Sooo...
...wir hatten es gestern Abend in eine OV-Vorstellung als Vorpremiere geschafft und bevor ich hier irgendetwas schreibe, wollte ich erst mal eine Nacht drüber schlafen.
Dieser Beitrag wird sehr viele
Spoiler beinhalten, aber da dieser ganze Thread mit einem Spoiler-Tag versehen ist, sehe ich mal davon ab meinen Beitrag zu verstecken.
Meine anfängliche Reaktion als man diesen Film ankündigte war etwa "....wieso?" - wieso macht man ein weiteres Spinoff zu einem Charakter wie Han Solo, dessen Hintergrundgeschichte für die Episoden vollkommen irrelevant ist, während die GFFA unendlich viele Möglichkeiten für originelle Geschichten mit brandneuen Charakteren bietet, die komplett abseits der alten Bekannten existieren können?
Meine Einstellung diesbezüglich hat sich auch nach dem ersten Schauen nicht geändert, denn der Film hat tatsächlich keinerlei Relevanz für das Gesamtbild eines Casual-Fans, der nur hier und da einige Filme bzw. die Saga im Ganzen kennt. Als Star Wars Fanboy jedoch, der so ziemlich auf aktuellem Stand ist was das Kanon-EU (in Form von Serien, Comics, Videospielen und Romanen) betrifft, muss ich sagen dass ich echt positiv überrascht bin. "Solo" ist absolut kein Meisterwerk und reiht sich ebenso keinesfalls in meine Top 3 Star Wars Filme ein, aber schlecht ist er auch nicht. Viele Anspielungen, viel Fanservice und die gelegentlichen Legends-Verweise, sowie Prequel-Elemente lassen die Saga im Allgemeinen noch mehr wie aus einem Guss erscheinen, was mir sehr zusagt. Aber eins nach dem anderen...
Auf technischer Ebene war es ein solider bis guter Film. Ron Howard versteht viel von seinem Handwerk als Regisseur, die Effekte haben mir ebenso zugesagt, sei es in Form von CGI oder im Design der Puppen. Die Arbeit mit Licht und der Schnitt waren weitestgehend auch in Ordnung. Was immer man von Disneys bisherigen Star Wars Produktionen halten mag, es ist kaum abzustreiten dass die neuen Filme sich visuell und technisch auf einem qualitativ sehr hohen Niveau bewegen, obgleich Star Wars schon lange nicht mehr die Referenz für neuartige Technologie zu sein scheint. In diesem Aspekt habe ich rein garnichts zu meckern. Auch das Sounddesign hat mir sehr gut gefallen - es war eben Star Wars!
Der Soundtrack wiederum lässt - wie eigentlich das meiste Musikalische was bisher bei Disneys Lucasfilm entstanden ist - ein wenig zu wünschen übrig. Die neuen Stücke waren definitiv passabel, doch bis auf Enfys Nests Thema ist mir eigentlich nichts in Erinnerung geblieben. Abseits der wenigen neuen Stücke (welches war eigentlich das von John Williams komponierte Thema für Han?
) ruht sich auch dieser Soundtrack (ähnlich wie The Last Jedi) viel zu sehr auf alten bekannten Themen aus, insbesondere während des Kessel Runs. Beispielsweise finden wir dort eine zerhackstückelte Version des Stücks "Asteroid Field" aus dem TESB-Soundtrack vor - eins meiner Lieblingsstücke aus der gesamten Saga - aber in einem weniger gänsehauterzeugenden Kontext. Für mich fühlt sich das weniger wie eine ikonische Szene an (die im Falle von TESB auch wirklich erst aufgrund des Soundtracks so richtig ikonisch wurde) und vielmehr wie ein "re-hash" á la "Erinnerst du dich an diese eine coole Szene aus 1980? Hier ist noch eine!" - eine große vertane Chance.
