Eine Tasse Kaff
(16 Jahre zuvor, Ian mit 20)
Der Tag war anstrengend gewesen und das, von Anfang an. Vielleicht hatten die Sterne nicht gut gestanden, wenn man an solchen Firlefanz glauben wollte, oder Ian war allgemein mit dem falschen Fuß aufgestanden. Fest stand, dass er froh war, endlich nach Hause zu kommen. Die Kunden, die er heute hatte bedienen müssen, waren anstrengend gewesen und Ian hatte nur mit Mühe freundlich bleiben können. Er mochte es nicht sonderlich, wenn er Aufträge annehmen musste, die außerhalb seiner kleinen Werkstatt stattfanden. Auch wenn er seine nötigsten Werkzeuge mitbrachte - eine andere Werkstatt war nun einmal anders. Die ganze Situation war es, vor allem, wenn man sich ständig über die Schulter blicken und kritisieren lassen musste. Dennoch, der Auftrag war, was die Credits betraf, lohnend gewesen und deshalb hatte Ian ihn auch angenommen. Seine Laune war nicht die beste, als er zu Hause ankam, die Tatsache, dass Tahiri nicht zu Hause sein würde, vermochte daran noch weniger zu ändern. Sie hatte ihm gesagt, dass sie irgendwelche Sondertanzstunden gab und das es länger dauern konnte. Länger dauern würde. Manchmal glaubte er, dass sie zu viele davon gab, aber Tahiri ließ sich nicht beirren und jedes Mal, wenn er seine Sorge darüber mit ihr teilte, fand sie doch ein Argument, dass für ihre Extrastunden sprach. Es war müßig mit ihr darüber zu sprechen, denn Ian wollte sie nicht bevormunden und ihr den Spaß an dem, was ihr so viel bedeutete, nicht nehmen. Dennoch war da auch ein Teil in ihm, der ihr deutlicher sagen wollte, dass es besser wäre, wenn sie mehr auf sich achtete. Dass es besser war, wenn sie weniger Extrastunden gab. Und ein nicht kleiner Teil von ihm, hätte ihr gerne verboten zu viel zu arbeiten.
Als Ian die Tür öffnete, erwartete ihn pures Chaos. Da lagen Kleidungsstücke, da war ein ganzer Stapel ungespülten Geschirrs – es lag überall etwas herum. Hätte Tahiri nicht aufräumen können? Ihr eigenes Chaos, verstand sich. Sie hatte frei gehabt, den ganzen Tag und scheinbar hatte sie ihn allein dafür genutzt, ihre Wohnung in einen Müllschacht zu verwandeln. Wie hatte so viel Geschirr entstehen können, für eine einzige Person? Ians Ärger wuchs und warum auch immer – die Tatsache, dass sie ausgerechnet an dem Tag, an dem sie frei hatte, Tanzstunden geben musste, ärgerte ihn noch mehr. Sie hatte gewusst, dass er den ganzen Tag arbeitete und hätte sie nicht wenigstens am Abend, wenn er kam, hier sein können? Ihre Stunden hätte sie auch am Vormittag geben können. Aber nein, stattdessen hatte sie gehaust wie eine wilde Horde Jawas, die auf der Suche nach Schrott alles verunstaltet hatten. Er sollte waren bis sie kam und ihr das Aufräumen überlassen. Nur hätte das bedeutet, dass er dieses Chaos hätte ertragen müssen, mindestens bis morgen Abend und das – nein. Also räumte er auf, beseitigte ihr schmutziges Geschirr und beschloss, noch etwas für sich zu tun. Vielleicht verschwand seine schlechte Laune, wenn er in seiner eigenen Werkstatt noch etwas machte. Ohnehin, sein Werkzeug musste dorthin zurück und wenn er den Schreibtisch sah, den er mühevoll restauriert hatte, besserte das seine Laune sicher im Handumdrehen. Es war ein alter Tisch aus Holz, aber der Zahn der Zeit hatte ihm zugesetzt, außerdem die falsche Lagerung. Es hatte gedauert, bis er alles abgeschliffen, die richtige Farbmischung gefunden und alles wieder hergerichtet hatte. Vor allem war es schwierig gewesen, weil der Tisch aus unterschiedlichen Hölzern bestand und viele geschnitzte Verzierungen hatte. Eigentlich sah der Tisch eher so aus, als wäre er einem uralten Film entsprungen. Vielleicht war er das auch?
