Brianna Kae
Silbermähne
Alzoc III - Kleine Schlucht, auf dem Rückweg zum Dorf - Talz, Kssor, Levon (NPCs) - Kestrel, Aketos, Kadajj, Brianna
Kadajj reagierte exakt wie ein kleines Kind – sie hätte nicht gestritten. Es war wie bei zwei Schulmädchen, die behaupteten, nur die jeweils andere würde streiten, als ob sowas ginge. Offensichtlich dachte sie tatsächlich so, und alle Konflikte wären einzig Briannas Schuld. Hingegen reagierte Kestrel ziemlich gereizt auf die Worte ihrer Padawan. Sie glaubte ihr nicht, dass sie ihren Auftrag nicht über die kleinen Reibereien vergaßen, beziehungsweise sie waren drauf und dran, und die Weißhaarige gewann zunehmend den Eindruck, die Schelte ihrer Meisterin bezog sich hauptsächlich auf sie. Jedenfalls hielt sie ihnen eine ziemliche Standpauke, dass es eben nicht um ihre (also Briannas) Probleme ginge, sondern um die Talz. Dabei unterstellte sie ihnen (ihr), zu riskieren, dass jemand deswegen auf der Mission zu Schaden käme. Sie hatte keinen Zorn auf die Rattataki, es war nur leider oft nicht so einfach mit ihr, so ähnlich wie bei kleinen Kindern in der Trotzphase: sie machten einem schon manchmal das Leben schwer, doch deswegen mochte man sie trotzdem, trotz all der Schwierigkeiten.
„Wir sind doch nicht taub!“
Grollte die Echani, die auf das ‚wir‘ in erster Linie wegen Kadajj zurückgriff. Dass die Ritterin vor allem ihre Padawan meinte war ohnehin klar, noch eine Sache, die sie in ihrem früheren Leben genauso erlebt hatte: wenn du einmal Schwäche zeigst, findest du dich bald immer als Schuldige wieder, wann immer gerade eine gebraucht wurde. Versage regelmäßig in einer speziellen Angelegenheit, die dir eigentlich gar nicht liegt (wie die Macht) und du hast schnell das Image weg, überall zu versagen. Manchmal erinnerte Alzoc III geradezu erschreckend an Gamorr.
„Und was macht dich denken, dass wir unsere Aufgaben sträflich vernachlässigen? Ich wüsste gerne ein konkretes Beispiel!“
Fauchte eine Brianna, die sich zunehmend an Kestrels diverse Vorgänger und die dort vorhandenen Probleme erinnert fühlte.
„Seit wann denkst du überhaupt so schlecht von mir! Wann habe ich jemals mich und meine Probleme in den Mittelpunkt gestellt! Ich habe in der Mine die ganze Zeit über getan was ich konnte und Kadajj auch, dabei hätten wir beileibe Grund genug gehabt, es nicht zu tun! Und jetzt sagst du, wir vernachlässigen unsere Pflichten?“
Über all die kleineren und größeren Schwierigkeiten, mit denen sie im Verlauf ihres Einsatzes konfrontiert worden waren, hatte sie die Sorge der Schwangeren um Josea ebensowenig vergessen, wie sie die Vision und die wieder freigelegte Wunde ihrer Vergewaltigung verdrängen konnte. Sie hatte sie lediglich beiseite geschoben, weil sie keine Zeit dafür gehabt und eine Mission zu erfüllen hatte. Auch das hatte sie schon vor langer Zeit gelernt, zu funktionieren, egal wie es ihr ging. Wie zum Imperator kam Kestrel dazu anzunehmen, es wäre plötzlich anders? Vermutlich war es tatsächlich die alte Leier: wenn du unzuverlässig in Machtdingen bist, bist du es überall.
„Ich würde niemals auch nur den Bruchteil einer Sekunde zögern, wenn du oder Kadajj in Gefahr wären.“
Nicht, dass die beiden Superjedi auf sie angewiesen wären, schmollte sie. Desweiteren zeigte sich die Rattataki ob ihrer Fresssucht uneinsichtig, doch das war wirklich das geringste Problem, und die Zeit, die sie für sich allein hatte, nutzte sie, um über ihre beiden Freundinnen nachzudenken. Natürlich hielt sie auch nach Piraten Ausschau, aber früher hätte sie sowas nicht gegeben. Offenbar verlor die Coruscanti ganz plötzlich das Vertrauen zu ihr; früher hätte sie sie niemals derart in Frage gestellt. Wenn es so weiter ging hatten sie bestimmt bald ihren ersten richtigen Streit. Nicht, dass sie eine Auseinandersetzung scheute oder ihr auch nur aus dem Weg ging, doch allein dass es danach aussah stimmte sie schon ein wenig traurig.