Auch storytechnisch ist dieser Film geplagt von zahlreichen vertanen Chancen. Überflüssig ist dieser Film schon in den Wurzeln seines Grundkonzepts und doch hätte man das Beste draus machen und Charakteren wie Han Solo und Lando Calrissian ein wenig mehr Tiefe verleihen können. Auch dies passiert niemals. Stattdessen erhalten wir ein simples Abenteuer, an dem diese Charaktere teilhaben. Schlecht ist die erzählte Geschichte absolut nicht, aber eben auch nichts Besonderes und angesichts der Möglichkeiten die die Kasdans hatten, hätte man so einiges mehr daraus machen können als eine bloße Abenteuergeschichte.
Und obgleich uns so einige Handlungspunkte ein wenig aufgrdinglich mit dem Löffel in den Mund geschoben wurden (Hans Blaster zum Beispiel), wurden einige Verbindungen zur Saga meiner Meinung nach sehr schön eingebaut. Landos raue Begrüßung auf Bespin spiegelt Hans Verhalten in diesem Film wider sodass ich diese Interaktion nun in ganz neuem Licht sehe, wie eigentlich die Hass-Liebe der Beiden im Allgemeinen, die sich beide nicht eingestehen wollen wie ähnlich sie sich eigentlich doch sind, was in RotJ erst so richtig in eine wahre Freundschaft aufblüht. Der (laut 3PO) freche Bordcomputer des Falken stammt von L3's Bewusstsein und Landos Aussprache des Namens "Han" als "Hän" (zumindest im Original, ich denke im Deutschen wird das überflogen worden sein) macht dank der Sabacc-Szene ein wenig mehr Sinn. Dies sind so einige Details die mir echt gut gefallen haben, natürlich abgesehen von den offensichtlicheren Dingen wie dem Falken und seienr langsamen Transformation in Hans Schiff.
Der zweite Akt hat sich meiner Meinung nach ein wenig zu stark gezogen, aber andernfalls hat mir das Pacing sehr gut gefallen. Es wurde nicht nur herumgeballert, sondern es gab auch ruhige Momente. Es war eben ein Abenteuer-Western.
Was den "Twist" mit Maul betrifft (mit dem ich absolut garnicht gerechnet hatte, aber jetzt macht Ray Parks Auftritt auf dem roten Teppich auch Sinn
), scheinen sich die Gemüter zu spalten. Mir, für meinen Teil, hat Mauls Auftritt sehr gut gefallen. Es war eben eine schöne Überraschung für Fans der Prequels, oder eben Fans, die gern mehr Prequel/TCW-Elemente in den Filmen sehen möchten, die alles besser miteinander verbinden. Wenn mich an der Disney-Ära bisher eine Sache ganz stark gestört hat, dann die Tatsache, dass man sich ästhetisch stark von Lucas' 6 Episoden zu entfernen schien. Während wir in der ST bisher nur neue Kreationen zu sehen bekamen (abseits einzelner Individuen wie Chewie, Nien Nunb oder Ackbar), hat Rogue One immerhin hier und dort mal ein paar Twi'leks eingebaut. "SOLO" ist es eeeeeendlich gelungen, dass sich das Ganze wieder wie die GFFA anfühlt und Maul hat da mMn stark zu beigetragen! Für casual Fans wird dies absolut absurd wirken, immerhin kennen sie vielleicht nur die Filme und laut ihrem Wissen müsste Maul tot sein. Lediglich Kenner von TCW, Rebels und sonstigen Materials werden wissen, dass er Naboo tatsächlich überlebt und sein eigenes Verbrecher-Syndikat erschaffen hat. Was den Kanon betrifft, macht sein Auftritt also völlig Sinn, aber ich sehe natürlich auch ein, dass sich viele Kinogänger ein wenig verwirrt den Kopf gekratzt haben werden.
Meiner Meinung nach war es übrigens ein schönes Detail, dass man sowohl Ray Park für die Optik und Sam Witwer für Mauls Stimme verpflichtet hat. So fügt sich dieser Film bei meinen zukünftigen chronologischen "Runs" der Filme und Serien noch besser in den Kanon ein.
