Ian Dice
Semiaktiv
Schlange
(Ian im Alter von 8)
Ian mochte diesen Gürtel nicht und obwohl es keinen Sinn machte, obwohl es wirklich fast keinen Sinn machte, hatte er Angst vor diesem langen, braunen Gebilde, dass wie eine Schlange aussah. Und vielleicht fühlte sich ein Biss von einer Schlange ja auch so an. Genauso, wie wenn das Leder auf seinen Rücken traf. Lauter kleine Bisse, immer wieder? Aber Tiere waren gar nicht böse, deswegen machte der Vergleich doch keinen Sinn. In keinem seiner Märchen waren Tiere böse, wenn, dann waren es Menschen. Papa war ein Mensch und Papa benutze diesen Gürtel, weswegen es doch keinen Sinn machte, Angst vor diesem Gürtel zu haben. Er war schmutzig, genau wie die Hose. Beides roch furchtbar nach Erbrochenem und beides war beschmutzt damit. Mama würde das nicht waschen, dass wusste Ian und wenn beides noch länger im Bad blieb, würde bald alles riechen und Erbrochenes war ein ganz, ganz ekliger Geruch. Nicht nur der Geruch war eklig, sondern alles, was Ian damit verband. Papa brach nur, wenn er getrunken hatte. Zu viel. Und wenn er zu viel getrunken hatte, dann war er böse und wenn er böse war… Ian schauderte und starrte auf die Hose und den Gürtel, als er vorsichtig näher ging und sie mit Zeigefinger und Daumen hochhob. Besser war, er machte das weg. Vielleicht würde Mama das einmal bemerken und vielleicht würde das dafür sorgen, dass sie ihn ansah? Dass sie mit ihm sprach? Und ganz vielleicht, ganz vielleicht nur brachte sie es ja zum Lächeln. Aber Lächeln? Sie lächelte im Garten, wenn alle anderen dabei waren. Wenn Gäste da waren. Aber hier im Haus? Hier weinte sie manchmal und Ian hatte das mitbekommen und hatte sie trösten wollen, aber sie hatte ihn immer weg geschickt. Jetzt machte sie die Tür zu, schloss ab, aber Ian wusste trotzdem, wenn sie weinte, schließlich war das ein Zeichen. Eine abgeschlossene Schlafzimmertür. Ganz einfach zu erkennen. Und wenn Papa, wie jetzt auf der Couch lag, war das auch ein Zeichen und genau wie die verschlossene Schlafzimmertür kein gutes. Papa wurde manchmal sogar sauer, wenn so etwas geschah. Nur, dass er seine Wut dann nicht an Mama ausließ. Nicht einmal wirklich an der Tür.
Vorsichtig zog Ian den Gürtel aus der Hose, nicht, ohne sich immer noch vor ihm zu fürchten. Das dicke Leder, die Schnalle. Er sah aus wie eine Schlange. Mit Kopf und mit Zunge, denn der kleine Metallstift, oder wie man ihn nannte, den man in die Löcher schob, er war wie eine Zunge. Und die Schnalle tat mehr weh, als der Körper. Also doch Bisse? Das war doch quatsch!
Das ist nur ein Gürtel.
Tiere sind nicht böse.
Aber war eine Schlange denn wirklich ein Tier? Vielleicht war sie ja etwas anderes. Sie gehörte, dass wusste Ian schließlich genau, zu einer ganz anderen Gruppierung. Aber Amphibien waren doch auch Tiere und es war bestimmt nicht gut damit zu beginne zu glauben, dass Schlangen böse waren. Nur weil Papa das manchmal war. Es kostete Ian Mühe den Gürtel aus der Hose zu bekommen und als das geschafft war und er die Schnalle berührte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Aber auch das war quatsch. Das war nur eine Schnalle und um sich zu vergewissern, um wirklich ganz sicher zu sein, bewegte Ian die Schnalle und als da wirklich nichts passierte, lächelte er sogar fast. Aber nur fast. Denn egal ob der Gürtel ein Gürtel war, oder eine Schlange, er hatte ihm oft sehr wehgetan und Erbrochenes war nicht das Einzige, was schon an ihm geklebt hatte. Ian machte ein leises, seltsames Geräusch. Nein, diesen Gürtel würde er nie mögen und er sollte ihn besser verstecken und nicht sauber machen. Aber dann würde Papa nur richtig wütend und er brauchte nicht mal einen Gürtel, er fand genug andere Dinge, mit denen er ihm wehtun konnte. Mit denen er ihm wehtat. Mit denen er nur ihm wehtat. Wobei das vielleicht nicht stimmte. Denn wenn Mama weinte, dann tat ihr bestimmt auch etwas weh und man musste gar nicht geschlagen werden, wenn es wehtun sollte. Es tat auch weh, wenn man nicht beachtet wurde oder wenn man beobachtete, wie andere beachtet wurde, nur man selbst nicht. Das war dann zwar kein Gürtel, der auf den Rücken schlug, aber es war schon ein bisschen wie ein Gürtel, der nicht um die Taille gelegt war, sondern um den Brustkorb und manchmal sogar direkt um das Herz.
