Tales of the Galaxy - Unsere Kurzgeschichten

Last understatement - part I

Hyperraum. Nähe Bakura. Etwa vor 3 Jahren



„Also… Sobald wir den Hyperraum verlassen will ich eure süßen Ärsche draußen sehen!“ dröhnte es aus den Lautsprechern. Im Hangar herrschte geschäftiges Treiben. Die Piloten stürmten zu ihren Tie und machten alles bereit für den Abflug. Der Drill war klar. Sofort raus sobald das Schiff den Hyperraum über Bakura verließ. Es war eine einfache Übung. Sie sollten ein paar Drohnen abschießen. Sie waren die Resterampe. Die Letzten von denen überhaupt etwas erwartet wurde. Jeder von ihnen sollte im Ernstfall kaum mehr als Kanonenfutter sein. Auch wenn eigentlich jeder sich dessen bewusst war, so wollte sich niemand die Blöße geben nutzlos zu sein. Es wäre nun jede Sekunde so weit. Inzwischen waren auch die letzten Piloten in ihren Jägern. Das Schiff verließ den Hyperraum und mit einem Mal schossen alle Jäger auf einmal los.

„Der letzte darf heute die Toiletten schrubben Leute!“


Kam es über den Funk. Jeder wusste wer es war. Noorah Tylah. Sie war die einzige nicht menschliche Pilotin an Bord der Gladius. Wie ein Bollwerk thronte der Sternenzerstörer hinter der Staffel. Ein Bollwerk das umschwärmt wurde von endlos vielen Jägern.

„Ist das nicht die Aufgabe von euch Aliens und Sklaven Blue?“


Kam es lachend von ihrer besten Freundin. Eine junge Frau die sie am Anfang gehasst hatte. Aus gutem Hause hatte sie sich nie mit dem Gedanken abfinden können dass ein Alien irgendwann auf Augenhöhe mit ihr sein könnte. Seit Noorah sie aber scheinbar in allem in die Tasche steckte gestand sie sich irgendwann ihren Fehler ein. Nun waren Sie untrennbar. Die beiden besten Piloten unter einem Rudel von Piloten die als die unterste Garde galten.

„Heute nicht Twinkle! Heute werden wir ihnen zeigen wozu wir wirklich fähig sind!“

In Formation flogen die beiden zu ihren Zielkoordinaten. Sobald sie grünes Licht bekämen hieß es jeder für sich. Es gab etwa 200 Drohnen. In den Einsatz Geschickt wurden etwa 100 Piloten pro Gebiet. Also müsste jeder im Schnitt zwei Abschüsse schaffen. Die Drohnen waren so Programmiert dass sie wendiger und schneller als ihre Tie waren. Es hieß also Taktik und Teamwork.

„Hey, Blue? Wenn ich gewinne darfst du meinen Helm polieren und meine Füße massieren!“

Beide Frauen lachten. Es dauerte nicht lange bis dann auch das Signal kam. Ohne mit einander reden zu müssen flogen sie in perfekter Formation auf den Schwarm Drohnen hinzu. Ohne Mühe schossen sie zusammen die ersten beiden Drohnen ab. Wie im Bilderbuch verwendeten sie eine „Boom and zoom“ Taktik die darauf basierte dass ihre Flugbahn einer Doppelhelix glich. Völlig unbeeindruckt nutzten die beiden die höhere Geschwindigkeit ihrer Jäger aus. Wie Speere durchschossen sie die Formationen der Drohnen. Anders als in ernsten Einsätzen waren die Treffer harmlos um die Übungsziele nicht komplett zu vernichten. Immer wenn die beiden etwas Abstand zu den Zielen hatten drehten sie um und schossen aufs Neue auf die Drohnen zu.

„Ich denke das war der Letzte Twinkle!“

Noorah übernahm die Führung und wollte wieder Kurs auf den Sternenzerstörer nehmen. Die nächste Gruppe wäre dran. Mitten im Flug fingen die Triebwerke an zu streiken. Großartig. Hatten die Mechaniker wieder zu viel Freizeit vernachlässigten sie mal wieder die TIE‘s. Der Schubverlust ließ sie einfach weiter treiben. Nicht einmal der Funk funktionierte. Die Anzeigen hatten nichts ungewöhnliches gezeigt. Warum war nun ein kompletter Blackout angesagt? Diese regungslose Stille konnte einen in den Wahnsinn treiben. Wiederholt versuchte Noorah den TIE wieder zurück zu holen. Aber es ging nicht. Es war als wäre alles tot. Um sie herum war der Weltraum. Ihr Jäger wurde langsam von der Anziehungskraft des Planeten ergriffen weswegen sich die Flugbahn änderte. Langsam aber sicher. Sie schaute fasziniert aus dem Sichtfenster des Jägers. Sie lächelte.

„Weißt du? Ich hoffe… Wir werden uns wieder sehen selbst wenn du einmal nicht mehr sein solltest.“

Es waren diese stillen Momente wo Noorah gerne mal einfach mit ihrem Jäger sprach. Wenn niemand sie hören könnte. Langsam streichelte sie die Anzeigen und Bedienelemente.

„Auch wenn du eine verfluchte Zicke bist! Ich werde für dich da sein. Immer... und nun? Teilen wir einfach nur diesen Moment. Diesen Moment der Ruhe.“

Hinter dem Planeten kam die Sonne zum Vorschein. Nun konnte Noorah nicht anders als zu lächeln. Das wollte ihr Jäger also mit ihr sehen. Ein leises Lachen drang aus ihrer Kehle. Langsam erwachte auch der Jäger wieder zum Leben. Über ihren Funk hörte Noorah nur statisches Rauschen. Scheinbar war es nun wieder so weit zurück zu kehren. Noch ein wenig trieb der Jäger in einer Kurve an dem Planeten entlang. Nur ein paar Sekunden noch. Langsam startete Noorah dann doch langsam die Triebwerke. Fuhr alles langsam hoch. Dieser kurze Moment ließ sie aufleben. Lächeln.

„Hey Blue? Kann- … hören?“

Ja… sie konnte Twinkle hören. Noorah beschleunigte den Jäger und nahm wieder Kurs auf den Sternenzerstörer.

„Ja Twinkle! Alles gut. Mein Jäger hat mich nur kurz in den Urlaub geschickt!“

Damit war alles gesagt. Ihr Wingman wusste so was los war. Ihr Material war nicht das Beste. In gewissen Fällen schienen gerne mal die Systeme zu spinnen. Während die Elite des Imperiums wohl diese Jäger als Schrott bezeichnet hätten sagten die Piloten der Gladius dass ihre Jäger halt Charakter hätten. Während des Rückflugs erhielt sie die Antwort. 11 zu 9. Beste Leistung heute. Sie sollten zurückkehren und alles Besprechen. Die Jäger sollten geprüft werden. Die Leistungen besprochen. Es war eine kurze Übung. Dennoch aber ausreichend um notwendige Daten zu sammeln. Nun würden alle Piloten nacheinander diese Übung fliegen.

Sanft landete der TIE, pilotiert von Noorah im Hangar. Sobald die Systeme abgeschaltet war fing die Hangar-Crew mit ihrer Arbeit an. Noorah stieg aus ihrem Jäger und machte einen „afterflight check.“ Ihr Blick ruhte auf jedem Detail. Auch suchte die Pilotin nach einen Hinweiß auf den Blackout. Am Ende sollte es ein defekter Energiespeicher sein. Auch der Grund warum der Jäger mit Auftauchen der Sonne wieder langsam zum Leben erwachte. Das Personal schaute Noorah an und dann den Jäger. „Es ist gut dass er zu den Modellen gehört die ausgemustert werden…“ kam es von einem Hangararbeiter. Man überreichte Noorah die Nachricht dass die Gladius sich auf den Weg in die Grenzregionen begeben sollte. Um auf alles vorbereitet zu sein würde man die untauglichen Jäger aussortieren und erneuern. Noorahs Jäger sollte entsorgt werden. Sie selbst hatte dadurch ein mulmiges Gefühl. Hatte sich die Blauhäutige doch sehr mit ihrem Arbeitsmaterial angefreundet.

„Wir werden uns wieder sehen...“

Sie fuhr mit der Hand an dem blauen streifen auf der Hülle entlang und lächelte. Denn da war sie sich sicher. Irgendwann würden sie einander wieder sehen. Auf die eine oder andere Art und Weise. Langsam machte Noorah dann aber kehrt und lief zum Besprechungsraum. Dabei nahm sie ihren Helm ab. Eine Blondine rümpfte ihre Nase gespielt und grinste dann neckisch.

„Ich finde immer noch dass du mit Helm besser aussiehst!“


Kam es von ihr während ihre Finger eine blonde Strähne hinter das Ohr schoben.

„Und du solltest mal unter die Sonnenbank Twinkle. Vielleicht leuchtest du dann für den Feind nicht mehr so!“

Beide schauten einander an und grinsten dann.

„Ich denke die anderen werden noch locker eine Stunde brauchen oder?“

„Ohhh ja. Mindestens! Und ich muss auch ganz dringend einmal los mich frisch machen.“

Beide Frauen grinsten sich wissend an. Beide wussten was die jeweils andere wollte. Nicht selten verschwanden die beiden dann im Bad oder wo anders. Genossen die Zeit für sich. Würden intim miteinander werden und auf eine ganz andere Art von Bedürfnis stillen. Ihre Freundschaft wie sie es nach außen darstellten war noch so viel mehr. War mehr als nur ein Mögen des anderen. Sie liebten einander mehr als sie es jeweils bei einem Mann könnten. Beide Frauen hatten lange gebraucht um zu begreifen wie sie wirklich für einander empfanden. Was ihre Gefühle waren. Der Anfang war noch nie leicht gewesen. Und nun? Waren sie zusammen und bildeten im Einsatz so wie privat eine untrennbare Einheit. Zumindest waren sie davon überzeugt.
 
Gwefih
(Ian mit ca. 18 Jahren)

Egal wie oft er es las – und das hier war Ians fünfter Versuch, er verstand nicht, was der Autor ausdrücken wollte. So sprachbegabt er auch war, das, was Gwefih geschrieben hatte, entzog sich Ians Sinn. Was auch immer dieser Mann sagen wollte, für Ian war es eine sinnlose Aneinanderreihung von Worten. Dabei hatte er früh begonnen das Buch zu lesen, aber kaum die Hälfte davon geschafft, was die Bearbeitung der Aufgaben völlig unmöglich machte. Frustration und Müdigkeit sorgten dafür, dass er die Ellenbogen auf den Tisch stützte und den Kopf in den Händen verbarg. In drei Tagen musste er das Essay abgeben. Nicht ein einziges Wort hatte er bis jetzt zu Papier gebracht. Nicht zum ersten Mal stellte der junge Mann sich die Frage, ob er nicht nach jemandem suchen sollte, der ihm das Essay schrieb – mit dem Unterschied, dass die vorherigen Überlegungen nie wirklich ernst gewesen waren. Aber jetzt? Er seufzte leise und dann zuckte er zusammen, denn Tahiri hatte er nicht kommen hören.
‚Kannst du nicht schlafen?‘, fragte sie, klang dabei so müde, wie er sich fühlte und Ian beeilte sich, etwas über das Buch zu legen. „Nein,“ kam die ehrliche Antwort und er klang dabei wie jemand, der auf frischer Tat bei etwas Verbotenem erwischt worden war. Irgendwie… war es das auch. Tahiri hatte ihn erwischt. Bei etwas, das einer Lüge sehr nahekam. Einem Verschweigen eines Geheimnisses, dem nämlich, dass er sich darum bemühte alle Schulabschlüsse nachzuholen. Den niedrigsten hatte er immerhin erreicht. Aber den hier? ‚Komm zurück ins Bett‘, gähnte Tahiri schließlich, als sie von hinten die Arme um ihn legte und ihren Kopf auf seiner Schulter bettete. ‚So spät noch zu arbeiten… Was machst du überhaupt?‘ Nichts.“ Ian bemühte sich, nicht zu ungehalten zu klingen, aber die Tatsache, dass diese Antwort tatsächlich stimmte und gleichzeitig eine Lüge war, außerdem, dass sie ihn hier bei Heimlichkeiten erwischt hatte – das war keine gute Kombination. Sie lachte leise, noch immer halb verschlafen. Das sehe ich.‘ Schließlich war da ein weißer Bildschirm, der genau das offenbarte. „Tahiri, geh schlafen.“ Jetzt klang er wirklich ungehalten und sie war ihm eindeutig zu nahe, was Ian unterbrechen musste, als er seine Sitzposition veränderte und Tahiri damit zwang, sich von ihm zu lösen. „Ich kann nicht schlafen, du solltest schlafen und ich will mich jetzt wirklich nicht unterhalten.“ Mit seiner Bewegung aber, verrückte er auch die Utensilien auf dem Schreibtisch und gab das Buch frei, nach dem Tahiri natürlich greifen musste. ‚Gwefih? Ich wusste gar nicht, dass du ihn gerne liest.‘ Das Geräusch das Ian nun verlauten ließ, musste mehr als deutlich machen, wie genervt er war. Falls es das nicht tat, dann sein Handgriff, mit der er Tahiri das Buch wegnahm. „Ich lese ihn nicht gerne und…“ sie hatten darüber geredet, oft. Über ihren Umgang miteinander oder eher über seinen Umgang mit ihr. Ian wusste ja selbst, dass er viel zu oft viel zu schnell ungehalten wurde und genau das war es, was er jetzt wieder spürte. Nur… War es verdammt schwer sich zusammen zu nehmen. Noch schwerer, wo er doch gesagt hatte, dass ihm jetzt nicht der Sinn nach Konversation stand. Noch viel schwerer, wo er sich wie ein Idiot vorkam. Verstand ein Buch nicht, das von einem Autor stammte, den Tahiri kannte. Wahrscheinlich hatte sie es gelesen und auf Anhieb verstanden. Hatte das Buch innerhalb von drei Tagen gelesen. Sie hätte diese Aufgaben, da war er sicher, im Handumdrehen gelöst. Verglich er sich auch nicht mir ihr, war es dennoch ein mehr als ungutes Gefühl sich dumm vorzukommen. Gerade erst einen Abschluss erlangt, heimlich, kam es ihm vor, als würde er an diesem scheitern. Dabei spielte keine Rolle ob Intelligenz an Noten zu bemessen war. Bis vor kurzem hatte er nicht einmal einen Abschluss besessen und das war etwas, wofür sich der junge Mann schämte. So musste Ian sich zwingen ruhig zu sprechen, er wusste nicht warum und wie - aber es gelang. „Kannst du mich bitte alleine lassen?“ Vielleicht war doch klar, warum es gelang. Seine Scham war größer als seine Wut und Tahiri musste etwas in seiner Stimme gehört haben, denn auch ihre Stimmlage änderte sich. ‚Mach nicht zu lange‘, kam es, als sie ihm eine Strähne hinters Ohr strich, ihm einen Kuss auf den Kopf gab und die Werkstatt verließ. Ian atmete tief aus und vergrub einmal mehr den Kopf in den Händen. Stunden würde er noch sitzen können, er verschwendete bloß seine Zeit. Reparieren war so viel einfacher. Rechnungen auch. Sie folgten einfachen Regeln und schlicht Logik, aber Worte? Ein Satz konnte ein Dutzend Bedeutungen haben, auch wenn die Wortfolge die gleiche war und das war nicht nur bei diesem Buch ein Problem, sondern manchmal auch allgemein. In Gesprächen. In Gesprächen mit Tahiri. Ein neuerliches Seufzen, als Ian sich in seiner kleinen Werkstatt umblickte. Auch hier hatte alles seinen Platz. Die Gerüche der Materialien – alles war vertraut. Die Anordnung seiner Werkzeuge bei dem immer klar war, welches er gerade benötigte. Das was er jetzt benötigte war Wahrheit. Das Beenden dieser Heimlichtuerei…


Sie war noch wach. Ian konnte sie zwar kaum sehen, als er in der Tür stand, aber irgendwie wusste er, dass sie noch wach war und als er sich neben sie legte, bestätigte sich das, denn als wüsste auch sie, dass er etwas wollte, drehte sie sich zu ihm, was ihn ihr Gesicht schemenhaft erkennen ließ. „Ist es sehr widersprüchlich, wenn ich erst sage, dass nicht reden will und jetzt doch damit anfange?“ Sie lächelte, das wusste er sicher. ‚Sagen wir einfach, es klingt sehr nach dir.‘ Das entlockte dem jungen Mann ein leises Lachen, das in einem Seufzen endete. „Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.“ Er, ein einziger Widerspruch? Das hieß, als wüsste man nie, woran man wirklich bei ihm war und das wiederum hieß, dass nicht nur Worte oft keinen Sinn ergaben, sondern auch das, was er tat. Hatte er also ein Problem mit Gwefih, um wie viel mehr musste Tahiri ein Problem mit ihm haben? Dabei konnte man ein Buch schlicht zur Seite legen. Den Partner hingegen? Tahiri schwieg noch und Ian war dankbar, dass sie ihm Zeit gab, Gedanken und Worte zu ordnen. Anders als er, war sie kein Widerspruch. Viel offener zu lesen als er. Manchmal war es sogar für ihn viel einfacher sie zu verstehen, als sich selbst. „Gwefih lese ich nicht, weil ich ihn lesen will.“ Was ein Eingeständnis war, das es dennoch nicht einfacher machte, mit der Wahrheit ans Licht zu rücken. „Ich muss ihn lesen, um…“ Wieder war es Tahiri, die genau wusste, dass sie nachhelfen musste, dabei war erschreckend, dass sie nicht nur seinen Satz beenden konnte, sondern auch wie sie es tat. Wissend. ‚Deinen Abschluss nachzuholen.‘ Obwohl es ihn nicht erschrecken müsste, tat es das doch, fühlte sich an, wie ein seltsamer Schlag in den Magen. „Du weißt es?“ Wie? Woher? ‚Ian‘, begann sie, klang weder belehrend, noch wütend, ‚glaubst du, ich merke nicht, wenn du dich nachts aus dem Bett schleichst und Stunden in deiner Werkstatt bist?‘ Nein, das hatte er nicht geglaubt und selbst wenn, dann hieß das längst nicht, dass er die Zeit nutze, um einen Schulabschluss nachzuholen. „Nein.“ Sie sah ihn an, durch das Dunkel hinweg, was dennoch gut zu erkennen war. „Warum hast du nie was gesagt?“ ‚Weil ich gehofft habe, dass du selbst mit mir darüber sprichst und es so leichter für dich ist.‘ Jetzt war Ian froh um die Dunkelheit, als er das Gesicht verzog und schluckte. „Bist du nicht … wütend auf mich?“ ‚Weil du mir verheimlichst, dass du einen Abschluss nachholst?‘ „Weil ich … gar keinen hatte.“ Sie wussten beide, dass das nicht die Worte waren, die er eigentlich hatte sagen wollen. ‚Weil ich dumm bin‘ lag zwischen ihnen. Fast wäre Ian zusammengezuckt, als sie ihre Hand hob, sie auf seine Wange legte. Fast. ‚Ian, ich bin nicht wütend auf dich und ich glaube, dass du klug und intelligent bist, hörst du? Und diese beiden Dingen werden dich vielleicht einfacher erkennen lassen, dass du solche Geheimnisse und Ängste gar nicht haben musst. Du bist mit einer Tänzerin zusammen. Nicht mit einer Ärztin oder Professorin. Und selbst wenn. Ich liebe dich nicht für irgendeinen Abschluss.‘ Trotzdem kam er sich unendlich dumm vor, gleich doppelt, weil er davon ausgegangen war, dass es Tahiri etwas hätte ausmachen können. Ian wollte etwas sagen, oder tun, aber er konnte nicht, als Tahiri längst die Initiative ergriffen und ihn umschlungen hatte. ‚Viele haben Probleme mit Gwefih. Ich habe Probleme mit den ganzen Reparaturen die du kannst. Sogar mit dem Aufräumen, dabei ist das wirklich einfach. Wenn du willst, helfe ich dir dabei.‘ Hätte Ian weinen können, vermutlich hätte er es getan, da war viel in ihm, dass genau das wollte, aber ebenso viel, dass es nicht konnte. Was er aber gelang war, sich an sie zu klammern, als ertrinke er und Tahiri strich ihm, behutsame Worte zuflüsternd über den Rücken, so lange, bis Ians Klammern leichter wurde. ‚Wann musst du es abgeben?‘ „In drei Tagen.“ Das bekommen wir hin.‘
 
Ablenkung
(vor nicht all zu langer Zeit)
In Zusammenarbeit mit Eowyns NPC


Der Drink half nicht, so wenig wie der Gedanke Elise den Kopf abzureißen. Mochte er seiner Meisterin vielleicht vorwerfen können, dass sie mit ihrer Kopflosigkeit für seine Handlosigkeit gesorgt hatte, es war kaum ihre Schuld, wenn seine Gefühle verrücktspielten. Sonst hätte er ebenso Ian verantwortlich machen können. Ian, der melancholische, gefühlvolle Typ, mit dem er jetzt tatsächlich gerne gesprochen hätte. Der Chiss rollte mit den Augen, als er sich einmal durch die Haare fuhr. Es passte einfach nicht zu ihm, sich Gedanken über solche Nachrichten zu machen. Überhaupt, passte so einiges nicht mehr zu ihm. Der Umstand, Dinge so ernst zu nehmen. Die Tatsache, mit Frauen auszugehen und dabei an eine andere zu denken. Nach Bastion zu reißen, um bei einer Selbstmordmission mitzumachen. Ereens Satz um seine Dummheit klang in seinen Ohren und er fühlte sich, als hätte sie damit goldrichtig gelegen. Er war dumm, worüber er lachen musste.
Das hier musste er nicht mit sich ausmachen, schließlich war da ein Angebot gewesen, das er nicht vergessen hatte. Kairi. Ian war nicht da, aber vermutlich auch nicht der perfekte Gesprächspartner, wenn es um Frauen ging. Wer wusste am besten über Frauen Bescheid? Frauen. Hatte eine Frau sogar einen Lebensbaum und teilte mindestens ein Hobby mit ihm, war sie prädestiniert für ein zweites Gespräch.

Riuen hatte Glück, er musste nicht einmal lange warten, bis Kairi Zeit für ihn hatte.

„So schnell sieht man sich wieder,“ begrüßte er lächelnd die Frau, die optisch so hinreißend für ihn war und so krass seinem Typ entsprach, dass es beinahe leidig war, dass sie nicht Arda war. Er hätte genau gewusst, was er sonst, nach dieser Nachricht mit ihr angestellt hätte. Ganz genau. Und da war etwas, dass Kairis Angebot von letztens, das ‚das eine oder das andere‘ beinhaltet hatte, annehmen wollte. Weniger mit einem ‚oder‘ als einem ‚und‘ verbunden. „Kein neues Zeichen an deinem Baum,“ stellte er fest, als er die Symbole zählte und sie schließlich direkt ansah. „Ich hab heut eins bekommen und kann es nur schlecht zuordnen.“ Womit er ein wenig schneller zum Punkt kam, als das letzte Mal und da reichte Riuen Kairi das Kom. „Das ist eine ziemlich übertriebene Nachricht. Wenn nicht sogar eine lächerliche.“ Was mit keiner Silbe so klang. „Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick und ich halte auch nichts von schnulzigen Nachrichten. Dabei ist es erschreckend, dass ich darüber trotzdem lächeln und nicht abfällig grinsen musste.Er kannte Arda kaum, das hatte er mit Ian schon durch. Uns verbindet gar nichts.“ Trotzdem wäre er jetzt lieber bei ihr. „Vielleicht sehe ich sie nie wieder. Aber wenn ich sie jetzt sehen könnte…“ Riuen musste lachen, denn was er eben gedacht hatte, es stimmte nicht. „Ich würd sie umarmen wollen.“ Umarmen. Herrlich.

Man hatte ihr gesagt, dass ihr Typ verlangt wurde, und so hatte Kairi nur eben ihr Zimmer in Ordnung gebracht, sich frisch gemacht und ihn nach oben gebeten. Nun stand Riuen vor ihr - der Mann, der sie letztes Mal fürs reden bezahlt hatte. "Das ging in der Tat schnell. Komm herein." Sie hob einladend den Arm, legte ihre andere Hand auf seinen Rücken und begleitete ihn in den Raum.
Dann setzte sie sich graziös, die Beine übereinander geschlagen, auf die Bettkante, während sie beobachtete, wie Riuen ihren Lebensbaum betrachtete.

