[Truuine System - Truuine - Nordpolares Gebirge - Mountain Lodge - Tief im Berg - Zellblock A - Kantine - Vorn, Berogon, Qowrow und weitere Häftlinge]
Für den gewöhnlichen Beobachter von Vorns "natürlicher Kampfkunst“ gab es nicht viel zu sehen und noch weniger zu sagen. Es schien ein schlichtes drauf hauen zu sein. Ergab sich eine Gelegenheit, tat sich eine Lücke auf, dann wurde zugeschlagen. Manchmal auch getreten oder den Kopf als Abrissbirne benutzt, doch meist waren es seine Fäuste. Sie waren auf so schreckliche Weise belanglos effektiv, dass keine andere Wahl zu treffen war. Dabei zielte der Hüne zu Beginn fast immer einfach nur auf relativ weiche Stellen. Oberschenkel- und arme, die Brust, so was eben. Es ging dabei um eine Art Schock, den Vorn auszulösen versuchte, während er gleichzeitig seine eigene Faust schonte. Doch damit endete im Großen und Ganzen die übernommenen Lehren von Vorns Kampfkunstmeistern. Sich selber - wenn möglich - schonen, vor allem wenn man nicht wusste, wie lange der Kampf noch gehen würde. Ja, das war wohl irgendwie klar. Vorn war nie ein allzu großer Fan von solch einer Ausbildung gewesen. Seine Meister waren immer kleiner oder größer, leichter oder schwerer, stämmiger oder schmaler gewesen. Ihre Taktiken anzuwenden erschien ihm nie sinnvoll. Er war jetzt groß und massig. Also kämpfte er auch so und tat nicht so, als wäre er ein agiler Akrobat.
Folglich traf er die Narbenfresse mit seinem gesamten Gewicht in den Magen, wobei er den Kopf links hielt und ihn vor allem mit der rechten Schulter traf. Sein Gegner konnte sich aber darauf vorbereiten, wie Vorn an den angespannten Bauchmuskeln spüren konnte. Dennoch trieb er ihn mehrere Schritt zurück, kassierte dann im Gegenzug aber auch ein paar Hiebe auf den Rücken. Diese steckte Vorn einfach weg und riss den Kopf hoch, traf dabei aber nichts. Sich nun direkt gegenüber stehend, war Vorns körperliche Überlegenheit offensichtlich, obwohl sein Gegner wohl eher weniger darauf gab und genau das versuchte, was der rote Hüne schon immer vermutet hatte. Bevor man ihn aber buchstäblich an den Eiern packen konnte, demonstrierte Vorn seine durchaus vorhandene Geschwindigkeit und stieß die Hand weg, nur um blitzschnell zurück zu kommen und seinerseits seine Hand auf die Wange des Gegenübers zu legen und dann den Kopf mit aller Kraft zur Seite zu drücken, als wolle er ihn in der Luft einen Purzelbaum schlagen lassen. Der Getroffene verlor tatsächlich seine Balance und lag im nächsten Augenblick auf dem Boden, als Vorn ihm einfach die Füße weg trat. Wenn man groß, stark und schnell genug war, dann waren ausgefallene Kampftechniken unnötig. Und wenn man auch noch schwer genug war, dann konnte man auf diese Weise auch zukünftige Opfer auf den Boden nageln. Und sie dann zu aktuellen Opfern machen.
Sein agilerer Gegner versuchte sich nur kurz zu befreien, gab diesen Plan dann jedoch auf und versuchte schließlich überall Lücken zu finden, in die er hinein schlagen konnte. Und er traf auch. Schmerzhaft sogar. Doch es fehlte dieser eine Treffer, der Nerven, Sehnen oder Knochen lahmlegte, sodass Vorn wie eine herannahende Naturkatastrophe einfach immer näher kam, scheinbar unaufhaltsam und absolut verheerend. Zuerst packte er ihn mit seiner Linken am Hals, während er ja gleichzeitig seine Beine nutzte, um den Körper an sich an Ort und Stelle zu halten. Auf ihn sitzend, drückte er mit seinem Gewicht nur so weit nach unten, wie er musste. Viel mehr konzentrierte er alle Kraft auf den Oberkörper, spannte Muskeln an und versuchte vor allem die Schmerzen zu ertragen. Sein erster Schlag sollte bereits weitere Schmerzen unterbinden.
Auf einen bestimmten Punkt am Kiefer zielend, benutzte Vorn seine eigene linke Hand als eine Art Führungsschiene. Der Schlag saß nahezu perfekt. Mit gar nicht mal so viel Kraft ausgeführt, schickte der Schock seinen Gegner dennoch in die kurzzeitige Ohnmacht. Vorn hatte diesen Boxschlag schon so häufig einsetzen müssen, um Kämpfe möglichst schnell und unblutig zu beenden, er könnte ihn sicherlich im Schlaf. Die paar erkauften Sekunden nutzte der Hüne nun um seine Finger ohne Probleme in die Augen des unter ihm liegenden Mannes zu pressen und sie so zu zerstören. Mehr war es auch nicht. Kein brutales ausdrücken, kein sich ergötzen. Einfach nur ein effektives zerstören. Natürlich wurde der Typ dadurch wieder wach, schrie herum und wand sich jetzt noch stärker. Da er die nächsten Schläge aber nicht kommen sehen konnte, konnte er nicht viel dagegen tun. Die ersten beiden trafen ihn rechts und links an der Seite des Kopfes, sodass er so benebelt war. Weshalb Vorn seine Arme problemlos einen nach den anderen packen und mit einem Ruck aus den Schultergelenken ziehen konnte. Nun nahezu wehrlos, betrachtete Vorn seinen Kontrahenten kurz und ließ seinen Kopf kreisen.