Als der Gürtel sauber war, lief Ian mit diesem ins Wohnzimmer, wo Papa auf der Couch lag, was kein seltener Anblick war, auch wenn er noch nicht zur Gewohnheit geworden war. Meistens ließ Mama ihn doch noch wieder ins Zimmer und allermeisten war Papa danach auch wieder gut gelaunt. Meistens. Wenn nicht… Es war seltsam ihn so daliegen zu sehen. Ganz seltsam, den Gürtel dabei in der Hand zu haben und als Ian den Gürtel anders fasste, nur noch mit einer Hand, die Schnalle nach unten deutend, passierte etwas ganz, ganz seltsames. Ians Herzschlag wurde schnell und er konnte gar nicht aufhören auf Papa zu starren. Nein, er konnte nicht aufhören, auf Papa zu starren und sich vorzustellen, wie er den Gürtel nahm und ihn hob und… Das durfte er nicht denken und sich nicht vorstellen, aber wenn er ihn nur einmal damit… wenn er… Der Griff um den Gürtel wurde fester, sein Herzschlag noch viel schneller und obwohl Ian wusste, dass das ganz falsch war, war da ein unbedingter, dringender Wunsch den Gürtel zu nehmen und Papa damit zu schlagen. So schnell und so plötzlich und so stark, dass das nur bedeuten konnte, dass der Gürtel doch böse war! Weil.. wenn Ian ihn nutzen wollte um Papa zu schlagen, dann war Papa vielleicht nur so weil…
„WAS machst du da?“ Jerome Dice war so schnell aufgestanden, dass Ian gar nicht hatte reagieren können. „Wolltest du mich damit etwa schlagen?“ Er kam bedrohlich näher und Ians Blick ging autoamtisch zum Gürtel, den er noch immer so hielt. So, als hätte er wirklich damit schlagen wollen und das hatte er doch gewollt und und … Ian schüttelte den Kopf, viel zu schnell, denn das war eine Lüge und da hatte Jerome ihn schon gepackt. „Ich… ich… hab ihn sauber gemacht, ich hab ihn nur sauber gemacht,“ Jeromes Griff um Ians Arm wurde unbarmherziger, als er mit der anderen Hand nach dem Gürtel griff, den Ian augenblicklich los ließ. „Gib zu, dass du mich damit schlagen wolltest!“ Die Drohung war unmissverständlich und der Griff um seinen Arm wurde so stark, dass Ian sich zwingen musste, kein Geräusch zu machen, dass das verriet. Denn wenn Papa hörte, dass ihm etwas wehtat, wurde alles nur schlimmer. Ian schüttelte den Kopf, ununterbrochen. „Ich hab ihn sauber gemacht. Ich hab ihn nur sauber gemacht!“ Das war eine Lüge und man log doch nicht, aber wenn er nicht log, wenn er zugab, dass Papa Recht hatte, dann… Aber vielleicht würde dann auch das Gegenteil passieren? „Niemand, der einen Gürtel so hält, will damit nicht schlagen.“ Was sollte er darauf denn erwidern? Ian schüttelte nur weiterhin den Kopf. „Soll ich dir zeigen, wie man das macht?“ Immer noch schüttelte Ian den Kopf, aber auch das brachte nichts, als der Beweis folgte. Der Gürtel machte Papa böse. Und als er das erste Mal traf versuchte Ian sich vorzustellen, dass er ganz weit weg war. Nicht auf Telos, sondern auf einer anderen Welt. In einer anderen Welt. Wo es nur Tiere gab und als der zweite Schlag kam, spürte er ihn kaum noch.
