"Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine dient nicht der Vorbereitung einer Invasion."
Hat hier niemand behauptet.
"Kiew wird binnen drei Tagen fallen, Widerstand ist sinnlos."
Hat hier auch niemand behauptet.
"Westliche Waffenlieferungen machen keinen Unterschied."
Das ist keine Putinpropaganda, sondern eine valide Meinung zur militärischen Lage in der Ukraine, die von manchen Experten vertreten wird und von anderen nicht.
Die russische Propaganda hat mehrmals betont, dass Waffenlieferungen eben doch einen Unterschied für sie machen und mehrere russische Oligarchen, u.a. der Kreml-Gnom selbst, haben deswegen erneut gedroht und einen Aufstand geprobt.
"Die Moral der ukrainischen Zivilbevölkerung bricht in Kürze zusammen."
Wieder keine Behauptung, die ich so unterschreiben würde.
"Die ukrainischen Streitkräfte sind zu Gegenoffensiven nicht mehr fähig."
Auch nicht.
"Bachmut wird bestimmt bald fallen, dann wendet sich das Blatt!"
Da habe ich keine Einschätzung.
"Russland hält seine besten Einheiten zurück und besitzt gewaltige Reserven."
Und hier bleibe ich dabei: Ich glaube kaum, dass die russische Armee bereits ausgeblutet ist und nur noch "sporadisch funktioniert", wie das momentan immer wieder im Diskurs vertreten wird.
Ich gehe davon aus, dass genauere Daten über Putins Armee Verschlusssache des Kremls sind. Wir können uns sicherlich ein ungefähres Bild über die russischen Streitkräfte machen, aber über detailgetreuere Zahlen und Daten können wir im Westen nur spekulieren. Niemand weiß, wie die Russen ausgerüstet und aufgestellt sind, außer Putin und sein Stab, und wer glaubt, sachliche Daten zum Krieg aus gefärbten Publikationen wie etwa der FAZ, der Süddeutschen oder dem Spiegel beziehen zu können, den halte ich für reichlich naiv (dasselbe gilt natürlich auch für Daten aus russischen Publikationen wie RT oder Sputnik).
Sowohl der Westen als auch Russland haben ein Interesse daran, sich in den Medien darzustellen, als seien sie (auch) militärisch die aktuellen Gewinner. Wer garantiert mir denn, dass die russischen Streitkräfte bald in sich zusammenfallen? Manche Experten sprechen so wie du, andere wiederum sagen, dass sich aufgrund eines ausgeglichenen Mächteverhältnisses beider Armeen ein Stellungskrieg entwickeln kann und wird, wenn man mit dem Rüsten jetzt so weitermacht.
Wenn die russischen Streitkräfte nicht mehr in der Lage zu größeren Operationen sind, wenn ihre Mittel und ihre Moral erschöpft sind und man die Niederlagen intern nicht mehr leugnen kann, wird auch der politische Wille in Moskau erlahmen.
Und das sehe ich einfach nicht, tut mir Leid. Bevor "die russischen Streitkräfte nicht mehr in der Lage zu größeren Operationen sind, ihre Mittel und Moral erschöpft sind und man die Niederlage intern nicht mehr leugnen kann", können locker noch 30 Jahre vergehen. Das wird meines Erachtens einfach nicht passieren, - erst recht nicht in naher Zukunft und schon gar nicht mit jemandem wie Putin an der Macht, der um jeden Preis sein Gesicht wahren will, gerade in einer Situation wie der jetzigen.
Man kann - und hier wiederhole ich mich - diesen Typen und seine Oligarchen-Truppe in Moskau nicht mit Panzern und Haubitzen in die Kniee zwingen. Das ist absolut utopisch und dazu noch brandgefährlich, weil die Oligarchen-Truppe nämlich am berühmt-berüchtigten "Tisch mit rotem Knopf" sitzt und nur darauf wartet, endlich Gründe geliefert zu bekommen, ihn zu betätigen.
