[Widek-System | Weltraum | DRD Nova | Brücke] Gordon Aaronson mit Crew
Gordon Aaronson fühlte eine enorme Erleichterung, als er das Widek-System schwarz und friedlich vor sich liegen sah. Abermals hatte er das Gefühl, dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen zu sein. Die Niederlage und die Verluste wogen schwer, doch bevor die Zeit kam, um die Toten zu betrauern und die Konsequenzen aus dieser Schlacht zu ziehen, erhoffte er sich ein wenig Zeit, um durchzuatmen. Vielleicht würden ihm später ein paar Stunden dafür vergönnt sein. Für den Augenblick musste aber eine Sekunde genügen. Der grauhaarige Mygeetaner sog die Luft in einem tiefen Zug durch die Nase ein, hielt sie für einen Moment in den prall gefüllten Lungen und ließ sie dann mit einem hörbaren Seufzer durch den Mund entweichen. Der Rückzug war geglückt. Und nicht weit von der aktuellen Position der Nova lagen andere Schiffe, die aus dem umkämpften Utos-System entkommen waren. Wer so lange in der Flotte diente wie Gordon, der lernte, scheinbar baugleiche Kriegsschiffe an kleinen Besonderheiten zu unterscheiden: Als er die vergrößerte Abbildung der drei Schiffe auf einem Monitor sah, wusste er sofort, dass es die Wayfarer, die Takao und die Liquidator waren. Sie mussten kurz vor der Nova eingetroffen sein und hatten sich noch nicht weit von der Eintrittszone entfernt.
»Steuermann, setzen Sie Kurs auf Widek und bringen Sie uns in einen Sicherheitsabstand zum Sprungpunkt«, befahl er mit beherrschter Stimme. »Weitere Schiffe werden hoffentlich in Kürze eintreffen.«
Die Sublichttriebwerke sprangen an und ließen den Kreuzer leicht erzittern. Er schob sich durch das kalte All, auf den noch fernen Hauptplaneten des Systems zu.
»Kommunikation... Wie war noch gleich Ihr Name, Lieutenant?«
»Arnold Churchill, Sir.«
»Lieutenant Churchill, melden Sie dem Kommando auf Widek unsere Ankunft und übermitteln Sie alle gesammelten Daten über die Vorgänge bei Galantos. Sagen Sie, wir erwarten neue...«
»Eingehende Nachricht vom Kommando, Sir!« unterbrach der Lieutenant ihn.
»Durchstellen.«
Auf der Brücke erschien das Hologramm eines Offiziers. Die Übertragung war nicht perfekt und vor allem die Darstellung der Farben ließ zu wünschen übrig, dennoch ließ sich erkennen, dass er die Rangabzeichen eines Lieutenant Commander trug. Also kein sehr hohes Tier in der hiesigen Kommandostruktur, doch es verwunderte nicht, dass ein Commodore oder Admiral - wer auch immer hier den Oberbefehl haben mochte - sich in einer solchen Situation nicht um alles persönlich kümmern konnte.
»Dreadnaught Nova, hier spricht Lieutenant Commander Wrigley vom Farlax-Sektorkommando, Stützpunkt Widek. Erstatten Sie Bericht über Ihren Status und den Grund für Ihre Ankunft.«
»Hier Captain Gordon Aaronson, Befehlshaber der Nova«, begann Gordon, doch bevor er den geforderten Bericht abliefern konnte, hakte der Lieutenant Commander nach:
»Der Aaronson, der den Rückzug aus dem Koornacht-Sternhaufen angeführt hat?«
»Genau der.« Offenbar war dieser Wrigley gut informiert. »Leider komme ich wieder mit ähnlich schlechten Nachrichten. Galantos ist verloren. Eine Übermacht yevethanischer Aufständischer hat die Verteidigung durchbrochen und unseren Rückzug erzwungen. Wir haben mehrere Schiffe eingebüßt. Admiral Prokith ist tot, Commodore Sayer ebenso. Der höchstrangige Offizier der Verteidigungsflottille... bin jetzt ich, scheint mir, auch wenn ich ihr nicht formal angehöre. Aber Commodore Frey Fogerty müsste jeden Augenblick mit seiner Flottille eintreffen. Und wir erwarten auch noch andere Kriegsschiffe sowie eine Unzahl Flüchtlinge von Galantos. Stellen Sie sich auf sehr viele Verletzte und Hilfsbedürftige ein.«
»Werden Sie verfolgt?«
»Das kann ich unmöglich sagen. Bereiten Sie sich sicherheitshalber darauf vor, dass die Yevethaner bald mit mehreren Kreuzern und kapitalen Schiffen hier sein könnten.«
»Bei allem Respekt, Captain, Sie machen sich wirklich einen Namen als Überbringer schlechter Nachrichten. Sagen Sie, was wissen Sie über den Verbleib von Commander Darrenholm und dem Strike-Kreuzer Keeper?«
Gordon zuckte innerlich zusammen, als diese beiden Namen fielen. Er hatte den Vorfall beinahe schon vergessen, doch jetzt, da er daran erinnert wurde, stieg wieder die tiefe Abscheu in ihm hoch, die er für das feige, verräterische Verhalten des Commanders empfand. Lebhaft erinnerte er sich an Commodore Sayers Zorn und an dessen Befehl, den Deserteur zur Verantwortung zu ziehen.
