Wie dicht so was beieinander liegen kann:
Als ich damals mit den zivilen Helfern ausgerückt bin nach Dresden (ein Arbeitskollege meiner Mutter hat dort Verwandte), da stand vormittags noch das Wasser und gegen Mittag gab es dann Entwarnung.
Die Fahrt auf der Autobahn nach Dresden war schon mulmig. In der Gegenspur fuhren Kolonnen von Bereitschaftspolizei (im Bus erschöpft schlafend), Rotes Kreuz (in den alten Depowagen aus den 60er und 70ern), THW und immer wieder Feuerwehr. Einige Flächen glänzten malerisch in der Sonne (da hatte das Hochwasser ein Einkaufszenter geflutet, welches friedlich neben der Autobahn lag) und dann in Dresden wurde es ganz bizarr.
In der Neustadt (höher gelegen) saßen die Leute vergnügt in den Cafés und tranken ihren Kaffee. Zwischendrin selten mal Feuerwehr, dafür aber beängstigend viel Bundeswehr auf der Straße. Da spürte man spätestens den Ausnahmezustand.
Die Altstadt war noch gesperrt, da war ja Frauenkirche und Semperoper abgesoffen, weil nicht die Elbe das Problem war, sondern die Weiseritz, die ihr altes Flußbett von vor anno Barock zurückhaben wollte und die Altstadt von hinten überrannt hatte. (Damit hatte keiner gerechnet)
Im Zielgebiet angekommen wartete dann das Leid.
Die hohen Zaunshecken waren komplett braun "angesprüht" - sprich die Blätter mit Schlamm verschmiert. Überall Dinge in den Bäumen, die da definitiv nicht hingehören.
Das Wasser stand bei den meisten bis zum Fußboden vom 1. Stock und was darunter war, war komplett für die Tonne. Im Pfarrhaus von Hosterwitz (die Kirche heißt passenderweise "Maria am Wasser" - in dem Fall kurzzeitig "Maria 1,60m unter Wasser") standen zwei Klaviere, wenn man eine Taste drückt...drückt es alle Tasten nach unten und die bleiben unten, will man sie hochdrücken, pellt sich die weiße Deckplatte ab wie ein Fingernagel bei einer Wasserleiche. Die Holzböden so was von verquollen, da war nichts mehr eben, nur Berg-und-Tal-Bahn. Die Leute waren mürrisch, am Rande vom Nervenzusammenbruch und eilig damit beschäftigt den Schlamm von den Treppen und Straßen und Räumen zu bekommen, bevor die Sonne (es war herrliches Sommerwetter, bombig!) es zu einer betonartigen Masse erstarren lässt.
In einem Haus ging man von vorn rein und der Hinterausgang zum Garten...da machst du die Tür auf und die Elbe lacht dich an....Normalerweise ist da ein 10-12m hoher Deich, dann kommt ne Mauer von 1,50m. Unter dem Deich ist normalerweise breites Schwemmland und das eigentliche Flußbett liegt 200m entfernt. Jetzt war das ein breiter brauner Strom, der bis vor paar Stunden noch bis an den 1.Stock geklopt hat.
Was man am Tag nicht sieht, die Leute hatten keinen Strom und Nachts war es stockfinster. Es regnete ja lange Zeit, aber das Wasser stieg auch weiter, als es nicht mehr regnete und du siehst nichts, hörst nur das Fließgeräusch von Wasser. Die Leute haben fast ne Woche lang nicht geschlafen, immer in der Angst, holt das Wasser mein Haus und muß ich fliehen? Oder bleibt es verschont?
Dann ein Geräusch was ich seither auch nicht ohne Hintergedanken mehr hören kann: Hubschrauber...immerzu Hubschrauber, dazu noch Motorgeräusche von Pumpen und Notstromaggregaten.
Bei einem Haus haben wir dan 1000 Sandsäcke vom Rettungswall im Garten weggeräumt und zum baldigen Abtransport an den Zaun geschichtet. Hier brachte der Sandsackwall auch noch was. Das Wasser stieg genau bis zur Sandsackkante und zog sich dann zurück. Die hatten lediglich Grundwasser im Keller, aber dafür wenigstens keinen Schlamm. Das Nachbargrundstück war niedrige gelegen, da ruderten zwei verloren wirkende Feuerwehrmänner in einem Schlauchboot wie auf einem See, in der Mitte das Nachbarhaus. So krass können Unterschiede nebeneinander liegen.
Die Rettung der einen Familie war auch nur dadurch möglich, dass man die Rettung von Schloß Pilnitz hatte aufgegeben. Bis dahin gab es keine Sandsäcke für Privatpersonen, jeder musste sehen wie er selbst klarkommt. Als es hieß, das Schloss ist gefallen, da fuhr die Bundeswehr rum und fragte die erstaunten Leute, wer noch Sandsäcke braucht (soll die Eigeninitiative von ein paar Bundeswehrangehörigen gewesen sein, jetzt wo tausende geschaufelte Sandsäcke bereit auf Halde lagen und keine Kulturgüte mehr zu schützen waren, wurden Soldaten auf Klingeltour geschickt. Da das Gelände von steilen Hügeln flankiert wird, und die noch freien Zufahrtsstraßen einen Neigungswinkel von 18% hatten, konnte kein LKW runter fahren.
Also: Straßensperre, alle Zivilfahrzeuge angehalten: Wo wollen Sie hin? Aha...mir wurscht. Kofferraum auf, Sandsäcke rein, sie fahren da zu der Familie und laden die Teile ab. Sonst noch wünsche? Nein...weiter fahren...)
Abends (auf der anderen Flußseite wurde noch gepumpt und die Feuerwehr leuchtete mit Scheinwerfern alles ab) sahen wir dann Leute, die auf dem Fußweg gegrillt haben. Romantisch?
Es war die einzige Möglichkeit seit Tagen überhaupt was warmes sich zu Essen zu machen.
Und wo keine 8 Kilometer weit gefeiert wird, haben Leute ums Leben gefürchtet.
Ein spontaner Helfer aus Pirna (er schloß sich unserer Aufräumrunde ohne viel Auflesens darum zu machen, einfach an), erzählte uns in einer Pause, das die Leute dort in den höhergelegenen Neubaugebieten die Notrationspakete abgefangen haben, die für die eigentlichen Flutopfer bestimmt waren. Ganz einfach, oben gabs noch Strom, die haben die Aufrufe im Radio gehört, die die es betroffen hat, die hatten kein Radio und auch kein Strom, die konnten also nicht zu den zentralen Vergabestellen kommen und vorbeigefahren ist da auch keiner um denen das zu sagen.
Not, Elend und Sicherheit und Komfort trennen nur ein paar Höhenmeter, ebenso Todesangst, Ärger," weil im Fernsehen nichts anderes kommt, als diese blöde Flut", Gier, Hunger, Verzweiflung und dann doch ne gewisse Schönheit (die Gegend ist schön, das Wetter war exzellent und das Bier was man uns nach dem harten Tag spendiert hat, schmeckte köstlich (das muß was heißen, ich bin sonst kein Biertrinker)) und doch auch einen Keim von Hoffnung, es gab einfach Leute die losgezogen sind und angepackt haben, ohne zu Fragen, was springt für mich dabei herraus oder die so viel lokalen Weitblick hatten und angepackt haben, wo es Not tat.