Statt den Betroffenen eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen, setzt man diese also ohne jede Vorwarnung Stress aus? Das klingt nicht stichhaltig.
Das widerspricht halt obiger Studie, die sagt, dass die Warnung alleine Stress auslöst, den Konsum aber im Zweifelsfall eher begünstigt.
Und Eigenverantwortung ist auch erstmal die Eigenverantwortung der Medienauswahl. Die Triggerwarnung kommt ja erst wenn ich den Film beim Streamingdienst schon ausgewählt und angespielt habe. Es gab also genug Vorwarnungen (Cover, Titel, FSK, Genre usw.usf.).
Auch denke ich nicht, dass die grobe Beschreibung einer Situation identisch zur letztendlichen Situation selbst ist. Daran scheitert hier der Infinite Regress ganz klar.
Eine Filmszene einer Situation ist auch nicht identisch mit einer Situation, die du oder ich erlebt haben. Nach der Logik bräuchte es gar keine Triggerwarnung, da Kunst eben nicht Realität ist. (Ich hab übrigens gar nichts dagegen, dass vor einer Kriegsdoku von Arte darauf hingewiesen wird, dass dieses Programm für Kinder und empfindsame Personen nicht geeignet ist. Völlig korrekt in dem Fall.)
Mit dem Problem des infinitem Regress meine ich hier, dass es immer etwas gibt was einen individuell triggern kann, egal wie weit man die Situation mit Meta-Leveln überzieht. Denn die Situation selbst findet ja Erwähnung.
Die Situation in deinem Leben ---> Eine Filmszene, die eine ähnliche Situation simuliert. ---> Eine Triggerwarnung die dich auf diese Szene hinweist. ---> Eine Warnung vor der Warnung, usw.usf.
Wenn, wie die obige Studie nahelegt, die Triggerwarnung mehr Stress auslöst, als vom Konsum abzuhalten, dann müsste man ja der Logik von Triggerwarnungen folgend auch eine Warnung vor der Warnung einführen, und ggf immer so weiter machen. Das wäre dann ein infiniter Regress, der keinen Sinn ergibt.
Dann kann man sich auch die FSK mit ihren hässlichen Logos schenken, die das ästhetische Gesamtbild eines Filmcovers verschandeln. MICH betrifft das ja eh nicht, bin ja volljährig.
Auf alle dieser sarkastischen Einlassungen ging ich bereits ernsthaft ein. Aber ich kann mich gerne nochmals wiederholen: Cover, Poster oder Trailer sind genregemäß kodifiziert um dir zu zeigen, ob dich hier ein Horrorfilm oder Rosamunde Pilcher erwartet. Ebenso sollte jeder Schulabgänger verstehen, dass ein Film aus den 50ern eine andere Weltsicht vertritt als ein heutiger Film, ohne darauf wie ein Erstklässler hingewiesen werden zu müssen. Das ist einfach nur grundlegende Medienkompetenz, die man von Erwachsenen erwarten kann. Wenn nichtmal das geht, dann müssen wir uns über die Hilflosigkeit mit der gesamtgesellschaftlich die tatsächlich gesellschaftsverändernden Einflüsse der Sozialmedien (siehe z.B. die letzten Walen bei uns oder in den USA um mal den Bogen zu schlagen) hingenommen werden gar nicht wundern.
Was MICH betrifft: Wie ich bereits sage, habe auch ich Trigger. Ich mute mir aber zu in meinem Medienkonsum selbst auf mein Wohlbefinden acht zu geben. Ich bin ein mündiger Mensch und bin für mich selbst verantwortlich, auch wenn ich schonmal Opfer gewesen bin.
Und ja, ich fand die alten Cover, wo das FSK-Logo hinten drauf war für's Regal wesentlich ästhetischer. Die Kontrolle betrifft ja da auch den Verkauf und nicht meine eigene Entscheidung welchen Film meiner Sammlung ich aus dem Regal ziehe. Allerdings sind physische Medien und damit die Logos mit Streaming ja eh in großen Teilen hinfällig.
Damit kommen wir auch zu einer Lösung die eigentlich komplett auf der Hand liegt.
Dank Streaming kann man ja seinen Konsum einfach selbst steuern.
Warum gibt es bei Prime, Disney+ und Co nicht einfach die Option Triggerwarnungen an- oder auszuschalten?
Oder einfach ein Untermenü mit einer klickbaren Liste eigener Trigger, die dann alle entsprechenden Medien unsichtbar machen?
Wäre technisch total einfach. Wäre keine Lösung die ich ideal finde (weil sie wieder Informationsblasen fördert), aber sie würde jedem die eigene Entscheidung darüber lassen, was ihm zugemutet wird. Ich könnte Triggerwarnungen abgeschaltet lassen und würde nicht genervt. Und wer sich nicht zutraut, nach Cover, Filmbeschreibung und FSK zu wählen, der kann ja zusätzlich die KI filtern lassen. Win-Win für alle. Ohne das irgendwem was aufgezwungen oder zugemutet wird.