Um eins vorweg zu stellen, wie Jedi schon richtig sagte ist Scientology in Deutschland keine Kirche. Das BVerfG hat in seinem entsprechenden Urteil fest gestellt, dass diese Vereinigung weder eine religiöse noch eine wltanschauliche Aufgabe als ihr Primärziel verfolgt, sondern einem wirtschaftlichen Zweck dient, damit sind sie per eigener Definition keine Kirche, dürfen sich also nicht auf Religions- oder Glaubensfreiheit direkt berufen. Auch die Anhänger dürfen es nicht.
Worauf sich aber jeder Scientology-Anhänger berufen kann ist die Allgemeine Handlungsfreiheit.
Hier geht es nicht um ein Individuum nur für sich alleine.
Mir geht es darum, dass unser Staat glasklare Richtlinien hat, wenn es um akut notbedürftige Mitmenschen geht. Das lernt man allerspätestens, wenn man einen Führerschein machen will, denn dann ist mindestens ein LSM-Kurs Pflicht!
In einem LSM Kurs lernt man aber auch, dass man einer anderen Person Hilfe nicht aufzwingen darf, wenn die Person sie nicht annehmen will. Unterlassene Hilfeleistung kann ich also nur begehen, wenn jemand in Gefahr oder Not ist und entweder willens ist Hilfe anzunehmen, oder sich in einem Zustand befindet, der eine Willensbildung nicht zulässt UND es der helfenden Person auch nicht bekannt ist, dass die Hilfe gegen den Willen des Notleidenden geschieht. Wenn jemand sich weigert sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, oder sonstwie ärztliche Hilfe anzunehmen, dann kann ich ihn nicht zwingen, es sei denn es wurde gerichtlich ein Vormund oder Betreuer bestellt. Völlig irrelevant sind die Beweggründe, wegen derer sich die Person nicht helfen lassen will. Ich kann Schiss vor'm Arzt haben, psychiatrische Behandlung für Humbug halten, oder eben den Weisungen von Scientology folgen. Ich kann als freier, geschäftsfähiger Mensch nie von anderen Personen gezwungen werden etwas zu machen was ich nicht will. Dazu muss ich schon rechtskräftig verurteilt werden.
Und Grundrechte für den Schutz vor Scientology heranzuziehen ist rechtlich nicht wirklich schlüssig. Grundrechte sind Rechte des Bürgers gegen den Staat, nicht des Staates gegen den Bürger. Hier also mit Art. 6 GG zu argumentieren bedarf einiger, weiter Umwege. Und auch dann geht die allgemeine Handlungsfreiheit vor. Niemand kann mich zwingen Kontakt mit meiner Familie aufrecht zu erhalten, wenn ich es nicht will. Art. 6 GG gibt mir Abwehrrechte in beide Richtungen. Der Staat kann mich nicht gegen meinen Willen von meiner Familie trennen, kann mich aber auch nicht mit meiner Familie zusammensperren, wenn ich keinen Bock auf die habe.
Art 9 Abs. 2 GG ist sicherlich ein Mittel, hier ist aber die Beweisführung problematisch. Scientology als solches hat sich nicht auf die offizielle Fahne geschrieben sie wollen die BRD stürzen und dazu jeden, der ihnen über'n Weg läuft versklaven. Sie wollen Macht anhäufen und dafür brauchen sie viele Mitglieder in guten Positionen. Dass Straftaten geschehen ist durchaus denkbar, das sind aber einzelne Personen, die das machen, und nicht die Vereinigung als solche. Sonst müsste man angesichts der ganzen Missbrauchsvorfälle auch die katholische Kirche verbieten. Das sind ja unter den Geistlichen auch nicht wenige Taten an nicht wenigen Orten.
Eindeutig ist her vielleicht der Wortlaut des Gesetzes, dieser verlangt aber aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in ein Grundrecht, auf das sich Scientology als Organisation berufen kann (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG), dass die vorgeworfenen Verstöße sehr schwerwiegend, von der Organisation als solche gefördert und, am allerwichtigsten, auch beweisbar sind. Und spätestens letzteres wird höllisch schwer nachzuweisen sein.
Und nein, ich bin nicht für Scientology. Ich halte jegliche Auffassung, die irgendwas über das Menschsein stellt für fanatisch und nicht haltbar. Ich sehe nur leider keine rechtliche Möglichkeit außer der Aufklärung über die Methoden der Anhängerwerbung.