Ihm fiel die Tasse nicht gleich auf, denn das erste, was Ian tat, war sein Werkzeug zurück zu sortieren. Erst, als er das getan hatte und einen Blick auf den Tisch warf, erkannte er die Tasse. Die er sicher nicht dorthin gestellt hatte. Ganz sicher nicht. „Das ist nicht ihr ernst,“ kam es, als er die paar Schritte zum Tisch hinüber ging und die Tasse hoch hob, nur um den kreisrunden Fleck zu sehen, denn sie hinterlassen hatte. „Das ist nicht ihr ENRST,“ wiederholte Ian nun deutlich lauter, als er erfolglos versuchte, den Kaff-Kreis, der sich in das Holz gebrannt hatte, zu entfernen.
‚Was ist nicht wessen Ernst?‘, hörte er eine Stimme sagen, die nur zu Tahiri gehören konnte. Zu der Tahiri, die ihn nicht nur im Chaos zurückgelassen hatte, sondern die jede Stunde, die er in diesen Tisch investiert, zunichte gemacht hatte. Sie lächelte und lief auf ihn zu, aber Ian lächelte nicht zurück, im Gegenteil. „Das hier ist nicht dein Ernst,“ meinte er, hob die Tasse hoch, nur mühsam beherrscht, und deutete auf den Ring auf dem Tisch. Das sie früher zurück gekommen war, als erwartet? Spielte mit einem mal keine Rolle mehr. „Hast du eine Ahnung, wie viele STUNDEN ich dafür gebraucht habe, diesen Tisch wieder herzurichten?“ Seine Begrüßung war alles andere als freundlich, ganz anders als sonst und Tahiri sagte kein Wort und Ian erkannte nicht, dass ihr Lächeln verschwunden und sie ein Stück zurückgegangen war. „Ich weiß nicht, was so schwer daran zu verstehen ist, dass du deinen Mist nicht überall herum stehen lässt. Das hier ist MEINE WERKSTATT Tahiri. MEINE! Und wenn du dich schon hier aufhalten musst, dann verhalt dich gefälligst so darin, als wärst du ein verdammter Gast, der meine Arbeit WERTSCHÄTZT! Dein verfluchtes Chaos war so schon überall, aber HIER HAT ES NICHTS ZU SUCHEN.“ Er hob ein weiteres Mal die Tasse, „Das hier, stellt man nicht auf einen Tisch, ohne einen verfluchten UNTERSETZER. DAS STELLT MAN GAR NICHT AUF SACHEN, DIE EINEM NICHT GEHÖREN!“, schrie er schlussendlich, als er ausholte und die Tasse mit Wucht an die Wand warf, was Tahiri dazu brachte, zusammen zu zucken. Ian selbst aber brachte es nicht dazu, sich wieder abzureagieren. ‚Es- ‘, begann sie, doch Ian schnitt Tahiri das Wort ab, noch ehe sie wirklich sprechen konnte. „Es ist mir egal, ob dir das Leid tut. Davon wird dein verfluchter Kaff-Fleck auch nicht wieder weg gehen. Bleib einfach hier draußen Tahiri. Du kannst überall Chaos verbreiten. ÜBERALL, aber beim Diagona, NICHT HIER. HAST DU DAS VERSTANDEN?“ und da gab er dem Tisch einen gehörigen Tritt, der vermutlich genauso wenig klug war, wie das Abstellen der Tasse darauf. Dann wandte Ian sich ab, bückte sich, um die Scherben vom Boden aufzulesen und Tahiri tat es ihm gleich, doch auch das stimmte ihn nicht milde. Sie sollte verschwinden, war das nicht deutlich genug gewesen, eben? Er erkannte nicht, dass er sie mit seinen Worten getroffen hatte, sie mit seinem ganzen Verhalten noch immer traf. „Geh einfach, verbreite irgendwo Chaos. Im Gegensatz zu dir, kann ich meines selbst weg räumen, also GEH.“ Seine Stimme war noch immer laut und das, obwohl sie sich auf einer Höhe, in direkter Nähe gegenüber waren. In Ians Blick lag nichts weiter als Wut, genau wie in seiner Stimme und erst da ließ Tahiri die Scherbe los, nach der sie gegriffen hatte und für Sekunden sahen sie und Ian sich entgegen, doch der junge Mann war noch immer unfähig, sein eigenes Verhalten richtig einzuschätzen und so erkannte er noch immer nicht, dass er zu viel gesagt und zu viel getan hatte. Blind für Tahiri und ihr Empfinden, war da einfach nur sein eigenes und die Wut die Ian empfand, nahm den ganzen Raum ein.
