Ian Dice
Semiaktiv
Da liegst du richtig, auch wenn ich die Verallgemeinerung eben nicht sehe, obwohl ich sehr, sehr oft auf Verallgemeinerung zu sprechen komme, wenn da beispielsweise ein "die" voransteht.Aber ich denke nicht, dass du mir darin widersprechen würdest, wenn ich sage, dass Angst keine Legitimation für Verallgemeinerungen ist.
Schau, ich glaube es verhält sich so: Du siehst einen Film, siehst, was einem (oder mehreren Menschen) angetan worden ist, die deine Hautfarbe haben. Hast deine eigenen Erfahrungen gemacht, kennst die, deiner Verwandten und Bekannten. Ich bin überzeugt davon, dass das eine Menge in einem Menschen auslöst. Von Trauer über Wut über Frustration und ich glaube, dass in diesem Moment, in dem man schockiert oder vielleicht sogar (re)traumatisiert ist, einfach nicht die Frage ist, dass das "nur" ein bestimmter Personenkreis war.Nun gut, ich finde es befremdlich, verallgemeinernd vor der Gesamtheit einer Ethnie seine Ruhe haben zu wollen, auch wenn es nur für einen Tag war. Denn auch an diesem einen Tag, an dem sie den Film gesehen hat, waren die Weißen, die unschuldig an der Sklaverei sind, nicht weniger schuldig. Insofern habe ich für diese Haltung offen gesagt kein Verständnis, aber ich denke, dass wir da nicht zusammenkommen. Muss ja auch nicht sein, ich habe deswegen keinen negativen Eindruck von deiner Freundin, und es steht dir zu, diese Position nachvollziehen zu können.
Was ich dazu aber noch zu bedenken geben will: Als ich den Post des Schauspielers, in dem er dies geäußert hatte, gelesen habe (warum eigentlich ein Geheimnis draus machen, es handelte sich um Levar Burton, bekannt als Geordi LaForge aus Star Trek: The Next Generation), dachte ich mir Folgendes: Das schreibt jetzt jemand, auf den ich viel halte, weil ich ihn als Schauspieler mag und das, wofür er durch seine Beteiligung an Star Trekt steht, gut finde. Würden er und ich uns an dem Tag, an dem er geschrieben hat, dass er genug von Weißen habe, über den Weg laufen (du kannst in dem Gedankenspiel auch deine schwarze Freundin einsetzen, wenn du dir dann besser vorstellen kannst, worauf ich hinaus will), dann hätte er/sie vermutlich etwas gegen mich aufgrund meiner Hautfarbe (!). Für mich würde umgekehrt seine/ihre Hautfarbe nicht die geringste Rolle spielen.
Ich hab das Video mit Floyd nicht ganz gesehen, weil ich es nicht ertragen hätte, mit dem Wissen, dass es echt ist. Das ist der springende Punkt.
12 Years as Slave ist ein Film der auf wahren Begebenheiten beruht, aber jede einzelne furchtbare Szene daraus ist in dem Moment gespielt.
Wir beide wissen, dass es das gab. Das Video von Floyd war echt. Ich glaube, dass das noch mal ganz entscheidend ist. Hier vor allem noch, da es sich um Polizisten handelt... Die Personen, von denen man doch denkt, sie stehen für Recht und Ordnung.
Ich weiß nicht, ob ich, wäre ich schwarz nicht vielleicht das gleiche gesagt hätte. Weil ich dann wüsste und erlebt hätte, wie Rassismus in diesem Augenblick noch realer und noch bedrohlicher geworden ist. Und wie er die Angst zurück holt.
