Was ich aus Lukes viel kritisiertem Lehrerverhalten herauslesen kann:
Luke hat zwar doch schneller, als ich aus E8 herausgelesen hatte, nach E6 mit dem Bau der Akademie angefangen, aber Luke hat auch schon Zweifel. Er sagt ausdrücklich, dass er nicht weiß, was er mit Grogu machen soll, da er sich nicht sicher ist, ob dieser Jedi sein will. Er zweifelt an sich selbst, als er sagt, dass er sich nicht sicher sei, ob Grogus Fortschritte seinen Lehren zu verdanken sind oder ob er lediglich freischaufelt, was er sowieso schon konnte. Und auch als er Grogu an seine „Heimat“ erinnern will, hatte ich das Gefühl, dass es Luke nicht (nur) darum ging, die Erinnerung an den Tempel hervorzurufen (dass Grogu sich daran erinnert, dürfte er von Ashoka erfahren haben, wenn er es nicht selbst gesehen hat), sondern dass es um Grogus echte Heimat ging, dass Luke wissen wollte, was er von dieser noch weiß.
Ich empfinde Lukes Ultimatum dann auch als gar nicht so brutal, wie es auf den ersten Blick aussieht, sondern als ehrliche Reaktion auf den Zwiespalt in Grogu. Ahsoka hatte Zweifel bezüglich Grogus Ausbildung und Luke hat sie nun ganz offenkundig auch. Immerhin thematisiert er das mit dem betroffenen Schüler. Und wie „klein“ Grogu jetzt wirklich ist? Keine Ahnung. Aber vielleicht auch groß genug, um entscheiden zu können. Zumindest erfahren genug, denn: im Comic „Obi-Wan & Anakin“ weißt Anakin drauf hin, dass die Wahl, die er in E1 hatte, eigentlich gar keine gewesen sei. Er war ein Sklave und sah einen Zauberer mit einem Lichtschwert. Wie hätte er da „nein“ sagen können? Grogu allerdings kennt nun sowohl das Leben außerhalb des Ordens mit einer Person, die ihm etwas bedeutet und er kann sich an das Leben als Jedi-Schüler erinnern. Insofern eine fairere Wahl, als sie Anakin hatte. Und Luke sieht eben auch die Frage: „was ist für Grogu das beste? Was will er?“ Das ist für mich schon ein Fortschritt.
Vielleicht sind es die Erfahrungen mit Grogu, die die Gedanken an einen Alternativweg (das Gute verschwindet nicht, wenn es die Jedi nicht mehr gibt) wachsen lassen und weswegen er dann erst wieder Ben (und das Vertrauen in die eigene Legende) als Impuls braucht, um das Projekt Akademie im alten Format wieder in Angriff zu nehmen. Gedanken, die dann zum Plan werden, als die Akademie untergeht (doch selbst dann schafft er es nicht die Bücher zu verbrennen und am Ende von E8 sieht er dann doch wieder eine Zukunft für die Jedi).
Luke hat Ashokas Geschichten gehört und wie hier im Forum muss es auch für Luke zwei Lesarten gegeben haben: Zum einen: „Die Bindungslosigkeit war ein wichtiger Teil der Jahrtausende anhaltenden Erfolgsgeschichte (minus womöglich der einen oder anderen noch nicht bekannten Katastrophe) und hätte Anakin sich daran gehalten, wäre nichts passiert.“ Zum anderen: „Hätte der Orden Anakin nicht in sein Schema gepresst, wäre er nicht gezwungen gewesen, sich zu verstecken und wäre damit kein so leichtes Opfer der dunklen Seite geworden.“ Beide Positionen haben etwas für sich, gegen beide Positionen findet man Argumente. Und so wie Luke sich verhält, versucht er wohl beides zu integrieren: Er behält die alten Regeln bei, versucht aber auch nicht auf Biegen und Brechen Grogu innerhalb dieser Regeln zu halten und auszubilden.