Tahiri ging und ließ Ian mit einem für ihn undefinierbaren Blick zurück. Die Scherben wütend in den Mülleimer werfend, setzte er sich vor den Tisch, auf dem der Fleck prangte. Er würde noch einmal daran arbeiten müssen, dass würde ihn Stunden kosten, so viel stand fest. Stunden.
Bist du nicht hier her gegangen, um etwas zu arbeiten, damit du dich ablenken kannst?
Er war wirklich in die Werkstatt gegangen um Ablenkung zu finden. Aber Ablenkung bedeutete nicht, dass er eine Arbeit, die er schon erledigt und für die er Stunden gebraucht hatte, noch einmal von vorne beginnen musste, nur weil jemand unachtsam damit umging! Überhaupt, er hatte Tahiri schon oft darum gebeten, dass sie nichts auf seinen Schränken abstellte. War es denn zu viel verlangt, dass sie das endlich begriff? War es seine Aufgabe, ihr ständig alles hinterher zu räumen?
Nein, das ist es nicht!
Er akzeptierte, dass sie ihre Tanzstunden bis spät in die Nacht gab und ihn alleine ließ und dann konnte er von ihr erwarten, dass sie wenigstens ihren Kram weg räumte. Vor allem, wenn sie ohnehin den ganzen Tag nichts zu tun gehabt hatte. Das war das mindeste. Oh ja, das war das Mindeste! Wenn sie keine Rücksicht auf ihn nahm, würde er auch keine Rücksicht auf sie nehmen, so einfach war das. Deswegen würde er heute auch ganz sicher nicht bei ihr schlafen. So trat Ian entschlossen aus der Werkstatt um ins Schlafzimmer zu gehen und dort seine Sachen zu holen. Heute würde er auf der Couch schlafen, damit Tahiri endlich begriff, dass er all das ernst meinte und er nicht bereit war, ihre … Sperenzchen weiter mitzumachen.
Sie stand in der Küche und trank etwas und hätte Ian eine Sekunde darauf verschwendet, sie genauer anzusehen, hätte er vielleicht erkannt, dass sie geweint hatte. Doch Ian strafte sie mit Missachtung, als er an ihr vorbei lief, ins Schlafzimmer ging und seine Sachen holte. Als er abermals an ihr vorbei lief, war sie diejenige, die die Stille, die er ihnen auferlegt hatte, durchbrach.
‚Ian?‘, kam es fragend, doch Ian hatte beschlossen, sich nicht erweichen zu lassen, nein, er war wütend auf sie. Völlig berechtigt wütend. „Was?“, kam die barsche Gegenfrage, die auch so deutlich machte, dass Ian noch immer nicht bereit -oder fähig?- war, ein normales Gespräch zu führen. Eine Tatsache, die auch Tahiri erkannte, die nichts mehr erwiderte, sondern sich von der Theke löste und ins Schlafzimmer verschwand. Obwohl es vielleicht logisch gewesen wäre, sie hätte anders agiert: Sie schloss die Türe so leise, dass kein Laut zu hören war. Ein deutlicher Unterschied zu Ians Ausbruch, der dafür sorgte, dass er kurz zur Tür sehen musste. Hatte er vielleicht überreagiert? Obwohl das Nein noch immer deutlich in seinem Hinterkopf hallte, gesellte sich da doch eine sehr viel leisere Stimme dazu, die das Nein in Frage stellte. Aber sie hatte seine Arbeit zunichte gemacht! War das Grund genug, sich so zu verhalten? Ian drapierte die Bettsachen auf der Couch, legte sich danach hin und sah zur Decke. Und noch einmal kam die Frage zurück, ob er denn nicht extra in die Werkstatt gegangen war um sich mit Arbeit abzulenken und… Oh nein, er würde das nicht entschuldigen! Fest entschlossen, seinen Fehler – welchen Fehler überhaupt?- nicht einzusehen, drehte Ian sich auf die Seite.Sie hatte in der Werkstatt nichts zu suchen. Ganz einfach.
