Wie Matthew Stover kürzlich betonte, sind die Jedi keine Götterwesen, sondern gewöhnliche Fühlende mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Für diese Feststellung liebe ich den Mann schon jetzt. Denn fest steht, daß das Erweiterte Universum die Jedi nach Endor zu unfehlbaren Überhelden erhoben hat. Spätestens seit Episode II liegt diese Fehlentwicklung deutlich sichtbar zutage.
Ich denke, man sollte aufhören, von den Jedi zu erwarten, daß sie alle menschlichen Fehler einfach beiseiteschieben können. In Episode VI geht Luke keinesfalls als Gott, sondern als fehlerhafter, vielfach schwacher Mensch auf seine größte Mission. Am Ende erkennt er die größere Wahrheit hinter dem Horizont, verpflichtet sich dem Dienst an den Anderen und besiegt den Drachen für immer.
Das EU setzt diese Entwicklung nun aber voraus. Hier dürfen Jediritter nicht mehr fehlerhaft sein, im Kampf gegen ihren persönlichen Drachen aus diesen Fehlern lernen und schließlich als gereinigter Prophet daraus hervorgehen. Statt dessen verlangt man von ihnen, von Anfang an die Weisheit von Generationen in sich zu tragen und der Welt menschlicher Schwäche von Anfang an den Rücken zu kehren. Ist es da ein Wunder, das viele straucheln und sogar fallen?
Sieht man es universumsintern, dann ist diese Entwicklung Lukes Schuld. Im Falle einer solchen Betrachtungsweise wäre es an ihm gewesen, jene Reise, die er selbst bestehen mußte, zur Grundlage des Neuen Ordens zu erheben.
Doch ist diese Sichtweise meines Erachtens kaum haltbar. Das EU hat sich von Anfang an von den mythischen Heldenreisen der Filme gelöst und sich ihnen mit geradezu verbissener Feindseligkeit entgegengestellt. An die Stelle der Selbstüberwindung hat das EU endlose Lichtschwertübungen gesetzt, aus dem Drachen wurden schwächliche, eher bemitleidens-, als hassenswerte Anhänger der alten Ordnung, oder endlose Ströme von Superwaffen. Die Jedi wurden Krieger, keine erleuchteten Ritter und Heiler der Welt.
Hier muß ich Mara Jade zustimmen, die am Ende des alten EU feststellte, daß der neue Jediorden vielfach eher ein Orden der dunklen, als der hellen Seite sei.
Ich halte es für falsch, Schwächen als Fehler zu sehen. Sie mögen hinderlich sein, doch lehren sie einen mehr, als endlos angeborene Tugenden. Das Leben eines Jedi ist nicht leicht. Während seine Mitmenschen ihre Fehler ignorieren und kaschieren dürfen, ist es an ihm, sich ihnen zu stellen, sie zu verstehen und sie zu überwinden. Nicht die Macht, sondern dieser Kampf macht ihn zu einem wahren Ritter.
Yoda kann man die Fehlentwicklung nach Endor meines Erachtens nicht vorwerfen. Er hat Luke in die Höhle geschickt und sein Versagen erkennen lassen. Mit dieser Übung hat er seinem Padawan klargemacht, daß das Versagen zum Leben eines Jedi gehören wird, und daß man sich Fehlern stellen muß.
Bis zur Siegesfeier auf Endor scheint Luke das verstanden zu haben. Nicht die dunkle Seite fordert er heraus, sondern die Fehler seines Vaters. Er erkennt sie, überwindet sie und macht es seinem Vater sogar möglich, dessen alte Heldenreise nach Jahren in der Finsternis abzuschließen.
Nach Endor aber gleitet Luke in einen seltsamen Sumpf aus Relikten alter Jedi und schwammigen Dogmen seines Meisters. Seine Schüler indoktriniert er, statt sie zu lehren. Er läßt sie mit ihren Nöten allein, stürzt sich in Kämpfe, die nicht die seinen sind, und seine größten Siege werden zu seinen größten Niederlagen.
Woher kommt diese Entwicklung? Ich muß gestehen, ich kann es mir nicht erklären. Zumindest nicht innerhalb der Grenzen des Universums.