Das sehe ich auch ein bisschen anders, auch wenn ich glaube, den Punkt verstanden zu haben. Nur ist das, was einmal war trotzdem eine Gefahr, wenn es noch nicht gänzlich beseitigt wurde. Wenn ich mich mit PoC zum Thema Rassismus austausche, gab es da bisher immer immense Unterschiede zum Austausch mit weißen Freunden.Gerne nochmal: Es geht mir um das, was heute ist, nicht um das Vergangene. Schwarze werden zum Glück nicht mehr versklavt, insofern lässt sich das auch nicht auf die heutige Zeit projizieren. Die Zeiten, in denen die Weißen die Herren und die Schwarzen die Sklaven waren, sind zum Glück vorbei. Was den Schwarzen, die in der Vergangenheit durch Sklaverei betroffen waren, ist schrecklich und nicht zu entschuldigen. Aber so, wie die heute lebenden Weißen nichts für die frühere Sklaverei können, sind die heute lebenden Schwarzen nicht mehr von der der früheren Sklaverei betroffen. Wenn ich mich als Weißer heute mit einem Schwarzen über Erfahrungen bezüglich Rassismus austauschen würde, würde das seine und meine Erfahrungen in der Gegenwart betreffen. Mit "die Augen verdrehen und zu erzählen, was einem selbst geschehen ist", hat das schlichtweg nicht das Geringste zu tun.
Ich habe zwei PoC im Freundes- und Bekanntenkreis. Sie haben eine Wohnung gesucht, lange keine gefunden. Sie wurden auf englisch angesprochen beim Arzt, obwohl sie auf deutsch sprachen. Sie wurden gefragt, woher sie kommen, ob sie sich eingelebt haben, ob sie arbeiten. Keine von beiden fand das lustig oder angenehm.
Ein weißer Freund erklärte, dass es ihn nerve, dass wir nicht endlich Begriffe neu besetzen. Und da denke ich mir, ja klar, ist einfach, zu sagen "Hey, das Wort Morhenkopf /Negerkuss ist doch gar nicht schlimm. Besetz das doch einfach positiv". Ich wurde auch nie mit einem diesem Begriffe tituliert.
Eine andere Freundin verglich Sklaverei von damals mit Ausbeutung in Jobs heute in Deutschland. Das sind Vergleiche, bei denen sich mir die Nackenhaare aufstellen. Weil sie immer relativierend klingen, weil sie viel zu oft auf das eigene Leid aufmerksam machen ohne das Leid anderer anzuerkennen.
Ja, aus zwei Gründen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es Unterschiede gibt und ich würde mir wünschen, dass mehr weiße Menschen einfach zugeben können, wie schlimm Rassismus ist und wie blöde manche Sprüche sind. Aber ohne "Aber umgekehrt".Stimmt. Das ist ein Beispiel von Alltagsrassismus. Aber auch hier verhält es sich so, dass die Existenz weißen Alltagsrassismus' gegen Schwarze, wie du ihn hier nachweist, die Existenz schwarzen Alltagsrassismus' gegen Weiße nicht ausschließt. Vielleicht liege ich falsch, aber mein Eindruck ist gerade der, dass jedes Mal, wenn ich davon spreche, dass Rassismus von Schwarzen gegenüber Weißen existiert, du ein Beispiel für die umgekehrte Seite lieferst und das als Gegenbeweis darzustellen suchst - so als könnten beide Arten des Rassismus nicht gleichzeitig existieren. Die Rechnung geht aber einfach nicht auf, da die Existenz des Einen schlichtweg nicht bedeutet, dass die Existenz des Anderen unmöglich ist.
Wenn ich erzähle, dass mir X ein blaues Auge verpasst hat, ist es unangebracht, wenn mir jemand sagt, Y habe ihm aber zwei blaue Augen verpasst. Das ist schlimm. Nur ging es darum nicht... Sondern um Anerkennung ohne Vergleiche.
So ist das mit der Wahrnehmung. Wenn ich eine 6 sehe und du von oben drauf guckst, siehst du eine 9. Wer hat jetzt recht? Neben den Flaschen von True Fruits (man lese mal deren Begründung) gibt es so einen Schund zu kaufen. Wir sind einfach anders mit Alltagsrassismus konfrontiert. Und ich kann nicht über Rassismus sprechen, ohne eine Blick auf die Vergangenheit zu werfen.Gerade das erlebe ich ganz anders, wenn ich mich beispielsweise im Internet umschaue. Aus meiner Sicht ist es ganz und gar nicht so, dass man sich als Weißer Witze über PoC erlauben darf, was ich jedoch auch gut finde. Also, dass das streng gehandhabt wird.
Die AfD würde vermutlich ohne NS-Zeit auch nicht so bedrohlich wahrgenommen werden.
Vielleicht noch mal anders: ich befasse mich derzeit eingehender mit dem Thema und mit der Frage, wie viele rassistische Gedanken ich selbst habe.