Ich bin bei dir, dass es ein strategischer Fehler der Union ist, die Grünen zu verteufeln, ich kann aber nicht den Gedankengang folgen, warum Grüne und FDP in der jetzigen Situation sich der Union in einer Jamaika-Koalition hätten anschließen können, hätte die CDU sich nicht von den Grünen abgegrenzt.
Das Problem ust doch: Die Beziehung zwischen Grünen und FDP ist erheblich gestört. Wie könnte da eine Jamaika-Koalition in der aktuellen Gegenwart zwischen Grünen und FDP funktionieren?
Sorry für die späte Antwort.
Ich hatte irgendwo auf den letzten Seiten ja schon mal geschrieben, dass "Streit" zwischen Gelb und Grün eigentlich der politische Normalzustand ist und ich das deswegen auch gar nicht so dramatisch sehe. Auch innerhalb einer Regieung ist einfach nicht zu erwarten, dass es zwischen diesen Parteien reibungslos läuft.
Und ich glaube, dass die Bteiligten das sogar ähnlich sehen. Auf der persönlichen Ebene scheinen Habeck und Lindner ja ganz gut klarzukommen, Wissing tritt lieber aus der Partei aus anstatt aus der (jetzt rot-grünen) Regierung und Stark-Watzinger war dermaßen angeschossen, dass sie auch kein großes Problem darstellen sollte.
Und inhaltlich? Natürlich große Differenzen, allerdings haben es die Grünen nun drei Jahre mit der FDP ausgehalten und folgt man Habeck (gestern bei Lanz, habe aber nur einen Teil gesehen) hat man Lindner und der FDP auch am Mittwoch noch Brücken gebaut, bevor das Aussetzen der Schuldenbremse gefordert wurde (man wollte wohl ein etwas lockerere aber geleichwohl gesetzeskonforme Buchführung nutzen, um die nötigen Milliarden rauszuquetschen). Aber Lindner habe auf seiner für Rot-Grün unannehmbaren Giftliste (das Wort kommt von mir, Habeck sprach nur von einer Tabelle...) bestanden.
Das heißt für mich, dass die Leidensfähigkeit der Grünen hinsichtlich der FDP durchaus noch genug vorhanden war, um in einer gemeinsamen Regierung zu sitzen.
Worauf es ankommt, ist natürlich der Seniorpartner. Und hier hat man - gerade zu Beginn der Legislatur oft genug von der Enttäuschung der Grünen darüber, dass Scholz der FDP nachgiebiger ist als gegenüber dem eigentlichen "Freund" (den Grünen), gelesen. Sprich: hier gab es Hebelpunkte, die man aus Sicht der CDU hätte nutzen können, um einen Keil zwischen Rot und Grün zu treiben. Und es ist ja auch nicht so, dass man solche Möglichkeiten nicht hätte erahnen können, schließlich war die Ampelkoalition eben auch keine Liebesheirat (egal, wie lässig die Fotos waren).
Die Grünen haben also in der Ampelkoalition hautnah mitbekommen, dass es sogar von Vorteil sein kann, wenn man in der Koalition der ideologische Außenseiter am Tisch ist, da der Kanzler möglicherweise bereit ist, einem weit entgegenzukommen, damit man auch nur ja an diesem Tisch sitzen bleibt.
Hätte die CDU den Grünen von Beginn an Signale gesendet, aus denen man hätte herauslesen können, dass die CDU diese Art von Seniorpartner sein könnte, kann ich mir vorstellen, dass man von Seiten der Grünen auch die FDP hätte weiter ertragen können.
Daher glaube ich, dass Jamaika eine Option gewesen wäre - hätte man auf Seite der CDU den eigenen Tellerrand auch nur wahrgenommen.
Aber anstatt eben diesen Keil zu treiben, haben die CDU-Granden - aus lauter Angst vor der AfD und weil sie offensichtlich ihre 40 Jahre jüngeren Ichs wiederentdeckt haben - beschlossen, die Grünen zum Feind Nr.1 zu erklären, eine riesige Mauer zwischen sich und den Grünen zu errichten und die Beziehungen wieder auf 80er-Jahre-Niveau zu stellen.
Nebenbei hat diese "Politik" nun auch dazu geführt, dass einer einsam in den Unfragen führenden Partei dennoch eigentlich nur eine Machtoption bleibt: eine Koalition mit der SPD.
Und auch diesbezüglich ist das lautstarke Schreien nach einer schnellen Wahl einfach nur unclever. Der CDU sollte doch klar sein, dass - ganz egal, wann die Neuwahl nun kommt - die Sondierungsgespräche für die neue Koalition in dem Moment begonnen haben, als Scholz Lindner die Tür gezeigt hat.
Jede Verletzung, die man sich jetzt bis zur Vertrauensfrage zufügt, wird bei den echten Koalitionsverhandlungen auf den Tisch kommen. Jedes Gesetz, das die CDU problemlos mittragen könnte, von ihr aber abgelehnt wird, wird doppelt und dreifach teuer im Koalitionsvertrag erscheinen und jeder Tritt, den man Scholz jetzt noch verpasst, einfach, weil man es kann und will, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man bei der Wahl nicht gegen einen unbeliebten und geschwächten Kanzler Scholz als Spitzenkandidat antreten darf, sondern gegen einen vergleichsweise beliebten Verteidigungsminister bei einer Wahl, bei der es auch massiv um sicherheitspolitische Belange gehen wird.
Zudem böten vier Monate Zeit für die CDU die Möglichkeit, nochmals kurz in sich zu gehen und ein Stück der Mauer zwischen sich und den Grünen wieder abzubauen und sich so neu Handlungsoptionen für die Zeit nach der Wahl zu lassen.
Ich habe noch nie CDU gewählt, insofern könnte es mir egal sein, ob die sich selbst ins Knie schießen, aber verstehen kann ich es irgendwie nicht.
Möglicherweise kommt das halt raus, wenn man keinem Staatsmann folgt, sondern einem alternden Hedgefonds-Manager auf Revenge-Tour.