Vielleicht rührte Kestrels schlagartig härtere Gangart ihr gegenüber auch daher, dass es nunmehr eine alternative Schülerin in Form von Kadajj gab. Offenbar verstanden die beiden sich ja prächtig, und während sie beide eingeschlossen gewesen waren hätten sie Zeit gehabt, alles mögliche zu besprechen. Vielleicht tauschten sie sich auch auf telepathischem Wege aus, allein die mentale Projektion eines Bildes der beiden als Meisterin und Padawan würde genug aussagen. Tatsächlich würde dies eine Menge Dinge erklären. Zum Beispiel, dass die Kahlköpfige sich in Kestrels Gegenwart auffällig besser im Griff hatte: die Ritterin hatte ihre aberwitzige Fressattacke ja nicht miterlebt. Auch die Angeberei mit der Machtblase sprach dafür, dass die Schwangere sie gerne verdrängen wollte. Oder so überheblich, wie sie sich immer gab, Brianna dabei permanent vermittelnd, dass sie sich für überlegen hielt. Oder wie wenig sich die Dunkelhaarige auf einmal um ihre spezifischen Stärken und Schwächen scherte, wie als sie mal eben hundert oder mehr Tonnen Fels hätte weglevitieren sollen. War das ein ‚entweder du schaffst es oder ich suche mir eine Schülerin, die es tut‘?
Andererseits konnte die Silberhaarige sich nicht ohne weiteres vorstellen, dass ihre beiden Freundinnen sie derart hintergingen. Kadajj war schwierig; Brianna gab eindeutig mehr in diese Freundschaft hinein als sie wieder herausbekam, allzu häufig hatte sie das Gefühl, um des lieben Friedens willen zurückstecken zu müssen und teilweise war es eine mehr als einseitige Angelegenheit, zumal der Anderen Mitgefühl offenbar fremd war, doch würde sie ihr bestimmt keinen Dolch in den Rücken stoßen. Auch Kestrel: sie war die empathischere der beiden und wusste ganz genau, was sie ihr antäte, ließe sie sie fallen. Punkt. Ja, es war wirklich so einfach. Trotzdem wüsste sie gerne, wie sie dazu kam, sie so runterzuputzen, und was sie ihr getan hatte, damit es auf einmal dazu kam. Brianna erinnerte sich lediglich an ein einziges Mal, dass sie sich so verhalten hatte. Es war auf Korriban gewesen, und die sensible Echani hatte es gelinde gesagt recht schlecht weggesteckt. Letztendlich traute sie es den beiden nicht zu, sie zu hintergehen – obwohl sie die Augen nach etwaigen Anzeichen offen halten würde.
Die rasende Rattataki war bei ihrer Rückkehr ziemlich kurz angebunden, und als sie sie verließ, rief sie ihr etwas Unfreundliches in einer fremden Sprache hinterher – was, wenn sie sie doch rausmobben wollte? Sie schien vom Konkurrenzgedanken besessen zu sein, und angesichts ihrer Herkunft war nicht überraschend, dass sie kein Miteinander kannte. Ganz froh, eine Beschäftigung zu haben, bei der sie sich nicht gegenseitig auf den Keks gingen, lief sie vor direkt zu Aketos und den Verwundeten und ignorierte dabei ihre Mentorin, die ja ebenfalls aus irgendeinem Grund sauer auf sie zu sein schien.
„Na, ist alles in Ordnung hier bei euch?“
Erkundigte sie sich nach außen hin gut gelaunt. Ein sehr großer und vermutlich einst kräftiger Talz hatte offenbar starke Schmerzen gehabt. Er war zugedeckt gegen die Kälte, da er bereits Teile seines Fells verloren hatte, und als sie ihn abdeckte, um ihn sich anzusehen, erkannte sie ihn wieder. Sein ganzer Körper war von teils frischen, teils älteren Wunden übersäht, von denen einige eiterten. Brianna hatte ihn zurückgestellt, weil keine davon unmittelbar zum Tode führen würde, was eine Menge darüber aussagte, wie dringend sie hier medizinische Versorgung benötigten.
„Keine Angst, ich bin jetzt wieder da. Ich werde dafür sorgen, dass Sie schön schlafen, und sobald Sie aufwachen, wird es Ihnen besser gehen.“
Sprach sie sanft und bemüht, bei den Talz ihren persönlichen Ärger herauszuhalten.