"Nein", antwortete sie lächelnd, "schließlich ist auch nicht so viel Zeit vergangen seit deinem letzten Besuch." Anders aber sah es offenbar bei ihm aus. Er hatte ein Zeichen bekommen? Wie das? Zeichen entwickelten sich, sie wuchsen, normalerweise "bekam" man sie nicht - sie geschahen höchstenfalls. Aber vielleicht war es das, was der Chiss meinte. Und offenbar war er auch heute nicht hier, um mit ihr zu schlafen, sondern wieder, um zu reden. Kairi seufzte. Reden. Ja, es mochte angenehmer sein als so manches andere, was ihre Kunden wünschten, aber... sie fühlte sich noch immer unwohl bei dem Gedanken, dass Riuen sie fürs Reden bezahlte. Und jetzt reichte er ihr auch noch sein Kom - mit einer "übertriebenen, lächerlichen" Nachricht.
Sie hob ihre perfekten Augenbrauen, griff nach dem Gerät und las die kurze Nachricht. Oha. Eine Liebeserklärung in Gedichtform? Auf welchem Planeten hatte er denn
diese Dame aufgegabelt? "Ziemlich deutlich", sagte sie trocken, bevor Riuen fortfuhr - zu reden. Und ebenfalls ziemlich deutlich werden ließ, dass sie ihre Unterwäsche nach ihm wohl wieder nicht wechseln musste.

Amüsiert lauschte Kairi, was er zu dieser Nachricht zu sagen hatte, lehnte sich ein wenig zurück und betrachtete den gutaussehenden Mann. War er so blind? Warum war er eigentlich bei ihr? Vielleicht sollte sie ihn genau das fragen...
"Süßer... warum bist du hier? Wir wissen beide ganz genau, was mit dir los ist, aber mir scheints, du willsts noch mal von mir hören? Auch wenn ich mich wundere, wieso du so viel Geld für diese simple Aussage ausgeben willst, aber gut, ist deine Entscheidung." Kairi wippte leicht mit ihrem Fuß in den High Heels und schürzte die Lippen. Dann beugte sie sich vor. "Riuen, du bist schlicht verknallt. Aber so was von. Und diese A-Punkt scheint es auch zu sein. Ich seh das Problem nicht, ehrlich gesagt. Ihr wollt euch beide, dann schnappt zu.
Okay, du hast bisher nicht an so was geglaubt, okay, du bist wohl eher der rationale, direkte Typ, aber... Menschen ändern sich, und Chiss auch. Und manche entdecken sogar Dinge in sich, die neu sind, auch noch mit vierzig oder fünfzig Jahren. Wovon du noch entfernt bist, nehme ich an. Euch verbindet anscheinend doch irgendwas, und wenns nur Anziehung ist. Du weißt doch ganz genau, dass so was viel wert ist. Außerdem... herrje, dann sorg doch dafür, dass du sie wiedersiehst? Greif zu. Geht auch mit einer Hand."
Ein Schmunzeln zuckte um ihre Mundwinkel, als sie sich an ihr letztes Gespräch erinnerte. "Ich weiß, man kommt hier gerade schwer runter vom Planeten und ich nehme an, sie ist nicht hier, aber irgendwann wirst du sie doch wohl wieder treffen können. Ansonsten gibts andere Wege. Koms. Soziale Netzwerke. Meine Güte, sie ist doch nicht deine erste!" Nein, das wusste sie noch ganz genau. Riuen war kein Kind von Traurigkeit. Umso irritierender, dass er von ihr bisher die Finger gelassen hatte.
Sie zuckte mit den Schultern, grinste anzüglich und hob dann die Augenbrauen.
"Sorg doch einfach dafür, dass euch mehr verbindet. Und damit meine ich nicht nur Sex. Sei kreativ! Frauen stehen auf so was... ich übrigens auch." Ein bewusster Beinwechsel sollte Hinweis genug sein.


Sein letzter Besuch war mit kaum einer Woche wirklich nicht lange her, aber der Chiss hatte keine Ahnung, wie schnell Kairi Dinge von Bedeutung fand. Nebenbei konnte dieser Baum auch schlicht einfach dem Schmücken ihres Zimmers dienen, ohne die Bedeutung zu haben, die Kairi ihm zugesprochen hatte. Vermutlich stimmte die Hälfte dessen, was sie sagte nicht. Warum auch? Sie musste nichts Privates preisgeben, wenn sie hier, wenn man es streng sah, schlicht eine Dienstleistung anbot. Dazu konnte auch gehören, jedem eine Wahrheit zu verkaufen, die gerade passend erschien. Entscheidend aber war, dass sie in anderen Dingen ehrlich war. Ihre Geschichte? Konnte ihm egal sein. Das, was sie ihm riet? Eher nicht und genau deswegen war er hier. Um sich einen Rat zu holen. Um mit jemandem zu sprechen, der ihn nicht analysierte. Kairi las die Nachricht und ihre Reaktion kam prompt, unverblümt und trocken. Ziemlich deutlich. Riuen schloss die Augen und schnalzte mit der Zunge. „Schön.“ Dass sie deutlich war, war ihm auch klar, was längst nicht hieß, das alles was damit zusammenhing auch ziemlich deutlich war. Warum auch immer das Gefühl von Kränkung in ihm aufstieg, da war es. Präsent, winkte ihm zu. Riuen, du bist schlicht verknallt. Stellvertretend für sich hätte er Kairi gerne geohrfeigt. Noch einmal mehr, als sie ekelhaft ehrlich war und ihm auf den Kopf zusagte, dass Problem nicht zu verstehen. Zuschnappen. Von wegen! Abgesehen davon, dass Riuen überhaupt keine Lust hatte sich zu verlieben und dieses ganze Tamtam nicht brauchte, konnte er nicht zuschnappen. Eine Hand, zwei Hände. Hundert Hände. So glorreich einfach waren die Aussichten nicht. Denn er war, oh danke, Jedi, auf Coruscant und, oh danke, Eowyn, bald auf Bastion. Arda und er kämpften damit gegen das Imperium. Riuen direkt an der Front und Arda? Der Chiss wurde beinahe blass. Terroristin. Das war es, als was Arda galt und das Imperium würde mit Hochdruck versuchen die kleine, entstehende Terrormiliz zu zerstören. Riuen musste sich kaum vorstellen, was geschah, wenn man sie erwischte. Er wusste, was mit solchen Menschen geschah. Sie hatten neben ihm gekniet und einer nach dem anderen war erschossen worden. Das war es, was Arda bevorstand. Das war es, was vielleicht sogar ihm bevorstand. In jedem Fall war es das, was er bloß hoffen konnte, sollten sie erwischt werden.
„Wer sagt denn, dass ich sie wiedersehen will?“ Dafür sorgen, dass sie mehr verband? Das war schwachsinnig. Riuen brauchte keine zweite Ereen und auch keine Arda. Das war doch ziemlich deutlich. Gleich zumindest. „Vielleicht bin ich hier, weil ich dafür sorgen will, dass uns noch mehr trennt?“ Kreativität? Mit der konnte Riuen aufwarten. Auch damit, dass hier manche Dinge in sich entdeckten, die neu waren. Arda vergessen, das würde er heute. Jetzt. Kairi konnte anzüglich Grinsen und Riuen konnte sehr anzüglich denken und ebenso anzüglich sein. „Also,“ wandte er Kairi nun seine volle Aufmerksamkeit zu, hatte längst einen Entschluss gefasst. „Was, wenn ich dir sage, dass du tatsächlich meine erste bist?“


Kairi lächelte wissend. "Deine Anwesenheit hier und dein Blick." Das reichte, um zu verraten, dass Riuen Arda wiedersehen wollte. Hätte ihre Nachricht ihn nicht aufgewühlt, dann wäre er nicht aufgetaucht, nicht so. Es schien nämlich noch immer so, als wollte er nur mit ihr reden. Daher musste sie schließlich auch leise lachen. Es war kein Auslachen, keine Überheblichkeit, aber Kairi war sich absolut sicher, was Riuen wollte - und er vermutlich auch. Nur gab er es vermutlich nicht zu. "Riuen, du bist wirklich schnucklig, und ich stehe dir jederzeit zur Verfügung, aber glaubst du wirklich, wenn du mit mir ins Bett hüpfst, würde dich das von ihr mehr trennen? Ihr seid nicht liiert, und wenn sie vernünftig ist, dann würde sie dir dergleichen nicht vorwerfen." Zumindest war das ihre Theorie, das, was sie vermutete, was Riuen darunter verstand, sich von seiner Angebeteten zu entfernen.

Offensichtlich lag sie richtig, denn Riuen wandte ihr mehr Aufmerksamkeit zu als bisher. Seine erste? Das konnte man verschieden interpretieren. Kairi grinste.
"
Dann kommt es darauf an, was genau du damit meinst. Deine erste Partnerin?" Sie schüttelte den Kopf, noch immer grinsend. "Dann muss ich leider lachen. Du warst verheiratet, daran erinnere ich mich noch - das glaube ich dir keine Sekunde. Aber deine erste Prostituierte? Das nehme ich dir ab - ein Mann wie du hat andere Wege, wenn er denn möchte. Das heißt aber nicht..." Sie stand langsam auf, graziös, den Blick nicht von seinen faszinierenden, glühenden Augen wendend. "...dass man nicht neue Erfahrungen machen kann. Du wärst nicht mein erster 'Erster'", zwinkerte sie und legte verführerisch ihre Hände an Riuens Hüfte. "Denk aber daran, dass dich das nicht von deiner Flamme trennen wird. Du kannst mich zwar zu diesem Zweck nutzen - gut möglich, dass der Schuss aber nach hinten losgeht, Süßer. Überleg dir das also gut. Du weißt, was du eigentlich willst. Steh dir nicht im Weg."


Seine Anwesenheit und sein Blick verrieten ihn also? „Der Blick eines Chiss wird häufig fehlinterpretiert.“ Rote, unheimliche Augen, wie oft hatte er das schon gehört? Chiss erkannten in den Blicken von Chiss etwas, wenn sie sich Mühe gaben. Für die meisten anderen Soezies, deren Iris perfekt zu erkennen war, sah sie Sache doch anders aus. Anders aussehen. Was für ein dummer Wortwitz! Seine Anwesenheit hier bewies drei Mal nichts, es sei denn, sie hatte mit Lavelia gesprochen, was kaum der Fall sein konnte. Riuen war nicht der einzige Mann, der sich an einem solchen Ort Rat suchte und die Tatsache, dass er letztes Mal deswegen gekommen war, hieß nicht, dass er auch deswegen hier war. Natürlich. Weswegen er Kairi gleich am Anfang die Nachricht gezeigt hatte. Mit ihrer völlig antörnenden Wirkung. Kairi lachte und er hasste, dass sie es tat. Einen den er gewollt hatte, hatte er doch längst bekommen. Nicht den Rat, aber immerhin doch einen. Nein, sogar zwei. Schnapp sie dir und glaub nicht, dass das hier hilft. „Es würde mich mindestens für ein paar Minuten ablenken,klang nach einer müden Ausrede, aber nach einer, an die der Chiss glauben wollte und ein kleines Bisschen mehr Selbstbetrug, nur ein klein wenig, konnte doch kaum schaden? Immerhin, Ian hatte recht damit, er kannte Arda nicht und in was konnte die Frau sich schon verlieb haben? In die Tatsache, dass er ein Fast-Jedi war. Ein Jedi, für die einige Bewunderung empfanden. Ein Trugbild also, ob seiner Position. Seine eigene Verliebtheit? Arda war eine attraktive Frau unter vielen. Kairi war dafür das beste Beispiel und sie war hier. Auf Coruscant. In keiner Gefahr. Ganz einfach. Da war verdammt viel, was auf dem Spiel stand und es stand ihm im Gegensatz zu, an sich zu denken und für etwas zu sorgen, das ihm Leichtigkeit und Abhilfe verschaffen würde. Kairi war dabei mehr als nur vielversprechend.

Sie lag mit einer ihrer Interpretationen richtig. Lavelia hatte er zwar besucht, aber nur um zu reden und der Besuch in seinem ersten Bordell, der hatte auch nicht dem eigentlichen Zweck gedient. Demnach konnte er hier durchaus eine neue Erfahrung machen und dass er nicht ihr erster Erster war… „Wer weiß, vielleicht bekomme ich am Ende sogar ein Symbol für deinen Baum?
“, zwinkerte nun auch er, als Kairi sich längst auf ihn zubewegt hatte und der Chiss wandte den Blick nicht von ihr. Was ungemein dabei half, sich jetzt zu fokussieren. Was noch mehr half war ihre Berührung. „Ich hab mir das sehr gut überlegt.Diese paar Sekunden waren ausreichend gewesen und hatte er Leela nicht schon gesagt, dass er auf Tiefgründigkeit pfiff? Was ich eigentlich will ist, dich heute nicht fürs Reden zu bezahlen.“

Ablenkung... ja, damit kannte Kairi sich aus. Ablenkung war einer der Hauptgründe für ihren Job. Ablenkung von der Frau, von der Familie, vom Job, von den Ängsten, vor dem Virus. Eine schöne Stunde, in der nichts wichtig war, nur man selbst. In der man wieder im Mittelpunkt stand, in der man sich um nichts kümmern musste, in der man verwöhnt wurde. Kairi war für manche Männer das, was für andere Frauen eine Massage oder eine Wellness-Behandlung war. Pure Ablenkung. Um Kraft zu tanken für den Alltag... Auch für Riuen würde es funktionieren. Bis ihn die Realität wieder einholte. Manch einer, der sich von Frau und Familie abgelenkt hatte, kam nie wieder. Kairi schloss nicht aus, dass es an ihrer Kunst lag, vielleicht hatte die Chemie nicht gestimmt - doch sie war selbstbewusst genug um zu wissen, dass das vermutlich eher selten ein Grund war. Nein... meist war es das schlechte Gewissen, das diese Männer einholte.
Und dann gab es natürlich auch noch die, die das schlechte Gewissen gut ignorieren konnten - oder die es gar nicht erst besaßen. Riuen? Sie kannte ihn kaum. Aber irgendetwas ließ Kairi eher auf die Nummer eins tippen. Dennoch - das hier war ihr Job, und würde sie jedem Mann, der ihre Künste in Anspruch nehmen sollte, erst einmal auf ein Gewissen prüfen, dann wäre sie sehr schnell ihren Job wieder los. Das war nicht ihre Sache. Ihr Sache war es, ihnen für das Geld, das sie zahlten eine schöne Zeit zu geben. Mehr nicht.

Was dazu führte, dass sie nicht zögern würde, Riuen zu verführen, so, wie sie es eben begonnen hatte. Sie gönnte ihm sein Glück mit A-Punkt, aber Riuen war erwachsen - er wusste, was er tat. Und vielleicht, nur ganz vielleicht, irrte sie sich ja auch in ihm.
Sie lächelte.
"Wer weiß, wer weiß..." Sie wusste, denn an ihren Baum kamen nur wirklich lebensverändernde Dinge - und Riuen würde vermutlich nicht dazu gehören. Sie hatte nicht vor, sich in ihn zu verlieben oder dergeleichen. Dennoch, Riuen war ein Kunde, und Kunden verdienten eine wohltuende Behandlung. Und wenn möglich, hatten sie Recht.
Er wusste also sehr gut, was er wollte? Nicht reden... Sanft strich Kairi von oben nach unten über seine Brust, während ihre andere Hand auf seinem Hintern landete. Nun gut. Nicht ihre Sache - sie hatte gesagt, was sie hatte sagen können.


"In Ordnung", raunte sie verführerisch und strich nun mit ihren Fingerspitzen über seinen Hals. Gleichzeitig zog sie ihn sachte an der Hüfte ihn Richtung der Erfrischungszelle. "Da ich deine erste bin, bekommst du eine kleine Gratis-Einführung von mir." Schelmisch lächelte sie. "Da drin gibt es alles, was du zum Waschen benötigst. Wenn du fertig bist, kommst du wieder raus - mit so viel Kleidung, wie auch immer du möchtest. Und den Rest..." Sie drehte sich mit ihm um 180 Grad, so dass er nun mit dem Rücken zur Badezimmertür stand. "...überlässt du dann einfach mir, Riuen. Genieß es." Ob er der Typ war, der auf Striptease stand? Nun ja, sie hatte jetzt ein paar Minuten Zeit, um ihr weiteres Vorgehen zu überlegen...

Sie wussten beide, dass nach dieser Nacht kein Symbol an ihrem Baum hängen würde, aber wie schon unlängst festgestellt, waren manche Sätze so eng mit der eigentlichen Dienstleistung verwoben, die Kairi eigentlich anbot, dass es keine Rolle spielte, ob sie ihn im Dunklen ließ. Was eher eine Rolle spielte war das Spiel, das begonnen hatte und Riuen entschied, es mitzuspielen, da Kairi es so gut beherrschte. Sah er von dem Kontext ab, war das beinahe wie ein One Night Stand. Eine attraktive Frau. Die Verheißung sich für Minuten zu verlieren, in Gefühlen und Reaktionen des Körpers, die es nicht nur unmöglich machten zu denken, sondern die ein Maximum an Spüren zuließen.
Ihre Hand, die sich auf seiner Brust auf und ab bewegte, die seinen Nacken strich. Die andere Hand. Unlängst hatte diese Frau, mit der Milchkafffarbenen Haut dafür gesorgt, dass Riuens Körper längst reagiert hatte und er von seinem Vorhaben nicht mehr abgebracht werden konnte. Hier spielte keine Rolle wer sie war. Imperial, neutral, republikanisch. Sie tat hier ihren Job und was bisher nie in Frage gekommen war, zu bezahlen für etwas, das er so problemlos unbezahlt bekommen konnte, war heute weit weg davon, weiter in Frage gezogen zu werden.


Ein bisschen kränkt es mich, dass du mich da rein schicken willst, war nun auch die Stimme des Chiss gedämpft, als er Kairis Blick gefangen, sein Oberteil direkt vor ihr fallen ließ. Ihr Spiel. Sein Spiel.
Ein paar der Gäste hatte er schon gesehen und Riuen war selbstbewusst genug zu wissen, dass er, rein körperlich, zu den Ausnahmen gehörte.

„Ich hoffe,“ zog er sich weiter aus, und so gut hatte es mit nur einer Hand nie funktioniert, dass du nicht einfach verschwindest, wenn ich da drin bin.“ Die letzte Hülle fiel, eine schnelle Dusche folgte und danach ließ Riuen sich führen, ließ sich treiben. Bewegte sich in der verheißungsvollen Welt die er kannte, die ihn ablenkte, in der Tiefgang, irrelevante Zweifel und Gefühle keinen Platz mehr hatten. Und Kairi verstand, auch ganz ohne Macht, ihn, alles, an die Spitze zu treiben.
 
Welche Farbe hat die Sonne?


"Ich möchte ein Jedi-Wächter werden und den Orden mit meiner Macht beschützen!"


Mit hervorgetaner Brust schossen die Worte aus dem kleinen Mädchen. Sie fuhr sich stolz durch die braunen Haare und bekam Zustimmung in Form von Rufen, Nicken und heiterem Lachen. Die Vorzeigeantwort schlecht hin. Eines jeden anwesenden Kindes Idealbild hier. Nachdem die Halbwüchsigen noch einen Moment herumtuschelten, wie toll es wäre mit einem Lichtschwert heroisch das Böse zu bekämpfen widmete sie ihre Worte dann dem Mädchen neben ihr.

"Du bist dran!"

Zu acht hatten sich die Kinder in einem Oval auf dem staubigen Fußboden versammelt. Ihre leichte Leinenkleidung war in die Jahre gekommen, sie war gebraucht und man sah ihr an, dass schon viele Heranwachsende zuvor die beigen Hosen und Shirts trugen. Ein Mädchen kicherte laut, zwei Jungs grinsten schelmisch in sich hinein. Um die versammelten Kinder herum war es still. Heimlich hatten sie sich in einem Lagerraum versammelt, der schon sehr lange nicht mehr benutzt wurde. In den Ecken konnte man noch fast verwaschene Abdrücke von großen, schweren Kisten sehen, die da über einen so langen Zeitraum gestanden haben mussten, dass sie sich im Boden verewigt hatten. Ein Fenster war angelehnt, so dass das rege Treiben auf einem angrenzenden Flur deutlich zu hören war. Durch die kleine Öffnung drängte sich die Sonne und erhellte auf halber Höhe den Raum mit Tageslicht. Verputzte Wände, die einen Teil ihrer einstigen Struktur eingebüßt hatten, bildeten die Kulisse zu der kleinen Versammlung.

"Hörst du?! Jetzt bist du dran!"

Alle Augen waren auf sie gerichtet. Nervös schaute sie hin und her, als hätten die Blicke sie angeschossen, alle gleichzeitig. Verzweifelt schaute sie in ihre Hände. Verfolgte die Linien in ihnen, stellte sich vor woanders zu sein. Dort, wo sie ihre Ruhe haben konnte. In ihrem Zimmer, draußen. Irgendwo. Hauptsache weg von hier. Ein blonder Junge nahm den Kreisel in die Hand und stellte ihn auf den Punkt. Er sah prüfend zu dem kleinen Mädchen, dessen Aufgabe er nun ermitteln ließ. Der Kreisel war demoliert und hatte einen Drall, zu seiner rechten Seite zu fallen. In diesem Wissen hatte sich ein gerade zu grotesk freches Grinsen auf den Lippen des Heranwachsenden geformt, was zwei große Grübchen, eines unterhalb jeder der beiden Wangen, entstehen ließ. Mit Schwung drehte er den Drehkörper exakt auf dem dafür vorgesehenen Punkt und brachte ihn in eine schnelle Drehbewegung. Das Mädchen starrte auf den Kreisel. Die Rotation verlief in Zeitlupe. Sie wollte das nicht. Weder die eine noch die andere Frage wollte sie beantworten. Alles in ihr forderte sie dazu auf, ihren Platz zu verlassen und wegzugehen. Doch sie ging nicht. Ergab sich ihrem Schicksal. Wollte keine Schwäche zeigen, wo sie doch längst entlarvt wurde.

"Es ist Wunsch."

Alle Schultern, bis auf die des kleinen Mädchens fielen herab. So sehr hatten sie sich gewünscht, dass die Kleine ihre größte Angst preisgeben musste, doch der Drehkreisel fiel wider Erwarten nach links und verlangte, dass sie ihren größten Wunsch wahrheitsgemäß mit der Gruppe teilte. Die Konsequenz wäre, hätte sie es nicht getan, eine Mutprobe gewesen, die sie noch viel, viel weniger in Kauf nehmen wollte, als die Frage zu beantworten, die nun vor ihr lag. Ihre Schultern waren die einzigen, die noch verkrampft die Höhe hielten. Sie zwinkerte einige Male schnell hintereinander und ließ ihre Schultern dann auch fallen. Es war ihr zu peinlich gewesen, zu äußern, dass ihr nichts einfiel, was sie sich wirklich wünschte. Da war nichts. Im Grunde war sie nur. Ein Sandkorn, das von einer Stelle zur anderen geweht wurde. Ohne Ziel und ohne vorbestimmten Nutzen. Doch das eine war ihr eingefallen.

"Ich wünsche mir meine Mutter wieder zu sehen."

Jeder hier wusste ganz genau warum. Hatte die Geschichte dutzende Male gehört. In ihrer ersten Zeit hatte sie so heftige Albträume aufgrund ihrer Einsamkeit, dass sie jede Nacht lautstark davon aufwachte. Und ihre Kameraden gleich mit. Die Augen, in die sie sah, verrieten ihr, dass ihre verletzliche Antwort nicht auf Spott stieß oder Häme. Das beruhigte sie, ließ sie das Treffen diesmal überstehen, ohne ausgelacht zu werden, ohne höhnische Sprüche über sich ergehen zu lassen oder schlimmeres.

< Am nächsten Tag >

Wieder schien die Sonne den ganzen Tag. Es waren fürchterlich warme 30 Grad und ein jeder suchte Schutz vor der warmen Strahlung, wo auch immer es nur ging. Das kleine Mädchen genoss die Sonnenstrahlen und schlenderte gedankenverloren durch einen Park, versunken in ihrer eigenen Welt. Ihr Weg kreuzte sich mit mehreren Personen, an denen sie aber nur gewollt vorbeisah. Mittlerweile hatte sie sich so an ihre Einsamkeit gewöhnt, dass es ihr nicht mehr auffiel, wenn sie es verpasste zu grüßen oder zu antworten. Es war keine böse Absicht, sondern einfach nur antrainiertes Verhalten. In ihrem kleinen Kopf lief ein Film von einem anderen Leben. Geborgenheit, Liebe, jeden Abend halb sieben am Essenstisch. Feiertagsausflüge, Familienurlaub und Geschenke am Geburtstag.

Abrupt wurde sie von einer Frau aus ihrem Tagtraum gerissen.
"D.. du?" eine Frau hatte sich vor sie gestellt und das Tageslicht verdeckt. Sie war älter, trug abgetragene Kleidung, ausgefranst und schmuddelig. Eine Kapuze bedeckte ihren halben Kopf und ihr Haar, das begann licht zu werden. Tiefe Falten, die unnatürlich für ihr Alter waren, durchzogen ihr Gesicht, das im Grunde nicht hässlich war. "Bist du es wirklich?" die Frau ging wie selbstverständlich auf das kleine Mädchen zu. Reflexartig trat sie einen Schritt zurück. Wer war diese Person? Die Frau stockte ebenfalls. "Erkennst du mich denn nicht?! Ich bin deine Mutter!"