Es war die furchtbarste Nacht die Ian je gehabt hatte, seit er mit Tahiri zusammen war. An Schlaf war nicht zu denken gewesen und als er hörte, wie sich die Türe leise öffnete, setzte er sich schnell auf. „Tahiri?“ Und seine Stimme klang wie die ihre, als sie gestern seinen Namen fragend genannt hatte. Umgekehrte Rollen, doch von ihr kam kein barsches ‚Was‘, dass andeutete, dass jegliche Konversation im Vorhinein scheitern wurde. Allerdings kam auch keine Einladung, dass er weiter sprechen sollte. Das erste was Ian auffiel war, dass sie verletzt aussah, aber das machte es nicht einfacher, jetzt Worte zu finden. Aber sie sah ihn an und Ian wusste, dass es an ihm war, etwas zu sagen. Doch sein Blick wanderte auf den Boden und aus den Augenwinkeln erkannte er, wie Tahiri kurz das Gesicht verzog. Sie ging auf ihn zu und irgendwie hoffte Ian darauf, dass sie diejenige sein würde, die das Eis brach. Dass sie etwas sagte, was die Sache einfacher machte – aber sie tat ihm diesen Gefallen nicht. Zumindest nicht direkt, als sie wortlos seine Bettsachen nahm und zurück ins Schlafzimmer brachte. War das eine kleine Geste der Versöhnung? Ian hatte keine Ahnung, als er ihr noch immer wortlos folgte. Sollte er ihr sagen, dass es ihm Leid tat? Sich entschuldigen?
„Tahiri…“, kam es ein zweites Mal, weniger fragend, als unsicher und jetzt erkannte er eine Veränderung in ihrem Gesicht und war sich beinahe sicher, etwas auszumachen, dass nach … Wut aussah?
‚Ian,‘ erwiderte sie schließlich und sah ihm mit festem Blick entgegen, ‚Ich weiß, dass ich gestern einen Fehler gemacht habe und auch wenn du es gestern nicht hören wolltest: Es tut mir leid. Aber um ehrlich zu sein,‘ und jetzt funkelte das Verletze in ihren Augen wieder durch, ‚bin ich wütend auf dich. Wobei ich nicht sicher bin, ob eher wütend, oder eher verletzt.‘ Ian nickte einmal kurz und wollte etwas sagen, aber Tahiri war noch nicht fertig. ‚Ich erwarte nicht von dir, dass du dich entschuldigst oder etwas in dieser Art, ich erwarte nicht einmal, dass du derjenige bist, der dieses Gespräch hier startet, aber eine Sache Ian, erwarte ich doch‘, und er hatte sie selten mit dieser Festigkeit oder Strenge in der Stimme sprechen hören. ‚Nämlich die, dass wir nicht so miteinander umgehen. Ich habe einen Fehler gemacht und du warst wütend. Das ist dein Recht. Aber alles was danach folgte, war unangebracht, Ian.‘ „Ich weiß“, gab er leise zu und da blitzte kurz etwas in ihren Augen auf, das weniger nach Verständnis, als nach erneutem Aufwallen von ärger aussah. ‚Weißt du, wir haben schon mehrfach darüber gesprochen und ein ‚Ich weiß‘ hilft in dieser Sache nicht weiter.‘ Ihre Stimme wurde weniger streng, minimal, aber jetzt war Ians Wahrnehmung eine andere als gestern, als sie fortfuhr. ‚Vielleicht ist es nicht richtig, diese Forderung zu stellen, vielleicht noch weniger, wo ich mein Ordnungsproblem nicht in den Griff bekomme, aber Ian, so geht es nicht weiter.‘ Sie musste nicht weiter sprechen, denn er verstand, was sie sagen wollte, auch so. Sie hatten schon mehrfach darüber gesprochen. Darüber, dass er diese … Ausbrüche hatte. „Tahiri, ich- “. Doch diesmal war sie diejenige, die ihn unterbrach. ‚Was Ian? ‚Es tut dir leid?‘ ‚Ich versuche, dass zu ändern?‘ ‚Ich war wütend und konnte nicht klar sehen?‘‘ Sie schüttelte den Kopf und sah nun viel eher wieder traurig aus. ‚Das weiß ich alles Ian und ich liebe dich und auch wenn hier kein Aber folgen sollte: Ich kann das so nicht mehr.‘ Hatte sie das jemals so deutlich formuliert? ‚Ich will kein ‚Ich versuche es‘ mehr, verstehst du? Ich will, dass du es änderst, Ian. Und du musst das eine nicht mit dem anderen vergleichen. Wenn ich Chaos hinterlasse, ist das ärgerlich, dass weiß ich, aber es ist etwas anderes. Du… hast mich gestern erschreckt und dein Verhalten macht mir manchmal Angst. Und das akzeptiere ich nicht länger.‘ Das war deutlich, so deutlich wie die Erkenntnis, dass es ihr nicht leicht fiel, dass zu sagen und obwohl sie ihn bis eben die ganze Zeit angesehen hatte, war es nun ihr Blick, der kurz zur Seite glitt. Sicher nicht, um sich zu sammeln, sondern um verbergen zu können, dass ihre Augen zu glänzen begonnen hatten.
