Wenn wir Flachwitze über Rey machen wollten, dann würden wir uns über ihren Vorbau unterhalten (
klick mich).
Chauvinismus beiseite, universelle Definition oder nicht, Rey ist in meinen Augen eine Bilderbuch-Mary Sue. Ich benutze den Begriff seit vielen, vielen, vielen Jahren, um ein bestimmtes Trope der Charakterzeichnung zu beschreiben und es war auch niemals ein kontroverser Begriff; im letzten Jahr musste ich jedoch leider in einem englischsprachigen (und zugegeben hyperpolitischen) Forum die Erfahrung machen, dass der Begriff dort mittlerweile politisch konnotiert ist. Weil irgendein Rechter ein Youtube-Video darüber gemacht hat, dass Rey eine Mary Sue wäre (wie wir wissen, litt gerade TLJ unter den Attacken von rechtsgerichteten, lauten Minderheiten), war der Begriff dort seither untrennbar mit rechtem und damit faschistoidem und sexistischem Gedankengut verbunden. Und da ja die ganze Welt und jeder einzelne Nutzer ungeachtet seiner Herkunft und seiner Muttersprache genau dieselben Youtube-Videos anschaut wie dieses Forum, kann der Begriff Mary Sue, um Rey zu kritisieren, nur von einem Rechtsfaschisten genutzt werden...
Natürlich völliger Schwachsinn der übelsten Sorte. Gehirnfasching von solcherlei Personenkreisen, die denken, dass die Kraft eines Arguments in seinem Anwender und nicht in seinem Inhalt zu finden sei.
@Raven Montclair hat auf der Vorseite ja eine ganz gute Liste gepostet, was die Mary Sue so für Symptome aufweist. Und denen stimme ich zu. Es ist nicht so sehr das,
was der Charakter ist oder beinhaltet, sondern es geht viel mehr um die Art und Weise,
wie die Figur geschrieben ist. Klar, dass Protagonisten, die man neu etablieren möchte, sich irgendwie behaupten müssen in dem Werk; immerhin sollen sie ja keine Nebenstatisten darstellen. Was aber bei Rey negativ auffällt, ist, dass sie dies vollbringt, indem sie vorher etablierte (und geliebte) Figuren übertrumpfen muss. Die Erfolge und Siege der neuen Figuren wirken darum nicht authentisch und werden nicht vergönnt, weil sie nicht als ehrlich erworben angesehen wirken, sondern nur, indem man die vorher bereits beliebten Figuren zu Trittbrettern des neuen Charakters degradiert. Eines der ärgerlicheren Beispiele dafür ist in Episode VII die Kompressor-Szene mit Han.
Die Szene als sie Han belehrt schiebe ich eigentlich darauf, dass sie über eine Umbaumaßnahme Bescheid weiß, die Unkar Plutt durchgeführt hat (wo sie dabei gewesen sein dürfte) und etwas an der Bedienung des Falken geändert hat - und von der Han nichts weiß. So habe ich es verstanden.
Das wäre ansich ein guter Erklärungsversuch, aber leider wird daraus ein Schuh, weil sich Rey und Han vor dieser Szene noch
ausdrücklich über den Umbau mit dem Kompressor sowie seine riskanten Konsequenzen unterhalten! Sie fallen dabei einander sogar ins Wort und sind sich einig darüber, dass es zuviel Druck ausübt. Außerdem demonstriert Han sein technisches Verständnis, indem ihm binnen weniger Minuten Inspektion seines Schiffes dieser Umbau und seine Nachteile sofort auffallen. Dann tritt in weiterer Folge genau diese befürchtete Konsequenz dann ein, und nur Rey kann das Problem lösen, ehe sie alle in die Luft gehen, woraufhin Han nichts Besseres zu tun weiß, als sie anzuschauen wie ein Autobus?
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Das ist das Problem. Es ist völlig okay, dass Rey toll reparieren und Sachen basteln kann, denn sie war jahrelang eine Schrottsammlerin. Es ist okay, dass sie gut fliegen kann, obwohl es dafür keine Begründung gab; sie ist halt ein Naturtalent. Es ist okay, dass die Macht stark in ihr ist, dass sie viele Dinge schnell lernt. Aber es ist
nicht okay, wenn das alles dadurch erreicht wird, dass andere neben ihr vertrottelt aussehen. Das halte ich für schlecht geschrieben, denn es muss bessere Lösungen geben. Ein guter Autor könnte ihr all diese Eigenschaften geben, ohne andere Figuren dabei zu degradieren. Es ist für mich das narrative Äquivalent dessen, wenn man zB in der Berufswelt seine eigenen Leistungen nur dann hervorzuheben weiß, indem man die Leistungen von anderen schlechtredet. Das hasse ich, weil ich es für schwach halte. Ich habe es mir vor Jahren auch zur politischen Philosphie gemacht, keine Partei zu wählen, deren Wahlprogramm in erster Linie daraus bestand, auf den Missständen und Verfehlungen anderer Parteien rumzuhacken. Das hielt jedoch nicht lange, denn dann merkt man schnell, dass dann keine wählbare Partei übrig bleibt. Jedoch unter'm Strich: eine Figur sollte für sich selbst stehen und von sich aus überzeugen können, nicht auf Kosten anderer. Außerdem, aber das ist nur meine bescheidene Meinung, halte ich es für die ultimativ sexistische Herangehensweise, wenn man Feminismus dadurch ausdrückt, dass man die Stärke einer Frau nur zu demonstrieren weiß, indem sie auf Teufel komm raus Männern überlegen sein muss. Wenn ein Mann immer die Messlatte bzw. die Hürde für eine Frau sein muss, die sie zu überspringen hat, drückt das für mich irgendwie alles andere als Souveränität und Progressivität aus, aber das ist in der medialen Geschlechterpolitik irgendwie noch nicht so wirklich angekommen, hab' ich das Gefühl.