Ihr Herz schien stehen zu blieben. Voller Unglaube musterte sie die ausgemergelte ältere Frau. Natürliche Skepsis ließ sie abschätzen, ob das sein konnte. Stattliche Größe, sie war ebenfalls groß, die Haare passten, und auch die Figur. Konnte das wirklich wahr sein? Noch eben hatte sie davon geträumt, von ihrer Mutter in den Arm genommen zu werden und jetzt? Es war so furchtbar lange her, dass sie sie das letzte Mal gesehen hatte, doch nach einer ersten Einschätzung zu urteilen konnte es tatsächlich sein!
"Mama?" brachte das kleine Mädchen mit gebrochener Stimme hervor. Sie fiel der Frau in die Arme und umschloss sie so fest sie konnte. "Mama. Ich hab dich so vermisst!"
Schon im nächsten Moment kamen die Kinder hinter ein paar Büschen hervor, mit denen sie gestern noch größter Wunsch größte Angst gespielt hatte. Alle lachten lauthals. Die Umarmung löste sich, zuerst verstand sie nicht, doch schon Bruchteile einer Sekunde später wurde ihr bitterlich bewusst was vorging. Die anderen Kinder amüsierten sich über die erstarrten Freudentränen im Gesicht der Gleichaltrigen. Der blonde Junge zeigte mit dem Finger auf sie. "Hahaha, hast du wirklich gedacht, deine Mutter kommt dich so mir nichts dir nichts besuchen und holt dich ab?" Erneut lachten alle los. Ein anderes Mädchen lachte so laut, dass Vorbeigehende kurz zu ihnen herübersahen und dann anteilnahmslos weitergingen. Tief getroffen starrte die Kleine in die spottenden Gesichter. Sie war quasi umzingelt von ihnen. Die alte Frau schaute sie mitleidig an und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Dann steckte der blonde Junge ihr einen Credit-Chip zu. Erst jetzt bemerkte sie die Fahne, die die Frau hinter sich herzog. Ihr Kopf senkte sich soweit nach unten, dass sie nur noch ihre Füße sah. Paralysiert stand sie in Mitten des Parks, gedemütigt und zutiefst verletzt. Kreuz und quer liefen die dicksten Tränen über ihre Wangen, die sie jemals hervorbrachte. Ihre Schultern zuckten auf und ab durch ihr Schluchzen und als sie wieder im Stande war sich zu bewegen, lief sie sofort davon.
 
Es wird dunkel Teil V (Ende)

Erst mal nur Freunde. Tenia wusste nicht, wie oft sie diesen Satz schon Lügen gestraft hatten. Jedes Mal wenn sie sich aus dem Haus geschlichen hatte, weil ihr Vater keine Einsicht zeigen wollte, war sie Jafan ein Stückchen näher gekommen. Kein einfaches Händchen halten mehr. Sie hatten sich so oft geküsst… So oft, dass sie selbst jetzt seine Lippen spüren konnte. Zusammen mit dem Versprechen, dass er doch bleiben würde. Zwei Monate lag das zurück und sie hatte nie wieder etwas von ihm gehört. Jetzt saß die Nullianerin, die Knie eng an den Bauch gezogen im Badezimmer und wartete, bis ihr Testergebnis sichtbar wurde. Noch nie hatten sich drei Minuten länger angefühlt und jede verstreichende Sekunde stieg ihre Angst. Was, wenn sie wirklich schwanger war? Wie sollte sie das ihren Eltern erklären? Wie sollte sie für ein Kind sorgen? Sie war überhaupt nicht bereit, Mutter zu werden! Wie hatte sie überhaupt so weit gehen können? Erst mal nur Freunde. Sie hatten gelächelt, alle beide, als Tenia genau das vorgeschlagen hatte. Dabei hatte sie sich nie wohler bei oder mit jemandem gefühlt, als mit Jafan. Die Treffen mit ihm, die Gespräche, seine Umarmungen…
Ständig war da die Erinnerung an ihren ersten Kuss mit ihm gewesen und der Satz ihrer Mutter, dass es normal war, sich zu verlieben und das es gute Hyperraumrouten gab, Jafans Sätze darüber, dass sie die Chance verpasste, sich wirklich zu verlieben… Die Zeit war längst vorbei, doch Tenia saß immer noch an derselben Stelle, unfähig an ihrer Körperhaltung etwas zu verändern. Den Arm auszustrecken und nach dem Test zu greifen war völlig unmöglich. Sie vermisste ihn. Wie konnte sie so große Angst vor dem Ergebnis haben und ihn nach allem überhaupt vermissen!? Das ergab überhaupt keinen Sinn. Er war einfach gegangen. Ohne sich richtig zu verabschieden. Die Tränen kamen so plötzlich, dass Tenia ihre Position doch verändern und die Hände vor ihr Gesicht halten musste. Sie hätte niemals so weit gehen dürfen. Ihr Vater, er hatte recht gehabt! Aber sie hatte sich heimlich aus dem Haus geschlichen, hatte Jafan alles geglaubt, was er ihr gesagt hatte und in dieser einen Nacht, sie war sich doch so sicher gewesen, dass er wirklich bleiben würde und Jafan hatte so viel Sicherheit ausgestrahlt und sie hatte ihm wirklich geglaubt.

Sie hatte sich doch gar nicht verlieben wollen. Nur Freunde. Das hatten sie doch gesagt. Es langsam angehen lassen. Aber das hatte sie nicht. Aber nach allem, nach seinen Komplimenten, nach seinen Berührungen, seinen Küssen; dabei hatte sie es doch gewusst! Tenia sackte mehr in sich zusammen und begann so stark zu zittern, dass sie das dumpfe Klopfen an der Badezimmertüre fast nicht gehört hätte. ‘Ini, bist du immer noch da drin?‘ Aber Tenia konnte ihrer Mutter nicht antworten, viel zu heftig war das Schluchzen und so ging völlig unter, was Andina als nächstes sagte. Die junge Nullianerin bekam nicht einmal mit, dass es ihrer Mutter gelang die Türe zu öffnen. ‚Bei den Wäldern Nulls!‘ Andinas Stimme war schockiert, was Tenia kaum bemerkte. Sehr wohl aber spürte sie die Arme, die sich um sie legten und da konnte sie gar nicht anders, als sich ganz in die Umarmung ihrer Mutter fallen lassen. Das Zeitgefühl der Nullianerin ging völlig verloren, denn ihre ganze Welt fühlte sich an, als würde sie zusammenbrechen und nur noch von ihrer Mutter gehalten werden. Entweder dauerte dieser Zustand nur ein paar Sekunden oder eine halbe Ewigkeit. Irgendwann war da nur noch ein Schluchzen, das langsam abebbte und neben die ganzen Gefühle gesellte sich Scham. ‚Ini‘, hörte sie die vorsichtige Stimme ihrer Mutter und schämte sich viel zu sehr, zu ihr hoch zu sehen. ‚Wie lange stand der Test schon im Becher?‘ Der Test. Tenias Körper spannte sich an. „Ich weiß, dass das viel zu früh war und sehr, sehr dumm, ich…“ Weiter kam sie nicht, denn obwohl sie alle Tränen zu weinen geglaubt hatte, kamen schon wieder welche, aber Andina war da, schlang die Arme noch einmal fest um ihre Tochter. Wie konntest du nur? Habt ihr denn nicht daran gedacht, zu verhüten? Keine dieser Fragen kam von Andina, aber alle, jede einzelne von ihnen, stellte Tenia sich selbst.
 
Damit alles besser wird
(Ian mit 8 Jahren)


Wirklich gut hatte er noch nie geschlafen und Ian bildete sich ein, dass das etwas ganz Normales war. Er hatte Geschichten darüber gehört, dass manche Kinder, wenn sie noch ganz klein waren glaubten, dass da ein Monster unter ihrem Bett war – und das sie deswegen nicht gut schliefen. Bei ihm war das natürlich ganz anders! Immerhin gab es Monster nur in der Fantasie und in Märchen und Ian war schon viel zu groß um an Spukgeschichten zu glauben. Trotzdem lag er in seinem Bett, die Decke bis zur Nase hochgezogen und wenn er auch sicher sagen konnte, dass da kein Monster unter seinem Bett oder im Schrank lauerte, dann war sein Papa doch zumindest so was wie… eine Gefahr. Er hatte sich fürchterlich mit Mama gestritten und sein Schlag war so heftig gewesen, dass ihr Kopf so schnell herumgerissen worden war, dass allein das schon beängstigend ausgesehen hatte. Schützend hatte er sich vor sie stellen wollen, aber ein kleiner Schubs hatte genügt und er war wie ein Stück Filmsi zur Seite geflogen. Ein Monster unter seinem Bett wäre wirklich, wirklich viel besser gewesen und da kniff Ian die Augen zusammen, ganz fest und wünschte sich, dass sein Papa keine Gefahr mehr sein, sondern stattdessen ein Monster unter seinem Bett auftauchen sollte. Mit Monstern wurde man schließlich fertig, denn in jedem Märchen gab es doch etwas, das dagegen half. Ein bisschen verrückt war es ja schon, nicht an Monster, aber an Märchen zu glauben und sich, obwohl er doch gar nicht an Monster glaubte, trotzdem eines zu wünschen, oder? Aber etwas musste er machen! Und gegen Papa konnte er nichts ausrichten. Außer vielleicht sorgen… Ians Herz schlug schneller. Wenn er dafür sorgte, dass Papa nur sauer auf ihn wurde und nicht sauer auf Mama, dann half das vielleicht. Nein, dann half das bestimmt! Dann würde er auch nicht mehr hören, wie seine Mama weinte und vielleicht, ganz vielleicht redete sie dann doch ein bisschen mit ihm? Sein Herz hämmerte noch fester gegen die Brust und das musste daran liegen, dass es versuchte, die Angst bei Seite zu schieben. Wenn er wirklich dafür sorgte, dass sein Papa nie wieder die Hand gegen Mama erhob, wenn er ihn stattdessen wirklich provozierte… Der Junge zuckte zusammen, als das Bild, genau wie ein Traum, vor ihm auftauchte. Aber ein paar Schläge mehr, was machte das schon aus?
Ganz schön viel. Ganz schön viel, wenn er ehrlich aber, aber ehrlich und feige sein das wollte er nicht. Vielleicht war er kein richtiger Dice, so wie Papa immer sagte, aber vielleicht war das manchmal auch gut? Jetzt öffnete Ian die Augen wieder und blinzelte in die Dunkelheit. Er würde Mama ganz einfach beschützen! Und mit diesem Gedanken dauerte es gar nicht mehr so lange, bis der Junge doch noch einschlief.

Am nächsten Morgen saß seine Mutter schon am Tisch, allein, weil alle anderen schon aus dem Haus gegangen war. Die Haut unter ihrem Auge war dunkel – und natürlich wusste Ian, dass das kein einzelner Augenring oder so etwas war. Vorsichtig setzte er sich an den Tisch zu einer Mutter. „
Tut es sehr weh?“, fragte er leise, aber sie antworte ihm nicht, sah durch ihn durch, als wäre er gar nicht da und manchmal wusste Ian nicht, was sich schlimmer anfühlte. Das Schweigen seiner Mutter oder die Schläge seines Vaters. Die Schläge endeten irgendwann, aber das Schweigen? Es hilft bestimmt, wenn du etwas Kaltes drauf machst“, versuchte Ian es noch einmal. „Ich kann dir etwas holen! Aber ich glaube, gestern schon wäre besser gewesen.“ Dabei verstand er nicht wirklich, warum etwas Kaltes half, etwas Warmes aber nicht. Das einzige, was Ian wirklich wusste, war, dass man schnell was Kaltes auf eine Stelle legen musste und sie dann vielleicht, mit ein bisschen Glück, gar nicht mehr anschwoll. Schließich hatte er gesehen, wie Crix sich schon Eis auf das Gesicht gelegt hatte. Also ging Ian hinüber in die Küche und holte etwas Kaltes, wickelte es in ein Tuch und legte es seiner Mutter auf den Küchentisch. „Tut mir leid, dass ich nicht helfen konnte,“ sagte er dann leise und das schien die Aufmerksamkeit seiner Mutter nun doch endlich auf ihn zu lenken.
‚Wenn du nicht wärst‘, sagte sie, starrte ihn an, ‚wäre alles anders. Dann bräuchte ich das hier nicht!“ Sie griff nach dem Kühlpack und Ian hoffte, dass sie es benutzen würde, doch stattdessen schleuderte sie es weit von sich und stand abrupt auf. ‚Ich wünschte, du wärst nie geboren worden!‘, kam dann in einer dieser komischen Stimmlagen, die alles noch ein bisschen schlimmer machten. Die sich anfühlten wie eine Ohrfeige nur nicht auf der Wange, sondern ganz tief im Körper, da, wo das Herz war. Dann verschwand sie ins Schlafzimmer und Ian zuckte beim Knall der Türe zusammen. Ich wünschte, du wärst nie geboren worden. Das hatte er sich selbst auch schon gewünscht. Vielleicht wäre dann wirklich alles anders? Sollte er sich statt eines Monsters lieber wünschen, dass er gar nicht mehr da sein würde? Was für ein dummer Wunsch! Er konnte ja nicht in Erfüllung gehen. Weg laufen – das konnte er. Dann war er zwar geboren, aber einfach nicht mehr da und wenn er nicht mehr da war, wäre dann vielleicht auch alles anders? Ian seufzte schwer, lief hinüber zu dem Kühlpack, um es wieder zurück zu räumen. Nur, wo sollte er hin? Telos war so groß, da sollte es doch eigentlich fast ganz einfach sein, irgendwohin zu gehen und wenn er nur eine Weile wegblieb, half ja vielleicht schon das, damit alles besser wurde.
 
OP: Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Riuen. Die Ereignisse tragen sich in der Nacht vor Riuens Abreise nach Bastion und Leelas Reise nach Ilum zu. Riuens Passagen sind blau, Leelas gelb. :)

Intermezzo I

Die Flasche fest in der Hand suchte Riuen nach Leelas Quartier. War keine große Kunst gewesen, herauszufinden, wo es war. Das Programm, in dem der Chiss suchte, gab mehr preis, als es vermutlich sollte, was entweder an lächerlichen Sicherheitsstandards lag oder aber daran, dass Zimmer und deren Bezieher kein großes Geheimnis waren. Umso einfacher.

Um diese Uhrzeit musste Riuen zum Glück gar nichts verbergen, denn die Gänge des Ordens waren wie leer gefegt. Vermutlich hätte er eines der Terminals, an denen man Zimmer beziehen konnte, auch direkt an diesem hacken können und niemand wäre ihm begegnet. Selbst wenn, hätte ihn jemand angesprochen, entweder auf verbotenes Hacken oder auf die Flasche, Riuen wäre so weit, mit selbiger auszuholen, auch wenn er Gewalt eigentlich nichts abgewinnen konnte. Da tobte so viel Wut und Enttäuschung in Riuen, dass er zumindest das ach so tolle Training von gestern nutzte, um sich abzuschirmen. Vermutlich wäre er sonst wie eine Fackel im Dunkeln und es war besser für die teure Flache, wenn sie nicht auf einem Kopf traf und der edle Tropfen verloren ging. Sogar zwei Gläser hatte der Chiss mit dabei, denn aus der Flasche zu trinken wäre vermutlich zu viel des Guten gewesen. Nicht, dass sich Elise darum geschert hätte, ob das, was sie da tat, zu viel gewesen war. Zu viel des Guten ohnehin nicht.

Dann stand er vor der Türe Leelas, zögerte nur minimal, als er den Summer betätigte. Einmal nur und es dauerte nicht lange, bis die große, schlanke Frau ihm öffnete. In ein übergroßes Shirt gehüllt, das ihnen beiden passen konnte und noch Platz für eine dritte Person gelassen hätte, war ihr Ausdruck überrascht, aber nicht verärgert. Sie sah nicht aus, als hätte sie geschlafen. Kein Augenreiben, kein verträumter Blick.
"Lust, auf einen kleinen Nachttrunk?", fragte er sie unumwunden und hielt die Flache in die Höhe. "Sieht nämlich aus, als hättest, könntest, würdest du auch nicht schlafen."


Nach dem fordernden Training - zuerst mit Arkon, dann mit Sahra - hatte Leela nicht nur das Gefühl, dieses Mal tatsächlich ein großes Stück weiter gekommen zu sein, sondern hoffte auch, nach dieser Anstrengung mal wieder ein paar Stunden schlafen zu können, ohne zu träumen. Aber sobald sie in ihrem Bett lag und das Licht aus war, krabbelten Erinnerungen wie Spinnen aus den dunklen Ecken ihres Unterbewusstseins. Mit der Zeit hatte sie gelernt, dass sie sie verscheuchen konnte, indem sie ihren Geist solange mit anderen, zumeist beruflichen Problemen beschäftigte, bis sie einschlief. Aber im Schlaf kam ihr diese Kontrolle wieder abhanden. Kaum waren ihre Augen zugefallen, spürte Leela beklemmend real einen Druck auf der Brust, der ihr den Atem nahm, hörte das Fauchen des Feuers, spürte die Hitze. Sie wußte, dass, würde sie einatmen, sich ihre Lungen mit beißendem Rauch füllen würden und noch etwas Schlimmeren: dem Geruch von verbrennendem Fleisch. Von Panik erfüllt schlug sie die Decke zurück, unter der sie gelegen hatte und starrte in die Dunkelheit, bis sich ihr rasender Puls beruhigt hatte. Also heute kein Schlaf. Resigniert stand die junge Frau von Lianna auf, griff nach dem Blaster, der unter ihrem Kopfkissen lag und schlurfte in die Nasszelle ihres kleinen Quartiers, um zu duschen. Dass der zweite knapp außer Reichweite in seinem Holster am Bettpfosten hing, beunruhigte Leela, auch wenn sie wußte, dass das völlig unvernünftig war.

Gerade hatte sie ihre dunklen Haare trocken gerubbelt und sich ein frisches T-Shirt angezogen, betätigte jemand den Türsummer. Wer konnte das sein? Arkon? Siva? Hoffentlich war nichts passiert. Wenn sie zuhause um diese Uhrzeit gerufen wurde, bedeutete das in der Regel nichts Gutes. Leela beeilte sich, dem unerwarteten Besucher zu öffnen und hab erstaunt beide Augenbrauen, als sie Riuen dort stehen sah, der ihr eine Flasche entgegenstreckte. Für einen Augenblick musterte sie den Chiss mit ausdruckslosem Gesicht, das nichts von ihrer Verwirrung preisgab und trat dann mit einem knappen Nicken zur Seite.

"Komm rein."


Riuen hätte sich vermutlich entschuldigen müssen, hätte Leela abgelehnt, doch sie tat es nicht. Sie musterte den Chiss, mit diesem Blick der so undurchdringlich war, dass er von Begeisterung über Mordgedanken alles hätte enthalten können, dann nickte sie knapp und trat einen Schritt zurück um ihm den Eintritt zu gewähren. Erst da spürte der Chiss, wie angespannt er gewesen war und wie sehr ausgerechnet er sich vor einer Ablehnung gefürchtet hätte. Das Lächeln, dass sie nicht sehen konnte, weil sie in seinem Rücken stand, war pure Erleichterung. Die Flasche auf den so typischen und bekannten Jedermannstisch abgestellt, beide Gläser gefüllt, war nichts mehr davon zu sehen.
"Ich hab ja gesagt, dass ich dir noch einen Drink schulde", hielt er ihr das Glas hin. "Hier wird uns auch kein beängstigender Spinner überraschen, immerhin", er lachte, "weißt du ja, wen du gerade hereingelassen hast." Das Lachen endete viel zu schnell, beinahe abrupt, als Riuen einen so tiefen Zug aus seinem Glas nahm, dass er sich gleich nachschüttete. Was ein wenig so aussah, als wäre er gekommen, um sich zu betrinken. Unhöflich. Schon die Tatsache, ihr nicht zugeprostet zu haben. "Neue Hand und noch weniger Manieren", kam seine Entschuldigung und ein sehr, sehr seltenes Gefühl dazu. Unsicherheit. Er war einfach nicht der Redetyp, die Person, die ihr Herz ausschüttete und Leela war nicht Kairi, bei der immerhin mit triefendem Sarkasmus etwas preisgegeben hatte, das ihn umtrieb. Scheiß drauf! Eine Sekunde lang sah, nein starrte er Leela an. "Meine Meisterin geht ins Exil, keine Ahnung, ob ich meinen besten Freund je lebend wieder sehe, den sie damit auch im Stich lässt, die Frau, in die ich verliebt", er lachte, allein des Wortes wegen, "habe ich so etwas wie betrogen." Was dann doch eine fast perfekte Zusammenfassung dessen war, was für seine Schlaflosigkeit sorgte und sehr auch nach Herzausschütten kann. "Und warum konntest du nicht schlafen?"


Auch nachdem die Tür sich hinter den beiden Schlaflosen schon geschlossen hatte, bewegte sich Leela kaum davon weg und beobachtete mit wachsender Verwirrung Riuen, der kaum dass er ihr Quartier betreten hatte, schon beide Gläser mit Whiskey füllte. Der Gedanke, dass sie jetzt vielleicht gar keinen Alkohol trinken wollte, schien ihm fernzuliegen. Genaugenommen war das auch nicht der Fall - aber das hatte der Chiss nicht wissen können. In dem kleinen Raum, der Schlaf-,Wohnzimmer und Büro zugleich war, brauchte die drahtige Liannerin nur einen Schritt, um vor ihrem Gast zu stehen und das gut gefüllte Glas von ihm entgegenzunehmen. Ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als Riuen lachend an ihr Erlebnis im "Nexu" erinnerte und verschwand wie ein Geist, als er mit einem bitteren Ton plötzlich damit aufhörte und sein Glas in einem Zug leerte.

Was war das für ein Besuch? Unschlüssig bewegte Leela die braune Flüssigkeit in ihrem Glas und roch die erdigen Aromen, bevor sie, ohne getrunken zu haben, wieder in die irritierend roten Augen des Chiss sah. Er wirkte so aufgewühlt, verstört und zornig zugleich, dass die junge Frau, die nicht sagen konnte, was Riuen als nächstes tun würde, vor diesem Übermaß an Emotionen beinahe zurückschreckte. Aber nur beinahe. Stattdessen versteifte sie sich und hob in einer fast schon abwehrenden Geste das Kinn etwas, während sie reflexhaft ihre eigenen Gefühle hinter eine Mauer aus Eis verbannte. Reglos hörte sie Riuen an, als er ohne Überleitung und so direkt, wie sie ihn kennengelernt hatte in einem langen Satz alles herausließ, was ihn belastete. Ein Teil der Spannung, die bis dahin im Raum gehangen hatte, verschwand damit. Leela ließ daraufhin die unwillkürlich hochgezogenen Schultern sinken und atmete hörbar aus.
"Setz dich."

Sie deutete auf den Stuhl, der an ihrem Schreib-Esstisch stand und nahm ihrerseits im Schneidersitz auf dem Bett platz. Nach einem großen Schluck von dem torfig-rauchigen Getränk verzog sie das Gesicht. Sie mochte keinen Whiskey, allerdings war das Brennen, das der Alkohol in ihrer Kehle verursachte gerade ein durchaus willkommener Reiz. So wie die Wärme, die sich kurz danach in ihr ausbreitete. Milder gestimmt versuchte Leela auf Riuen einzugehen. Nicht einfach. Gefühle waren vermintes Gelände.

"Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, was ich jetzt darauf sagen soll. Jeder einzelne dieser Vorfälle klingt schon schlimm. Bist du deswegen hier? Erwartest du Rat von mir?" Eine absurde Vorstellung. Leela verwarf den Gedanken und schüttelte innerlich den Kopf. "Oder soll ich dir Trost zusprechen? " Ein weiterer großzügiger Schluck - die Liannerin ignorierte den widerlichen Geschmack. "Ich kann dir nicht sagen, für was ich mich weniger geeignet halte. Aber ich kann hier sitzen bleiben und dir weiter zuhören, wenn du darüber reden willst."

Einen Augenblick später fiel Leela auch wieder ein, dass Riuen eine Frage an sie gerichtet hatte. Kurz glitt etwas von dem Grauen, das sie erlebt hatte über ihre Züge, bevor sie den Blick abwandte.
"Nur ein Albtraum."


