Es besser als Lambrecht zu machen, ist halt auch nicht schwer.
Eva Högl hat sich vielleicht zu wenig auf Linie bewegt. Mit ihren Forderungen nach den 300 Mrd. € oder eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht hat sie öffentlich ein paar Granaten gezündet, die Scholz wohl kaum gefallen haben. Ich bin auch etwas vorsichtig damit, ihr aufgrund ihres Eifers sofort die Kompetenz zuzusprechen. Gar nicht, weil ich ihr Sicherheitspolitik nicht zutraue, sondern weil sich das BMVg personell auf dem Niveau eines großen Konzernes bewegt. Über 260.000 Angestellte (inklusive zivil Beschäftigte) zuzüglich die Verantwortung für die Reserve. Das ist selbst ohne die ganzen Eigenarten ein ziemlich großer Brocken für jemanden, der wenn ich das richtig nachgelesen habe, noch nie ein Ministerium geführt hat und selbst bis 2020 eher als fachfremd eingestuft werden kann. Dieser Aspekt geht meines Erachtens beim name dropping oft verloren.
Hinzu kommt das politische Durchsetzungsvermögen. Innerhalb der SPD, aber auch bei den Koalitionspartnern. Die Bundeswehr tiefgreifend zu reformieren oder zumindest im Bereich Beschaffung den vollen Durchgriff zu bekommen, ist bis zur nächsten Bundestagswahl schon sehr ambitioniert, selbst mit einem "Macher". Da Scholz, aber auch die Ampel insgesamt, es sich ganz und gar nicht erlauben kann, dass Pistorius kurz nach der Startlinie krepiert, geht's eigentlich kaum ohne freie Hand und erkennbare Erfolge. Und sei es nur vorgetäuscht/erzwungen, damit Scholz zumindest einen ihm loyalen Minister bei sich weiß, der kein schlechtes Licht auf ihn wirft und bestenfalls vermittelt, dass das Thema nun in guten Händen sei.
Skeptisch macht mich, dass ich bei Lambrecht vor allem persönliche Kritikpunkte ausgemacht habe. Die zögerliche Kommunikation und fehlende Initiativen mit der Rüstungsindustrie, ausbleibende Aufträge, fehlende Budgets usw. müssen mindestens alle in Kenntnis, damit auch Inkaufnahme oder schlimmsten Fall Absicht des Kanzleramtes geschehen sein. Dass Scholz das weiterhin (!) nicht zur Chefsache erklärt, sondern Parteisoldaten wie Klingbeil der Rüstungsindustrie Vorwürfe machen und auf die Fehler von "16 jAhRe uNiOn!!!!" verweisen, aber natürlich eine "sehr gute Verteidigungsministerin" haben, lässt die Ursache für die aktuelle Misere weniger bei Lambrecht als bei Scholz verorten. Die Bundeswehr und damit die Landes- und Bündnisverteidigung haben seit dem 24.02.2022 ein wichtiges Jahr verloren und dafür trägt am Ende der Bundeskanzler die Verantwortung.