(Ian im Alter von 8)
Ian mochte diesen Gürtel nicht und obwohl es keinen Sinn machte, obwohl es wirklich fast keinen Sinn machte, hatte er Angst vor diesem langen, braunen Gebilde, dass wie eine Schlange aussah. Und vielleicht fühlte sich ein Biss von einer Schlange ja auch so an. Genauso, wie wenn das Leder auf seinen Rücken traf. Lauter kleine Bisse, immer wieder? Aber Tiere waren gar nicht böse, deswegen machte der Vergleich doch keinen Sinn. In keinem seiner Märchen waren Tiere böse, wenn, dann waren es Menschen. Papa war ein Mensch und Papa benutze diesen Gürtel, weswegen es doch keinen Sinn machte, Angst vor diesem Gürtel zu haben. Er war schmutzig, genau wie die Hose. Beides roch furchtbar nach Erbrochenem und beides war beschmutzt damit. Mama würde das nicht waschen, dass wusste Ian und wenn beides noch länger im Bad blieb, würde bald alles riechen und Erbrochenes war ein ganz, ganz ekliger Geruch. Nicht nur der Geruch war eklig, sondern alles, was Ian damit verband. Papa brach nur, wenn er getrunken hatte. Zu viel. Und wenn er zu viel getrunken hatte, dann war er böse und wenn er böse war… Ian schauderte und starrte auf die Hose und den Gürtel, als er vorsichtig näher ging und sie mit Zeigefinger und Daumen hochhob. Besser war, er machte das weg. Vielleicht würde Mama das einmal bemerken und vielleicht würde das dafür sorgen, dass sie ihn ansah? Dass sie mit ihm sprach? Und ganz vielleicht, ganz vielleicht nur brachte sie es ja zum Lächeln. Aber Lächeln? Sie lächelte im Garten, wenn alle anderen dabei waren. Wenn Gäste da waren. Aber hier im Haus? Hier weinte sie manchmal und Ian hatte das mitbekommen und hatte sie trösten wollen, aber sie hatte ihn immer weg geschickt. Jetzt machte sie die Tür zu, schloss ab, aber Ian wusste trotzdem, wenn sie weinte, schließlich war das ein Zeichen. Eine abgeschlossene Schlafzimmertür. Ganz einfach zu erkennen. Und wenn Papa, wie jetzt auf der Couch lag, war das auch ein Zeichen und genau wie die verschlossene Schlafzimmertür kein gutes. Papa wurde manchmal sogar sauer, wenn so etwas geschah. Nur, dass er seine Wut dann nicht an Mama ausließ. Nicht einmal wirklich an der Tür.
Vorsichtig zog Ian den Gürtel aus der Hose, nicht, ohne sich immer noch vor ihm zu fürchten. Das dicke Leder, die Schnalle. Er sah aus wie eine Schlange. Mit Kopf und mit Zunge, denn der kleine Metallstift, oder wie man ihn nannte, den man in die Löcher schob, er war wie eine Zunge. Und die Schnalle tat mehr weh, als der Körper. Also doch Bisse? Das war doch quatsch!
Das ist nur ein Gürtel.
Tiere sind nicht böse.
Aber war eine Schlange denn wirklich ein Tier? Vielleicht war sie ja etwas anderes. Sie gehörte, dass wusste Ian schließlich genau, zu einer ganz anderen Gruppierung. Aber Amphibien waren doch auch Tiere und es war bestimmt nicht gut damit zu beginne zu glauben, dass Schlangen böse waren. Nur weil Papa das manchmal war. Es kostete Ian Mühe den Gürtel aus der Hose zu bekommen und als das geschafft war und er die Schnalle berührte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Aber auch das war quatsch. Das war nur eine Schnalle und um sich zu vergewissern, um wirklich ganz sicher zu sein, bewegte Ian die Schnalle und als da wirklich nichts passierte, lächelte er sogar fast. Aber nur fast. Denn egal ob der Gürtel ein Gürtel war, oder eine Schlange, er hatte ihm oft sehr wehgetan und Erbrochenes war nicht das Einzige, was schon an ihm geklebt hatte. Ian machte ein leises, seltsames Geräusch. Nein, diesen Gürtel würde er nie mögen und er sollte ihn besser verstecken und nicht sauber machen. Aber dann würde Papa nur richtig wütend und er brauchte nicht mal einen Gürtel, er fand genug andere Dinge, mit denen er ihm wehtun konnte. Mit denen er ihm wehtat. Mit denen er nur ihm wehtat. Wobei das vielleicht nicht stimmte. Denn wenn Mama weinte, dann tat ihr bestimmt auch etwas weh und man musste gar nicht geschlagen werden, wenn es wehtun sollte. Es tat auch weh, wenn man nicht beachtet wurde oder wenn man beobachtete, wie andere beachtet wurde, nur man selbst nicht. Das war dann zwar kein Gürtel, der auf den Rücken schlug, aber es war schon ein bisschen wie ein Gürtel, der nicht um die Taille gelegt war, sondern um den Brustkorb und manchmal sogar direkt um das Herz.