Riuen war deutlich schneller als Leela, die beinahe noch an der Türe klebte, gerade so, als habe sein Windschatten ihr nicht Auftrieb gegeben, sondern zurückgeweht. Unsicherheit war wohl das allgegenwärtige Gefühl, auch wenn es wohl falsch war, diesen Zustand als Gefühl zu beschreiben. Doch Leela zog die Schulter nach oben, als müsse sie sich schützen, auch das Kinn ging mit in die Höhe und sie stand so steif da, dass Riuen, nachdem er seine Beichte losgelassen hatte, neben Unsicherheit auch Unschlüssigkeit verspürte. Lauter Un-Wörter die, ihn auch noch unwohl fühlen ließen. Unglaublich. Das wäre der Wortwitz des Abends gewesen, aber nach Lachen war dem Chiss einfach nicht zumute. Gerne hätte er eine Idee davon gehabt, wie er solche Probleme normalerweise löste, aber seit er bei den Jedi war schien sich Normalität aufgelöst zu haben, um gänzlich anderen Dingen Platz zu schaffen. Andere Sorgen waren viel einfacher zu lösen gewesen. Einfach nichts zu nahe an sich heranlassen. Drüber schlafen. Mit jemandem schlafen, etwas trinken. Keine der Optionen war Riuen heute oder jetzt genehm und als Leela ihn aufforderte sich zu setzen, kam er dem nach, erneut unsicher, ob das eher eine Bitte oder ein Befehl gewesen war. Immerhin, ihre Anspannung war verschwunden, denn ihre Schultern und ihr Kinn waren zurück nach unten gewandert und unten war ein weiteres Wort, das mit dieser elenden Silbe begann. Im Schneidersitz saß die schlanke Frau nun auf ihrem Bett, der Chiss auf dem Stuhl. Verdrehte Psychoanalyse. Er hätte auf ihrem Bett liegen und sie auf ihrem Stuhl sitzen müssen. Unsinn, natürlich.

Leela nahm einen Schluck des Whiskeys und verzog das Gesicht, was Riuen nutzte, um selbst einen Schluck zu nehmen. Nur wollte ihm nicht warm werden und das sonst beruhigende Gefühl stellte sich auch nicht ein. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie sagen sollte? Tja, so wie Riuen nicht die geringste Ahnung hatte, was er fühlen sollte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war der Chiss nicht einmal sicher, was er wollte. Trost, Rat? Ian hätte sicherlich von Umarmungen gesprochen und als Riuen ausgerechnet an ihn denken musste, spürte er für Sekunden, dass da etwas war, das ihn dazu bringen wollte, auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Als er gewahr wurde, dass sein Gesicht sich verzog, als da etwas in seinem Gesicht geschah, eine seltsame Kontraktion der Muskeln und sein Griff um das Glas sich veränderte, siegte das in ihm, was Chiss sonst so gut kennzeichnete. Emotionslosigkeit erster Güte. Was da eben hatte sein wollen verschwand in einer rasanten Geschwindigkeit, als Riuen einen weiteren Schluck seines Getränkes nahm. Und das war, um bei den netten Wortspielen zu bleiben, beinahe unheimlich.

"Du hast mich erwischt. Ich weiß es nicht." Wenn Rat und Trost so wenig ihr Ding waren, wie emotionale herz-ausschütt-Gespräche seines, waren sie entweder ein perfektes oder grottenschlechtes Team und da musste Riuen tatsächlich lachen. "Wäre ich geeignet für solche Dinge, wüsste ich die Antwort vermutlich." Ein tiefes, langes Seufzen folgte und ein Blick, der Sekunden nachdenklich auf seinem Glas verweilte, was ihn das kurze Mienenspiel Leelas übersehen ließ. Ihre Worte kamen dennoch an, als er sich dem Glas ab- und ihr zuwandte. "'Nur' ist meistens eine nette Verharmlosung von Dingen, denen wir lieber nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken wollen." Ein weiterer Schluck, der das zweite Glas leerte und ihn ein drittes Mal nachschenken ließ. "Sieht aber ganz danach aus, als hätten wir damit beide Alpträume und", er grinste ironisch, "beide noch kein gutes Gegenmittel gefunden. Ist es zu persönlich, wenn ich genauer nachfrage, was du geträumt hast?" Nur konnte auch ein Hinweis darauf sein, dass Leela gar nicht näher darauf einging. Immerhin war 'nur' nicht nur eine Verharmlosung, sondern auch ein guter Riegel für Türen die man schloss.


Leela fuhr sich nachdenklich durch die immer noch etwas feuchten, schwarzen Haare und sah Riuen wieder an, als er lachte. Selbst für sie klang es bitter. Zeitgleich mit seinem Seufzen holte sie tief Luft und lehnte sich mit dem Glas in der Hand zurück, bis sie die sichere Wand in ihrem Rücken spürte.

"Ich habe das falsch angefangen. Wenn du ausgerechnet zu mir gekommen bist, mußt du ganz schön verzweifelt sein. Auch wenn ich nicht weiß, wie, werde ich versuchen dir zu helfen."

Die junge Ärztin meinte das sehr ernst. So wie sie alle Dinge ernst meinte - sogar wenn sie scherzte. Mit Riuen hatte sie nicht viel Zeit verbracht, aber dafür waren ihre Gespräche von einer Qualität gewesen, die sie sich ihm nahe fühlen ließen. Er hatte Dinge von sich preis gegeben und hatte ihr im Gegenzug zugehört. Eigentlich war es genau das, was ihn jetzt hierher gezogen hatte. Woher also kam ihre anfängliche Abwehr? Bereute sie ihre Offenheit? Sie schwenkte den Whiskey in ihrem Glas und betrachtete geistesabwesend die bernsteinfarbenen Lichtreflexe darin, ohne eine Antwort auf die Frage zu finden. Warum tat sie sich so schwer damit? Andere taten das ständig, manche waren richtig gut darin allen Wesen von sich und ihren Problemen zu erzählen. Und von sich. Und von sich. Und von sich. Riuen war nicht so. Es fiel ihm nicht leicht. Deswegen war er hier. Die Erkenntnis kam plötzlich und die Logik dieses Gedankens war so verdreht, dass sie den Alkohol im Verdacht hatte: Riuen war hier, weil es ihr genauso schwer fiel, sich zu öffnen. Weil er eigentlich gar nicht reden wollte. Weil er den Rat, den jemand anderer geben würde, nicht hören wollte. Sie kannte das. Freunde hatten versucht, für sie da zu sein, aber sie wollte in ihrer Trauer allein sein. Hatte jeden derartigen Versuch als Eindringen empfunden. Übergriffig. Etwas, das ihre Integrität beschädigte - als würde es sie schwächen, wenn sie anderen erlaubte, sie zu trösten.

"Es ist sehr persönlich, Riuen.", meinte sie nach langem Zögern. "Aber es ist lange her. Wenn du mir nicht übel nimmst, wenn es etwas holprig wird, versuche ich es zu erzählen."

Allein ihre Wortwahl verriet schon ihre Unsicherheit. So war sie sonst nicht. Sie war voller Bestimmung und Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Was sie begann, gelang. Sie "versuchte" nicht und es wurde erst recht nicht "etwas holprig".
Ohne es so recht zu wollen, nahm sie einen letzten Schluck Whiskey und leerte damit ihr Glas. Das Zeug schmeckte inzwischen nicht mehr ganz so schlecht.

"Genaugenommen ist es immer der gleiche Traum. Manchmal variiert er etwas. Mein Elternhaus brennt. Ich liege unter einem Schrank, der mir den Brustkorb zerquetscht und kriege keine Luft."

Nein. Das war nicht holprig. Das war so knapp, wie die Zusammenfassung seiner Miseren vorhin. Bar jeder Information über das, was sie dabei fühlte.


Leela holte tief Luft, zumindest das war auch für den Chiss wieder deutlich zu erkennen, der gerne auch tief ein- und ausgeatmet hätte, um all das, was in ihm tobte wieder in die richtige Bahn zu lenken. Er war es nicht gewohnt sein Herz auszuschütten oder gar nach Hilfe oder Rat zu fragen. Er hätte nicht einmal gewusst, wie die Frage hätte lauten sollen. Was soll ich tun? Wie gehe ich damit um? Da waren eher zwei Worte präsent, die kaum zu einer Frage umformuliert werden konnten. Sorge und Enttäuschung. Vielleicht auch Angst. Die Frage war nicht, was dagegen tun. Oder?
Die juge Frau mit den dunklen Haaren lehnte sich zurück und diffamierte sich im nächsten Satz selbst. Das hatte sie zuvor schon getan, aber dieser Satz machte es noch deutlicher. Wenn sie die Falsche für Rat oder Trost war, wenn jemand verzweifelt sein musste, sich auch nur für eines von beidem an sie zu wenden, was für ein schlechtes Selbstbild hatte sie von sich? Riuen war unsicher, ob es Leela nicht trotz allem ehrte so offen zu sein und trotz allem ihre Hilfe anzubieten. Seine Unsicherheit rührte daher, dass Riuen selbst nicht wusste, wie er sein eigenes Selbstbild gerade bezeichnen konnte. War er sich sonst über dessen Beständigkeit sicher gewesen, kroch da jetzt leiser Zweifel in ihm hoch, der vermutlich schon immer da gewesen war, nur gut genug versteckt. Selbstzweifel waren so unattraktiv wie ein schlecht ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Anzuerkennen, dass von beide auch etwas in ihm steckte? Ließ ihn das dritte Glas leeren. Dinge mit sich selbst auszumachen war nicht immer stark. Sich mit anderen auszutauschen, auch mit der Gefahr, das Gesicht oder Sympathie zu verlieren hingegen war es viel eher. Es war feige Leela den Ball zurückzuspielen und nach ihrem Alptraum zu fragen. Beschäftige dich bloß nicht mit dir, sondern mit anderen. Oder anderem. Ein Motto das er so lange in Perfektion ausgeübt hatte.
Vermutlich wäre die entstandene Stille, die so voll von zögerlichen Gedanken war unerträglich gewesen, wäre sie nicht Leela und Riuen gemein.
Es ist sehr persönlich. Kurz in sein viertes, gefülltes Glas geschaut, hob Riuen seinen Blick. Dass dem so war, war, hatte schon im nur gelegen. Ein kleines Wort, dass ebenfalls geübt in Diffamierung war. Wann hatte 'nur' jemals etwas eingeleitet, dass so geringschätzig war, wie es das Wort vermuten ließ? Doch Leela beließ es nicht dabei. Weder bei dem Riegel 'nur', den sie schon leicht bewegt hatte, noch bei der Untertreibung des Wortes. Was sie als holprig einleitete, war kurz und bar jeden Gefühls. Aber Inhalt und Kürze wogen auf, was an Emotionen fehlte. Ihr brennendes Elternhaus. Sie, gefangen unter einem Schrank, der ihr das Atmen unmöglich gemacht und sie gefangen genommen, beinahe zerquetscht hatte. Das waren wenige Worte mit dem Gewicht des Schrankes, der in ihnen Erwähnung gefunden hatte. Riuen verzog das Gesicht, seine Stimme wurde ernst. "Das ist furchtbar." Und was ihm dazu in den Sinn kam, waren zwei Dinge. Schuld und Trotz. Schuld, überlebt zu haben. Trotz weiter zu leben. "Hat er schon mal so variiert, dass du handeln konntest?" So schnell die Frage auch kam, Riuen stellte sie nicht plump, wenn auch direkt, mit einer gewissen, Vorsicht. "Wieder atmen, den Schrank wegstoßen, etwas ganz anderes?" Die Antwort war zu klar. "Nein", gab er sie sich selbst, starrte kurz in sein Glas, dass zum fünften Mal gefüllt werden wollte. "Sonst würde der Traum sich nicht ständig wiederholen." In Dauerschleifen war man gefangen, weil man keinen Weg gefunden hatte, sich zu befreien. "Das klingt zermürbend. Lange her, aber zermürbend. Und nach Schuld. Oder Trotz. Oder beidem."


Leela beobachtete, wie Riuen Glas um Glas leerte und bemerkte beiläufig seine Trinkfestigkeit. Sie selbst spürte, dass bei ihr selbst nach nur einen Glas der hochprozentige Alkohol schon zu wirken begann. Ihre Gedanken zogen zu Orten, die sie im nüchternen Zustand mieden, überquerten Grenzen, die sie ihnen gesetzt hatte, um normal funktionieren zu können und so sehr sie es auch versuchte: Die Erinnerungen ließen sich nicht mehr zurückdrängen. Die Büchse mit Würmern ließ sich, einmal aufgemacht, nicht mehr schließen. Wie zuvor im Traum wurde die Vergangenheit so lebendig, dass Leela sich an jenen schrecklichen Ort zurückversetzt glaubte. In das Inferno von Feuer und erstickendem Rauch, der ihre Lungen füllte und dem schweren Möbelstück, dass sich bei jedem quälenden Atemzug tiefer auf sie herabdrückte. So sehr sie es auch wollte und sämtliche Kräfte mobilisierte, sie konnte sich nicht bewegen. Kam nicht weg. Am ganzen Leib zitternd krümmte sie sich nach vorn und presste die Augen zusammen. Als würde das helfen, die Bilder nicht mehr zu sehen, aber sie spürte, hörte und roch.

Als das leere Glas dabei Leelas verkrampften Fingern entglitt, zu Boden fiel und zerbrach, schrak sie auf und sprang unmittelbar auf die Füße. Mit wildem Blick sah sie Riuen an, wirkte verstört. Dabei kam sie sich aber ganz klar vor. Fokussiert auf eine einzige Frage. Sie kannte die Antwort. Auch wenn niemand sonst ihre Version geglaubt hatte. Nicht mal Frida, die sie von Kindesbeinen an kannte.

"Warum lebe ich noch, Riuen? Ich hätte dort sterben müssen. Erstickt oder verbrannt. Die Rettungskräfte, die mich gefunden haben, sagen, ich hätte mich selbst befreit. Aber ich weiß, dass ich das nicht geschafft habe."

Sie sprach leidenschaftlich und schnell, unterstrich ihre Aussagen mit abgehackten Gesten und scherte sich nicht darum, dass sie mit nackten Füßen zwischen Scherben stand. Wann hatte sie das letzte Mal diese Gedanken ausgesprochen? Oder auch nur zuende gedacht? Konnte sie das denn überhaupt? Zuende denken? Alle Fragen stellen, die diese Nacht berührten? Der Schmerz sich zu erinnern, war kaum zu ertragen. Vielleicht war das auch ein Grund für die Lücken in ihrer Erinnerung an dieses... Ereignis.
 
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Intermezzo II

Bis eben hatten sie einander gegenüber gesessen, Whiskey getrunken und an der Oberfläche der Dinge gekratzt, die sie beschäftigten, tunlichst darauf bedacht, bloß beim ins Glas sehen, in die Tiefe zu gehen. Blieb der Raum, in dem sie sich befanden physisch auch der gleiche, veränderte sich alles andere immens. Leela war nicht mehr in diesem Raum. Riuen hatte so oft davon gehört, so viel davon gelesen und selbst genug Soldaten erlebt, die aus Einsätzen zurückgekehrt waren und ein Teil ihres Ichs dort gelassen hatten, wo sie gewesen waren. Leela war nicht mehr in diesem Raum, als sie sich verkrampfte, erst in eine Schockstarre fiel und dann am ganzen Leib zu zittern begann, als müssten ihre Muskeln sich von der extremen Anspannung befreien. Die Augen zusammen gepresst, kippte sie nach vorne und Riuen war längst aufgesprungen, doch viel zu spät und seine Fähigkeiten in der Macht waren nicht gut genug, vor allem, da betäubt vom Alkohol, um zu verhindern, dass das Glas klirrend auf dem Boden zersprang.

Das Glas war Riuen egal. Dass er falsche Worte genutzt hatte, eher weniger und wenn da bis eben noch eine Menge Ich in seinem Denken gewesen war, veränderte sich auch das. Leela wurde wichtiger. Erst das Geräusch des zerspringenden Glases katapultierte sie raus aus ihrem Alptraum, der so viel mehr sein musste, als der schlimme Traum eines kleinen Kindes, zurück in ihr Quartier. Sie sprang auf und Riuen hob die Arme, streckte die Hände aus, bereit, sie zu Halten oder was auch immer sonst nötig war und da brach es aus ihr heraus. Schuld in ihrer Reinform. Jetzt war da nicht nur die quälende Frage, sondern so viel Emotion, dass er, hätte er Leela nicht anders kennengelernt, sie für eine andere Person hätte halten müssen. Langsam ließ der Chiss seine Hände wieder sinken, auch wenn er keinen Schritt nach hinten machte.

Es war unnötig Leela zurück auf das Bett zu drücken, die Scherben auf dem Boden einmal abgesehen. "Ich weiß es nicht", kam die wenig hilfreiche, aber ehrliche Antwort, denn Riuen würde Leela nicht belügen, auch nicht, um sie für den Moment zu beruhigen. "Vielleicht, weil du die Macht genutzt hast, ohne es zu wissen. Ein kleiner Schub, bei dem Versuch, dich zu befreien. Vielleicht, weil du auch Glück hattest oder eine Mischung aus beidem und mehr. Vielleicht hat auch jemand geholfen." Oder, was viel wahrscheinlicher war, und er senkte die Stimme, klang behutsam, "Vielleicht hast du es auch allein geschafft und kannst diesen Gedanken nicht ertragen, weil er dich schuldig fühlen lässt." Als einzige überlebt zu haben, so klang es, vor allem ihre erste Frage, die so schnell gekommen war. Jetzt war Riuen doch einen kurzen, besorgten Blick auf den Boden, zerstob die Scherben mit einem kleinen Machtschub jenseits von Leels Füßen und sah sie danach wieder an. Sollte er eine weitere Frage stellen oder versuchen, Leela zu beruhigen? Ruen war unsicher und es war Aufrichtigkeit, die in seinen nächsten Worten lag. "Ich will dich nicht quälen". Dann gewann behutsame Vorsicht, die nichts mit Neugier zu tun hatte, wohl aber mit aufrichtigem Interesse. Mehr Interesse ihr beizustehen, als in ihrer Vergangenheit zu wühlen. "Vermutlich hast du eine ganz eigene Antwort darauf?" Was sie als Feststellung oder als Frage werten konnte.


Leela hob abwehrend die Hände, als Riuen ebenfalls aufsprang. Zwar verstand sie seinen Impuls und dahinter die Absicht, ihr zu helfen, aber das war nicht nötig. Sie konnte alleine stehen und sie würde diese Situation alleine bewältigen. So wie immer. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre der wenige Raum, der ihn in dem kleinen Zimmer von ihr trennte, vermutlich ausreichend gewesen, aber nicht jetzt. Nachdem die Barrieren, hinter denen die junge Frau ihre peinigenden Erinnerungen wegsperrte, so beschädigt waren, schien der physische Abstand zu dem Chiss noch wichtiger zu sein. Jetzt nicht ausweichen zu können, fühlte sich sehr unangenehm an, auch wenn Riuen die ausgestreckten Arme wieder sinken ließ. Aber sie konnte das aushalten, viel wichtiger war, dass er verstand - dass sie die richtigen Worte fand, um ihm begreiflich zu machen, was sie dachte.

Die kleine, aufmerksame Geste, mit der der Blaue die Macht nutzte, um die Scherben zu ihren Füßen zur Seite zu fegen, lenkte Leela einen Moment ab und entlockten ihr sogar ein schmales Lächeln, bevor sie ihre Konzentration wieder auf Riuens Worte richtete. War das möglich? Das Ereignis zu betrachten und darüber zu reden, ohne wieder in diesen Strudel zu geraten, der die Erinnerungen wieder lebendig werden ließ? Ohne die Wunde wieder zu öffnen? Sie hatte es schon getan: Nach ihrer Genesung vor fünf Jahren hatte sie eigene Ermittlungen angestellt, geschützt von einer emotionalen Taubheit, die sie nichts spüren ließ und in der sie einfach nur funktionierte. Nicht immer war sie froh, dass sie diesen Zustand verlassen hatte - manchmal wünschte sie sich verzweifelt diesen dichten Umhang zurück, der sie von der Außenwelt abschirmte.

"Du quälst mich nicht. Aber gib mir einen Augenblick, um darüber nachzudenken."

Ohne Riuens Blick zu kreuzen, nahm sie wieder auf dem Bett platz und band sich ihre Haare zurück. Wenn er sich auch wieder hinsetzte, wäre alles so wie vorher - von dem kaputten Glas einmal abgesehen - und Leela konnte vorgeben, dass es diesen Flashback und ihre Reaktion darauf nicht gegeben hatte. Nach wenigen Augenblicken hatte die Forensikerin sich gesammelt und begann mit einer Stimme, die irgendwo zwischen der kühlen Sachlichkeit, die Riuen von ihr kannte, und einer beinahe trotzigen Nachdrücklichkeit lag, seine Frage zu beatworten.

"Das war nicht die Macht, Riuen. Ich war kurz davor das Bewußtsein zu verlieren - oder habe es verloren - das weiß ich nicht mehr. Aber ich bin mir absolut sicher, dass ich Hilfe hatte. Dass da noch jemand war."

Unwillkürlich warf sie einen Blick zu dem Holster, das neben ihr am Bettpfosten hing. Wenn sie sich in diesem Punkt nicht irrte, dann ergaben sich daraus weitere und weitaus beunruhigendere Fragen. Allerdings waren das nun wirklich Gedanken, die sie weder mit Riuen noch sonst jemandem teilen wollte.


Leela funktionierte wieder, schnell hatte sie die Hände gehoben, Sekunden bevor Riuen die seinen hatte sinken lassen. Er würde ihr nicht noch näher kommen, nicht näher, als sie sich durch das Gespräch gerade waren. In Nähe lag unmittelbare Gefahr, genau wie in Mitgefühl, Riuen wusste das selbst. Schmerzende Erinnerungen zu teilen barg eine doppelte Gefahr. Die, sich ihr wieder auszusetzen war die eine. Die, im Schmerz der Erinnerung noch einen weiteren hinzugefügt zu bekommen, war die andere. Sie führte einen Kampf, so viel war Riuen ohnehin klar. Während Ian in einer ähnlichen Situation in Wortlosigkeit, ja in Bewusstlosigkeit gefallen war, funktionierte Leelas System viel besser. Und vielleicht war es etwas sehr Ähnliches gewesen, dass ihn die Isolationshaft hatte überstehen lassen. Wobei seine Art der Verdrängung nicht die Flucht in eine Maske aus Emotionslosigkeit gewesen war, sondern die Flucht in extreme Gefühle, Erlebnisse und Abenteuer. Für ihn war es schon immer denkbar einfach gewesen der Gedankenlosigkeit und der Ablenkung zu frönen. Ihn plagten nachts keine Albträume, er erlebte das, was geschehen war, nicht wieder und wieder. Doch das bedeutete längst nicht, dass er nicht begreifen konnte, wenn es jemandem anders ging. Dass es Leela anders ging, auch wenn er nur eine vage Vorstellung davon hatte, wie es ihr ging, wie sie sich fühlte. Ihr kurzes Lächeln wirkte seltsam deplatziert, war beinahe irritierend. Parathymie war das immer.

Er quälte sie nicht, eine Aussage, die Riuen seinerseits kurz lächeln ließ. Leela wollte einen Augenblick und diesen würde sie bekommen. "Natürlich, sogar zwei", ein klein bisschen Galgenhumor um aufzulockern. Die drahtige Frau setzte sich wieder und nach einer Sekunde tat Riuen es ebenfalls, setzte sich zurück auf den Stuhl und ließ der Frau den Augenblick, um den sie gebeten hatte, ohne sie dabei zu mustern. Dann schloss sie aus, dass die Macht ihr geholfen hatte. Leela glaubte, dass da jemand gewesen war und Riuen nickte, Zeichen dafür, dass er ihr glaubte. Er folgte ihrem Blick zu dem Holster, in dem ein Blaster steckte und zählte eins und eins zusammen. Ihre Reaktion in der Bar. Die Angst, beobachtet zu werden. Ein Blaster am Bett. Ihr Haus, niedergebrannt. Brandstiftung? Ein Attentat? Ein wütender Patient? Am Ende jemand, der ihr geholfen hatte. Ein Helfer? Ein Täter? Der Täter?
"Hast du einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte?" Offenkundig stand ihr Verdacht gegen das, was man herausgefunden hatte. Die Rettungskräfte, so ihre Worte, hatten gesagt, sie war alleien gewesen. Und wenn es Ermittlungen gegeben hatte, was mehr als wahrscheinlich war, mussten diese das Gleiche behauptet haben. Sonst wären da diese ragen nicht. Vielleicht auch nicht dieser Alptraum?


Mit einem tiefen Atemzug versuchte Leela einen Teil der Anspannung loszuwerden, die sie immer noch im Griff hatte, und lehnte sich anschließend mit dem Hinterkopf an die Wand. Die Position wirkte entspannt - und tatsächlich war es so, dass sie abgesehen von der Schwäche, die diesem Ausbruch folgte, sich merkwürdig distanziert fühlte. Als wäre das nicht ihr passiert. Plötzlich waren alle Emotionen weg, wie aufgesaugt von dem Schwarzen Loch, das ihr Trauma war. Ihre Gedanken, ihre Vermutungen, wie in der Ferne gesprochene Worte, denen sie zuhörte, als ob sie von jemand anderem stammten. Leela sah in Riuens rote Augen und wirkte kurz herausgerissen aus einem Tagtraum, als er nach ihrem Verdacht fragte. Glaubte er ihr etwa? Langsam und nachdenklich schüttelte sie den Kopf.