„Folpho hat seit Tagen kein Auge mehr zugetan vor lauter Schmerzen – heißt das, du wirst ihm ebenfalls den magischen Schlaf schenken?“
Fragte Fao Weh, die damit die Heiltrance meinte, woraufhin die Padawan-Heilerin bestätigend nickte. Die Erfolge bei Sahb, der friedlich schlief und ohne ihr Zutun stabil blieb, sich sogar leicht besserte, waren mehr als ermutigend. Doch all das nahmen ihre Kolleginnen für selbstverständlich, dabei war keine von ihnen auch nur annähernd dazu in der Lage, nur sahen sie das nicht. Sie sahen immerzu nur das schlechte an ihr. Wann hatte Kadajj zum Beispiel zum letzten Mal etwas positives über sie gesagt, sie gar gelobt? Die Echani würde die Talz hinter ihren persönlichen Interessen zurückstellen, ha! Hatte Kestrel eigentlich die geringste Ahnung, wie anstrengend Machtheilung war? Brianna hatte einer ganzen Reihe von Talz unmittelbar das Leben gerettet, während die beiden sich nur aufs Töten verstanden, und sie musste sich anschnauzen lassen, wenn sie darum bat, ihr diese Aufgabe nicht noch schwerer zu machen, als sie ohnehin schon war? Sie...
Die weißhaarige Padawan unterbrach sich. Wenn sie weiterhin so ihren negativen Gedanken nachhing, würde sie heute nicht mehr viel bewegen. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren, auf die Talz, die ihre Hilfe brauchten, und durfte nicht so sehr an die anderen denken. Sie betrachtete die Kranken und Verletzten und versuchte ihren Geist zu leeren, in dem Mitgefühl immer mehr Raum einnahm. Wenn die anderen sie auch nicht brauchten – diese armen Wesen taten es.
Brianna saß noch nicht lange, als sie zu frieren begann. Es wurde dunkel und außerdem empfindlich kalt. In der Mine war es vergleichsweise warm gewesen und auch hier hatte es ihr nicht allzu viel ausgemacht, solange sie in Bewegung geblieben war, doch jetzt machte sich das eisige Klima bemerkbar, und sie erlaubte sich daher, die Anzugheizung etwas höher zu drehen, auf etwa die Hälfte. Die wohlige Wärme half ihr; ohne weitere Unterbrechungen konnte sie bald die Präsenz des Talz-Patienten spüren. Sie studierte den Energiefluss zu den Chakren und nahm einige subtile Veränderungen vor, bis das Gefühl mit der Erinnerung an ihre eigene Trance übereinstimmte. Auf gewisse Weise erinnerte ihr Vorgehen sie an einige Echani-Kampftechniken der dritten und höchsten Stufe, nur dass ihr Vorgehen noch sanfter und weniger invasiv war.
Mental ziemlich erschöpft sprang sie vom Skiff, wo sie den friedlich schlafenden Folpho zurückließ. Hätte sie sich völlig der Heilung hingegeben, hätte sie mit demselben Aufwand vermutlich noch mehr erreicht, doch unter den gegebenen Umständen konnte sie sich nicht erlauben, für eine undefinierte Zeitspanne komplett weggetreten zu sein. Eine Weile marschierte sie wortlos neben Kestrel her, bis die Ritterin schließlich als erste das Schweigen brach und sich erfreut zeigte, dass Kadajj ihren Heißhunger zuletzt unter Kontrolle gehabt hatte.
„Ja, in der Tat,“
Erwiderte die Padawan einsilbig und fügte, da sich das fragliche Objekt in Hörweite weilte, lediglich in Gedanken dazu, dass der einzige Grund dafür war, dass sie zu dem Zeitpunkt von einem einmaligen Potpourri aus Dörrnerf, Fischkuchen und Pfirsich gesättigt war. Die Kontrolle der Rattataki über sich selbst reichte keineswegs so weit; beziehungsweise sie brauchte schon ein ungeheures Ausmaß an Selbstdisziplin, nur um nicht zu werden wie ihre verrückte Cousine Ashû, deren Naturell ihr wesentlich eher entsprach als das einer Jedi, doch in vollem Ausmaß bekam Brianna dies ja als einzige zu sehen – vor anderen gelang es ihr ja, sich noch etwas mehr zusammenzunehmen. Anschließend fragte die Ritterin sie über den Verlauf der Mission und die Heilung aus, ein Thema bei dem die silberhaarige angehende Jedi gesprächiger wurde, immerhin hoffte sie, aus den Reaktionen ihrer Meisterin herauszulesen, wie enttäuscht oder auch nicht sie von der Darbietung ihrer Padawan war.
