THE MOTHER OF TEARS / THE THIRD MOTHER
(La Terza Madre)
Zugegebenermaßen hat es der Film nicht leicht, denn er ist der lang erwartete Abschluß von Dario Argentos Trilogie der drei Mütter. Der Vorgänger ist "Inferno" (aka "Horror Infernal") und der Erstling ist ausgerechnet Argentos unbestrittenes Meisterwerk "Suspiria". Und dieser ist kein handelsüblicher Horrorstreifen, sondern ein exzellent in Technicolorfarben fotografierter Edelschocker, untermalt von einem herausragenden Soundtrack und dabei auch wirklich gruselig (was man nur von einer Minderheit der Genrefilme behaupten kann). Ein Film von atemberaubender Schönheit, ein audiovisuelles Meisterwerk und eine Mischung aus Horror- und Kunstfilm. Deswegen lief er bei seiner TV-Erstausstrahlung auch nicht auf RTL, sondern bei arte.
Dieser Film dreht sich nun um die dritte Mutter, eine Hexe mit dem Namen "Mutter der Tränen". Anscheinend ein Wink des Schicksals, denn als Zuschauer können einem wirklich die Tränen kommen. Das der Film bei den Kritikern nicht gut ankam, fand ich weniger beunruhigend. Die Enttäuschung bei den Fans war alarmierend, und leider haben sie damit recht.
Ich beginne mal mit der Story. Die Geschichte ist dünn, irgendwie konfus und auch unschlüssig. Gut, Dario Argento war nie jemand, der ausgefeilte Stories gebraucht hat, weil er das in seinen besten Zeiten locker durch die sagenhafte Atmosphäre und die gelungene Inszenierung kaschieren konnte. Diesmal gelang dem Meister der Farben leider nichts davon.
Die Geschichte dreht sich um die einzige echte Hauptfigur Sarah (Asia Argento, wie man am Namen und den tellergroßen Augenringen erkennen kann, die Tochter des Meisters), die erst unter Mordverdacht steht, dann als Tochter einer weißen Hexe entlarvt, ihre Fähigkeiten entdecken darf und deswegen von Ort zu Ort geschickt wird. Ziel ist es, die Mutter der Tränen auszuschalten, wobei so ziemlich jeder, dem Sarah auf diesem Weg begegnet, kurze Zeit später ermordet wird. Die Morde sind wie gewohnt blutig ist Szene gesetzt und fallen teilweise wirklich Krass aus (Frau wird der Bauch aufgeschlitzt und dann mit den eigenen Därmen erwürgt....), aber es ist es eben nur reine Brutalität, es fehlt die Ästhetik der alten Tage. Zudem bietet der Film ansonsten nur wenig. Neben ein paar blutigen Morden gibt es nur noch relativ viel Fleisch zu sehen. Praktisch jeder weibliche Charakter mit einer etwas größeren Rolle darf mal die Brüste ins Bild halten - schade, früher hatte Dario Argento sowas nicht nötig.
Die Handlung hat immense Logiklücken. So steht Rom zwar "vor dem Abgrund" (was sich durch mordende Menschen auf den Straßen äußert), aber dennoch ist es für Sarah kein Problem, bei all dem Chaos noch ein Taxi zu bekommen und unbehelligt durch die Stadt kutschiert zu werden. Der ermittelnde Polizist verschwindet für eine halbe Ewigkeit aus der Geschichte, taucht gegen Ende wie aus dem Nichts wieder auf und hilft Sarah plötzlich. Wie es zu diesem Sinneswandel kommt, bleibt ein Rätsel.
Die Dialoge sind einfach ein Witz. Zum Glück beschränkt sich Sarah in der zweiten Hälfte darauf, ständig "Mami, Mami" jammernd durch die Gegend zu laufen. Die Qualität der Dialoge wie auch die Unlogik des Films zeigt sich auch an einem Beispiel:
Sarah: "Meine Wohnung ist nicht sicher, bei mir waren sie schon."
Sarahs Freund: "Dann gehen wir in meine Wohnung, bei mir ist es sicher."
Halt! Stop! Sichere Wohnung? Nein, nein, nein.... da stimmt was nicht. Hat Sarahs Freund etwa vergessen, daß man in einer früheren Phase des Films seinen Sohn aus der Wohnung entführt hat? Meine Herren.....
Einen weiteren schweren Fehler machte Argento einmal mehr bei der Besetzung der Hauptrolle mit seiner Tochter. Das Asia Argento eine schlechte Schauspielerin ist, die ihr Mindertalent nur selten zur Erträglichkeit kaschieren kann, ist kein Geheimnis. Aber die hier gezeigte Darbietung ist auch für sie der Tiefpunkt. Hoffnungslos überfordert, gerade zu hilflos. Schlechte Schauspielerei kann unfreiwillig komisch sein (man denke an William Shatner), aber Asia erweckt Mitleid. Auch sah sie schon mal besser aus, in den Nahaufnahmen wirkt sie irgendwie abgenutzt.
Eine Klasse für sich ist auch die Mutter der Tränen. War die Hexe in "Suspira" alt, häßlich und verschrumpelt, wird die Mutter der Tränen von einem silikonbestückten Ex-Model gespielt.
Der Rest des Darstellerriege ist unspektakulär. Einzig erwähnenswert ist noch, daß Eurotrash-Legende Udo Kier diesmal recht dezent spielt und nicht wieder hemmungslos chargiert.
Zum Handwerklichen: Der Film bietet ein paar der Argento-typischen langen Kamerafahrten, die aber einen lustlos heruntergekurbelten Eindruck hinterlassen. Ansonsten ist die Kameraführung öfters unglücklich (teilweise werden Gesichtshälften nicht eingefangen) und vor allem so nah an den Gesichtern der Darsteller, daß man befürchten muß, das Objektiv würde gleich beschlagen.
Die Inszenierung ist spannungsarm und auch nicht sehr atmosphärisch. Stellten sich einem bei Suspiria die Nackenhaare auf, klappen einem hier eher die Wimpern der Oberlider nach unten. Nur wenn Sarah gegen Ende des Films das dunkle Gemäuer erkundet, blitzt Argentos Stil mal kurz auf, wenn auch nur für einige Sekunden. Szenen wie die Beschwörung des Geistes von Sarahs Mutter (Daria Nicolodi, Ex-Partnerin von Dario, Mutter van Asia) hinterlassen wegen dem schlechten CGI auch einen eher amüsanten Eindruck.
Die Musik von Claudio Simonetti (-> Goblin) ist von dessen genialsten Momenten (Suspria, Dawn of the Dead) weit entfernt, fällt immerhin passabel aus. Über weite Strecken jenseits von gut und böse, aber immerhin noch mit ein paar guten Momenten.
Der Film enttäuscht auf der ganzen Linie, und dabei habe ich auch noch die ungeschnittene Version gesehen. Ein guter Vorspann, bestenfalls eine Minute brauchbare Atmosphäre und ein hörbarer Soundtrack, mehr ist da nicht. Traurig aber wahr, der Film ist schlecht.
1 von 10 Silikonhexen