So, diese Nacht war ich ebenfalls in der Premiere und fühle mich jetzt annähernd soweit, eine erste, nicht allzu lange Meinung zum Film zu verfassen.
Star Wars Episode VIII ist für mich ein Skandal! Er ist provokant, zynisch bis hin zu nihilistisch und lässt der gesamten Saga auf oft unepischer, beinahe parodistischer Weise "die Hosen herunter".
Aber: Eventuell hat die Reihe genau das gebraucht! Vielleicht nicht in dieser überspitzten Form, jedoch vom Grundansatz her. Der Film ist stilistisch zwar - charakter- und produktionsbedingt - ähnlich wie Episode VII, im generellen Aufzug her aber komplett verschieden. Nahezu alle im Vorfilm angedeuteten Entwicklungen (z.B. Snoke als mächtiger Strippenzieher), nahezu alle im Vorfilm aufgeworfenen und in der Fangemeinde jahrelang(!) diskutierten Fragen (z.B. Wer ist Snoke? Wer ist Rey? Was macht Luke auf der Insel?), nahezu alle durch den Vorfilm entzündeten Hoffnungen (Oldschool-Epik, eigenständigerer jedoch relativ klassischer Saga-Film), wurden auf freche Art und Weise plattgewalzt. Der bildliche Vergleich, der mir da spontan einfällt: 'Ein Künstler malt ein seriöses, wohl strukturiertes Wasserfarben-Bild. Bei der Hälfte jedoch packt er seine Filzstifte aus und malt kreuz und quer über das gesamte Bild.' Ja, das ist Kunst! Das kann funktionieren. Erschreckend: Bei Episode VIII funktioniert es sogar hier und da. Dieser unfassbare Zynismus zieht sich konsequent durch den Film. Allerdings ist Zynismus ungleich Comedy und genau hier macht der Film eventuell seinen größten Fehler. Er möchte im SW-Ambiente unbequeme Fragen aufwerfen und neue Wege einschlagen, verirrt sich dabei jedoch immer und immer wieder in marvel'schem Humor. So ist bis zur Schlussminute gar nicht klar, wie ernst sich der Film überhaupt nimmt. 'Die letzten Jedi' könnte durchaus als mystisch angehauchte SW-Parodie durchgehen. "Alles bisherige? Auslöschen! War alles Schwachsinn!" Erstaunlich, dass ich mit diesem Kommentar dann tatsächlich noch beinahe ein 1:1-Filmzitat anbringe. Das sagt wohl alles aus. Aber um den Bogen zum ersten Satz dieses Absatzes zu schlagen: Möglicherweise war es dringend, solch einen Weg einzuschlagen. Epik, Emotion, klassischer Lichtschwertkampf und so weiter und so fort - das hätte man natürlich wieder zeigen können. Nur hätte das der Saga wirklich noch eine Note, eine Message hinzugefügt? Oder wären da bloß Fan-Träume befriedigt worden? Hatten wir nicht allmählich genug Lichtschwertduelle? Genug pathetischer Reden über Moral und Philosophie? Ich sage: Ja, eventuell ja. Und es fühlt sich an wie ein Eingeständnis. Star Wars scheint erwachsener geworden zu sein. So wie im Jahr 2017 kaum noch einer die Bibel für bare Münze nimmt, scheinen auch die alten Jedi-Weisheiten "aus der Zeit gefallen". Dass dieses Umdenken "ausgerechnet" bereits 30 Jahre nach Episode VI einsetzt, kommt sogar glaubwürdig daher, denn der Fall des Jedi-Ordens in Episode III sowie der Aufstieg des Imperiums hat wohl einen Gesinnungswandel bei vielen Personen und Persönlichkeiten herbeigeführt. Die Saga ist nicht mehr die, die sie einmal war. Episode VIII hat ihr den Teppich unter den Füßen weggezogen und ihr das Gewicht genommen. Man lebt jetzt endgültig in der Gegenwart. Sith, Jedi, das ist Geschichte - wobei sich die letzten Dialogzeilen von Luke eine Art Hintertür offen lassen, welche ein munteres Spekulieren erlauben.
Alles in allem war der Film für mich ein Schlag ins Gesicht. Auf konservative, klassische Fan-Wünsche für Episode VIII folgten viele "Wach-auf-so-läuft-es-halt-nicht-mehr!"-Momente. Mir hat es ein Stück weit die Lust auf 'Star Wars' genommen und ich fühle mich derzeit ein wenig leer, denn die Filme waren für mich auch immer verträumt, episch und emotional. Die Essenz der Reihe wurde in diesem Film zerstört. Gut, böse? Gibt es so gar nicht. Es ist also ein Spiegel der Realität, der einem vorgehalten wird. Natürlich läuft es so nicht! "Aber das war doch immer so schön im Franchise! Der macht das und der andere macht das." Mag sein, aber ich wiederhole mich: viel mehr konnte und kann man der Saga vermutlich nicht hinzufügen, ohne sich irgendwo zu bedienen oder sich zu wiederholen. Nach Episode VII haben viele eine "OT 2.0" erwartet. Diese Kritiker wurden nun Lügen gestraft. Aber zu welchem Preis denn nun? Ich...kann die Frage heute noch nicht beantworten. 'Star Wars' und das, was es bei mir ausmacht, ist heute Nacht ein Stück weit für mich gestorben. Aus unerklärlichen Gründen fühlt es sich aber auch richtig an. Dieser Zynismus, dieses Stoische, das hat in diesen Stunden auch mich ergriffen. Wenn man es so will, ist der Film ungeheuer deprimierend. Aber so ist doch eigentlich auch die echte Welt. Das einzige, was man tun kann, ist, versuchen glücklich zu werden und das zu beschützen, was man liebt. Im Idealfall sollte man noch für andere da sein und ein Vorbild sein. Genau jetzt werde ich unzufrieden mit meiner Rezension. Was passiert hier?! War der Film so düster? Denke ich all den Kram gerade wirklich? Ja, irgendwie schon. Gruselig. Aber interessant, zweifellos.
Ein Rating von 1 bis 10 kann ich irgendwie gar nicht geben. Der Film war patzig, erschreckend, skandallös und trotzdem auf seine Weise genial. Ich kann normale Maßstäbe auch gar nicht so recht anwenden. Äußerst kompliziert! Ich tendiere zu einer 7/10, welche bewusst eine 7/10 geworden ist, weil alles nördlich einer 8/10 nur etwas hätte werden können, was der Film unbedingt nicht sein wollte beziehungsweise nicht werden sollte.
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Hier noch ein paar Einzel-Bewertungen:
Story: 7/10
Musik: 5/10
Dialoge: 7/10
Epik: 5/10
Emotion: 7/10
Humor: 6/10
Überraschungsmoment: 10/10
NACHTRÄGLICH HINZUGEFÜGT: Der Film machte auf mich an meheren Stellen den Eindruck, dass er innerhalb der nächsten 100 Sekunden zu Ende geht. Und dann kamen doch nochmal 10 Minuten, nur bis dass das gleiche nochmal passiert ist. Vielleicht ist er zu lang, zu beladen. Das Pacing hat mir in Episode VII besser gefallen. 'Das Erwachen der Macht' ist in dieser Hinsicht wie aus einem Guss. Den habe ich gestern auch zum insgesamt sechsten Mal gesehen. Kann man sich immer wieder anschauen; ein kurzweiliger Streifen. Aber Teil 8? Hm. Ich habe gerade auch gar nicht das Bedürfnis, den nochmal zu sehen. Bei Teil 7 war das so. Er ist einfach so demoralisierend, so zynisch.