[Shinbone-System | Weltraum | über dem Ringsystem von Shinbones Nachbarplanet | auf Sicherheitsabstand zur Subjugator | CC9 Ax] Joya No
»Noch immer keine Antwort auf unseren Ruf?« fragte Joya No nach einer Weile.
Die Antwort war negativ. Es konnte kaum einen Zweifel daran geben, dass das Schiff die Nachricht empfangen hatte. Aber aus irgendeinem Grund waren sie nicht willens oder in der Lage, zu antworten.
Unterdessen bemühte sich die Brückencrew, das Schiff zu identifizieren. Da kein Freund-Feind-Kennungssignal von ihm ausging, war zumindest klar, dass es sich nicht um eine Einheit der republikanischen Flotte handelte.
»Commander, wir empfangen jetzt eine ID des unbekannten Schiffes. Es handelt sich demzufolge um einen Handelskreuzer, registriert für ein Unternehmen namens ›Kubindi Ore and Steel Inc.‹.«
Diese Neuigkeit war einigermaßen beruhigend. Wenn es sich um einen Transporter handelte, war es wahrscheinlich, dass er das System nur aus dem Grund ansteuerte, um Fracht aufzunehmen. Allerdings genügte es nicht, um Joya Nos Sorgen zu zerstreuen. Die Größe des Schiffes war auffällig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die kleine Kolonie genug Erz produzierte, um in kurzen Abständen die Frachträume eines so gewaltigen Schiffes zu füllen. Dessen Ankunft in diesem ansonsten kaum frequentierten Teil des Raumes war demnach ein großer Zufall, so dass ein gewisses Misstrauen dem Kaminoaner geraten schien.
»Sir, der Handelskreuzer - wenn es einer ist - hält weiterhin mit sehr niedriger Geschwindigkeit auf die Kolonie zu. Keine wie auch immer geartete Reaktion auf unsere Anwesenheit. Und ihre ungleichmäßige Beschleunigung könnte ein Hinweis auf gravierende technische Probleme sein. Möglicherweise haben sie uns gar nicht gehört.«
Der Commander dachte kurz über die Worte seines bothanischen Ersten Offiziers nach. Es war natürlich möglich, dass es sich so verhielt. Dies wäre nicht der erste Frachter, dessen Besitzer sich keine ordentliche Wartung leisten konnte oder sich der Notwendigkeit dafür überhaupt nicht bewusst war. Normalerweise sprang niemand mit Felfunktionen in Antrieb und Kommunikation freiwillig in den Wilden Raum, wo man im Fall eines Totalversagens der Triebwerke und ohne die Möglichkeit, Hilfe zu rufen, wahrscheinlich noch in zehntausend Jahren treiben würde. Aber der Schaden konnte frisch sein. Insbesondere wenn es sich um ein älteres Schiff handelte, konnte zum Beispiel die strukturelle Belastung durch Hyperraumsprünge zu solchen Ausfällen führen. Es war eine naheliegende Erklärung für das sonderbare Verhalten des fremden Schiffes. Aber nicht für dessen Ankunft genau in diesem kritischen Moment.
»Das wäre möglich, Lieutenant Commander«, antwortete No. »In dem Fall, dass sie ernsthafte technische Probleme haben, würde mich aber wundern, dass sie nicht zumindest irgendein Notrufsignal aussenden. Zumindest das sollte selbst beim Totalverlust der meisten Bordsysteme noch möglich sein.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass sie uns gehört haben, aber bewusst auf eine Antwort verzichten.«
»Möglicherweise sind sie ebenso wie wir bemüht, uns zunächst zu identifizieren, bevor sie reagieren. Vielleicht haben sie uns noch gar nicht auf ihren Schirmen oder sie halten uns für Piraten oder sonst eine potentielle Bedrohung.«
»Auch das ist einigermaßen plausibel, es ist mir aber zu spekulativ. Ich will Fakten haben. Behalten Sie das Schiff genau im Blick und versuchen Sie, mehr über seinen Zustand herauszufinden. Ich will so bald wie Möglich eine Einschätzung seiner Gefährlichkeit haben. Und wiederholen Sie den Ruf im Minutentakt. So leicht lassen wir uns nicht abwimmeln!«
Eine Weile geschah nichts. Die Ax beschränkte sich aufs Beobachten und Joya Nos Anfrage wurde erneut an den vermeintlichen Handelskreuzer gesendet. Unterdessen meldeten die Landungsteams aus dem Shuttlehangar der schweren Fregatte ihre Bereitschaft. Doch der Kaminoaner erteilte den Startbefehl nicht. Zwar gab es mittlerweile einige Gründe, daran zu zweifeln, dass die Mission so reibungslos verlaufen würde, wie es für die Umsetzung des Plan A nötig war. Aber noch stufte der Commander die Situation nicht als kritisch ein.