Für mich sieht es also so aus, dass Luke direkt nach E6 Leia unterweist, die dann aufgrund ihrer Vision zurückzieht. Dann versucht er es mit Grogu, der allerdings auch schon zu starke Bindungen für die alte Version des Ordens hat. Und auch die größte zur Verfügung stehende Expertin ist skeptisch beim Gedanken an Grogus Ausbildung. Luke legt das Projekt zumindest eine Zeit lang auf Eis, ehe er dann wegen Ben die Akademie doch eröffnet. Nach dem Scheitern blickt er zurück und sieht das doppelte Scheitern des Ordens, sieht aber womöglich gleichzeitig, dass nicht an den Orden gebundene Nutzer der hellen Seite wie Ashoka, Grogu, Leia (und evtl. Ezra, Cal Kestis, Jacen Syndulla) ihren Weg gegangen sind, was ihn zu seiner Entscheidung führt den Orden untergehen zu lassen (besser: nicht mehr aktiv wiederzubeleben). Das sind die beiden Pole, zwischen denen Luke meiner Meinung nach spätestens seit Grogu schwebt. Am Ende bleibt er auf Seiten der Jedi, aber die Zweifel haben – wenn das mit den anderen so läuft, wie ich es mir vorstelle – durchaus seine Berechtigung.
Einige werden nun einwenden, dass Luke doch einfach einen Orden schaffen soll, in dem Bindungen erlaubt sein sollten – wie es im EU wohl war.
Das ist meiner Meinung nach aber ein sehr problematischer Weg. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man für Menschen, die man liebt oft alles tun würde, was in seiner Macht (höhö) stehen würde. Das ist bei einem (Super)Einzelwesen schon gefährlich. Eine Organisation aus supermächtigen Wesen, die persönliche Interessen über das allgemeine Wohl stellen, ist auch supergefährlich. Zudem ist davon auszugehen, dass in einem Orden, in dem die Jedi eigene Nachkommen haben, diese auch besonders gepusht werden (siehe oben: man tut alles für die, die man liebt) und dass sich über diese Nachkommen innerhalb des Ordens innerhalb weniger Generationen auch so eine Art „Machtadel“ herausbildet. Das wäre dann eine höchst gefährliche Entwicklung Richtung Jedi-Orden als Machtausübungsapparat. Ich verstehe schon, dass man einen Zusammenschluss von Machtnutzern eher als Bund immer wieder wechselnder Individuuen organsiert, die kein Interesse an Vererbung etc. haben können.
Dazu
Der Luke des neuen Kanons ist halt auch die Anerkennung, dass sich Menschen auch zum schlechten wandeln können.
Ich mag den neuen Luke auch nicht wirklich, aber das hat nichts damit zu tun dass er mein „Weltbild“ zerstört sondern weil Luke furchtbar unsympathisch ist. Kann ich seinen Werdegang verstehen? Ja, durchaus. Luke ist der letzte Jedi, er hat keine Lehrer mehr. Er muss irgendwie die Herausforderung schaffen, aus dem nichts heraus einen neuen Orden zu schaffen. Dem Luke des alten Kanons gelang das, dem Luke des neuen eben nicht. Und das ist für mich ok. Scheitern ist menschlich.
habe ich aber noch eine Frage. Die ersten EU-Romane wurden ja veröffentlicht, bevor E1 die Jedi als keuschen Orden definiert haben. Daher war es natürlich auch kein Problem, wenn die Frage, ob man die Jedi nach den alten Regeln wiederbeleben soll, keine Rolle spielte. Hat man dieses „Neue“, was Lukes Orden dann war, eigentlich in den Veröffentlichungen nach 2000 aufgegriffen oder war das halt einfach so, dass er die alten Regeln nicht befolgt hat. Ernstgemeinte Frage, da ich das EU schon Ende der 90er aus den Augen verloren hatte.