"Nein. Nein, ich habe keinen Verdacht. Niemand, den ich kenne."

Es gab nur eine kleine Handvoll Leute, die in Kaveri Manor ein- und ausgingen als gehörten sie zur Familie, manche noch alte Freunde ihrer Eltern, aber von denen war keiner zu dem Zeitpunkt dort gewesen. Fridas Heer von Haushaltsdroiden war durch den Brand offenbar so beschädigt worden, dass sie keine nützlichen Informationen mehr hergaben. Tote Spuren, in welche Richtung sie auch blickte. Leela schüttelte erneut den Kopf, diesmal, um das Gedankenkarusell zu unterbrechen: Seit fünf Jahren stellte sie sich diese Fragen wieder und wieder. Hier gab es keine Antworten und keine neuen Erkenntnisse.

"Komm, schenk mal nach, wenn noch was in der Flasche ist."

Die junge Frau stand auf, griff nach Riuens Glas - ihres war schließlich kaputt - und wartete bis der Chiss nachgeschenkt hatte.

"Wir haben genug über mich geredet. Erzähl' doch mal von deiner Meisterin. Warum geht sie ins Exil? Ist das eine Art Strafe?"


Leela lehnte sich zurück, doch ihr tiefer Atemzug machte deutlich, dass sie nicht in die Entspannung ging, auch wenn ihrem Gesicht kaum eine Regung zu entnehmen war. Wie lange war sie schon im Unklaren darüber, was wirklich geschehen war? Und wie heftig mussten ihre Alpträume sein? Riuen hatte Ian und andere erlebt, Erinnerungen die ihm durchaus reichten um zu wissen, dass er in all ihren Häuten nicht stecken wollte. Dann schüttelte Leela den Kopf ehe sie sprach, mit Worten wiederholte, was sie eben deutlich gemacht hatte. Da war kein Verdacht und der Mann mit der blauen Haut seufzte bedauernd.
"Ich habe Verbindungen zu einem Agenten des Geheimdienstes", den er erst kürzlich kontaktier hatte und sicherlich war es gut, den Bogen hier nicht zu überspannen, aber, "wenn du willst, gebe ich dir seine Kontaktdaten." Tico hatte andere Möglichkeiten als die Polizei und vielleicht konnte Leela doch noch Antworten und Schlaf finden. Keinen Verdacht zu haben war kein guter Ausgangspunkt, aber vielleicht kam sie, wenn sie mit jemandem sprach, der Ahnung hatte doch auf Ideen. Manchmal fielen winzige Kleinigkeiten erst sehr viel später auf. So wie er Ereens falsches Spiel nie bemerkt hatte, obwohl da, rückblickend, durchaus Anzeichen gewesen waren. "Wenn du sonst etwas brauchst, lass es mich wissen." Bastion würde ihn zwar auf unbestimmte Zeit beschäftigen aber vielleicht gab es dennoch Optionen. Eine war, Leela nachzuschenken und damit die übergoße Flasche zu leeren.
Danach drehte der Chiss seinen Stuhl um, stützte seine Arme auf der Rückenlehne ab, als er sich umgekehrt darauf setzte und Leela das Gespräch über sich für beendet erklärte und ihn nach Elise fragte. Riuens Antwort kam schnell, ohne auch nur eine Sekunde mit Nachdenken zu verschwenden. Dafür mit Nachdruck und einer gehörigen Nuance Wut. "Weil sie feige ist." Sie hatte Angst und dieser stellte sie sich nicht. "Das Exil hat sie sich selbst ausgesucht, vielleicht ist es ihre Art der Selbstbestrafung. Was weiß ich." Sie ließ alle im Stich. Alle. "Morgen früh geht die Mission los und vor ein paar Stunden hat sie gekniffen." Ihn vor vollendete Tatsachen gesetzt. War die Mission damit überhaupt noch möglich? Wie schnell hatte Ahna einen Ersatz für Elise gefunden? Da waren zu viele unbekannte Variablen und Riuen verzog missmutig das Gesicht.


Ihr Geist war wieder ruhig. Auf eine Art friedlich, die insbesondere davon abhing, dass die Grenzen zu ihren Erinnerungen intakt waren. Dass sie die Kontrolle über ihre Gedanken hatte. Also eigentlich... so wie immer. Im Leben der disziplinierten jungen Frau war kein Platz für Nachlässigkeit. Und jetzt hatte sie zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage erlebt, wie sie den Boden unter den Füßen verloren hatte. Buchstäblich, als sie Sivas vermaledeite Drogenkekse probiert hatte, und nun erneut. Beide Male waren durchaus erklärbar: Riuen hatte sie einfach in dem schwachen Moment erwischt, als sie noch versuchte sich aus den Klauen ihres Albtraums zu befreien und dann einfach die falschen Fragen gestellt. Das hieß nicht, dass sie ihm Vorwürfe machte. Im Gegenteil: Leela begriff es vor allem als eine Mahnung achtsamer zu sein.

Die dunkelhaarige Frau warf dem Glas in ihrer Hand einen skeptischen Blick zu... Würde sie noch einmal die Kontrolle verlieren? Nein. Es war eine Entscheidung und eine Willensanstrengung. Stur. Trotzig vielleicht. Zu dem schon vertrauten Brennen, als der Whiskey ihre Lippen benetzte, gesellten sich die vielfältigen Aromen, die sie zunächst als so unangenehm empfunden hatte. Ein Teil von ihr konzentrierte sich auf diese Eindrücke, bewertete und sortierte, während sie gleichzeitig über Riuens Vorschlag nachdachte: War es eine Möglichkeit, doch noch an Informationen zu gelangen? Aber was sollte ein Außenstehender in einem alten Fall, bei dem schon jeder Stein zweimal umgedreht worden war noch ausrichten? Zumal das ja auch nur in ihrem Kopf ein "Fall" war. Für alle anderen ein Unglück, ausgelöst durch einen technischen Defekt. Dr. Kaveri wollte die Möglichkeit nicht von vornherein aus der Hand gebe, die sich dadurch vielleicht ergaben, also nickte sie schließlich bedächtig und sah in die roten Augen des Chiss.

"Ein Agent des Geheimdienstes? Das klingt, als würde eine interessante Geschichte dahinter stecken. Wenn es für dich in Ordnung ist, werde ich die Entscheidung, ihn zu kontaktieren nicht jetzt treffen. Meine derzeitige Verfassung ist kaum dazu geeignet, etwas richtig einzuschätzen."

Es brauchte eine Weile, in der Leela versuchte, Riuens Antwort einzuordnen. Der Gedanke, sich vor einer Aufgabe zu drücken und damit Menschen zu gefährden, die auf sie zählten, war ihr fremd. Lag nicht in ihrem Wesen.

"Feige. Das ist ein... hartes Urteil. Ich kenne deine Meisterin nicht. Allerdings muß eine derart kurzfristige Entscheidung tatsächlich wie ein Weglaufen wirken. Vielleicht hatte sie wirklich Angst. Ist es denn eine so gefährliche Mission?"


An Elise wollte Riuen gar nicht mehr denken. Auch wenn es Ziel gewesen war, irgendwie, zu reden, jetzt wollte er den Gedanken an seine ehemalige Meisterin so weit wie möglich nach hinten schieben und beinahe hatte es gutgetan, Leela zuzuhören, abgelenkt von seinen eigenen Gedanken. Wäre ihre Geschichte nicht so tragisch gewesen, hätte es wirklich gut getan. Ein einfaches Gespräch. War es nicht das gewesen, das ihn zu Kairi geführt hatte? Reden. Beinahe hätte der Chiss geseufzt, verhinderte genau das aber noch im letzten Augenblick. Kein guter Zeitpunkt um sentimental zu werden. "Klar", antwortete er also Leela, die nach einem kurzen, aber überlegendem Schweigen den Faden wieder aufnahm. "Ich lasse dir seine Nummer da und du entscheidest, wenn deine Verfassung", er grinste, "eine andere ist." Eine interessante Geschichte war es nicht unbedingt, die ihn mit Tico verband. Vor allem war es keine, die sonderlich geeignet schien, um sie Leela auf die Nase zu binden, die auch so schon genug erfahren hatte, das vermutlich sonst eher bei der Beichte gelandet wäre. Riuen drehte sein leeres Glas schließlich in seiner echten Hand, bloß um etwas in dieser zu haben, als sein Gegenüber meinte, dass feige ein hartes Urteil sei. "Ein hartes vielleicht", sah er schließlich von seinem Glas auf, "aber vieles was wahr ist, ist hart oder unbequem." In jedem Fall würde er sein Urteil nicht revidieren, sich wohl bewusst, dass er es schnell getroffen hatte. "Ob du die Sache wohl beurteilen könntest, würdest du sie kennen?" Eine rhetorische Frage, die der Chiss sich mit 'Nein' beantwortete. Elise war feige. Und wenn sich zehn Jedi vor sie stellen und das Gegenteil sagen würde. Sie war feige, basta. Angst war keine Ausrede. Keine Entschuldigung, vor allem nicht für eine Jedi. Eine Ritterin. Nicht für jemanden, der bloß im Außenteam war. Natürlich gab es auch dort etwas zu verlieren, aber wer wirklich Angst haben musste, wer sich wirklich erlauben konnte auch nur einen Gramm Feigheit an den Tag zu legen waren Eowyn und Ian, die mitten unter dem Feind waren. Ob die Mission so gefährlich war? Riuen konnte nicht verhindern, dass er kurz auflachte, ehe sein Gesicht sich beinahe wütend verzog. "Nicht nur Ian könnte sein Leben verlieren, also ja, es ist eine verdammt gefährliche Mission." Ein leises Schnauben und ein Kopfschütteln folgte. Ian, Eowyn, es ging um so viele mehr. Um so vieles mehr. Wieder sah er auf das Glas, wechselte es in seine künstliche Hand, starrte regelrecht darauf. Zwei Impulse gab es. Den, das Glas an die Wand zu pfeffern oder den, es mit der Hand einfach zu zerquetschen. Woher auch immer dieser Impuls überhaupt kam. Keinem von beiden folgend lachte Riuen stattdessen erneut auf, diesmal sehr viel länger als eben, bis es ebenso plötzlich abebbte. "Wenn ich ihretwegen nicht nur meine Hand, sondern meinen besten Freund verliere..." War das Wut? Eine wütende Drohung? Riuen war unfähig sein eigenes Gefühl einzuschätzen, fühlte sich dafür Sekunden völlig entfremdet und schloss die Augen, atmete einmal tief durch. "Vielleicht bringt mich vorher auch die Macht mit ihren seltsamen Auswirkungen um. Oder dieses Allgemeine Chaos in meinem Kopf." Das bis vor kurzem noch nicht da gewesen war.
"Oder A..." Fast hätte er ihren Namen verraten, "Oder aber, jemand anderes wird es tun, wenn ich morgen zu spät komme. Ich danke dir für das Gespräch", stand der Chiss schließlich auf. "Bloß sollte ich jetzt verschwinden, um morgen zur Abwechslung mal einen guten Eindruck zu hinterlassen", fand er zu seinem typischen Grinsen zurück. "Hast du was, wo ich dir die Nummer notieren kann?"


Bei aller Offenheit, die das Gespräch zwischen ihnen bis zu diesem Zeitpunkt bestimmt hatte, wollte sich dennoch nicht die gleiche Vertrautheit einstellen, von der ihr gemeinsamer Abend im 'Happy Nexu' geprägt war. Leela war angespannt, lauschte in sich hinein, behielt ihr Innerstes argwöhnisch im Blick, um nicht erneut die Kontrolle über ihre Emotionen zu verlieren. Und Riuen? Aufgebracht und unruhig. Beide waren sie verletzt, versuchten sich zu schützen - jeder auf seine Weise - und hielten sich dabei gegenseitig auf Abstand. Zu Riuens Bemerkung über die Nummer des Geheimdienstlers nickte sie nur beiläufig - das war ein Detail, von dem sie sich jetzt nicht vom Kern dessen ablenken lassen wollte, was ihr Gegenüber gerade beschäftigte: den Rückzug seiner Meisterin ins Exil.


"Es muss dir wie Verrat vorkommen."

Leela konnte nicht vorgeben, zu verstehen, was Riuens Meisterin antrieb, in einer solchen Situation allen Verpflichtungen den Rücken zu kehren und Wesen, die auf sie zählten im Stich zu lassen. Riuens Reaktion war hingegen sehr viel nachvollziehbarer und dennoch gab es etwas in ihr, das sie drängte, relativierende Worte zu finden. Nicht um den Zorn des Blauen abzumildern, sondern weil aus ihrer Sicht der Mangel an Informationen ein absolutes Urteil in dieser Situation verbot.

"Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht schwerwiegende Gründe für eine solche Entscheidung gibt. Gründe, die sie dir gegenüber vielleicht nicht äußern konnte. Oder durfte. Ich bin noch nicht lange hier, aber selbst in der kurzen Zeit ist mir nicht entgangen, dass viele Vorgänge und Informationen nur einem sehr kleinen Kreis an Ordensmitgliedern zugänglich sind."

Das war noch sehr vorsichtig formuliert. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Meister trainiert hatte, war sie mit Dingen beschäftigt gewesen, die sie geheim halten sollte: Die namenlose Leiche im Labor, die Kapseln, die sie Eowyn und Ian implantiert hatte. Selbst Riuen sprach nicht über die Mission, auf die ihn der Orden geschickt hatte. Die Jedi arbeiteten so transparent, wie ein Huttenkartell. Alles lag im Dunkeln.
Erneut schien an diesem Abend ein Glas in Gefahr zu sein. Leela bemerkte Riuens Anspannung, als er es in seine künstliche Hand wechselte - kurz davor, es zu zerquetschen. Seine Zerrissenheit und Sorge, um die, die ihm nahestanden, versetzten ihrem Herzen einen schmerzhaften Stich.

"Ich will nicht, dass du oder jemand, der dir etwas bedeutet, sein Leben verliert."

Die junge Frau streckte mitfühlend die Hand aus, um sie ihrem Gegenüber auf den Arm zu legen, aber der Blaue hatte sich schon erhoben und war dabei, sich zu verabschieden. Etwas verlegen zog die Ärztin sie wieder zurück und suchte stattdessen nach einem Stück Flimsi, auf das Riuen schließlich die Nummer seines Kontaktes kritzelte, bevor er verschwand. Lange saß sie noch da und grübelte, ob es immer so sein mußte, dass sie nicht in der Lage war, die zu beschützen, die ihr nahestanden. Oder ob sie irgendwann das Blatt wenden konnte. Es wenden mußte.
 
Sahras Reise.
Erster Stopp: Utapau


Ihr schwirrte der Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Das musste ein Albtraum sein. Ein furchtbarer Albtraum. Sahra lief in dem kleinen Hotelzimmer hin und her, blieb nur hin und wieder für eine Sekunde stehen, um aus dem Fenster zu schauen. Der Graben wurde langsam heller. Der Tag brach an. Aber lange hielt diese Ablenkung nicht. Radan hatte sie verlassen. Radan hatte sich den Sith angeschlossen. Der letzte Satz hallte unwirklichlich in ihren Gedanken nach. War das wirklich geschehen? Natürlich war es das. Und jetzt? Sahra blieb erneut stehen und starrte auf das Teppichmuster vor ihr. Und jetzt? Sahra nahm ihren “Weg” wieder auf, der sie zwischen ihrem Nachttisch und der Badezimmertür hin und her führte. Das Radan sich den Sith angeschlossen hatte, war die eine Katastrophe. Das sie von ihm schwanger war, war die zweite. Hätte er sich nicht ein paar Wochen früher zu diesem Schritt entscheiden können? Dann wär da jetzt nicht dieses winzige Leben in ihr, das alles gerade einfach nur viel viel komplizierter machte. Sollte sie abbrechen? Das Herz des ungeborenen Kindes schlug gerade noch nicht.Im laufe der nächsten Woche würde sich das ändern. Und er wusste davon. Und er stammte von einer Welt, deren Herrscher wohl schon seit Ewigkeiten ausschliesslich männlich waren...was würde passieren, wenn sie einen Jungen gebar? Würde Radan es herausfinden? Würde er nach seinem Sohn suchen? Würde er ihn für seine Zwecke missbrauchen? Und wie weit würde er dafür gehen? Sollte sie die Schwangerschaft abbrechen? Aber das wär unfair diesem Kind gegenüber, dass an all dem garkeine Schuld trug. Nein, Schuld trug sie selbst, dass sie sich überhaupt auf das Ganze eingelassen hatte. Hatte ihr Gefühl sie nicht gewarnt- eigentlich schon vor ihrem Aufbruch? Hatte die Macht sie nicht darauf aufmerksam gemacht, dass Radans Ablehnung von weiterer Hilfe und seine Versessenheit auf eine kriegerische Auseinandersetzung nicht dem Weg der Jedi entsprach? Und was hatte sie getan? Nichts. Sie hatte nichts getan. Sie trug die Schuld an dem Ganzen. Sahra brach ihre Bahn Richtung Nachttisch ab und ging Duschen. Das tat sie etwa alle halbe Stunde, seit sie hier war. Der Dreck und das Blut waren natürlich schon längst weg, aber trotzdem fühlte sie sich immernoch schmutzig. Ihr Weg zur Dusche wurde jedoch umgeleitet Richtung Toilette. Übelkeit. Verursacht durch die Schwangerschaft, auch wenn sie genauso gut von ihren Gedanken kommen könnte.Sahra spülte und putzte sich die Zähne. Was sollte sie nur tun? Sie war nach Malastare direkt hier her geflogen und hatte dabei ihre Schwester kontaktiert, auf die sie jetzt wartet. Firedevs würde ihr vielleicht helfen können, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, obwohl sie eigentlich schon längst entschieden hatte. Sie würde sich vom Orden fernhalten. Zumindest erstmal, bis vielleicht Gras über die Sache gewachsen war. Radan würde wahrscheinlich nicht mit ner Armee über Corellia herfallen, wenn es dort nichts für ihn zu holen gab. Hoffentlich. Was sollte sie nur tun? Warmes Wasser lief über ihren Kopf, ihre Schultern, den Rücken runter. Löste verspannte Muskeln, zumindest für einen Moment. Wenn doch nur Firedevs schon hier wäre. Das war gerade irgendwie alles zu viel für Sahra. Sie sah den Weg nicht mehr. Was sollte sie nur tun? Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und sie ließ ihnen freien Lauf. Hier unter dem Wasser sah es ja eh keiner. Vielleicht würde es ihr hinterher besser gehen. Als sie sich wieder beruhigt hatte, beendete sie die Dusche, schlüpfte in einen Bademantel und sah in den Spiegel. Sah sich selbst in die Augen und kam sich so vor,als würde sie sich das erste Mal sehen. Das Gesicht im Spiegel war fremd. Sie fuhr mit der Hand darüber. Es fühlte sich fremd an. Sie musterte dieses Gesicht im Spiegel und es gefiel ihr nicht. Schulterlanges braunes Haar, das nicht ihres war. Sahra stürmte aus dem Bad zu ihrer Tasche, kramte darin rum und fand ne Schere. Eigentlich eine Nagelschere, aber das spielte keine Rolle. Sie rannte förmlich zurück in das Badezimmer und begann hektisch die Haare abzuschneiden. Nach zehn Minuten sah sie wirklich nach einem Unfall aus, aber das Chaos auf ihrem Kopf passte zu dem Chaos in ihr. Was sollte sie nur tun?
Die nächsten Tage verließ sie das Zimmer nicht. Wenn sie hunger bekam, bestellte sie sich was und sorgte dafür, dass der Servicedroide sie nicht sah, wenn er es brachte. Sie fühlte sich ausgebrannt, aber die Glut wollte einfach nicht verlöschen und loderte im nächsten unbedachten Moment wieder auf. Plötzlich klopfte es an der Tür und Sahra fuhr zusammen, als wäre ein Thermaldetonator im Raum explodiert. Sie griff nach der Macht und spürte Firedevs vor der Tür. Erleichtert öffnete sie ihrer Schwester, fiel ihr um den Hals und brach erneut in Tränen aus.

“Bei der Macht, Sahra. Was ist passiert?”


Fragte ihre Schwester und führte sie erstmal wieder zurück in den Raum.

“Ich weiss nicht, wo ich anfangen soll.”

Schluchzte Sahra, während ihr Schwester sie musterte.

“Am Besten am Anfang.”

Sagte sie und holte wortlos einen Stuhl, ein Handtuch und alles nötige, um aus dem explodierten Sofakissen auf Sahras Kopf irgendwie noch was zu machen, mit dem man raus gehen konnte.

“Ich bin Radan auf seinen Heimatplaneten gefolgt. Er wollte sein Volk von einem Tyrannen befreien, aber kaum, dass wir auf Eriador waren, gab es schon streit. Er hat sich komplett verändert. Und dann führte er uns in eine Schlacht. Es gab so viele Tote. Und dann...dann sind wir nach Malastare… und ich wollte mit ihm reden, aber er ist gegangen. Er ist mit den Sith mitgegangen. Hat sich ihnen angeschlossen, Firedevs. Und ….und ich bin schwanger von ihm…. Was soll ich machen?”


Sahra erzählte ihrer Schwester alles und ihre Stimme überschlug sich dabei. Gut, vielleicht war das auch nur die Zusammenfassung. Aber Sahra hatte das Gefühl, dass ihre Stimme gleich versagen würde. Erneut stiegen ihr Tränen in die Augen und sie sah ihre Schwester an, die sie überrascht und entsetzt ansah. Eine ganze Weile schwieg Firedevs, ehe sie Luft holte und antwortete, während sie ihr die Haare schnitt.

“Du solltest zum Orden gehen. Erzähl dem Rat, was geschehen ist. Sie müssen es erfahren, Sahra. Wenn Radan jetzt ein Sith ist… er trägt Jedi-Wissen in sich...das ist gefährlich.”

Das wäre wohl jetzt das Vernünftigste. Und dabei war Sahra eigentlich immer die Vernünftigere gewesen. War. Trotzdem nickte sie.

“Aber was… was wenn er sein Kind haben will? Ich hab gesehen, wie er hunderte einfach abgeschlachtet hat und er könnte es auf Corellia genauso machen. Nur um mich und damit sein Kind zu bekommen. Ich will nicht, dass wegen mir noch mehr Unschuldige sterben.”


Erneut traten Tränen in ihre Augen. Die Ereignisse auf Eriador hatten Sahra sehr zugesetzt. Ihre Schwester sah sie lächelnd an.

“Du brauchst Erholung Sahra. Vor allem, wenn du wirklich schwanger bist. Hast du dir überlegt, wie das dann werden soll, wenn du Mutter bist? Wie willst du deine Stellung als Jedi mit der Mutterrolle vereinbaren?”


Wenn die Wunde der Vergangenheit noch zu stark blutete, um klare Gedanken zuzulassen, half es seine Aufmerksamkeit auf die Zukunft zu richten. Zumindest so lange, bis man einen gewissen emotionalen Abstand hatte und vielleicht klarer sah.

“Ich hab keinen Plan, Firedevs. Woher soll ich den haben?”

Ihre Schwester hob abwehrend die Arme.

“Ok. Ok. Ich sag dir, was wir machen können. Ich bleib bis zur Geburt und die erste Zeit danach bei dir. Ich lass dich jetzt nicht allein. Wir suchen uns bis dahin aber noch einen etwas ...freundlicheren Planeten,auf dem du dein Kind bekommen kannst, ja? Hier ist irgendwie… nicht gut. Du solltest dich nach der Geburt erholen können und ich kenn dich gut genug, dass du dich hier dafür nicht wohlfühlen würdest. Und dann schauen wir weiter. Komm, zieh dir was an und pack deine Sachen. Ich warte an der StarExplorer auf dich. “


Sahra sah ihre Schwester verdattert an. So hatte sie Firedevs auch noch nicht erlebt. Aber für den Moment war Sahra dankbar, dass ihre Firedevs die Führung übernahm. Das war genau das, was sie brauchte, um aus dieser Sackgasse raus zu kommen. Darum beschwerte sie sich auch nicht und tat, was Firedevs gesagt hatte. Sie packte ihre Sachen und sah in den Spiegel. Ihre Schwester hatte ihre Haare angeglichen, und sie waren jetzt sehr viel kürzer, aber dafür sah es ordentlicher aus. Ihr Herz begann zu klopfen, als sie in den Flur raus trat. Auf dem Weg zur StarExplorer verhielt sich Sahra weniger wie ein Gast des Hotels als wie ein Dieb, der jetzt auf der Flucht war und nicht erwischt werden wollte. Als sie aus dem Gebäude raus trat, rannte sie fast zum Schiff. Ein völlig unlogisches Verhalten, das wusste sie selbst. Aber sie fühlte sich hier draussen einfach unwohl. Ohne zu zögern rannte sie die Rampe der StarExplorer rauf und schloss sie sofort. Erst, als das vertraute Zischen der Verriegelung verklungen war, entspannte sich Sahra wieder, öffnete die Augen und sah ihre Schwester .

