Im Schatten des Neumonds (Les Eaux de Mortelune)
Philippe Adamov (Zeichnungen), Patrick Cothias (Text)
Band 1: Unter Ratten (L’echiquier du rat)
Band 2: Das Rauschen der Wellen (Le Café du Port)
Band 3: Der Prinz und die Puppe (Le Prince et la Poupée)
Band 4 : Chaos und Flucht (Les Yeux de Nicolas)
Band 5 : Das Meer am Ende der Welt (Vague à Lames)
Inhalt:
Nach einer nicht näher benannten Katastrophe – dritter Weltkrieg und/oder Umweltdesaster – liegen weite Teile der Welt in Trümmern. So auch das postapokalyptische Paris, in dem das Gros der Überlebenden ein Dasein unter elenden Bedingungen und weitgehend auf dem Stand des vorindustriellen Zeitalters fristen. Lediglich eine kleine Oberschicht, die ein Leben in spätrömischer Dekadenz führt, hat noch Zugang zu den Resten der Hochtechnologie der untergegangenen Welt. Herrscher über Paris ist Jêrome Prinz Neumond, dessen Macht sich darauf gründet, daß er das Monopol über die wertvollste Substanz dieser Zeit hält: sauberes Wasser. Eigentlich schon an die 100 Jahre alt hat Neumond noch immer den Körper eines 20-jährigen, Folge aufwändiger Gen-Technologie, deren Geheimnis er – genau wie das der Wasseraufbereitung – ebenfalls streng unter Verschluss hält. Allerdings ruht seine Macht auf tönerne Füßen, denn um seine Wasseraufbereitungsanlagen betreiben zu können, benötigt er Benzin. Das Geheimnis für dessen Herstellung liegt allerdings einzig und allein bei Jêromes Cousin und Widersacher Herzog Malik, dessen Körper verfällt und der daher Neumond das Geheimnis der ewigen Jugend neidet.
Auf einem seiner nächtlichen Streifzüge begegnet der Prinz dem Schlachter Pankratz und dessen Kindern Violaura und Nicolas. Pankratz betreibt in der Unterstadt eine Metzgerei und zwingt nebenher die 15-jährige Violaura zur Prostitution. Angetan von der Schönheit Violauras beginnt Neumond eine Affäre mit dem Mädchen, die nach und nach in eine Besessenheit gipfelt. Dadurch wird er angreifbar und seine Gegner und Neider stehen längst bereit, das fragile Machtgleichgewicht aus den Fugen zu bringen.
Unterdessen sucht Pankratz’ Zweitgeborener, der scheinbar taubstumme Nicolas, immer öfter Zuflucht im Café des kauzigen alten Barnabas, der Wissen und Gegenstände aus der alten Zeit sammelt. Barnabas ist fasziniert von dem Jungen, der nicht nur sehr realistische Träume an eine Zeit hat, in noch das Wasser die Kais von Paris umspülte und Vögel den Himmel bevölkerten, sondern zudem die Fähigkeit entwickelt, diese Traumbilder mittels Musik seiner Umwelt zu vermitteln...
Meinung:
Adamov und Cothias entwerfen mit „Im Schatten des Neumonds“, dessen erster Zyklus zwischen 1986 und 1992 erschienen ist, ein überaus interessantes Endzeitszenario. Die Welt des Prinzen Neumond ist ebenso grausam wie elegant, die Protagonisten schwelgen größtenteils in übelster Dekadenz und ergehen sich scheinbar bedenkenlos in brutalen Gewaltakten, sind aber gleichzeitig getrieben von der Sehnsucht nach einer besseren, (untergegangenen) Welt. Die Zeichnungen des halbverfallenen Paris sowie die Darstellung der bizarren postapokalyptischen Gesellschaft sind grandios und auch die Story weiß zu gefallen und fesselt den Leser bis zum Schluss. Alles in allem eine Perle anspruchsvoller Comic-Unterhaltung für Erwachsene.
Anmerkung:
Beflügelt durch den Erfolg der ersten 5 Bände brachten Adamov und Cothias noch einen zweiten, ebenso 5 Bände umfassenden, Zyklus heraus. Dieser ist jedoch ein recht wirres Konstrukt, welches recht wüst Versatzstücke von Science-Fiction, verschiedene philosophische Ansätze sowie Anleihen aus anderen Fiktionen (z.B. dem Cthulhu-Mythos) zu einer unübersichtlichen und überfrachteten Geschichte verrührt und – abgesehen von den Zeichnungen - zu keiner Zeit die Qualität der Bände 1 bis 5 erreicht.
C.