Schließlich zeigte der Abgleich des unscharfen Bildes, das sie von dem Großraumfrachter empfangen hatten, mit den Datenbänken des Schiffscomputers Erfolg. Sie hatten eine Übereinstimmung. Der Lieutenant, der den Treffer gelandet hatte, zeigte seinen Vorgesetzten die Abbildung eines Schiffes, dessen Silhouette große Ähnlichkeit mit dem pixeligen Abbild des Handelskreuzers aufwies. Allerdings handelte es sich dabei keineswegs um ein Transportschiff.
»Die Munificent-Klasse der Hoerschel-Kessel-Drive Incorporated«, erklärte der junge Mann. »Ein Schwerer Kreuzer. Früher ein Stück militärischer Spitzentechnologie, mittlerweile aber eher veraltet und weder bei den Flotten der Neuen Republik noch des Imperiums in Gebrauch.«
Nun war Joya No ernsthaft besorgt. Die Daten am Bildschirmrand gab für diesen Typ eine Bewaffnung von fast hundert Geschützen an. Ob auch dieses Exemplar, mit dem sie es hier zu tun hatten, voll bewaffnet und kampfbereit war, konnte noch nicht verifiziert werden. Es wäre nicht das erste ehemalige Kriegsschiff, das weitgehend entwaffnet, technologisch abgespeckt und dann von privaten Unternehmern für den Warentransport eingesetzt wurde. Aber verlassen konnten sie sich darauf nicht.
Der Commander bedauerte es, dass ihm keine Jäger zur Verfügung standen. Nur allzu gerne hätte er eine Möglichkeit gehabt, sich die Fremden aus der Nähe anzusehen, ohne dabei die Ax von der Subjugator wegzubewegen. In Anbetracht der immanenten Wichtigkeit dieses Einsatzes hätte er auch nicht davor zurückgeschreckt, den Frachter notfalls mit Gewalt zu stoppen und einer Kontrolle zu unterziehen, auch wenn die Legalität eines solchen Vorgehens in Frage gestellt werden musste. Doch ohne die nötigen Schiffe im Hangar war das ohnehin keine Option.
Bevor er eine Entscheidung gefällt hatte, was sie mit den neuen Informationen anfangen sollten, überschlugen sich die Ereignisse.
»Commander, eine weitere Chronau-Strahlungsspitze.«
»Sir, Aktivität in der Nähe der Minenkolonie. Ein Schiff ist direkt über Shinbone aus dem Hyperraum gesprungen.«
»Identifizierung?«
»Negativ, Sir.«
»Ich messe Waffenfeuer, Commander No! Das unbekannte Schiff hat über Sinbone das Feuer eröffnet!«
»Größe und Messung des Energieoutputs passen zu einem Schweren Kreuzer der Vindicator-Klasse! Vermutlich imperial!«
»Die Kolonie hat einen Notruf abgesetzt, dieser ist aber soeben verstummt. Möglicherweise waren die Kommunikationsanlagen das erste Ziel des Angriffs.«
Damit war es genug. Das Auftauchen eines weiteren Kreuzers, der vermutlich unter imperialer Flagge fuhr und mit offensichtlich feindseligen Absichten in das System gekommen war, ließ keinen Zweifel mehr daran, dass der Einsatz ganz und gar nicht so lief, wie man es sich gewünscht hätte. Entweder hatte die Ax das ungeheure und unwahrscheinliche Pech, die Suche nach der Subjugator ausgerechnet in dem Moment zu beginnen, in dem die imperiale Flotte beschloss, seinen Machtbereich auf das Shinbone-System auszudehnen - einer abgelegenen Kolonie, der man selbst mit Mühe keine strategische Bedeutung beimessen konnte. Oder aber - und das hielt Joya No für wesentlich wahrscheinlicher - ihr Geheimnis war keines.