„Es läuft tatsächlich ziemlich gut, denke ich, und die Talz haben großen Respekt vor mir, auch wenn es sehr anstrengend war. Ich finde auch, dass ich für die kurze Zeit seit meiner Vision in der Höhle große Fortschritte gemacht habe, zum Beispiel war ich sehr effektiv mit der Heiltrance, die ich zum ersten Mal auf eine andere Person angewendet habe und eben wieder, wie es scheint mit gutem Erfolg.“
Bekannte sie ehrlich und auch einigermaßen gut gelaunt, schließlich war sie wirklich stolz. Immerhin hätte sie sich nach der Erkenntnis, was ihr alter Meister ihr Ungeheuerliches angetan hatte, auch zurückziehen und einigeln können, aber nein, sie blickte nach vorne und machte einen Schritt nach vorne. Tief drinnen schwang dennoch die Enttäuschung mit, weil der Schritt ihren Mitjedi offenbar zu klein war, und eine kleine Portion Misstrauen.
Den Rest des Weges erzählte sie ausführlich, was sie in der Mine die ganze Zeit erreicht und gemacht hatte, bemerkte jedoch immer wieder, dass ihre Meisterin gar nicht richtig zuhörte. Manche Dinge wiederholte sie, und im Laufe der Zeit machte sich etwas Frustration breit, doch schließlich hatte sie alles angesprochen, was aus ihrer Sicht bedeutend gewesen war. Die Schutzblase, mit besonderer Skepsis, weil diese inzwischen mehr Quell des Ärgers und des Frusts war nach der Vorstellung ihrer Kolleginnen. Die Fortschritte bei der Heilung, die sie mit der Frage verband, ob die Coruscanti je erlebt hatte, dass jemand während der Machtanwendung so stark auf die Tötung von Lebewesen reagierte wie sie heute. Sie fand es ironisch, da sie sich zu Beginn des Tages noch Sorgen gemacht hatte, bald wieder so leichtfertig zu töten wie in den schlechten alten Zeiten, was nun wohl nie passieren würde. Ebenfalls fand der bemerkenswerte Einsatz von Geschwindigkeit Erwähnung, die die Abwehr von Blasterschüssen zur Trivialität gemacht hatte sowie der Erfolg darin, die Flugbahn einen Wurfdolchs mit der Macht zu beeinflussen, wenn auch all dies immerzu unter dem heimlichen Vorbehalt stand, dass ihre Meisterin es nicht allzu sehr interessierte oder gar honorierte. Besonders auch bei der Levitation – sie fragte, was sie falsch gemacht hatte, als sie den Blaster des einen Piraten zu Elektrostaub zerdrückt hatte und stellte für sich fest, beim Levitieren der Felsbrocken nach ihren Maßstäben gute Arbeit geleistet zu haben, gleichwohl in der festen Überzeugung, dass Kestrel gegenteilig dachte.
So erreichten sie das Dorf – Brianna folgte der Coruscanti, als diese halbwegs in eine der Hütten stolperte, und verfolgte ihre Erzählungen mit mäßiger Laune. Die Arme verschränkt, hielt sie sich im Hintergrund und dachte sich ihren Teil dazu. Insbesondere ärgerte sie sich darüber, dass ihre Meisterin ihre Entscheidung, die Piraten lediglich gefangen- und ins Dorf mitzunehmen, als ihre eigene auszugeben, nachdem sie und ihre Lieblingspadawan Kadajj bis dato wenig anderes als Piratengulasch gemacht hatten und sie als einzige wirklich versucht hatte, Leben zu schonen und so viele Bad Wolves wie möglich bei minimalen Kausalitäten festzunehmen. Zunächst wartete sie allerdings Sarids Reaktion ab – verbunden mit dem Entschluss, notfalls unter vier Augen mit der Advisorin zu sprechen.