“So verhältst du dich erst recht auffällig. Entspann dich. “


Sagte sie und wandte sich ab, um ins Cockpit zu gehen. Ihre Schwester wusste genau, was sie vorgehabt hatte. Natürlich. Ausser Firedevs gab es wohl nur noch Fritz, der sie so gut kannte. Sie konnte ihrer Schwester nichts verheimlichen. Sahra ging nur bis zur Aufenthaltsecke, setzte sich dort auf die Couch und schnallte sich an. Kurz darauf erbebte das Schiff und hob ab. Sahra spürte, wie die Anspannung von ihr abfiel und das nur, weil sie unterwegs war. Radan würde sie und das Kind hier nicht finden. Schon garnicht, wenn sie im Hyperraum waren. Als sich die Sterne in die wabbernden Farben des Hyperraums verwandelt hatten, stand sie auf und ging ins Cockpit, doch Firedevs kam ihr schon entgegen.

“Wohin fliegen wir?”


Fragte sie sie.

“Sag du es mir.”

Kam die Antwort ihrer Schwester, die sie anlächelte. Sahra konnte das Lächeln aber nicht erwiedern.

“Ich weiss es nicht. Ich bin so müde. Ich würde gern etwas schlafen, wenn du nichts dagegen hast. “

Ihre Schwester schüttelte den Kopf und zeigte auf das Quartier , das dem Cockpit am nächsten war.

“Geh , leg dich bisschen hin. Ich pass auf, dass uns niemand in die Quere kommt. Wär Naboo für dich in Ordnung?”


Fragte Firedevs noch nach und Sahra dachte darüber nach. Naboo war schön und fortschrittlich. Die Idee war gut , aber…

“Später vielleicht. Können wir vielleicht irgendwo vorher aus dem Hyperraum gehen? Irgendwo, wo keiner ist?”

Firedevs hatte recht. Sie brauchte Ruhe und Utapau hatte ihr keine Ruhe gegönnt. Sie war ständig angespannt gewesen und jetzt spürte sie, wie die Anspannung von ihr abfiel. Vielleicht würde sie irgendwo im nirgendwo zur Ruhe kommen können. Firedevs sah sie stirnrunzelnd an.

“Wie du meinst.”

Gab sie an und ging zurück ins Cockpit. Sahra sah ihr noch nach und legte sich dann hin, um gefühlt seit Tagen das erste Mal wieder zu schlafen.
 
Auge um Auge und die Welt wird Blind | Juna Choway (Darth Makhaira) | Vorgeschichte



Bastion, etwa 1 Jahr vor Junas Flucht


Dunkelheit. Es war eine ewig währende Dunkelheit. Frieden war eine Lüge. Schmerz die Realität. Hier gab es keine Vergangenheit, keine Zukunft, nur den Auftrag. Es gab nur eine Heimat. Ein Zuhause. Eine Kiste die gerade einmal einen Meter mal ein Meter auf der Höhe von zwei Metern maß. Vielleicht noch der Baktatank welcher viel zu oft ihren Körper beherbergte. Inzwischen war ihr nicht länger bekannt ob ihr Körper mehr Maschine oder lebendes Wesen war. War es überhaupt wichtig? Relevant? Die ohrenbetäubende Stille ihres Daseins in dieser Kiste drohte zur Saat des Wahnsinns zu werden. Hin und wieder durchfuhren Stromstöße ihren Körper. Alles nur damit die Waffe nicht schlief. Immer Einsatzbereit. Nie Fehlerhaft. Dies war die Prämisse. Der Lebensinhalt dessen was sie war. Eine Waffe. Ein Gegenstand. Erst als sich jene Kiste öffnete. Sie das erste Mal seit Wochen frische Luft atmen durfte und ihr der Schlauch aus dem Mund entfernt wurde welcher sie mit einer Paste versorgte welche die nötigsten Nährstoffe und entsprechende Hormone beinhaltete welche ihren Muskelaufbau förderten traute sich die halbe Maschine aus ihrem winzigen zu Hause. Einem Ort welcher einzig sicher war. Eine maskierte Gestalt in schwarzen Roben trat aus dem blendenden Licht hervor. Ein Wesen welches die Waffe mehr als gut genug kannte. Nervös, gar panisch warf sich die Waffe vor dem Wesen auf die Knie welches von Medi-Droiden flankiert wurde. Wortlos warf er ihr ein Datapad und zwei Schwerter auf den Boden. Dazu eine leichte Ausrüstung mit Helm. Kein Wort wurde gewechselt. Sie war es nicht wert. Hastig kramte sie die Sachen zusammen. Verneigte sich in tiefster Dankbarkeit und machte sich bereit während sie an einer von vielen Kisten vorbei lief. X-22. Das war ihre Bezeichnung. Es gab keine andere. Sie erinnerte sich nur vage an die Zeit vor ihrer Ankunft. Vor ihrer Erschaffung. Ein paar der Kisten ermöglichten einen Blick in das innere. Gaben Einblick auf ihren Inhalt. Verschiedenste Wesen waren in ihnen. Teils gefesselt oder geknebelt. Keines von ihnen war noch nicht in Teilen eine Maschine geworden. Bei ein paar wenigen Exemplaren konnte man gar nur erahnen welcher Spezies sie einst angehört hatten. Ein paar wirkten wie Droiden. Am Ende war jedem von ihnen klar. Droide. Sie würden bei einem Versagen auf Raten selbst zu Maschinen gemacht werden. Doch keiner von ihnen war stark genug sich mit den Herren anzulegen. Die Ersten, jene die bezeichnungen im Einstelligen hatten erzählten Geschichten davon. Geschichten, nach denen sie versucht hatten sich selbst zu töten. X-1 erwähnte sogar, dass ab der zweistelligen Serie durch Implantate der Freitod ausgeschlossen wurde. Sie waren alle nur gefangene. Sklaven. Einer Programmierung untergeordnet noch bevor sie überhaupt richtig erwachsen gewesen waren. Dauerhaft wird der Sithkodex in ihre Schädel gehämmert. Immer wieder wird ihnen eingepflanzt, dass Töten etwas positives, ja gar gutes wäre. So wurden diese Dinge Realität der X-Sklaven.

Wenige Stunden später war sie fertig. X-22 sollte los ziehen. Ein Mann welcher den Sith die Treue geschworen hatte, hatte verrat begangen. Anstatt seine Familie auf Bastion zu verwahren besaß er die Unverschämtheit zu fliehen. Nun war es an der Waffe die Hinterbliebenen zu finden und auszumerzen. Frieden war eben eine Lüge. Es gab nur Leidenschaft. Und Töten war die einzige Leidenschaft zu der die Waffe fähig war. Das Datapad verriet nicht viel. Lediglich die Wesen welche gesucht wurden. Eine Frau und ein Kind. Beides Chiss. Sie sollten sich irgendwo in Bonetown verstecken. Ein nicht unangenehmer umstand. So stand X-22 da. Den Helm aufgesetzt. In schwarzen Roben gekleidet. Durch den Stab in ihrer Hand wirkte sie wie ein Abbild der Palastwachen. Lediglich der Helm und die Waffe zeugten davon, dass es sich bei ihr nicht um eben jene Wesen handelte. Umgekehrt waren sie, die Waffen dieses Sith, nicht unbekannt auf dem Planeten. Jene, welche ihr Wirken beobachtet hatten gingen ihnen automatisch aus dem Weg. Furcht und teils auch Panik schlug somit X-22 entgegen als sie langsam durch die Gassen von Bonetown lief. Der Dreck, dieser absolut Bodensatz der Gesellschaft welcher sich in den Schatten hielt. Einfach alles war abnormal ekelerregend. Ihre Ziele sollten sich hier irgendwo verstecken. Aber wo? Wie ein Henker mutete die Gestalt in schwarz an. Ein paar Wesen erahnten, dass ihre Anwesenheit niemals etwas gutes bedeuten konnte. Sie stand einfach da. Hier hatte die Waffe keine Möglichkeit Fragen zu stellen. Ihre einzige Spur waren ein paar Holos. So holte sie ein Datapad hervor. Nachdem sie ein paar Bilder durchgegangen war erkannte sie zumindest ein paar individuelle Markierungen. Ohne Umschweife lief sie daher weiter durch den Abschaum welcher sich hier unten sammelte. Es dauerte ein wenig jedoch erkannte X-22 die erste Markierung welche ihr Bekannt war. Nach einer genaueren Untersuchung ergaben sie sogar einen Sinn. Es waren verschlüsselte Richtungsangaben. Beschreibungen für ein kleines Lager. Direkt nach dem entschlüsseln der Glyphen haften Schriften und dem Sammeln der Hinweise, welche mal besser mal schlechter in Bonetown versteckt waren, verständigte die Waffe ihre Besitzer. Sie brauchte weitere Befehle. Es dauerte nicht lange und ein Surren im Helm signalisierte was der Auftrag wäre. Ohne Vorwarnung schossen Nadeln in das Fleisch der Sklavin welche verhindern würden, dass sie den Helm absetzen könnte. Gleichzeitig wurde ihr ein chemischer Cocktail injiziert welcher Ihre Emotionen verstärkte und umgekehrte ihren Körper voll pumpte mit Adrenalin. Nicht mehr klar bei Verstand stürmte X-22 zu eben jenem Versteck welches ihr durch das Entschlüsseln der Glyphen offenbart worden war. Es gab nur noch einen Befehl…

TÖTEN!

Am Ende verging nicht viel Zeit ehe die ersten Körper vor dem Versteck, einer scheinbar verlassenen Lagerhalle, leblos zu Boden sanken. Die Gassen waren gefärbt von der blutigen Spur welche X-22 hinterlassen hatte. Schreie hallten zwischen den Gebäuden wider und die schon normalerweise beunruhigenden Häuserschluchten wirkten um einiges finsterer als sie es schon normalerweise taten. Vor einer Tür stand sie. Eine gepanzerten Tür. Hier draußen gab es kein Leben welches sich ihr in den Weg stellte. Das Ziel jedoch befand sich auf der anderen Seite. Dieses Hindernis durfte sie nicht aufhalten. Durstig nach dem Lebenselixier ihrer Opfer kletterte die Waffe nach und nach die Häuser hoch. Versuchte eine Lücke zu finden. Von Hausdach zu Hausdach sprang sie. Schließlich fand sie eine Möglichkeit für die Infiltration. Ein Oberlicht. Perfekt. Suchen und Zerstören. Vernichte alles was in dieser Halle war. Das war die Mission. Keine Überlebenden. Rastlos erklomm die Waffe das Dach der schon förmlich verrottet wirkenden Lagerhalle und stieg durch das Oberlicht hinein in die Dunkelheit in welcher der Raum gehüllt war welcher sie in Empfang genommen hatte. Durch den Helm konnte sie zumindest schwache Schemen in der Dunkelheit erkennen. Es war eine Art stillgelegte Werkstatt. Sie roch modrig und mehr so als hätten irgendwelche Viecher hier uriniert. Der Gestank war zumindest entsprechend beißend. Hier und da huschte Ungeziefer umher. Auf den ersten Blick war auch dieser Raum eine Sackgasse bis X-22 den Zugang zum Lüftungssystem fand. Eine kleine Kiste versperrte die Sicht darauf sodass wertvolle Zeit verstrich ehe die Waffe den Lüftungsschacht fand. Quasi lautlos entfernte sie das Gitter und glitt in den Schacht. Ohne wirkliche Lichtquelle war nur zu erahnen wohin der Weg führte. Meter um Meter arbeitete sich das Etwas durch die Schächte bis ein Ausweg zu finden war. So leise es ging verließ die Waffe wieder das Konstrukt. In diesem Teil der Halle war alles ein wenig heller. Abgesehen von drei kleinen Containern war die Halle leer. Lediglich in der Mitte befand sich ein kleines Schiff. Gerade klein genug, damit es durch die riesigen Tore passte. X-22 Machte von ihrem Versteck aus noch Bilder ehe sie zur Tat schritt.

Mit leisen Sohlen bewegte sich die Waffe über die Träger. Nur wenige Wesen patrouillieren hier. Allgemein wirkte alles eher wie ein Flüchtlingslager als eine militärische Einrichtung. Genau über dem Schiff seilte sich X-22 ab und legte sich flach auf die Hülle des Schiffes. Es herrschte reges Treiben. Als würde der Start vorbereitet werden. Vorsichtig rutschte sie die Hülle runter und schaute sich um. Schnell. Unauffällig. Ohne Probleme schlich sich X-22 in das Schiff. Ihr zusätzlicher Auftrag war die Daten aus dem Bordcomputer zu besorgen. Abermals lautlos schlich sich die Marionette der Sith an Wachen vorbei. Hier im inneren Teil des Raumschiffes wirkte alles geradezu tot. Im Cockpit jedoch war ein Wesen. Ein Sullustaner wie es schien. Von hinten schlich sich X-22 an und durchstach den Hals des Wesens. Ehe es den Boden berührte war sein Leben ausgehaucht. Ohne weitere Zeit zu verlieren machte sie sich dann an dem Bordcomputer zu schaffen. Ihr Blick wanderte auf die Logdateien. Jedoch war es die geplante Route welche die Aufmerksamkeit der Waffe erregte. Coruscant? Warum dahin? Langsam stand sie auf. Schaute auf die Daten. Kurz überlegte sie ob es nicht eine möglichkeit gäbe sich zu verstecken. Hier zu bleiben. Aber das Adrenalin, der Cocktail der ihr weiter und weiter eingeflößt wurde verhinderte weitere Gedanken an Freiheit. Gerade in jenem Moment betrat ein Wookiee die Szenerie und fing an zu schreien. Binnen weniger Sekunden war Alarm ausgelöst. Durch die Töne weiter angestachelt stürzte X-22 los. Die ersten Wesen stürmten das Schiff. Es waren kaum gepanzerte Wesen. Leichen. Tote! MEHR DAVON! Schrie es förmlich in ihrem Kopf. Lachend, ohne Zögern metzelte sich die Waffe durch die untrainierten Verteidiger. Sah nur Trainingsdroiden. Wie im Rausch verschwamm der Raum. Immer wenn sich irgendwer bewegte fiel sie über die Quelle der Bewegung her.

Blutgetränkt. In einer düsteren Stille kehrte X-22 wieder zu sich zurück. Sie wusste nicht mehr genau wo im Schiff sie war. Ihr Blick wanderte umher. Leichen. Überall… Leichen. Der Waffe wurde übel ob der Grausamkeiten die hier passiert waren. Starr schaute sie sich in dem Raum um.


“Noch nie… habe ich solch ein grausames Wesen gesehen… Noch nie… musste ich mir solch kaltblütiges Verhalten zu Gemüte führen…”


Langsam drehte sich die Waffe um. Starrte unter dem Helm in die Richtung des Hologrammes. Es schien ein Jedi zu sein. Oder? Ein Padawan? Langsam und nur zu einem Knurren fähig trat sie näher und näher.

“Sag mir… Bist du zufrieden? Ist dies das Leben was du dir erhofft hast? Alle sind tot...”

Schweigen. Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis das Wesen nur ein leises Kichern von sich gab. Die Gestalt auf dem Holoprojektor seufzte. Schüttelte mit dem Kopf. Schließlich zerstörte X-22 den Projektor. Der Auftrag schien erledigt. Die Nadeln fuhren in den Helm zurück. So schnell sie konnte riss sie diesen von sich und sackte auf die Knie. Die Sicht trübte sich. Alles war voller Blut. Der Helm, ihre Kleidung, die Armaturen des Schiffes. Alles im Blut der Leichen getränkt welche regelrecht den Boden pflastern. Zittrig und wimmernd schrie sie den Schmerz heraus. Es konnte so doch nicht weiter gehen! Warum tat es so weh? Es war ein Schmerz welcher den Körper durchzog. Der Verstand war stark, jedoch vertrug auch er nur begrenzt Leid. So war es die Waffe welche an den Rande des Wahnsinn getrieben hier nun vor Schmerz schrie. Eine Bewegung in den Augenwinkeln ließen die Waffe in die entsprechende Richtung drehen. Eine Frau, schwarze Haare, blaue Haut, kniete da. Ihr den Rücken zugewandt. Warum lebte sie? Warum sollte sie frei sein? Warum musste sie nicht leiden? Langsam stand die Waffe auf. Zog ihr Kurzschwert. War sie es nicht wert angeschaut zu werden? Warum wurden so viele immer wieder gerettet? Wer würde X-22 retten? Wer würde sie und die anderen fast hundert Sklaven retten, die tagtäglich leiden mussten? Voller Wut legte die Waffe die restlichen Meter zurück und schlug der Chiss-Frau den Kopf ab.

“Warum?!”

Es war ein Schrei welcher aus dem sonst verschlossenen Mund drang. Durch die Implantate am Unterkiefer verzerrt. Alleine die Stimme war abartig. Die Waffe hasste es. In dem Moment wo der Körper zur Seite Sackte erkannte die Waffe warum sie ihr den den Rücken zugewandt hatte. Vom Körper der Chiss verborgen saß es da. Ein Kind. Ein kleiner Junge welcher aus roten Augen panisch in jene der Waffe schaute. Panik. Furcht. Angst. Verzweiflung. Das letzte Opfer. Ein Kind. Starr ohne Regung stand die Waffe einfach so da. Wie? Wie sollte sie das tun? Sie erinnerte sich an ihre Kindheit. An eine Zeit wo sie jemanden hatte, der ihr ein Freund gewesen war. An den Tod ihres alten Herren. Wie er sich bei dem Angriff ihres jetzigen Besitzers vor sie geworfen hatte. Genauso wie die Frau. Genauso wie der Frau war ihm der Kopf abgetrennt worden. Hoffnung. Was war Hoffnung? Sie könnte diese Hoffnung nehmen. Konnte den Kreislauf fortführen. Oder aber… Die Waffe besann sich darauf wer sie war. Nein. Sie war mehr als nur eine tumbe Tötungsmaschine. Sie hatte einst einen Namen gehabt. Fast hatte sie diesen vergessen. Fast vergessen, wo sie her kam.


“Egal was passiert Juna… Versprich mir eines… Egal was aus mir wird… Ich will, dass du deinen Weg findest…”


Die letzten Worte ihres Herren. Damals hatte Juna es nicht verstanden. Zusammen hatten sie an jenem Tag eine weitere Reise antreten wollen. Zusammen, als Sklaven ihrer eigenen Doktrin hatten sie fliehen wollen. Weit in den Republikanischen Raum. Dorthin wo sie friedlich leben konnten. Ohne den Einfluss irgendwelcher Sith oder Imperialen. Dorthin, wo Frieden keine Lüge mehr wäre. Dorthin wo der Krieg sie niemals erreichen würde. Coruscant. Würde der Chiss Junge irgendwann verstehen, was hier gerade geschehen war? Langsam richtete sich Juna auf. Wankte geschwächt in das Cockpit. Stellte alles ein. Zog die toten Körper aus dem inneren des Schiffes während der Junge verstört dabei zuschaute. Ohne weitere Worte startete sie den Autopiloten. Dazu programmierte sie das Notsignal so, dass es bei dem verlassen des Hyperraumes ausgesendet wurde. Coruscant. Die Jedi. Sie würden ihm helfen können… Er würde überleben und entkommen. Sie aber… Würde bestraft werden. Mit allem Schmerz in ihrem Herzen verließ Juna das Schiff. Hörte wie die Tore der Halle sich öffneten und das Schiff startete. Langsam ging sie nach draußen, schaute noch eine halbe Stunde dem Schiff hinterher. Würde sie eines Tages auch einmal frei sein? Freiheit… War es nicht auch der Inhalt der Sith-Kodex? Freiheit zu erlangen? War sie nicht stark genug? Lag es daran, dass sie nicht frei war? Langsam humpelte sie zurück. Ihr mechanischer Arm abgetrennt, Erst jetzt bemerkte sie die Verletzung über ihrem Auge. Es würde eine Narbe übrig bleiben. Jedoch was wäre diese Narbe schon als Preis für das mögliche Ende dieser Spirale aus Leid und Qual anderer Wesen?

Mit dem Aufgehen der Sonne erreichte auch Juna schließlich den Tempel der Sith. Die Strahlen schienen die zentrale Pyramide rötlich glühen zu lassen. Für wie viele Wesen mochte dieses Monstrum eines Gebäudes wirklich eine Heimat sein? Leicht benommen betrat sie den Tempel. Aber irgendwie fühlte sich alles anders an. Jünger welche einander neideten, Sith welche verlangten, dass ihnen stets aus dem Weg gegangen würde… All das war ihr Leben. Jedoch war wenigstens der Junge sicher. In wenigen Tagen würde er Coruscant erreichen. Würde dort Hilfe bekommen. Aber sie? Sie würde nun den Preis für seine Freiheit zahlen. Kurz vor dem Erreichen des Labores versperrten mehrere Jünger den Weg von Juna. Sie lachten und stießen sie vor sich her. Bis zu der Klappe eines Müllschluckers in welchen man sie rein stieß. Sie fiel. Fiel ins nichts. Es war wie in Zeitlupe. War dies ihr tot? Sie wollte schreien, jedoch blieb ihr die Luft weg. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit später schlug sie auf. Der Schmerz in ihrer Schulter war unerträglich. Erst blieb sie liegen. Jedoch danach setzte sie sich auf. Ein leises piepen ertönte aus der Ferne. Trotz der Schmerzen rappelte sich Juna auf. Ging langsam auf die Quelle des Geräusches zu. Langsam räumte sie etwas Schrott zur Seite und legte einen kleinen Trainingsdroiden frei. Laut der Aufschrift hieß er 5U-S3. Leise flüsterte sie die Bezeichnung und der kleine Droide gurrte leise. Vorsichtig hob Juna ihn auf.

“Wir wurden beide entsorgt oder? Wie Schrott… Irgendwie… sind wir gleich…”

Vorsichtig drückte Juna den Droiden an sich während dieser leise Geräusche von sich gab. Langsam kauerte sie sich mit der kleinen Kugel in einer Ecke zusammen. So verweilten sie bis irgendwann eine Wartungsluke geöffnet wurde. Sofort stand sie auf. Jedoch ein Elektroschock zwang sie direkt auf die Knie. Die Droiden ihres Herren packten Juna und zerrten sie mit sich. Sie hatte versagt. Hatte keine Chance sich zu wehren. Voller Scham ließ sie sich mitziehen. Es ging nicht zurück in die Kiste. Der Versorgungseinheit. Nein. Juna wusste was kam in dem Moment, als sie in das Labor gebracht wurde. Man schnallte sie auf einem Tisch fest. Ihr Meister summte ein leises Lied unter der Maske. Er hatte mehrere Prothesen auf einem Tisch liegen. Wie immer sprach er nicht. Nein. Er ging einfach nur auf und ab. Keine Wort verließ seine Lippen. Kein Laut war zu hören. Wenn er etwas sagte, dann nur zu seinen geliebten Maschinen welche die Operation vorbereiteten. Allerdings war etwas anders als die letzten Male. Wo blieb die Narkose? Wo blieb die Betäubung?! Panisch fing sie an an ihren Fixierungen zu reißen. Sobald die Klinge in das Fleisch ihres Beines Schnitt Schrie sie auf. Der Schmerz. Diese Schmerzen! Sie schrie. Bis sie heiser war. Durch die Transparistahl Fenster drang erst die Mittagssonne ein. Die Anpassungen waren jedoch erst fertig als bereits ein weiteres Mal der Tempel in dem Rot der Sonne erleuchtet war. Das ganze Labor war rot beleuchtet. Schluchzend lag sie einfach da. Eine Waffe. Nicht mehr. Ohne Willen. Dazu verdammt den Befehlen eines Wesens zu folgen, dessen Stimme sie nie selbst gehört und Gesicht nicht ansatzweise gesehen hatte. Hoffnung war so eine Sache. Eine Sache welche X-22 nicht mehr besaß. Erst als die Wunden aufhörten zu bluten wurde sie zurück in die Kiste verfrachtet. Doch was würde nun geschehen? War dies das Ende oder der Anfang? Nur ein kurzer Augenblick war ihr vergönnt gewesen. Ihr Bein war ein mechanisches Implantat. Ein großer Teil ihres Gesichtes maschinell. Den Blick hatte sie nicht mehr abwenden können bis die Kiste verschlossen worden war. Erst als sie versuchte zu sprechen verstand sie, dass die Verzerrung ihrer Stimme nun noch extremer geworden war. Bei ihrem eigenen Anblick kam X-22 nur ein Wort in den Kopf.

Monster

Die Qualen in ihrer Heimat fingen von Neuem an. Schmerzen, Leid, Einfach alles. Ohne zu wissen wie lange Zeit vergangen war ertönte eine Stimme neben den Doktrinen der Sith in den Kopf von X-22. Eine merkwürdig mechanische Stimme welche kalt klang. Aber doch irgendwie vertraut sowie fremd zugleich.