Es brauchte keinen Datenabgleich, um den Ausgang eines Gefechtes zwischen einem Vindicator-Kreuzer und einer Fregatte vom Typ CC-9600 zu berechnen. Joya No wusste sehr genau, dass sein Schiff trotz der schweren Bewaffnung einem solchen Gegner nicht gewachsen war. Und eine Konfrontation erschien ihm nun sehr wahrscheinlich. Selbst wenn sich das Interesse der Imperialen eigentlich nur auf die Kolonie beschränkte, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie die Ax und mit ihr auch die Subjugator hier bemerkten. Es war unmöglich vorherzusagen, wie sich die Situation dann entwickeln würde. War das Imperium bereit, einfach dabei zuzusehen, wie die Flotte der Neuen Republik ein übergroßes Schlachtschiff mit unbekannter Feuerkraft, aber einem geradezu legendären Ruf als schlachtentscheidende Überwaffe in ihren Besitz brachte? Wohl kaum. Auch der gültige Waffenstillstand war unter diesen Umständen kein Garant dafür, dass die Waffen schweigen würden.
Kurz entschlossen fällte der Kaminoaner seine Entscheidungen. Seine hohe und ansonsten meist so sanfte Stimme nahm einen schneidenden Tonfall an und übertönte die rasche Folge neuer Meldungen, als er seine Befehle gab:
»Befehl an den Hangar: Landeteam Eins und Zwei haben sofortige Starterlaubnis! Die Anweisung lautet, sich so schnell Zugang zum Zielobjekt zu verschaffen, wie die eigene Sicherheit es zulässt. Ziele sind Brücke und Maschinenraum. Sie sollen sich dort festsetzen und nach Möglichkeit funktionierende Verteidigungssysteme reaktivieren!«
Sofort wurde sein Befehl weitergeleitet. Genauere Anweisungen musste er in diesem Moment nicht erteilen, denn die Besatzungen der beiden RM-09-Shuttles kannten ihre Aufgaben bereits. Die Marinesoldaten wurden von Captain Bax Musa persönlich angeführt, der an allen Einsatzbesprechungen teilgenommen hatte. Allerdings zweifelte No nach wie vor an seiner Eignung für den Posten und an den Fähigkeiten seiner relativ unerfahrenen Soldaten.
»Steuermann, sobald die Shuttles gestartet sind, bringen Sie uns mit höchster Geschwindigkeit 130.000 Kilometer von den Ringen weg, in Richtung der Kolonie.«
Ziel dieses Befehls war es, die Aufmerksamkeit der potentiellen Gegner von dem treibenden Koloss abzulenken. Die Ax würden sie zweifellos bald bemerken, doch vielleicht schenkten sie dafür dem vermeintlichen Eisenasteroiden weniger Beachtung. Falls ihr Interesse tatsächlich nur der Kolonie galt, entging ihnen die Subjugator vielleicht. Wenn sie schon wussten, welcher Schatz sich in diesem System befand, würde diese Finte nicht viel bringen. In diesem Fall ermöglichte es die vorgeschobene Position aber, eine Annäherung zu behindern. Das Landungsteam erhielt so mehr Zeit, sich in dem gigantischen Schlachtschiff zu orientieren, einen Eindruck von dessen Zustand zu bekommen und auf die Ankunft möglicher Konkurrenten vorzubereiten.
Zeit zu schinden war das Gebot der Stunde. Admiral Stazi hatte richtig entschieden, ein Kriegsschiff ins Shinbone-System zu entsenden, doch die Ax allein konnte hier nicht mehr viel ausrichten, das war Joya No ziemlich klar. Er hätte sich gewünscht, den nächsten Befehl nicht geben zu müssen, doch er hatte keine Wahl:
»Setzen Sie auf den Flottenfrequenzen einen verschlüsselten Ruf an das Kommando und befreundete Schiffe in der Nähe ab. Erwähnen Sie dabei auf keinen Fall die Subjugator! Wir bitten dringend um Verstärkung durch andere Kriegsschiffe. Übermitteln Sie dabei auch unsere genauen Positionsdaten, um einen Sprung in unsere unmittelbare Nähe zu ermöglichen.«
»Sir, glauben Sie denn, dass befreundete Einheiten in der Nähe sind?« fragte Serek Tai'oki mit unübersehbarer Skepsis. Das gesträubte Fell des Bothaners zeigte an, dass die Situation ihn einem gewissen Maß an Stress aussetzte.
»Ich weiß es nicht«, gestand Joya No ein. »Aber wenn nicht, können wir lange auf Verstärkung warten. Die nächsten Flottenstützpunkte sind auf Rodia und Ukio. Bis uns Schiffe von dort erreichen, können Tage vergehen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir auf uns allein gestellt sind.«
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