Die Worte Stricklands unterstrichen nur wieder, dass er nicht in der Lage war, wirksam gegen die Piraten vorgehen zu können. Zuletzt forderte er seinen Hauptgesprächspartner auf, ihm zu versprechen, Luftunterstützung zu leisten, falls er das Hyper-V-Geschütz ausschalten würde. Das war wohl die Höhe. Zuerst schaffte es dieser Wicht nicht, eine Landung auf einem Mond zufriedenstellend auszuführen, dann konnte er keine Ordnung in seine Reihen bringen und schlussendlich verlangte er auch noch das Ehrenwort von Mengsk, bevor er irgendwelche Schritte unternahm, um dem Chaos unter seinen Männern entgegenzutreten und die Piraten zu besiegen. Das ging wirklich zu weit. Mit eiskalter Stimme mischte sich der blauhäutige Offizier ein und taxierte mit seinen rot-glühenden Augen den Mann von der Armee.
„Verzeihen Sie, Major, aber ich kann Ihnen nicht folgen. Sie haben bisher keine Schritte unternommen, um auch nur in irgendeiner Weise Ihre Männer zu sammeln und gegen die Piraten vorzugehen. Sie haben bisher nichts getan, um die Luftverteidigung der Aufständischen zu zerschmettern. Sie haben bisher vollkommen versagt. Und nun fordern Sie in so dreister Form von meinem Kollegen, er solle endlich etwas tun, um Ihre Situation zu retten?“
Die Stimme des Chiss war recht ruhig und neutral geblieben, doch zwischen seinen Augen bildete sich eine tiefe Furche die seinen Zorn deutlich wieder spiegelte.
„Major, wir würden Sie und alle Ihre Männer auf diesem Mond elendig krepieren und die Piraten und den Wüstenwind das Fleisch von Ihren Knochen schälen lassen, um diese Mission erfolgreich abzuschließen. Wie können Sie da nur daran zweifeln, dass wir Ihnen nicht sofort Unterstützung schicken würden, wenn wir es könnten?“
Er schaute kurz aus dem Fenster. Von der „Aurora“ war schon lange nichts mehr zu sehen.
„Wir haben durch unser Vertrauen in Ihre stümperhaften Fähigkeiten schon unnötig hohe Verluste erlitten. Seien Sie sich gewiss, dass Sie dafür später zur Rechenschaft gezogen werden.“
Nachdem seine Tirade mit dieser offenen Drohung geendet hatte, nahmen seine Gesichtszüge wieder den normalen recht ausdruckslosen Ausdruck an, den er deutlich bevorzugte. Von Mengsk wurde er gefragt, welche Staffeln ihm zur Verfügung standen. Es war offensichtlich, was dieser damit bezwecken wollte, doch waren T-Fighter und T-Interceptors leider nicht wirklich in der Lage, ein ordentliches Bombardement durchzuführen.
„Nun, Commander, mir stehen je eine Staffel an T-Fightern und T-Interceptoren zur Verfügung. Zur Luftaufklärung und eventuellen Eskortierung von Landungsbooten sind sie sicher geeignet, jedoch nicht zu einem Bombardement.“
Aus dem Augenwinkel wurde er auf einen Wink seines XOs aufmerksam. Er trat zu seinem Vorgesetzten und flüsterte ihm ins Ohr.
„Sir, wir haben gerade einen Funkspruch aufgefangen, der augenscheinlich von einem der Rettungskapseln ausgegangen ist. Der erste Offizier der ‚Aurora‘ meldet sich darin und fragt an, ob wir ihnen Landeerlaubnis geben.“
Während er mit der einen Hand nachdenklich über sein stoppelloses Kinn strich, überlegte Sharin kurz. Wenn die Rettungskapseln im Hangar landeten, konnten sie dort für so viel Chaos sorgen, dass die Staffeln und Landungsboote nicht sofort einsetzfähig sein würden. Doch nahm er dieses Risiko durchaus auf. Kameraden, denen man helfen konnte ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, musste man helfen.
„Geben Sie die Landeerlaubnis und setzen Sie die Traktorstrahlen zur Unterstützung ein“, lautete deshalb auch seine knappe Antwort, wobei er sich selbst noch ergänzte. „Ich möchte den XO der ‚Aurora‘ schnellstmöglich aber auch auf der Brücke sprechen. Nehmen Sie ihn im Hangar in Empfang.“
Torati nickte ergeben und wandte sich zu den Schotttoren. Der Captain beachtete ihn nicht länger, sondern richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Holofiguren vor ihm.
„Meine Herren, insbesondere Lieutenant-Commander Aaronson, ich darf freudig verkünden, dass wenigstens einige wenige Überlebende der ‚Aurora‘ um Landeerlaubnis gebeten haben, die ich ihnen auch gestattet habe. So werden wir wenigstens einige Kameraden retten können.“
Halbwegs erfolgreich versuchte er die Genugtuung aus seiner Stimme herauszuhalten, die sich seiner zu bemächtigen drohte. Die Bitte des Lieutenant-Commanders war somit größtenteils hinfällig geworden ohne dass man sich unnötig in Gefahr gebracht hatte. Und im Gegensatz zum Major konnte er nun schon einen kleinen Erfolg verbuchen. Dermaßen ermutigt breitete er sofort seinen nächsten Vorschlag aus.
„Ich denke, dass wir nicht darauf warten können, dass die Soldaten auf der Oberfläche sich irgendwann gegen die zahlreichen Gegner durchsetzen. Wir müssen selbst handeln. Deshalb schlage ich vor, dass wir alle zur Verfügung stehenden Reserven, insbesondere die 8.000 Mann der 124. Infanteriedivision auf der ‚Widowmaker‘, unter dem Geleitschutz unserer Staffeln auf die Oberfläche schicken. Dabei ist natürlich zu beachten, außerhalb der Luftabwehrstellungen des Feindes zu landen. Allerdings ist für solch kleine Schiffe die Hyper-V-Kanone keine allzu große Bedrohung, da bei einem Einsatz dieser unsere kapitalen Schiffe uns dem Mond für einen Moment nähern können. Was sagen Sie dazu, meine Herren?“
Er richtete seine Worte an die drei Flottenoffiziere. Der Major war seiner Meinung nach nicht würdig, sich einen weiteren Kommentar zu erlauben.
[ Rendili-System – Orbit von Rendili V – VIN „Valkyrie“ – Kommandobrücke ] Sharin, Brückenbesatzung, über Holoverbindung Anwar Bolton, Gordon Aaronson, Arcturus Mengsk, Han Strickland