“Juna = Freund, Suse = Freund, Juna = Suse? Juna + Suse = Fliehen?”

Es dauerte bis sie verstand. Begriff, wer es war. Nein. Sie durfte nicht aufgeben. Durfte nicht so einfach fliehen. Trotz der Schmerzen hielt sie daran fest. Sie war nicht nur eine Waffe. Sie war Juna. Sie war Juna. SIE IST JUNA! Und das wichtigste war… sie war nun nicht mehr alleine. Zusammen würden sie fliehen. Zusammen würden sie entkommen. Einen Weg finden ihre Freiheit zu erlangen. Beide zusammen würden eine Heimat finden! Egal was kam. Ohne Leid. Ohne Qual. Ohne Sith. Ohne Schmerzen. Sie würden ihre Ketten sprengen und vielleicht doch herausfinden, dass Frieden doch existierte und vielleicht eine andere Wahrheit kennen lernen. Aber dafür mussten sie ihre Flucht planen um wirklich entkommen zu können.
 
Ein anderer Tag

Arkadi Duval

Auf einem müden Schlachtfeld...


Der imperiale Soldat starb einen leisen Tod, dafür sorgten das Messer in seinem Hals und die um seinen Mund geschlungene Hand. Noch während er sein Leben aushauchte, zog die schwarz gekleidete Gestalt, die ihn getötet hatte, den erschlaffenden Menschen leise ein Stück zurück und um die Ecke des schmucklosen grauen Fertigbaus, dessen Oberfläche von Regen benetzt war. Der Lärm des tobenden Unwetters hatte seinen Teil dazu beigetragen, die Tat zu verbergen, und das Platzieren der Leiche in einem Abfallcontainer nicht weit davon entfernt würde dafür sorgen, dass sein Verschwinden von seinem Posten noch eine Weile unbemerkt bleiben würde. Lange genug, damit die Gestalt, die sich nun abwartend gegen eine Wand presste und die Lage sondierte, ihre Mission beenden konnte. Ein rascher Blick auf das Chrono, dann machte sich der Mann, dessen kurz geschorenes blondes Haar dem seines Opfers bemerkenswert ähnlich war, an die Arbeit, zog sich die Uniform des Toten an und nahm der Leiche den Codezylinder ab, der den Zugang zu dem etwas zweihundert Meter entfernten Zielgebäude gewähren würde. Rasch justierte Arkadi die imperiale Einsatzkleidung noch ein wenig nach und stellte zufrieden fest, dass keine verräterischen Blutflecken zu erkennen waren. Der erbeutete Regenmantel wehte im Sturmwind, als er mit dem E-11-Blasterkarabiner vor der Brust um die Ecke bog und zügig, aber in ruhigem Tempo und ob des Wetters angemessen leise vor sich hin fluchend den von Scheinwerferlicht beleuchteten Weg zu seinem Ziel nahm. Er achtete dabei sorgfältig darauf, den anderen Soldaten in der Basis nicht zu nah zu kommen, vermied aber auch den Eindruck, ihnen aus dem Weg zu gehen, in dem Regen waren die meisten froh, irgendeinen Unterstand zu finden. Unbehelligt erreichte Arkadi sein Ziel und die beiden Wachposten vor der zentralen Eingangstür nickten ihm knapp zu, nicht ohne Sympathie für ihren durchnässten Kameraden, der hörbar schniefte.


„Verdammtes Dreckswetter heute. Läuft einem direkt die Stiefel hoch, die elende Brühe.“


Brummte der vermeintliche Imperiale mit dem etwas raueren Akzent, der gemeinhin der unteren sozialen Klassen auf Bastion zugeordnet wurde, und er erntete zustimmendes Gemurmel, als er seinen Codezylinder reichte. Dieser wurde durch einen Scanner gezogen, der einen Augenblick später mit einem Signalton grün aufleuchtete, und einer der Wachposten, ein stämmiger Mann mit dunkler Haut, zog den Codezylinder wieder heraus und gab ihn Arkadi zurück, den er kurz taxierte.


„Gut, alles in Ordnung, Kamerad. Tagescode?“


Für einen Augenblick hing Anspannung in der Luft und der vermeintliche Imperiale musste sich zwingen, ganz ruhig zu bleiben und in dem abwartenden Blick der Wachposten kein Misstrauen zu sehen, wo noch keines war. Momentan reine Routine, die Haltung war locker, der Gesichtsausdruck gelangweilt und etwas entnervt, weil sie die undankbare Aufgabe erwischt hatten, draußen in der Kälte stehen zu müssen. Arkadi nickte und seufzte leise, als hätte er diese Frage schon ein Dutzend Mal beantworten müssen. Er erntete einen etwas gequält wirkendes Stirnrunzeln des zweiten Wachpostens, allem Anschein nach ein junger Wehrpflichtiger, der inständig hoffte, dass es keinen Ärger und damit auch keinen Papierkram geben würde.


„Aleph-Blau-21-49. Muss ich noch ein Lied singen, um nen heißen Caf zu bekommen?“


Der trocken-missmutige Spruch sorgte für ein kurzes Aufblitzen von Heiterkeit und die Wachposten gewährten endlich Zugang, wobei sie die Bitte äußerten, dass Arkadi doch auf dem Rückweg eine Kanne mitbringen sollte. Halbwegs jovial versprach der blonde Mann, beim wachhabenden Offizier sein Bestes zu versuchen, und trat dann ein, als die sich Sicherheitstür mit einem Zischen öffnete. Kaltes Licht strahlte von der Decke, das Gebäude war drinnen nicht weniger schmucklos und funktional als draußen. Während Arkadi seinen Helm abnahm, sah er sich rasch um. Die Aufklärungsdaten schienen soweit akkurat zu sein, und die Tatsache, dass er nicht erschossen worden war, legte nahe, dass der abgehörte imperiale Komverkehr sich gelohnt hatte. Arkadi bahnte sich einen Weg in die Cantina des Hauptquartiers und machte sich tatsächlich erst einmal einen heißen Caf, er mischte sich unter die müden und ausgelaugten imperialen Soldaten und Offiziere, die hier ein wenig Zuflucht vor dem Wetter und Erholung fanden. Manche dösten einfach vor sich hin, andere unterhielten sich leise, tranken und aßen oder spielten Karten. Die meisten waren zu erschöpft, um groß auf ihren Nebenmann zu achten – perfekt. Unauffällig machte sich Arkadi auf den Weg zu den Toiletten, betrat eine der Kabinen und nachdem er hinter sich abgeschlossen und sich vergewissert hatte, dass gerade niemand anderes im Raum war, machte er sich mit raschen, eingeübten Handgriffen an der Wand zu schaffen. Es gab eine kleine strukturelle Schwachstelle bei den meisten imperialen Fertigbaugebäuden, eine Verbindung, an der man...da! Leise griff der blonde Mann in seinen kleinen Tornister und platzierte sehr sorgfältig ein etwa faustgroßes Objekt in der Wand, bevor er sie wieder verschloss. Arkadi betätigte die Spülung, um das Geräusch zu überdecken, verließ dann den Bereich wieder, holte in der Cantina tatsächlich noch eine Kanne Caf und gab sie beim Verlassen des Gebäudes den beiden dankbaren Wachposten. Als diese anfangen wollten, ein wenig Smalltalk zu betreiben, verwies Arkadi darauf, dass er noch eine „Dreckspatrouille mitten in der Kälte“ vor sich hatte und brach auf – das verborgene Chrono an seinem Arm duldete keinen weiteren Aufschub. Er hatte die Position erreicht, von der aus er durch eine schmale Lücke nach draußen schlüpfen konnte, als ein gewaltiger Knall die Erde beben ließ. Eine Feuersäule stieg in den Himmel, kurz darauf gefolgt von dichtem Rauch, und über den Lärm der nun aufheulenden Sirenen konnte Arkadi hören, wie Menschen schrien, die in Flammen standen oder von Dutzenden Splittern durchbohrt worden waren. Irgendwo weiter hinter taumelte ein orientierungsloser imperialer Soldat, das Gesicht von Ruß geschwärzt, durch die Trümmer, auf der verzweifelten Suche nach seinem Arm...Es war Zeit, zu verschwinden. Seine Mission hier war abgeschlossen. Wie ein Schatten verschwand Arkadi in der Dunkelheit und fühlte sich so kalt, wie es war. Nur ein weiterer Tag, denn auf diesem müden Schlachtfeld...

...war der Krieg Routine geworden.
 
Straßenleben

Etara

Nar Shaddaa („Der Schmugglermond“)


Für einen Augenblick war das Geräusch von zerbrechendem Glas und das laute Johlen, das den Wurf der Flasche begleitet hatte, fast laut genug, um die aus billigen, aber dafür umso kräftigeren Abspielgeräten wummernde Bassmusik zu übertönen. Aber eben nur fast, und so ging dieses Geräusch zumindest klanglich unter. Der Wahrnehmung des groß gewachsenen, von der Zählerin gewidmeten Tattoos bedeckten Trandoshaners, in dessen Richtung die Flasche corellianischen Brandys geworden worden war, entging diese Attacke allerdings nicht. Mit einem zischelnden Geräusch klappte sein Mund auf und er fauchte etwas ebenso wütendes wie unverständliches in Richtung der Verantwortlichen für diese Aktion, aber diese gab sich merklich unbeeindruckt von der bedrohlichen Haltung des schuppigen Zeitgenossen. Stattdessen grinste die junge Frau, deren blaue Haut, schwarzes Haar und in diesem Moment amüsiert funkelnden roten Augen sie als Chiss auswiesen, bloß, und streckte nonchalant einen Finger in einer allgemein bekannten obszönen Geste aus. Das Gesöff hatte eh nicht sonderlich viel getaugt und wenigstens war die Flasche angenehm wuchtig gegen die Wand geknallt, allein das war die Sache schon wert. Als sich der reptiloide Nichtmensch verärgert vor ihr aufbaute, seufzte Etara leise und schwang ihre gerade noch gemütlich ausgestreckten langen Beine von dem Tisch, das dunkle Leder ächzte für einen Moment gequält auf und die Stiefel der Blauhäutigen landeten knallend auf dem Boden, als sie sich aufrichtete und ihr weißes Shirt zurechtrückte, an dem die Spuren der letzten Speederreparatur als schwarze Flecken prangten. Kühl musterte sie ihren Gegenüber und als die junge Frau den Kopf hob und sprach, war ihr Basic nicht dem melodisch-sanften Klang erfüllt, den Cheunh – die Sprache ihrer Spezies – besaß, sondern klang so rau und ruppig, wie eine Mischung von Basic und Huttese nun mal eben klang.


„Komm runter, Sshysverak. Wenn Du nicht willst, dass man den billigen Fusel nach Dir wirft, dann nimm beim nächsten Überfall eben das gute Zeug mit und nicht das, was ganz oben im Regal steht. Den Mist würde ich ja nicht mal meinem schlimmsten Feind anbieten. Oder in die Speeder kippen, die krepieren ja dran, Wermo.“


Demonstrativ spuckte die Chiss auf den Boden und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, was ihr zustimmendes Gemurmel der anderen Gangmitglieder einbrachte, die sich in diesem Hinterhof versammelt hatten und im Schein einer brennenden Mülltonne die Nacht genossen. In der Luft hing der unverkennbare Geruch von Speederabgasen, Industrieabfällen und den Abfällen der unzähligen Spielcasinos, Stundenhotels, Bordellen und anderen Amüsierbetrieben, deren grelle Neonreklame den von Abgasen bedeckten Himmel des sogennannten Schmugglermonds bedeckte – wie ein Vorhang, hinter dem die Sterne draußen im All verborgen blieben. Nicht wenige bezeichneten Nar Shaddaa offen oder im raunenden Ton als Drecksloch und Sündenpfuhl, und damit lagen sie nicht einmal unbedingt falsch. Aber es war Etaras Heimat, und jeder, der ihre Heimat so bezeichnete, konnte sich auf eine Verabredung mit ihren Fäusten freuen. Ob diese jetzt auch zum Einsatz kommen würden? Für einen Moment sah es so aus, Sshysverak schnaubte wütend und seine gespaltene Zunge zischelte vor sich hin, aber angesichts der Tatsache, dass Etara schon länger bei den „Razor Riders“ war als er – und entsprechende Tattoos an ihrem Körper vorweisen konnte – gab der Frischling schließlich nach, murmelte noch einen Fluch und setzte sich dann ein Stück weiter wieder auf ein altes Sofa, wo ihn eine junge Twi´lek mit grüner Haut auf eine andere Gedanken brachte. Die Anhängsel der Gang waren manchmal schon ganz praktisch, fand Etara, und sie lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzen wieder zurück, betrachtete den Himmel und steckte sich eine Zigarette an. War doch wirklich nett hier. Noch eine von den Nutten und...Der angenehme Gedankengang wurde abrupt unterbrochen, als der unverwechselbare Klang von Blasterfeuer ertönte, ganz in der Nähe, gefolgt von Geschrei und dem Geräusch aufheulender Speedermotoren. Mit einem deftigen Fluch auf den Lippen sprang Etara auf, zog in einer fließenden Bewegung ihre Blasterpistole – de facto mehr Schrott als Waffe – und sah sich eilig um.


„Fierfek! Verdammt, die klauen unsere Speeder, Leute!“


Erklang ein Ruf von etwas weiter weg und dieser Satz brachte die Chiss zeitnah auf 180. Niemand vergriff sich an ihrem Speeder, sofort rannte die junge Frau in Richtung der Fahrzeuge los, dicht gefolgt von den anderen Gangmitgliedern. In einer schwungvollen Bewegung schwang sich Etara über eine eingestürzte Häuserwand und landete aus dem Sprung heraus auf der Motorhaube ihres Speeders, in dessen Cockpit gerade zwei raue Gestalten – ein Mensch und ein Aqualish – mit Kabeln hantierten, zweifellos in dem Versuch, ohne Schlüssel los zu rasen. Etara gab ihnen keine Gelegenheit dazu, ihr Blaster heulte zweimal auf und brannte Löcher in ihre Köpfe.


„Sorry, Sleemo. Nicht zu verleihen.“


Merkte sie trocken an und kletterte dann hinters Steuer, mit einem kräftigen Tritt beförderte sie die Leichen aus dem Fahrzeug und machte sich daran, die Verfolgung aufzunehmen, denn den Dieben war es gelungen, zumindest einen der anderen Speeder kurz zu schließen, gerade bog er in einem mörderischen Tempo um eine Ecke die Straße runter. Etara fackelte nicht lange, trat das Gaspedal durch und lachte, als der Ruck sie in ihren Sitz drückte, ihr schwarzes Haar wehte im Fahrtwind, als sie sich an den gestohlenen Speeder dran hängte. Wurde ja doch noch eine spaßige Nacht...
 
Die Sektion (April-Special)

Niemals würde Arkadi diesen Tag vergessen. Niemals würde ihn loslassen, was an diesem Tag geschehen war – nein, was er an diesem Tag getan hatte. In wachen Augenblicken wie im Schlaf würden ihn die Bilder verfolgen und es ihm nicht gestatten, Ruhe zu finden. Aber das war die Bürde, die der Geheimdienstoffizier für sich ausgewählt hatte. Einer musste die harten Entscheidungen entscheiden und bereit sein, sich die Hände schmutzig zu machen...

...denn schließlich war Bantha-Dienstag nur einmal in der Woche und der blonde Ex-Soldat war nicht gewillt, sich wieder ganz hinten in der Schlange bei der Cantina anzustellen. Wenn das bedeutete, dass er den gefangenen Imperialen auf dem Verhörstuhl sitzen lassen musste, dann war das ein Opfer, zu dem Arkadi bereit war. Es war zwar nicht gerade die feine republikanische Art, eine Befragung fünf Minuten früher zu beenden, aber der Imperiale hatte dafür sicher Verständnis und war vielleicht sogar froh – das war manchmal angesichts des ganzen Schreiens schwer herauszulesen. Eilig wusch sich Arkadi das Blut von den Händen, schaltete das Licht ab und eilte los. Schon von weitem konnte er erkennen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, sein Herz schlug ein wenig schneller, als er tatsächlich einen Platz ziemlich weit vorne in der Schlange ergatterte, und als ein saftiges Banthasteak auf seinem Teller landete, lächelte der Geheimdienstler tatsächlich sehr, sehr zufrieden. Einzig die seltsame ölig-grünliche Flüssigkeit an den Händen der Kantinenhelferin irritierte ihn doch ein wenig, aber er verzichtete darauf, Dr. Martis darauf anzusprechen. Wie die meisten aus der Abteilung für biologische Kriegsführung war die Kaminoanerin ein wenig wunderlich und konnte ganz schön empfindlich reagieren, wenn man das Thema „Hygiene“ ansprach. Ganz besonders jetzt, wo die alle so im Stress wegen dieses modifizierten Rakghoul-Virus waren. Arkadi entschied, die Sache auf sich beruhen zu lassen, immerhin konnte man dankbar sein, wenn die Kollegen in der Cantina aushalfen, und navigierte sein Tablett geschickt in Richtung eines Tisches, an dem ein anderer Agent bereits genüsslich auf Salatblättern kaute. Als sich Arkadi setzte, erntete er einen skeptischen Blick in Richtung seines Banthasteaks, und Agent Haradi – Spezialist für gezielte Tötungen – räusperte sich ein wenig. Arkadi reagierte mit einem freundlichen Schulterzucken, als er sich setzte.


„Ich kann Sie wohl nie von den Vorzügen eines gut gegrillten Banthasteaks überzeugen, oder, Kollege?“


Merkte er jovial an und erhielt im im Gegenzug ein etwas lauteres Räuspern von seinem Kollegen, der sichtlich indigniert den Kopf schüttelte, seine Gabel zur Seite legte und betrübt den Kopf schüttelte.


„Nein, ich fürchte, das werden Sie nicht. Wissen Sie, wie es sich anfühlt, ein intelligentes, empfindungsfähiges Lebewesen zu töten, ein Lebewesen, das Freunde und Familie hat?“


Arkadi musste zugeben, dass sein Kollege da durchaus ein gutes Argument vorbrachte, er hielt nachdenklich inne, überlegte und schüttelte dann den Kopf.


„Tut mir leid, nein. Ich hab bis jetzt nur Imperiale getötet.“


Irgendwie hatte der Agent das Gefühl, dass sein Kollege eine etwas andere Antwort erwartet hatte, doch glücklicherweise kamen in diesem Moment Schritte näher und ein fröhliches „Hallo“ erklang, als sich eine Kollegin vom PsyOps-Departement zu ihnen gesellte. Arkadi wollte gerade grüßend die Hand heben, als die Kollegin irritiert inne hielt und die Stühle beäugte.


„Ich würde mich ja gerne zu Ihnen gesellen, aber es sind nur drei Stühle und nachher kommt sicher noch jemand dazu.“


Arkadi sah sich ob dieser Aussage irritiert um und schüttelte den Kopf.


„Das sind doch vier Stühle.“


Entgegnete er etwas verwundert und der Blick seiner Kollegin wurde kühl, als sie ihn wie einen verzogenen Schuljungen taxierte.


„Sehen Sie genauer hin. Ich kann nicht verstehen, wie man sich so täuschen kann. Es. Sind. Drei. Stühle! Es...oh, Entschuldigung, Entschuldigung. Macht der Gewohnheit.“


Die junge Frau lächelte etwas verlegen, als sie sich setzte, und Arkadi entschied, es ihr nicht übel zu nehmen. Dafür blieb auch gar nicht groß Zeit, denn gerade, als der Agent sein Mahl fortsetzen wollte, ließ sich mit einem hörbaren Seufzen ein etwas rundlicher Zabrak neben ihm auf den Stuhl fallen, stützte niedergeschlagen den Kopf auf die Hände und blickte sich nach Mitleid heischend um.


„Stellt euch vor, ich komme grade von der psychologischen Evaluation durch die...na, die von den anderen Sektionen. Was für Fragen die einem stellen! Also, ich weiß, man soll nicht tricksen, aber wenn ihr gefragt werdet „Wie können Sie nur auf Frauen und Kinder schießen?“, dann antwortet bloß nicht „Das ist einfach. Die rennen nicht so schnell, also muss man weniger vorhalten“. Immer dieser verflixte Empathie-Teil, da rassel ich jedes Mal durch.“


Während der Zabrak sein Leid klagte, tauschten die anderen Agenten am Tisch kurz verschwörerische Blicke aus, nickten schließlich und etwas steif mechanisch und steif erklang die Antwort.


„Tut uns leid, das zu hören. Das ist hart. Das ist wirklich hart.“


Unauffällig schielte Arkadi dabei in Richtung seines Banthasteaks, das langsam aber sicher abkühlte. Prioritäten waren schließlich Teil seines Metiers...aber genauerer Betrachtung sah das an sich leckere Steak hart aus. Wirklich hart...
 
Kontamination

(Eine kleine vorgezogene Halloween-Geschichte)


Persönliches Tagebuch von Dr. Xaric Chadona, Forschungsassistent NRGD-Sektion 03, Raumstation „Aegis“



Tag 171 seit Ankunft auf Station

Aufregende Neuigkeiten machten heute die Runde. Es scheint, als hätte in dem Getuschel während des Mittagessen in der Cantina doch mehr Substanz gesteckt, als ich erwartet hatte. In den kommenden Tagen sollen wir Proben erhalten – Proben von einer Lebensform, die angeblich so besonders ist, dass sie allen Versuchen, sie zu kategorisieren, widerstrebt. Wie viel an diesen Gerüchten dran ist, vermag ich noch nicht zu beurteilen. Auch Wissenschaftler neigen manchmal zu Prahlerei und Übertreibung. Die Tatsache, dass das Personal in den X-Laboren sich derzeit ganz schön rar macht, spricht allerdings dafür, dass es wirklich wichtig ist. Was würde ich dafür geben, dort arbeiten zu können! Aber selbst nach all den Jahren habe ich nicht die dafür notwendige Sicherheitsfrage. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Ich werde die Tage versuchen, mit Dr. Serata zu sprechen, vielleicht kann sie ja etwas bewegen.

Tag 175 seit Ankunft auf Station

Was für ein Tag! Eine fiebrige Anspannung lag in der Luft und die Sicherheitsmaßnahmen waren besonders streng. Kellins, der Sicherheitsmann, dem ich heute mal wieder eine Tasse Caf vorbei gebracht habe, wollte oder konnte entgegen aller Gewohnheiten nicht groß mit mir reden. Ein Jammer, ich hatte gehofft, vielleicht doch ein bisschen was aufschnappen zu können. Es muss eine große Sache sein: Sämtliches Personal mit Ausnahme der X-Wissenschaftler und der Sicherheitsleute wurden in ihre Quartiere verbannt. Sogar die Sichtfenster wurden geschlossen – man wollte wohl nicht, dass wir einen Blick auf das Shuttle werfen können, das diese Proben vorbei bringt. Hoffentlich sind die X-Wissenschaftler oder Kellins morgen wieder etwas gesprächiger. Wichtig: Herausfinden, was Dr. Seratas Lieblingsessen ist, und Portion in der Cantina organisieren.

Tag 176 seit Ankunft auf Station


So viel zum Plan mit dem Essen: Keine Dr. Serata in der Cantina zu sehen. Tatsächlich war kein einziger der X-Wissenschaftler dort. Es wird gemunkelt, dass sie zu beschäftigt sind, die Proben zu analysieren. Ich will meine Frustration nicht verhehlen, und obendrein sah ich mit der Portion in den Händen ganz schön dämlich aus. Immerhin hat Kellins ein paar Happen verdrückt, ich konnte ihm entlocken, dass „irgendein ganz schön kranker Mist“ in den X-Laboren vor sich gehen soll und „wir alle erledigt sind, wenn das schief geht“. Weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Kellins neigt zum Pessimismus. Interessant war allerdings, wie nervös er war, warf ständig Blicke über die Schulter und wimmelte weitere Fragen ab. Und eine Ewigkeit verbrachte der Kerl in der Toilette mit Händewaschen!

Tag 180 seit Ankunft auf Station

Irgendetwas Furchtbares muss passiert sein. Ich lag noch im Schlaf, als plötzlich ein infernalischer Lärm zu hören waren: Alarmsirenen, und zwar jede! Bin fast aus dem Bett gefallen, und als ich zur Tür wankte und einen Blick in den Gang warf, war die rote Notbeleuchtung an. Gab es einen Ausfall der Energie? Das würde allerdings nicht erklären, warum die Sicherheitsleute im Korridor Schutzanzüge trugen (sehr hastig übergeworfen, eindeutig!) und mich Kellins grob in mein Quartier zurückstieß und mich anbrüllte, ich solle drin bleiben. Der Ausdruck in seinen Augen...er hatte Angst. Große Angst. Dass er sogar seinen Blaster auf mich richtete, war dann Argument genug, der Anweisung zu gehorchen. Jetzt ist die Tür versiegelt und die interne Kommunikation wurde deaktiviert – oder ist ausgefallen. Immerhin gibt es noch Strom und fließendes Wasser. Ich hoffe nur, dass sich die Sache bald klärt und ich an meine Arbeit zurückkehren kann.