Wie bereits erwähnt, fühlt sich dieser Film für mich endlich wieder wie die GFFA an. Dies liegt jedoch nicht nur an Maul, sondern an den Kostüm- und Makeupdesigns im Allgemeinen. Die neuen Kreaturen passen ästhetisch super in dieses Setting (wobei dieses Sechsauge am Sabacc-Tisch auch genauso gut ein Gran hätte sein können) und zugleich sehen wir endlich wieder bekannte Spezies! Neben dem offensichtlichen Auftritt der vielen Wookiees und der Pykes auf Kessel sehen wir - ebenfalls in den Minen - Twi'leks, in Enfys Nests Gang befindet sich ein Rodianer und am Sabacctisch in der finalen Szene sitzt ein Mirialan. Es mag sein dass hier und dort im Hintergrund noch mehr bekannte Gesichter herumgeistern, doch diese sind mir zumindest beim ersten Schauen sofort ins Auge gestoßen.
Ich wiederhole hier noch einmal was ich an anderer Stelle bereits betont habe: Ich finde es super, dass Lucasfilm so viele tolle Designs für Aliens entwerfen und nutzen, aber einige bekannte Spezies hier und dort im Hintergrund verbinden eben alles optisch um Längen besser!
Das Set-Design war ebenfalls sehr stimmig. Vieles war sehr schmutzig und passte zu einem Western, der in der GFFA angesiedelt ist. Corellia und die dortige Unterwelt, sowie die Industrie haben mir sehr gut als Setting gefallen und Hans Zeit beim imperialen Militär hatte etwas von Verdun oder dem ersten Weltkrieg im Allgemeinen - sehr schöne neue Settings für einen Star Wars Live Action Film!
Tatsächliche Aufnahmen (etwa der verschneiten Berge) waren sehr schön eingefangen und halfen mMn enorm dabei, alles im Licht einer gewissen Glaubwürdigkeit wirken zu lassen. Wie bereits zuvor erwähnt, ist der Film optisch absolute Klasse. Dies trifft nicht nur auf das Filmemachen selbst und die vielen Effekte zu, sondern ebenfalls auf das Set-Design und Location Scouting.
Schauspielerisch bin ich eigentlich durchgehend zufrieden: Trotz der vielen Bedenken die wir über die Jahre online immer wieder gehört/gelesen haben, ist Ehrenreich eine tolle Entscheidung für einen jungen Han. Harrison Ford hat etwas Unersetzbares an sich und wird immer DER Han Solo sein (dasselbe wird für Indy gelten, sobald dieser unausweichlich neu gecastet wird), aber Ehrenreich ist es mMn insofern gelungen, dass ich irgendwann nicht mehr über Castings und dergleichen nachgedacht, sondern einfach eine zehn Jahre jüngere Version des Han Solos gesehen habe, auf den wir schließlich in Mos Eisley treffen. Hier und da hatte er die Gestik und Mimik Fords echt gut drauf, aber im Wesentlichen hat er den Charakter Han Solo gespielt und nicht Harrison Ford imitiert. So ähnlich Anthony Ingruber Harrison Ford doch sieht, bin ich im Nachhinein froh über Ehrenreich in dieser Rolle.
Donald Glover war für mich der perfekte junge Lando. Nicht nur ist er ohnehin ein absolut charismatischer Schauspieler, sondern hier und da klang er sogar exakt genau wie Billy Dee Williams - eine bessere Casting-Entscheidung hätte man für Lando nicht treffen können!
Woody Harrelson spielt eigentlich immer wieder dieselben Charaktere, aber irgendwie hat er mir trotzdem gefallen. Er wirkte recht glaubwürdig wenn es darum ging einen rücksichtslosen Oppoturnisten zu spielen, der sogar keine Skrupel davor hätte jene zu ermorden, die seinem Reichtum im Weg stehen. "Traue niemandem" war mMn ein schönes Motto, das sich vor allem durch den gesamten finalen Akt gezogen hat und ein wesentlicher Bestandteil dieser Rolle. Dass er dieser skrupellose Oppoturnist und zugleich eine Inspiration für Han ist, gefällt mir sehr gut und viel mehr hätte Harrelson mit dem gebotenen Material nicht machen können.