»Das Schiff ist schon zu Beginn der Auseinandersetzung aus dem System geflohen«, berichtete er. »Ohne Rückzugsbefehl und ohne auf Rufe zu reagieren. Ob Darrenholm zu diesem Zeitpunkt noch das Kommando hatte, weiß ich nicht; es könnte auch eine Meuterei gegeben haben. Aber wer auch immer die Keeper befehligt hat, er hat uns um einen Kreuzer betrogen, den wir dringend gebraucht hätten! Ist sie hier eingetroffen?«
»Das ist sie, und der Commander hat eine andere Version der Vorgänge geschildert. Der Vorfall wird überprüft werden. Übermitteln Sie uns so rasch wie möglich alle verfügbaren Daten einschließlich Logbücher und Kommunikationsprotokolle. Halten Sie sich für weitere Anweisungen bereit.«
»Das werden wir, Lieutenant Commander. - Wir brauchen außerdem Transportmöglichkeiten für elf Schwerverletzte, die wir nur unzureichend behandeln können, sowie für zahlreiche Leichname, darunter der Commodore.«
»Ich kümmere mich darum. Widek, Ende!«
Als das Hologramm erlosch, spukten Wrigleys Worte noch im Kopf des Captains herum. Darrenholm war also hier eingetroffen und hatte Lügen erzählt? Was mochte er sich nur ausgedacht haben, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, und welche Konsequenzen würde das für andere haben? Doch diese Frage verpuffte, als Ramonis neben ihn trat und ihn ansprach:
»Der Commodore ist tot? Was ist passiert, Sir?«
So wie alle anderen auf der Brücke hatte der Erste Offizier erst durch das Gespräch mit Wrigley vom Ende des Befehlshabers erfahren.
»Er hat sich in seinem Büro das Leben genommen«, rückte Aaronson mit der unangenehmen Wahrheit heraus. »Mit einem Blaster. Deshalb der Ruf nach der Sicherheit vor einigen Minuten.«
»Ich hatte es befürchtet«, murmelte Commander Ramonis. Er machte einen aufrichtig betroffenen Eindruck. »Sayer konnte nie gut mit Niederlagen umgehen. Viele Verwandte und Freunde von ihm lebten auf Galantos.«
Gordon fiel auf, dass Ramonis in der Vergangenheitsform redete, so als wäre er sicher, dass Sayers Freunde und Familie bereits so gut wie tot waren. Vielleicht hatte er damit recht - aber bisher konnte niemand genau sagen, was die Yevethaner eigentlich vorhatten und was sie mit den Bewohnern der von ihnen eroberten Welten taten. Es gab Hinweise darauf, dass mindestens eine Kolonie - die von New Brigia - vollständig zerstört worden war, aber das Schicksal ihrer Bevölkerung war ungewiss. Ein Teil von ihnen hatte sich möglicherweise auf den Galeonen befunden, mit denen die Yevethaner versucht hatten, die Moral der Flotte zu brechen. Aber auch das war nicht bewiesen. Vielleicht vergingen in diesem Augenblick Millionen von Fia und Menschen im Feuer gekaperter Sternenzerstörer, das aus dem Orbit regnete; doch es war ebenso möglich, dass sie nur unterworfen wurden und noch lebten, wenn das Utos-System vom Imperium zurückerobert wurde. Dass das geschehen würde, bezweifelte Gordon nicht. Es war undenkbar, dass das mächtige Galaktische Imperium vor den barbarischen Revoluzzern und ihrer zusammengestohlenen Flotte einknicken und sie einfach gewähren lassen würde. Die Frage war nur, wann eine Streitmacht versammelt war, die stark genug für eine Gegenoffensive war. Es war gut möglich, dass Widek zuvor ebenfalls ein Angriff bevorstand.
»Für Galantos ist es noch nicht zu spät. Und was unsere eigenen Gefallenen angeht, wir werden eine angemessene Gedenkfeier für sie abhalten - den Commodore natürlich eingeschlossen. Kümmern Sie sich jetzt darum, dass wir so schnell wie möglich...«
»Captain! Auf der Wayfarer kommt es zu Explosionen! Sie... bricht auseinander!«
»Was!?« Gordon sprang zum nächsten Bildschirm und sah sich entgeistert die Abbildung des Unheils an. Er wurde Zeuge, wie ein weiterer imperialer Kreuzer verging - in Explosionen, die aus seinem Inneren kamen.
»Höchste Alarmstufe! Ganzes Schiff sofort wieder in Kampfbereitschaft versetzen! Finden Sie heraus, was da passiert! Sind Feindschiffe im System?«
Danach sah es nicht aus. Während des Gespräches mit Wrigley waren die Fregatte Stalker, eine Fähre der Regierung von Galantos und mehrere Schiffe mit Flüchtlingen eingetroffen, aber keines davon hatte geschossen oder war dem Kreuzer nahe gekommen. Es schien, als hätte sich ein Unglück an Bord der Wayfarer selbst ereignet. Vielleicht die Folge von Schäden, die sie während der Schlacht erlitten hatten, oder eines schwerwiegenden Fehlers beim Hyperraumsprung. Der Kreuzer war jedenfalls rettungslos verloren. Es blieb nicht mehr als Schrott von ihm übrig. Doch Rettungskapseln waren gestartet worden und die Liquidator, die sich nahe am Unglücksort befand, begann unverzüglich, diese aufzusammeln.
Aaronson beschloss, ebenfalls aktiv zu werden, und befahl:
»Bringen Sie uns näher an das Trümmerfeld heran! Starten Sie alle Fähren und suchen Sie mit den Sensoren nach Überlebenden!
Lieutenant Churchill, rufen Sie die Liquidator: Vielleicht können die uns sagen was los ist. Wenn möglich, will ich Commander Crescent sprechen.«
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