Als der Gürtel sauber war, lief Ian mit diesem ins Wohnzimmer, wo Papa auf der Couch lag, was kein seltener Anblick war, auch wenn er noch nicht zur Gewohnheit geworden war. Meistens ließ Mama ihn doch noch wieder ins Zimmer und allermeisten war Papa danach auch wieder gut gelaunt. Meistens. Wenn nicht… Es war seltsam ihn so daliegen zu sehen. Ganz seltsam, den Gürtel dabei in der Hand zu haben und als Ian den Gürtel anders fasste, nur noch mit einer Hand, die Schnalle nach unten deutend, passierte etwas ganz, ganz seltsames. Ians Herzschlag wurde schnell und er konnte gar nicht aufhören auf Papa zu starren. Nein, er konnte nicht aufhören, auf Papa zu starren und sich vorzustellen, wie er den Gürtel nahm und ihn hob und… Das durfte er nicht denken und sich nicht vorstellen, aber wenn er ihn nur einmal damit… wenn er… Der Griff um den Gürtel wurde fester, sein Herzschlag noch viel schneller und obwohl Ian wusste, dass das ganz falsch war, war da ein unbedingter, dringender Wunsch den Gürtel zu nehmen und Papa damit zu schlagen. So schnell und so plötzlich und so stark, dass das nur bedeuten konnte, dass der Gürtel doch böse war! Weil.. wenn Ian ihn nutzen wollte um Papa zu schlagen, dann war Papa vielleicht nur so weil…
„WAS machst du da?“ Jerome Dice war so schnell aufgestanden, dass Ian gar nicht hatte reagieren können. „Wolltest du mich damit etwa schlagen?“ Er kam bedrohlich näher und Ians Blick ging autoamtisch zum Gürtel, den er noch immer so hielt. So, als hätte er wirklich damit schlagen wollen und das hatte er doch gewollt und und … Ian schüttelte den Kopf, viel zu schnell, denn das war eine Lüge und da hatte Jerome ihn schon gepackt. „Ich… ich… hab ihn sauber gemacht, ich hab ihn nur sauber gemacht,“ Jeromes Griff um Ians Arm wurde unbarmherziger, als er mit der anderen Hand nach dem Gürtel griff, den Ian augenblicklich los ließ. „Gib zu, dass du mich damit schlagen wolltest!“ Die Drohung war unmissverständlich und der Griff um seinen Arm wurde so stark, dass Ian sich zwingen musste, kein Geräusch zu machen, dass das verriet. Denn wenn Papa hörte, dass ihm etwas wehtat, wurde alles nur schlimmer. Ian schüttelte den Kopf, ununterbrochen. „Ich hab ihn sauber gemacht. Ich hab ihn nur sauber gemacht!“ Das war eine Lüge und man log doch nicht, aber wenn er nicht log, wenn er zugab, dass Papa Recht hatte, dann… Aber vielleicht würde dann auch das Gegenteil passieren? „Niemand, der einen Gürtel so hält, will damit nicht schlagen.“ Was sollte er darauf denn erwidern? Ian schüttelte nur weiterhin den Kopf. „Soll ich dir zeigen, wie man das macht?“ Immer noch schüttelte Ian den Kopf, aber auch das brachte nichts, als der Beweis folgte. Der Gürtel machte Papa böse. Und als er das erste Mal traf versuchte Ian sich vorzustellen, dass er ganz weit weg war. Nicht auf Telos, sondern auf einer anderen Welt. In einer anderen Welt. Wo es nur Tiere gab und als der zweite Schlag kam, spürte er ihn kaum noch.