Tag 185 seit Ankunft auf Station

Bald an die Arbeit zurückkehren – ha! In der Rückschau erscheint diese Hoffnung nun reichlich naiv. Seit fünf Tagen bin ich in meinem Quartier eingesperrt wie ein Verbrecher und habe nichts von der Stationsleitung gehört. Keine Durchsagen, keine Meldungen, nicht mal ein Zettel Flimsi unter der Tür. Wasser habe ich noch genügend und einige Energieriegel halten mich mit fit, aber mein Magen knurrt schrecklich und die Isolation zehrt an meinen Nerven. Heute Mittag – ich glaube jedenfalls, dass es Mittag war – habe ich merkwürdige Geräusche im Gang gehört. Es klang wie ein Schlurfen und Ächzen und dann ein Tropfen, und einige Zeit später polterte etwas sehr laut und ich glaube, jemand schrie und feuerte einen Blaster ab. Was geht hier vor sich?

Tag 186 seit Ankunft auf der Station

Ich habe die Nase voll davon, in der Falle zu sitzen. Nachdem meine Versuche, die Tür zu öffnen, gescheitert sind, habe ich meine Konsole benutzt und auf das System zugegriffen. Stellt sich heraus, dass ich einen passablen Slicer abgeben – vor allem, wenn es mir egal ist, ob ich dafür Ärger bekomme. Es hat eine Menge Zeit und Energie gekostet, aber schlussendlich konnte ich mir Zugang zu einigen Dateien der X-Labore verschaffen. Ihre Forschungsarbeit an den Proben lief unter dem Decknamen „Projekt Omnivore“ und hat etwas mit einer Entität zu tun, die Mnggal-Mnggal genannt wird. Ich konnte meinen Augen kaum trauen: Angeblich stammt dieses Wesen, das in seinem Urzustand einem grau-schwarzen Schleim ähnelt, aus den Unbekannten Regionen und soll auf parasitäre Weise in der Lage sein, die Kontrolle über andere Lebensformen zu übernehmen. Wenn die Proben in irgendeiner Weise frei gesetzt wurden...Ich muss hier weg!

Tag 187 seit Ankunft auf der Station

Das interne Kommunikationssystem funktioniert wieder! Es fällt immer wieder aus und die Qualität ist sehr schlecht, aber endlich ein Lichtblick. Ich habe es geschafft, Kontakt mit Dr. Serata aufzunehmen. Sie berichtete, dass sie sich in einem der Labore eingeschlossen hatte und kurz vorm Verhungern ist. Ich werde versuchen, die Türen zu öffnen und ihr meine letzten Energieriegel mitbringen. Der Hunger macht ihr schwer zu schaffen, sie klang krank, ihre Stimme sehr rau und belegt und immer wieder musste sie husten. Ihr Geisteszustand ist verständlicherweise ähnlich belastet, auch wenn ich zugeben muss, dass ihr Summen und Murmeln mich frösteln ließ. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Feigheit.

Tag 188 seit Ankunft auf der Station

Strom endgültig ausgefallen. Praktisch – Tür ließ sich öffnen. Habe mich durch Gänge geschlichen. Mehrere Tote gesehen – einige durch Blaster, andere durch stumpfe Gewalt. Einige...leer. Wie von innen heraus ausgehöhlt. Kellins gefunden...was von ihm übrig ist. Dr. Serata in den X-Laboren getroffen. „Wir dachten, wir studieren es. Aber in Wahrheit hat es uns studiert. Will in uns leben. Wie eine Krankheit.“ Habe es gesehen, wie es sich in ihr windet! Blaster benutzt – zum ersten Mal. Dann gerannt. Müde. Hungrig. Durstig. Schwarzer Schleim an Wänden. Tropft von den Decken. Dringt überall ein. Werde versuchen, die Stationskontrolle zu erreichen und Warnung zu schicken. Höre Stimmen – flüstern und schreien. Darf nicht entkommen. Darf sich nicht ausbreiten.

Tag 189 seit Ankunft

Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt. Es lügt.
 
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Tag X

Bald...

Es begann mit einem einzigen Schuss. Das Hauptgeschütz des republikanischen Kriegsschiffs „Aurora“ erzitterte und der grelle Blitz aus der Mündung tauchte das klare Wasser von Mon Calamari in ein helles Licht, ein neuer Stern in der Dunkelheit der frühen Morgenstunden. Wer zu dieser Zeit noch wach war, registrierte das Phänomen vielleicht aus müden Augen, schrieb es aber wahrscheinlich irgendeiner Feier und deren Feuerwerk zu – oder dem großen Manöver zur See, zu Land, in der Luft und im All, das seit einigen Tagen stattfand und zehntausende Soldaten aller Teilstreitkräfte involvierte. Die Übung sollte angesichts der massiven Spannungen mit dem Imperium Stärke und Entschlossenheit demonstrieren und die Verteidigungsfähigkeiten der Hauptwelt der Neuen Republik verbessern. Und dies entsprach auch der Wahrheit. Es waren aber nicht die einzigen Gründen. Hunderte von Augenpaaren, die durch Elekroferngläser in die Finsternis starrten, sahen den Blitz. Für sie war er weder Zufall noch Rätsel. Er war eine Botschaft. Unter den Einheiten, die nach Mon Calamari verlegt worden waren, gab es jene, die für einen ganz bestimmten Zweck für zuverlässig erachtet wurden. Und diese reagierten. Befehle wurden gebrüllt und per Komlink über speziell verschlüsselte Kanäle weitergegeben, schlafende Soldaten aus ihren Betten getrieben, Waffen und Munition ausgegeben und die Triebwerke von Fahrzeugen aller Art aktiviert. Als die Truppen aus ihren Quartieren eilten und im Licht von Scheinwerfern Aufstellung nahmen, streiften sie sich gut erkennbare grüne Armbänder über ihre Uniformen. Vorbereitete Befehle wurden verlesen, von grimmig dreinblickenden Vorgesetzten, die versuchten, ihre Nervosität hinter dem Mantel von professioneller Pflichterfüllung zu verbergen.

Während die einen sich in Bewegung setzten, wurden andere festgesetzt. Mit vorgehaltenem Blaster verschafften sich die eingeweihten Verbände Zugang zu Kommandozentralen, Komsendern, Waffenlagern und kritischen Punkten der Infrastruktur. Raumhäfen, Polizeistationen, Verkehrsknotenpunkte, die Energieversorgung, in allen Bereichen, die irgendeine besondere Bedeutung für die Sicherheit der Hauptwelt hatten, marschierten Truppen auf und übernahmen die Kontrolle. Das Personal vor Ort war in der Regel viel zu überrascht und verwirrt, um irgendeiner Form von Widerstand zu leisten, zumal die Soldaten gültig aussehende Befehle vorweisen konnten und erklärten, der Ausnahmezustand wäre ausgerufen worden. In den Stützpunkten trieben sie derweil alle zusammen, die nicht eingeweiht waren, entwaffneten ihre Kameraden und sperrten sie ein. Hier gab es mehr Widerstand und die ersten Gefechte, als einige Truppen sich weigerten, den Anweisungen zu folgen. Aber noch liefen die Ereignisse wie am Schnürchen ab. Gepanzerte Fahrzeuge rollten an Kreuzungen auf und die Soldaten, die im Licht der Scheinwerfer absaßen, errichteten Straßensperren, um insbesondere das Regierungsviertel vom Rest der Welt abzuschneiden. Vor dem Senatsgebäude gingen Panzer in Stellung, ihre Geschützrohre bedrohlich auf das Versammlungsgebäude gerichtet, über dem sich Soldaten aus Gleitern abseilten. Am Himmel dröhnten die Triebwerke von zahlreichen Truppentransportern, Kanonenbooten und Jägern, letztere rasten im Tiefflug über die Hauptstadt, wie Raubvögel, die nach Beute suchten. Hier und da starrten Schaulustige und Nachtschwärmer auf die unwirkliche Szenerie, die meisten davon überzeugt, dass es wohl irgendetwas mit dem Manöver zu tun haben musste. Die Lage war angespannt, aber ruhig.

Das konnte man von der Situation im Regierungssitz nicht sagen. Als sich die Meldungen über mehr als ungewöhnliche Aktivitäten gehäuft hatten, war entschieden worden, den Kanzler zu wecken, der nun im Morgenmantel hinter einem Schreibtisch in seinem Schutzraum kauerte, umgeben von Mitgliedern seines Kabinetts und Stabes und wachsamen Leibwächtern, die ihre Waffen auf die Türen gerichtet hatten. Die Verbindungen nach außen waren gekappt worden und der Strom war ausgefallen, so dass nur die Notversorgung für Licht sorgte. In ihrem kalten Licht tobten heftige Feuergefechte, als sich Angreifer in Uniformen der Spezialkräfte der Armee einen Weg bahnten, Stockwerk für Stockwerk, Gang für Gang, Raum für Raum. Helfer im Gebäude hatten ihnen ihre Aufgabe erleichtert, aber die Leibwächter des Kanzlers leisteten erbitterten Widerstand und verzögerten das Vorrücken, wo sie nur konnten. Aber es war nur eine Frage der Zeit, und schließlich erreichten die Kämpfer, die zwar die Uniformen der Armee trugen, aber zu einer gänzlich anderen, geheimeren Organisation gehörten, die Bunkertür. Sprengladungen wurden angebracht, ein kurzes Klopfen auf die Schultern – sie waren bereit, Geschichte zu schreiben.

In der Zentrale der staatlichen Nachrichtenagentur herrschte derweil eine angespannte Ruhe. Unter den Blastern von Soldaten traf das Personal – mehr oder weniger freiwillig – Vorbereitungen, um eine Erklärung verlesen zu lassen. Mit einem Mal kam hektische Betriebsamkeit auf, Komlinks rauschten, Leute wurden zur Seite getrieben, eine Ehrenformation nahm Aufstellung auf, als eine Person von großer Wichtigkeit die Anlage betrat, flankiert von schwer bewaffneten Leibwächtern und einem ganzen Schwarm von Beratern und Assistenten. Ein hochgewachsener Duros, an dessen Uniform die Rangabzeichen eines Generals prangten, nahm Haltung an und salutierte, bevor er sich zu den versammelten Würdenträgern umdrehte, die auf ihre jeweilige Weise Respekt bekundeten.


„Meine Damen und Herren, es ist soweit: Die zukünftige Kanzlerin der Neuen Republik wünscht, zu ihrem Volk zu sprechen...“

Ein Flackern, und die holographische Darstellung erlosch, als das Übungsszenario „Staatsstreich“ beendet wurde. Die Person, die die simulierten Ereignisse aufmerksam verfolgt hatte, fuhr sich nachdenklich übers Kinn, nickte den Analysten im Raum zu und verließ diesen. Nur eine Übung, die es auszuwerten galt, um gewappnet zu sein – gegen alle Feinde im Äußeren wie im Inneren. Für den Fall der Fälle...
 
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Advent, Advent, Mon Cal brennt

Es herrschte eine besinnliche Stimmung im Hauptquartier der Sektion Null. Das lag natürlich zu einem gewissen Grad an der Tatsache, dass die Feiertage immer näher rückten und es in diesem Jahr mit den meisten Urlaubsanträgen recht gut aussah. Der Klassiker "Tauchkurs auf Toprawa" lag wie üblich unangefochten an der Spitze, die einzig ernstzunehme Konkurrenz "Ganzkörperenthaarung auf Kashyyyk" folgte erst mit deutlichem Abstand und stand angesichts von Beschwerden an die Diskriminierungsstelle unter einem unsicheren Vorzeichen. Umso schöner war es doch, dass die gute alte Dekoration unangetastet geblieben waren, es leuchtete und funkelte und glitzerte und strahlte munter um die Wette, Sterne, Weihnachtsmänner, Leuchtschmuck, Tannenbäume, etc. fügten sich zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen. Einzig der aufwändig verteilte Schnee trübte ein wenig die Stimmung, was allerdings daran lag, dass man ihn im neuen Jahr in den einschlägigen Nachtclubs von Dac verkaufen würde - schwarze Budgets für illegale Operationen finanzierten sich nun mal nicht von selbst. Davon wollte sich Arkadi aber nicht die Laune verhageln lassen, zufrieden nahm er einen tiefen Schluck aus einer großen Tasse heißer blauer Milch und wischte rasch den Sahneschnurrbart weg, der unvermeidbar dazu gehörte. Mit dem Beseitigen von Spuren kannte sich der blonde Geheimdienstoffizier aus, weswegen er den Schriftzug auf der Tasse, der "Ich bin kein Soziopath, ich arbeite bloß hier" mit einem trockenen Schmunzeln quittierte. Die Kollegen von der Abteilung für gezielte Tötungen hatten schon einen etwas eigenen Humor, aber die meisten waren echt nette Kerle, die keiner Fliege was zuleide tun konnten. Mit Imperialen sah es anders aus, denn einer musste den Job ja schließlich machen.

Munter summte Arkadi ein fröhliches Weihnachtslied vor sich hin, das er beim letzten Verhör aufgeschnappt hatte. Es war schon erstaunlich, wie schnell man einen Ohrwurm bekam, wenn so was 24/7 in einer Zelle abgespielt wurde, um die Gefangenen am Schlafen zu hindern. Die hatten wirklich keinen Grund zum Klagen - echte Folter wäre es gewesen, die aktuellen Charts im Holoradio abzuspielen. Die Ethikkommission sah das ganz genauso, und den Senat musste man mit so was ja nicht behelligen. Gerade bog der Geheimdienstoffizier um die Ecke, da hörte er lautes, aufgeregtes Stimmengewirr aus einem der Büros, und rasch presste er sich gegen die Wand, als ginge es darum, einer Granate auszuweichen, und spitzte die Ohren.


"Und wer bei den schwarzen Knochen des Imperators hielt es für eine gute Ideen, den Kollegen, der am stärksten nuschelt, die Bestellung für Weihnachtspunsch aufgeben zu lassen? Da kann sich doch niemand wundern, dass stattdessen Weihnachtsputsch bestellt wird, also abbrechen, abbrechen...was soll das heißen, das Team steht schon im Büro des Kanzlers? Zuckt er denn...dann stellen Sie doch erstmal sicher, dass er wirklich tot ist. Wie meinen Sie das, "jetzt schon"...verstehe. Na, vielen Dank auch für nichts. Ja, ich weiß, dass Sie nur Befehle befolgt haben...jetzt mal nicht frech werden, junger Mann, ich mach hier auch nur meine Arbeit. Ja, ja, schöne Feiertage Ihnen auch! Saftladen!"

Arkadi zuckte unwillkürlich zusammen, als ein Komlink sehr geräuschvoll aufgelegt wurde, gefolgt von einer Reihenfolge Flüche in verschiedenen Sprachen. Es war nicht so, dass er den Ärger nicht nachvollziehen konnte, das Malheur passierte nun schon im dritten Jahr in Folge. Der Geheimdienstoffizier nahm seine ganze Empathie zusammen, eilte in die Cantina und bestellte einen Coupe Dac, bewaffnet mit einer großen Portion Eis und heißer Schokolade kehrte er zurück, stellte den Seelentröster vor der Tür ab, klopfte kurz und entfernte sich dann rasch. Vielleicht hätte er noch einen Zettel schreiben sollen - anonyme Geschenke sorgten oft dafür, dass die energische Frage "Wer hat das Paket abgegeben? Ich will einen Namen - einen NAMEN!" die Runde machte, aber zu spät war zu spät.

Guten Gewissens ob der edlen Tat schlenderte Arkadi weiter, doch mit jedem Schritt kratzte ein Gedanke lauter und drängender in seinem Hinterkopf. Die Cantina war mit der Operationsbasis zusammengelegt worden (Budgetkürzungen, mal wieder), das Wort Coupe konnte leicht mit dem Wort Coup verwechselt werden, er hatte einen Coupe Dac bestellt...Sein Blut gefror zu Eis und Arkadi machte auf dem Absatz kehrt, da hörte er auch schon das verräterische Heulen von Triebwerken, Befehle wurden gebrüllt und Transporter setzten sich in Richtung Regierungsviertel in Marsch. Der Geheimdienstoffizier seufzte laut und lang, rieb sich die Stirn und holte dann sein Komlink hervor, um seine bessere Hälfte anzurufen.


"Schatz, versprich mir, Dich nicht aufzuregen, aber...es ist schon wieder passiert. Wir brauchen nochmal einen der Klonkanzler. Ja, ich weiß auch nicht, welcher Depp dieses mal Schuld ist, aber...jetzt komm schon, Du darfst Dir auch was Besonderes zu Weihnachten wünschen. Danke. Ich hab Dich auch lieb."

Erleichtert versaute der blonde Mann das Komlink und wandte sich wieder seiner heißen Schokolade zu, als er den Gang entlang schlenderte. Das war ja gerade nochmal gut gegangen: Weihnachten war gerettet, die Mission erfüllt, die Neue Republik vor dem Bösen bewahrt. Und einen guten Vorsatz für das neue Jahr hatte Arkadi auch gefunden...
 
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Pax Imperii
- am Rande des Stapellaufs der Allegiance -

Samin betrachtete sich im Spiegel, nachdem sie ihre Gala-Uniform angelegt hatte. Der Blick ihrer roten Pupillen folgte der Bewegung ihrer eigenen Hand, als sie die Bandschnalle befestigte. Pax Imperii - verliehen an die Loyalisten der zweiten Schlacht von Bastion. Es war keine besondere Auszeichnung. Tausende imperiale Militärangehörige trugen sie. Für die Halb-Chiss bedeutete sie jedoch mehr. Ihre Handbewegung geriet ins Stocken.

"Wie lange wirst du noch weglaufen, Hess'amin'nuruodo? Von deinen Wurzeln? Vor dir selbst?"

Die Worte in der Sprache der Chiss hatten sich in ihr halbmenschliches Gehirn gebrannt. Sie hatten sich festgesetzt, wie ein Virus, und kehrten immer dann ins aktive Bewusstsein zurück, wenn sie mit ihrem eigenen Dualismus konfrontiert wurde. Sie stammten von einem Chiss im Dienste des Imperiums, von denen es nun unzählige gab. Zur Zeiten der zweiten Schlacht von Bastion war das jedoch anders. Die Chiss, getrieben von ihrem Willen nach Macht und angeführt von leeren Versprechungen des Sith Janem Menari, hatten sich gegen die wahren Herrscher des Imperiums verschworen. Samin musste sich in jenen Tagen zwischen der Loyalität zu Ihrer Einheit, ihren Anführern und dem Imperium auf der einen und dem eigenen Volk, ihrer Vergangenheit, ihren Wurzeln auf der anderen Seite entscheiden. Sie hatte eine Wahl getroffen. Warum die Entscheidung so fiel, hatte sie sich im Nachgang nie rational erklären können. Damit war sie jedoch fein. Bis sie auf den Chiss traf. In strammer imperialer Uniform konnte sie einen Captain der Raumflotte ausmachen. Sein Name blieb ihr unbekannt, doch er kannte den ihren. Zu heutiger Zeit war das nicht so außergewöhnlich. Sie flog im berühmtesten Squad des Imperiums, hatte ihr blaues Gesicht schon in unzählige Holo-Kameras gehalten. Zu jener Zeit war das jedoch etwas anderes.

“Wie lange wirst du noch weglaufen, Hess'amin'nuruodo?”

Er nutzte ihren vollen Namen, verzichtete auf jegliche Rang-Honorierungen, sprach informelles Cheunh. Er kannte sie.

“Von deinen Wurzeln? Vor dir selbst?"

Er kannte ihre Familie. Er kannte ihre Vergangenheit. Die Erkenntnis folgte spät. Sie hatte sich damals abgewandt, ohne ein einziges Wort zu sprechen und war gegangen.

Grimmig befestigte Samin die Bandschnalle.
“Ich laufe nicht weg!”, entgegnete sie ihrem Spiegelbild. Sie setzte sich die dunkle Schirmmütze auf das akkurat zurückgebundene Haar, löschte das flimmernde, künstliche Licht mit einem etwas zu festen Stoß auf den Schalter und verließ ihr provisorisches Quartier. Der Hall ihrer schwarzen Stiefelsohlen vertrieb die Einsamkeit auf den penibel gesäuberten Gängen und löschte fürs Erste ihre Gedanken. Was sich wenige Stunden später ereignen sollte, konnte sie schließlich nicht vorausahnen.

Die Veranstaltung war bereits vorbei und löste sich auf, da sah sie ihn. Er war hier, dieser verdammte Chiss. Und er war kein Captain mehr.


“Commodore”, begann sie kühl, während sie salutierte. “Wie weit man es doch bringen kann, wenn man keine Loyalität kennt.” Ihre Stimme war neutral, ihr Blick brannte allerdings vor unterdrückter Wut.

Der Chiss musterte sie mit einem kaum sichtbaren Lächeln.
“Lieutenant Hess'amin'nuruodo. Oder sollte ich dich lieber bei deinem menschlichen Rufnamen nennen?“ Seine Stimme war leise, doch sie trug eine Schärfe, die sie dazu zwang, ihre Haltung noch straffer zu machen.

„Wie Sie mich ansprechen, ist irrelevant“, entgegnete sie knapp. “Ich erinnere mich an unsere letzte Begegnung. Sie scheinen sich meiner Vergangenheit sehr bewusst zu sein. Vielleicht wollen Sie diese Neugier erklären?“

Seine vollkommen roten Augen verengten sich leicht als er sich vorlehnte. Die Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. “Du trägst das Abzeichen des Imperiums mit Stolz, das sehe ich. Doch tief in deinem Inneren kämpfst du noch immer diese Schlacht. Nicht gegen die Feinde des Imperiums, Hess’amin’nuruodo, sondern gegen dich selbst. Du hast dein Volk verraten. Egal, wie sehr du es verdrängen willst, wie sehr du dich als Aushängeschild der imperialen Lügenkampagnen inszenierst, die Schuld wird dich eines Tages einholen.”

Samins Miene blieb reglos. Sie spürte jedoch, wie ein innerlicher Riss durch ihre Fassade ging. Der Commodore sprach weiter, seine Stimme wie ein Dolch, der sich immer tiefer bohrte.

“Du kannst dich in schicke Uniformen und Abzeichen hüllen, kannst dich an die Spitze einer Elite-Staffel kämpfen. Aber was bleibt, wenn die Stille der Nacht mit dir allein ist. Was siehst du dann?”

Die Lieutenant öffnete den Mund, es kam jedoch kein Wort heraus. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

“Denk daran, Lieutenant”, fuhr er fort, “Du hast dein Volk verraten, nicht umgekehrt. Deine Mutter wird dich immer mit offenen Armen empfangen.”

Er schob das Datenpad so diskret herüber, dass sie selbst es erst bemerkte, nachdem er sich aufgerichtet hatte, seine Haltung wieder perfekt diszipliniert. “Genieß den Abend.” Mit einem strammen Salut drehte er sich um und verschwand in der Menge.

Samin lag diese Nacht auf dem schmalen Bock in ihrem Quartier. Der Tag war vorbei, voller Ereignisse von galaktischer Tragweite. Für sie hatten jedoch nur die Worte des Commodore Bedeutung.
“Du hast dein Volk verraten.”

Das Datenpad hatte sie nach kurzem Überfliegen bereits an der metallenen Bettkante zertrümmert. Es war eine Nachricht ihrer Mutter. Wenn das, was dort geschrieben war, stimmte, leitete sie eine Chiss-Geheimdienstzelle und versuchte nun ihre Tochter zu rekrutieren.

Samin war loyal dem Imperium gegenüber. Sie hatte ihre Einheit nie im Stich gelassen, oft genug ihre eigene Gesundheit und imperiales Material riskiert, hatte ihren Rang und ihr Leben durch eiserne Disziplin und unerschütterlichen Einsatz verdient. Warum also kehrten diese Gedanken immer wieder zu diesen Augenblicken zurück - den Momenten, in denen sie im Cockpit ihres Jägers saß und auf Klauenjäger ihres eigenen Volkes feuerte?

Sie drehte sich zur Seite, versuchte, die Erinnerungen wegzudrängen, doch sie kehrten immer wieder zurück.


“Ich bin loyal”, flüsterte sie in die Dunkelheit, als wollte sie sich selbst überzeugen. Doch die Worte fühlten sich hohl an, verloren im Rauschen ihrer Gedanken. Ein beruhigender Gedanke war jedoch dabei und ließ sie am Ende seelenruhig einschlafen: Es genügte die phantasiehafte Vorstellung, dass in diesen Klauenjägern ihre Mutter und ihre Schwester gesteckt hätten. “Wann wart ihr mir jemals loyal?, dachte sie, während sie in Feuerbälle aufgehende Chiss-Jäger vor ihrem inneren Auge sah und die Bandschnalle Pax Imperii fest in ihre Hand drückte.
 
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