Putin hat den Rückhalt eines Großteils seiner Bevölkerung, er hat die Armee hinter sich. Bevor der Mann seine Truppen komplett aus der Ukraine abzieht und danach gar noch abdankt, wachsen Palmen in Deutschland. Man kann Putin jetzt nicht "stürzen", so geil das auch wäre und so passend die Situation auch scheint. Wie kommt man auf diese hanebüchene, gefährliche Idee? Weil das unsere Regierung im Rahmen des Möglichen sieht? Es steht dabei so viel auf dem Spiel, letztendlich der Frieden in ganz Europa. Deshalb gehen hier ja die Menschen auf die Straßen, deshalb ist die Gesellschaft ja gerade wieder so gespalten: Weil manche den Kriegs-Wahnsinn einfach nicht mittragen wollen.
Und Verbände einfach so z. B. aus anderen Regionen abzuziehen und in die Ukraine zu schicken sieht in einem Strategiespiel kinderleicht aus, ist in der Realität aber eine gewaltige Herausforderung.
Danke, dass du uns das erklärst, aber ich gehe mal davon aus, dass die meisten hier im Thread das zwölfte Lebensjahr schon lang hinter sich gelassen haben sollten.
Man sollte sich davor hüten, die russischen Streitkräfte zu einem imaginierten Riesen zu machen. 1939 redete man sich in weiten Teilen Europas auch nur zu gerne ein, die Wehrmacht sei unbesiegbar, der Kampf nicht zu gewinnen und überhaupt die ganze Angelegenheit keinen Krieg wert, ergo könne man auch guten Gewissens aufgeben und kapitulieren oder irgendeinen Deal aushandeln. Dabei hätten gerade Frankreich und das Vereinigte Königreich spätestens während des deutschen Angriffs auf Polen die Gelegenheit zum Großangriff gehabt und das Kartenhaus Wehrmacht wäre in sich zusammengebrochen, ihre Defizite und Schwächen waren für jeden, der sie sehen wollte, klar zu erkennen. Aber stattdessen kaschierte man die eigene Feigheit, Unentschlossenheit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer mit moralisch wohltönenden Phrasen und handelte erst, als es zu spät war und sich die Wehrmacht ein stattliches Arsenal zusammengeraubt hatte und in der Lage war, deutlich länger und härter zu kämpfen. Die Folgen sind bekannt.
Dein Hobby in allen Ehren, auch ich stehe auf Alternative History und RP, aber hör doch bitte auf, deinen "Gegnern", die du aufgrund ihrer vermeintlichen moralischen Verkommenheit und "von der Realität entkoppelten" Meinungen ja so hasst, vorzuwerfen, sie würden nicht an der Realität entlang argumentieren, nur um dann hier sowas abzuliefern.
Es ist schon bizarr, wie entkoppelt von der Realität die pro-russische Propaganda ist. Und wie beharrlich manche Leute sie nachplappern, obwohl man doch wiederholt gesehen haben muss, wie faktisch falsch man lag.
Und ich finde es bizarr, dass du offensichtlich immer noch versuchst, die Position "Ich will, dass Deutschland keine schweren Waffen an irgendwen liefert" mit "Ich finde Putin super!" gleichzusetzen, obwohl ich im letzten Posting erst versuchte, dir zu erklären, dass das absolut undifferenziert und haltlos ist und in der Debatte zu überhaupt nichts führt, außer zu persönlichen Überwerfungen und einer Verzerrung der Realität.
Es ist
keine Putin-Propaganda, wenn man Waffen im Allgemeinen, die deutsche Vormachtsstellung (als einer der weltweit größten Waffen-Exporteure) und damit auch Waffenlieferungen an sich ablehnt, sondern das genaue Gegenteil von Kriegstreiberei. Es ist auch
keine Putin-Propaganda, keinen Krieg gegen Russland führen zu wollen.
Woher kommen diese Extreme? Ist das denn logisch überhaupt schlüssig? "Jeder, der sich gegen Waffenlieferungen ausspricht, ist automatisch ein Freund Putins und möchte letztendlich nur, dass mehr Ukrainer ermordet werden!" Wo kommen wir denn da hin?
