Es ist grundsätzlich richtig und wichtig, sich beim politischen Diskurs einer präzisen Sprache zu bedienen und darauf zu achten, dass Begriffe nicht unnötig verschwimmen. Aber: "Öffentlicher Protest gegen Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus und an die genannten Phänomene anschlussfähige Strömungen im Rechtskonservatismus" ist als Bezeichnung oder Slogan nun mal ausgesprochen sperrig und es ist etwas wohlfeil, die griffige Variante "Demos gegen Rechts" dann gleich als Kampf gegen alles Konservative zu deuten. Die ein oder andere Person aus dem linken Spektrum mag sich so was wünschen, der überwältigenden Mehrheit der Menschen, die auf die Straße gegangen sind, geht es um ein deutliches Zeichen der Abgrenzung gegenüber jenen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und zerstören wollen.
Und ja, da kommen Menschen zusammen, die ansonsten nicht viel gemeinsam haben - das gehört zum Wesen einer vielfältigen Gesellschaft, die seit gut 75 Jahren ein sehr breites Spektrum von Meinungen und Positionen recht erfolgreich in das politische System integriert hat. Sogar Eheleute können verschiedener Ansicht sein. Das kommt bemerkenswert oft vor, hab ich mir sagen lassen.
Im Bezug auf das Thema Linksextremismus sei gesagt, dass das Gewaltpotential dort nicht so gering ist, wie teilweise getan wird. Die "Hammerbande" und der
Überfall auf eine Prokuristin in Leipzig zeigen deutlich, dass diese strikte Trennung von "Gewalt gegen Sachen" und "Gewalt gegen Menschen" eher eine fließende Grenze ist. Das Anzünden von Fahrzeugen und Gebäuden ist ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich.
Aber: Sowohl bei den versuchten als auch bei den vollendeten Tötungsdelikten haben das rechtsextreme und das islamistische Spektrum die Nase meilenweit vorn und im Fall des rechtsextremen Spektrums gibt es mit dem Mord an Walter Lübcke, dem Tankstellen-Mord in Idar-Oberstein, dem Reichsbürger-Mord von Georgensmünd, dem Anschlägen von Hanau und Halle gleich mehrere Morde, die aus dem Dunstkreis von AfD-Anhängern begangen wurden. Wenn ein Herr Höcke vom drohenden Volkstod und der notwendigen Abrechnung mit Volksverrätern spricht, ist es wenig überraschend, wenn ihn Leute beim Wort nehmen. Gerade der antisoziale, privat wie beruflich gescheiterte Personenkreis, zu dem z. B. ein Schwerstkrimineller wie Lutz Bachmann gehört, ist bei so etwas Feuer und Flamme - gerne auch wortwörtlich bei Asylbewerberunterkünften. Die Aussage, AfDler würden Menschen töten oder dies zumindest billigen, ist faktisch korrekt. Und ja, es kommt öfter vor, dass die Polizei während Demonstrationen anderes zu tun hat, als jede Parole zu prüfen und direkt zu unterbinden. Deswegen wird in der Regel im Nachgang ermittelt, wie auch in diesem Fall.
Um nur kurz den Bogen zum Thema Gewalt gegen Polizeibeamte zu schlagen (man vergleiche und bewerte selbst):
Der 32-jährige Polizeibeamte Daniel Ernst wird am 19. Oktober 2016 in Georgensmünd (Mittelfranken) von einem Angehörigen der sogenannten Reichsbürger erschossen.
Die Polizistin Michèle Kiesewetter (22) wird am 25. April 2007 während der Mittagspause auf der Theresienwiese in Heilbronn (Baden-Württemberg) in ihrem Dienstwagen von der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) erschossen. Ihr Kollege Martin A. überlebt mehrere Kopfschüsse schwer verletzt.
Der 31-jährige Rechtsextremist Michael Berger erschießt am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop (bei Recklinghausen) drei Polizisten und anschließend sich selbst
Der Berliner Neonazi Kay Diesner erschießt am 23. Februar 1997 auf dem Autobahnparkplatz Roseburg (Schleswig-Holstein) den Polizisten Stefan Grage. Sein Kollege wird von dem Rechtsextremisten schwer verletzt.
Persönliche Anmerkung: In meinem Wohnort sind im März OB-Wahlen. Bei Bürgerfragen, wie er es denn mit dem Thema "Remigration" halte, wollte der AfD-Kandidat zunächst nicht antworten und meinte dann wortwörtlich, er freue sich über alle Zugezogenen, außer über "Nordafrikaner" und "Islam-Leute". Gehaltvoller und präziser wurde es nicht.