L3 - Emanzobot - empfand ich als einen eher nervigeren Abklatsch von K2SO. Ich verstehe garnicht, wieso Waller-Bridger von so Vielen derartiges Lob erfährt. Ja, ihre darstellerische Leistung (trotz CGI) an für sich war in Ordnung, aber den Charakter selbst empfand ich als absolut nervig. Einzig der Gag mit der Droidenrevolution auf Kessel und die Übertragung ihres Bewusstseins in den Bordcomputer des Falken fand ich ganz unterhaltsam und interessant, aber der sonstige Triggered-Humor ist bei mir komplett durchgesickert ("Lando steht auf mich" usw.).
Emilia Clarke war vollkommen in Ordnung. Qi'ra war kein allzu interessanter Charakter, bzw. gerade als sie wirklich interessant wurde, war der Film zuende. Aber Clarke hat das Beste aus dem Material gemacht, das man ihr gab.
Paul Bettanys Dryden Vos hat mir sehr gut gefallen. Er war charmant und doch zugleich passiv aggressiv und gefährlich - man hat immer wieder gemerkt, dass er hier und dort doch was im Schilde führte und dass seine "freundliche Art" nichts weiter als eine Fassade ist. Leider hat man nicht viel aus dem Charakter gemacht und er erfährt viel zu wenig Screentime. Dabei hätte er ein ausgezeichneter Gegenspieler sein können.
Einige Namedrops wie Carida, die Handelsföderation oder Teräs Käsi waren mMn auch schöne Anspielungen auf Legends (die nun scheinbar kanonisch sind) und gut eingesetzter Fanservice. Die Action war gut umgesetzt, trotz der fehlenden Spannung, da wir genau wissen wer diesen Film alles überleben wird.
Insgesamt ist dies für mich ein sehr durchwachsener Film. Ohne die Marke Star Wars wäre er nicht einmal der Rede wert - wobei dies ja eigentlich auf jeden modernen Star Wars Film zutrifft - und ich kann es absolut nachvollziehen, wenn er casual Kinogängern, die hier und dort einige Star Wars Filme gesehen haben, nicht gefällt. Als Star Wars Fanboy jedoch haben mir Elemente wie die Rückkehr bekannter Gesichter, sowie der sonstige Fanservice sehr zugesagt und im Allgemeinen habe ich mich von diesem Western-Abenteuer gut unterhalten gefühlt.
Der Film an für sich ist nichts Besonderes, aber ästhetisch ein Schritt in die richtige Richtung und gute Unterhaltung für Fanboys, die sich nach Erweiterungen des Kanons sehnen.
Nach erstmaligem Schauen würde ich "Solo: A Star Wars Story" vermutlich
7/10 geben.
Meine aktuelle Rangordnung aller Star Wars Filme sieht momentan also wie folgt aus:
1. TESB
2. RO
3. RotS
4. RotJ
5. TFA
6. ANH
7. Solo
8. TLJ
9. AotC
10. TPM
Zwar landet Solo in meiner (sich hin und wieder ändernden) Rangliste recht tief, aber das macht ihn mMn keinesfalls zu einem schlechten Film, bzw. zu einem Film der mich nicht unterhalten kann. Fans würde ich ihn definitiv empfehlen und daran dass auch dieser im Steelbook in einem Bluray Regal landet besteht ohnehin kein Zweifel. Ich bin mal gespannt, was ich nach mehrmaligem Schauen von ihm halte.
Für die Zukunft würde ich mir aber wünschen, dass die Filme von Benioff und Weiss, sowie Rian Johnsons Trilogie tatsächlich endlich mal etwas ganz Neues erforschen, sei es The Old Republic oder überhaupt etwas völlig Neues. Aber ich habe doch die Vermutung, dass sich die anfängliche Nostalgie-Phase bei Disneys Lucasfilm endlich ihrem Ende nähert und uns originellere Settings, Geschichten und Charaktere bevorstehen. Ich bin gespannt, was uns in der Zukunft so erwartet.....