Der Konflikt findet ununterbrochen seit 2014 ohne nennenswerte Pause statt. Wo waren da die Pazifistischen proteste gegen Russland ?
Ich war schon immer Pazifist, egal in welcher Hinsicht. Ob Russland, Deutschland, die USA, Kanada, Tunesien oder Nordkorea - Waffen(-industrien) und Militär finde ich immer scheiße, und ich halte es für ein Armutszeugnis für die Menschheit, dass wir weltweit immer noch auf Streitkräfte angewiesen sind und diese zu bestimmten Zeitpunkten sogar noch feiern. Punkt, aus.
Dass Russland verbrecherisch vorgeht, ist bekannt. Trotzdem muss ich deshalb nicht befürworten, dass Deutschland eine wichtige Rolle in diesem sich zuspitzendem Krieg einnehmen muss, indem es Waffen liefert. Ich finde Putin scheiße, ich finde Scholz scheiße und ich finde Biden scheiße. Wieso ist das so schwer zu begreifen?
Außerdem hat Russland bereits die Zweite Mobilisierung am Start weil ihnen die regulären Streitkräfte ausgehen. Und schicken jetzt sogar Häftlinge an die Front. Spricht jetzt nicht für einen unbesiegbaren Monolithen eher für ein Scheingebilde dass jetzt komplett in sich zusammen fällt.
Und diesem Narrativ schenke ich einfach keinen Glauben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die russische Armee gerade dabei ist, "in sich zusammenzufallen". Eine Armee, die in sich zusammenfällt, kann nicht mehr ordentlich kämpfen und wird immer weiter zurückgedrängt - die Front in der Ukraine verläuft seit etlichen Monaten jedoch mehr oder minder immer gleich.
Nur ein paar Zahlen zum Nachdenken und Einordnen:
Einwohnerzahl Russland: ca. 145 Millionen
Einwohnerzahl Deutschland: ca. 84 Millionen
Da liegen keine Größenordnungen dazwischen. Russland ist vor allem eins: leer.
Dennoch wurde das russische Militär von Experten und damit auch der Allgemeinheit lange zu den schlagkräftigsten Armeen dieser Erde gezählt.
Hat mir mich langsam (wieder!) den Eindruck, dass es sich gar nicht sooo sehr um Pazifismus dreht, sondern wieder (!) darum, Angst vor ner blutigen Nase zu haben. Angst ist nunmal ein unglaublich großer Motivator, auch auf dieser Ebene.
Natürlich, und wer in dieser Situation keine Angst hat, sollte vielleicht mal etwas darüber nachdenken, dass es hier letztlich im Zweifelsfall um einen Atomkrieg geht, den man riskiert. Da ist die Angst absolut gerechtfertigt.
Immer und immer wieder hieß es, es gäbe "rote Linien". Das waren zuerst die Panzerlieferungen, jetzt sind es die Jets. Mal ganz davon abgesehen, dass ich Waffenexporte an sich für mehr als fragwürdig halte, geht mir die Prozedur und die gesamte Debatte viel zu schnell vonstatten. Ist die eine Forderung (Kampfpanzer) umgesetzt, die eine "rote Linie" überschritten, wird
sofort über die nächste diskutiert (Kampfjets), und teilweise mit einer Vehemenz der Waffenbefürworter, die seinesgleichen sucht.
Das müsste nicht so sein. Es gäbe auch andere Wege, Politik zu machen. Die Regierung vermittelt natürlich den Eindruck, dass diese Entscheidungen und die ganze Art und Weise, wie man die Debatte führt, alternativlos seien, aber das behaupten Regierungen immer.
Ich bin nun wahrlich kein Fan von Olaf Scholz, aber das Letzte, was man ihm vorwerfen kann, ist, dass er in einer solch prekären Frage zögert. Hier geht es, wie du schon schreibst,
@Janus Sturn, eben nicht um ein Computerspiel, sondern im Zweifelsfall um den Frieden auf der ganzen Welt. Sollte Putin doch ein NATO-Mitglied angreifen, war es das komplett mit Frieden in Europa. Deshalb ist Vorsicht in solch einer Frage geboten.