Im Kern war Vorn ein klassischer Schläger. Probleme wurden mit den Fäusten gelöst. Oder Gegenständen in diesen Fäusten. Und war dies nicht möglich, weil er zum Beispiel Sklave in einer imperialen Anlage und gerade Teil eines Plans war, frustrierte ihn das. Er wurde wütend. Folglich entlud sich diese Wut explosionsartig, konnte er dann endlich mal zuschlagen. Doch wäre Vorn nur dieser klassische Schläger, dann hätte er seinem Opfer ja nicht erst alle Chancen genommen, um sich wehren zu können. Nein. Der Vorn, der gerade kalt berechnend Sinnesorgane und Extremitäten unbrauchbar gemacht hatte, ist ein Werkzeug von Magga. Ein durch seinen Lehren geformtes Instrument. Und es war gut, es war so wunderbar … kalt. Die Ausbildung beim Atronachen hatte sich wie eine kühlende Decke über Vorns Schulter gelegt und wann immer es nötig war, zog er diese einfach über den Kopf. Und nahm sie ab, sobald er völlig geisteskrank um sich schlagen wollte. Maggas Lehren erlaubten es, dass Vorn gleichzeitig ein loyaler psychopathisch anmutender Henker sein konnte, aber auch ein Berserker ohne jeden gefühlten Funken Intelligenz im Leib. Die Lehren waren so gut, man hätte meinen können, sie wären extra für Vorn geschrieben worden.
Jetzt legte Vorn den Mantel der Vernunft ab und tat das, was seinem eigentlichen Wesen entsprach. Jetzt wurde kein Plan verfolgt, sich an keine Absprachen gehalten, keine Rücksicht genommen, weil man ja später noch dies und das tun musste. Nun wurden Türen eingetreten. Sie nochmals zu verschließen oder öffnen zu können war nicht länger im Sinne des Mannes, den hier jeder als Kannibale kannte. Seine Fäusten donnerten wie ein Hagelschauer auf das Gesicht der Kreatur herunter, die sich unter ihm wand. Die Lippen platzten auf, die Nase brach gleich mehrfach, Vorns und seine Haut riss auf, aus den Augenhöhlen spritzte immer wieder eine Mischung aus Blut und Augenflüssigkeit und würde Vorn nicht auch immer wieder den Mund treffen, die ausgeschlagenen Zähne würde sicherlich auch hinaus fallen, doch so blieben sie in diesem und vermischten sich mit dem Blut. Irgendwann traf er auch den Hals und zerquetschte irgendetwas in der Gegend, doch der Mann unter ihm reagierte nicht mehr. Er war schon tot. Das war Vorn aber egal. Jeder Schlag war ein Ausdruck der Frustration von Monaten und jetzt von ihm abzulassen und sich ein neues Opfer zu suchen, wäre als würde er eine Pause einlegen, als würde er bewusst wieder nach dem Mantel von Magga greifen. Doch das konnte er gar nicht und da er so im Raum hockte, dass sich niemand zufällig in sein Sichtfeld schieben und sich so als nächstes Ziel anbieten konnte, blieb er wo er war.
Bis er plötzlich einen Schlag auf den Hinterkopf bekam. Was den Effekt hatte, dass die bisher zielgerichtete Wut wie heraus spritzendes Wasser aus einer gebrochenen Leitung wahllos in alle Richtungen abgeleitet wurde. Sein Angreifer war jedoch schnell genug, um nicht nur die Arme, sondern auch seine Beine zu packen und bevor Vorn die Chance hatte sein nächstes Ziel auszumachen, hing er schon in der Luft und wurde weggetragen. Ein paar Mal schob und zog er noch, doch dann gab er auf, als er die Kraft der Männer erkannte, die ihn da trugen. Geredet wurde dabei nicht und auch Vorn hatte keine Lust darauf. Der Schlag auf den Hinterkopf hatte ihn tatsächlich wieder im Hier und Jetzt verankert und ihn wieder an den Plan denken lassen. Also nicht den des Legaten. Sondern seinen eigenen, bei welchem er diesen arroganten Wichser das verdammte Rückgrat aus dem Hals reißen würde. Doch zuerst gab es eine Dusche und dann eine kleine Ansprache. Vorn hörte nur mit einem Ohr zu. Erst jetzt wurde ihm so wirklich bewusst, dass seine Kurzschlussreaktion ihm womöglich die Gelegenheit geraubt hatte den Legaten später noch töten zu können und dabei dem Imperium auf eine Weise einen Gefallen zu tun, das sie ihn danach frei ließen. Sollte er also...
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