Und wenn die Fehlersuche in jener weit entfernten Galaxis keine Erfolge aufweist, muß man wohl oder übel auf jene Kreaturen zurückgreifen, die die Geschichte jenes obskuren Heldendramas aufgezeichnet haben. Den ersten Schuldigen finden wir hier in Timothy Zahn. Abgesehen davon, daß er es für nötig befand, machthemmende Kreaturen gegen in seinen Augen übermächtige Jedi zu schicken, ist es ebenfalls ihm zuzuschreiben, daß der mythische Pfad verlassen wurde. Von einer Sekunde zur nächsten wurde aus dem Helden Luke Skywalker ein mickriger und alberner Quasi-Jedi, der herumstolperte wie ein betrunkenes Bantha und sich selbst karrikierte. Zweiter im Bunde der Jedi-Vernichter ist K. J. Anderson. In seinen Büchern schuf Luke eine obskure Akademie, die sich mehr durch Platitüden, als durch wirkliche Erkenntnis auszeichnete. Das einzig Gute an Anderson ist, daß er wenigstens auch eine Anti-Figur zu Lukes sinnlosem Tun aufgebaut hat: Kyp Durron. Seltsamerweise wurde Kyps Rolle aber nicht bis zum Ende ausgearbeitet. Denn obwohl er die Personifzierung von Lukes Fehlern wird, lernt bis zum Ende des alten EU niemand aus diesen. Luke wird zur Katanaflotte seines Ordens und steht ständig kurz davor, seinem persönlichen Virus zu erliegen und blind in den Hyperraum der dunklen Seite zu springen. In dieser Aufzählung sollte man natürlich auch das sagenhafte Dunkle Imperium nicht vergessen. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was ich von diesem Machwerk denke. Vor allem entgeht mir der Sinn von Lukes spontanem Überlaufen zur dunklen Seite.
Die grundlegende Ursache der Fehlentwicklung des Erweiterten Jeditums liegt meiner Meinung nach in einem fatalen Denkfehler: das EU hat es lange Zeit nicht verstanden, neue Helden aufzubauen. Lukes Heldenreise ist am Ende von Die Rückkehr der Jediritter praktisch abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt ist es an ihm, als letztem Jedi, den Orden neu zu errichten und der Welt die Lehre von Frieden und Gerechtigkeit näher zu bringen.
Sieht man es mythenintern, so ist Lukes Figur also letztlich uninteressant geworden. Die einzige Möglichkeit, die es hier wirklich gegeben hätte, wäre die des Minos. Auch dieser war einst ein Held, doch war seine Gier am Ende stärker als seine Demut. So wurde er zum geradezu idealen Tyrannen: aus ehrbaren Motiven schöpfte er Finsternis, wo immer er seine Hand hinlegte, wurde die Welt zu Asche und ohne es selbst zu bemerken, wurde er zur Anti-Figur seiner Selbst. Am Ende mußte ein neuer Held kommen, um das Böse zu besiegen.
Lukes EU-Entwicklung weist eine Menge Parallelen zu der des Minos auf: aus guten Motiven tat Luke böses. Er wollte die Jedi neu begründen und schuf eine bizarre Quasi-Organisation, der es nie wirklich gelang, ihre wahre Bestimmung zu erfüllen. Er ging zur dunklen Seite über, um zu lernen und sich zu bessern. Das Land um ihn wurde zu Asche.
Am Ende taucht sogar der neue Held auf, wobei er in einer Vielzahl von Gestalten kommt: man mag ihn in Corran sehen, oder in Mara, oder in Jacen und Anakin. In Das Dunkle Imperium war er bis zu einem gewissen Punkt sogar Leia.
Doch hier endet es. Der neue Tyrann wird nicht besiegt, die neuen Helden treten nicht an seine Stelle, es kommt vielmehr zu einer Unmöglichkeit: der Tyrann wird erlöst und kehrt ins Licht zurück. Spätestens hier ist es mit der Glaubwürdigkeit vorbei.
Luke ist zu seinem Ideal zurückgekehrt und lernt aus seinen Fehlern, aber selbst Anakin lebte im Licht nicht fort. Star Wars ist in vielerlei Hinsicht ein Gedicht mit Refrain, und vieles was war, wird sich wiederholen. Aber muß man es auf die Spitze treiben? Es ist gut, daß die Gefallenen gerettet werden, aber daß sie weiterleben ist falsch. Die Filme gaben Palpatine nicht die Chance, ins Licht zurückzukehren. Tarkin erhielt sie nicht, und ob Dooku sie erhält, steht noch in den Sternen. Die Filme haben die meisten Übeltäter mit dem Tode bestraft, anstatt sie zu eretten. Das EU wagte es nicht, diesen Schritt mit Luke zu gehen. Und das ist eine Tragödie, denn dieser Abschluß der Geschichte hätte Ausrutscher, wie die Jedi Akademie, die Ysalamiri oder selbst die Kristallstern-Entwicklung mit Sinn erfüllt und sie gerechtfertigt. So ist der Rest nur Schweigen.