„Tahiri, es tut mir wirklich leid,“ aber das hatte sie nicht bezweifelt und als er einen Schritt auf sie zumachte, ging sie einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hand. ‚Ian, das reicht gerade nicht aus.‘ Aber was wollte sie hören? Was sollte er sagen? „Ich weiß, dass es unangemessen war… Ich… Ich werde es ändern, ich meine…“ ‚Kannst du dich bitte verhalten, wie ein erwachsener Mann?‘ Ein wenig hilflos sah Ian sie an, denn er wusste, dass sie Recht hatte, aber das hier war nicht einfach. Nicht für sie, aber auch nicht für ihn. Was sie erwartete? Darum ging es nicht. Zumindest nicht ganz. Sie wollte, dass er mehr gab, als leere Versprechungen. „Wenn es so einfach wäre, das zu ändern, hätte ich das schon gestern getan. Aber das ist es nicht, Tahiri. Ich… ich meine, vielleicht fällt es dir einfach über manches zu sprechen, über so etwas hier, aber mir nicht und das hat nichts damit zu tun, ob ich erwachsen bin oder nicht. Es ist einfach … anders. Ich… ich kann nicht in Worte fassen, wofür ich gar keine Worte habe und ich kann nicht sicher etwas versprechen, wenn ich diese Sicherheit gar nicht fühle. Ich weiß, dass es unangemessen war, Tahiri, und ich meine es erst, wenn ich sage, dass es mir Leid tut und ich weiß, dass du lange Verständnis dafür gehabt hast. Ich… hab immer nur gesagt, dass ich es versuche, nicht weil ich es mir einfach machen wollte, oder weil es mir nicht ernst ist, aber Tahiri… das ist… Das ist nicht, als würde ich einfach nur einen Schal aufhängen müssen. Das ist viel schwerer.“ So genau – oder ungenau?- hatte auch er sich noch nicht ausgedrückt. „Manchmal ist das, als würde ein Schalter umgelegt werden, auf den ich keinen Zugriff habe und meistens, merke ich das erst am Ende, aber nicht vorher und wenn das passiert, dann… Für dich mag das wie eine Ausrede klingen, aber das ist es nicht, wenn das passiert, dann kann ich nicht mehr anders handeln, Tahiri. Es ist, als würde… als wäre irgendetwas in mir, dass die Kontrolle übernimmt.“ Wie sollte er denn etwas erklären, was er selbst nicht begriff und was wie eine scheinheilige Ausrede klang? ‚Hat das etwas mit deiner Vergangenheit zu tun?‘ Die Frage kam leise, beinahe geflüstert und sie kam sanft, was sofort dafür sorgte, dass Ian den Blick abwenden musste. Sie wusste nichts aus seiner Kindheit, nichts und das war auch etwas, an dem Ian nichts ändern konnte. Sprechen darüber? Es funktionierte nicht, denn jedes Mal wenn er vielleicht ein passendes Wort dazu gefunden hätte, irgendeines, war es gleich wieder verschwunden. „Nein,“ sagte er und bemerkte nicht, dass er unbewusst nickte. Aber er spürte deutlich, dass sie etwas getroffen hatte und Tahiri schien es auch zu bemerken, denn wo sie eben noch einen Schritt zurück gemacht hatte, machte sie nun einen auf Ian zu und zog in ihre Arme. Ein paar Sekunden verstrichen, in denen Ian nichts tun konnte, doch Tahiri ließ nicht los, im Gegenteil, sie intensivierte, ihre Umarmung noch. Und erst da legte auch Ian seine Arme um sie. „Ich werde dich nie wieder anschreien, dass verspreche ich, aber vielleicht kannst du mir helfen und mir kleine Anzeichen geben, bevor das passiert. Das andere… ich, ich würde niemals etwas direkt nach dir werfen, aber Tahiri, dass… ich ganz ruhig bleibe und… das kann ich nicht versprechen. Nur, dass ich mich anstrengen werde und das ich das alles nicht gegen dich richte.“ Sie war es, die sich langsam wieder von ihm löste um ihm in die Augen sehen zu können. ‚Das erste reicht mir, Ian,‘ meinte sie dann und da umarmte er sie.