Alzoc III - im tief verschneiten Talzdorf - in Khor-Sas Hütte - diverse Talz, Sarid, Kestrel, Rilanja und Brianna
Kadajj reagierte exakt wie ein kleines Kind – sie hätte nicht gestritten. Es war wie bei zwei Schulmädchen, die behaupteten, nur die jeweils andere würde streiten, als ob sowas ginge. Offensichtlich dachte sie tatsächlich so, und alle Konflikte wären einzig Briannas Schuld. Hingegen reagierte Kestrel ziemlich gereizt auf die Worte ihrer Padawan. Sie glaubte ihr nicht, dass sie ihren Auftrag nicht über die kleinen Reibereien vergaßen, beziehungsweise sie waren drauf und dran, und die Weißhaarige gewann zunehmend den Eindruck, die Schelte ihrer Meisterin bezog sich hauptsächlich auf sie. Jedenfalls hielt sie ihnen eine ziemliche Standpauke, dass es eben nicht um ihre (also Briannas) Probleme ginge, sondern um die Talz. Dabei unterstellte sie ihnen (ihr), zu riskieren, dass jemand deswegen auf der Mission zu Schaden käme. Sie hatte keinen Zorn auf die Rattataki, es war nur leider oft nicht so einfach mit ihr, so ähnlich wie bei kleinen Kindern in der Trotzphase: sie machten einem schon manchmal das Leben schwer, doch deswegen mochte man sie trotzdem, trotz all der Schwierigkeiten.
„Wir sind doch nicht taub!“
Grollte die Echani, die auf das ‚wir‘ in erster Linie wegen Kadajj zurückgriff. Dass die Ritterin vor allem ihre Padawan meinte war ohnehin klar, noch eine Sache, die sie in ihrem früheren Leben genauso erlebt hatte: wenn du einmal Schwäche zeigst, findest du dich bald immer als Schuldige wieder, wann immer gerade eine gebraucht wurde. Versage regelmäßig in einer speziellen Angelegenheit, die dir eigentlich gar nicht liegt (wie die Macht) und du hast schnell das Image weg, überall zu versagen. Manchmal erinnerte Alzoc III geradezu erschreckend an Gamorr.
„Und was macht dich denken, dass wir unsere Aufgaben sträflich vernachlässigen? Ich wüsste gerne ein konkretes Beispiel!“
Fauchte eine Brianna, die sich zunehmend an Kestrels diverse Vorgänger und die dort vorhandenen Probleme erinnert fühlte.
„Seit wann denkst du überhaupt so schlecht von mir! Wann habe ich jemals mich und meine Probleme in den Mittelpunkt gestellt! Ich habe in der Mine die ganze Zeit über getan was ich konnte und Kadajj auch, dabei hätten wir beileibe Grund genug gehabt, es nicht zu tun! Und jetzt sagst du, wir vernachlässigen unsere Pflichten?“
Über all die kleineren und größeren Schwierigkeiten, mit denen sie im Verlauf ihres Einsatzes konfrontiert worden waren, hatte sie die Sorge der Schwangeren um Josea ebensowenig vergessen, wie sie die Vision und die wieder freigelegte Wunde ihrer Vergewaltigung verdrängen konnte. Sie hatte sie lediglich beiseite geschoben, weil sie keine Zeit dafür gehabt und eine Mission zu erfüllen hatte. Auch das hatte sie schon vor langer Zeit gelernt, zu funktionieren, egal wie es ihr ging. Wie zum Imperator kam Kestrel dazu anzunehmen, es wäre plötzlich anders? Vermutlich war es tatsächlich die alte Leier: wenn du unzuverlässig in Machtdingen bist, bist du es überall.
„Ich würde niemals auch nur den Bruchteil einer Sekunde zögern, wenn du oder Kadajj in Gefahr wären.“
Nicht, dass die beiden Superjedi auf sie angewiesen wären, schmollte sie. Desweiteren zeigte sich die Rattataki ob ihrer Fresssucht uneinsichtig, doch das war wirklich das geringste Problem, und die Zeit, die sie für sich allein hatte, nutzte sie, um über ihre beiden Freundinnen nachzudenken. Natürlich hielt sie auch nach Piraten Ausschau, aber früher hätte sie sowas nicht gegeben. Offenbar verlor die Coruscanti ganz plötzlich das Vertrauen zu ihr; früher hätte sie sie niemals derart in Frage gestellt. Wenn es so weiter ging hatten sie bestimmt bald ihren ersten richtigen Streit. Nicht, dass sie eine Auseinandersetzung scheute oder ihr auch nur aus dem Weg ging, doch allein dass es danach aussah stimmte sie schon ein wenig traurig.
Vielleicht rührte Kestrels schlagartig härtere Gangart ihr gegenüber auch daher, dass es nunmehr eine alternative Schülerin in Form von Kadajj gab. Offenbar verstanden die beiden sich ja prächtig, und während sie beide eingeschlossen gewesen waren hätten sie Zeit gehabt, alles mögliche zu besprechen. Vielleicht tauschten sie sich auch auf telepathischem Wege aus, allein die mentale Projektion eines Bildes der beiden als Meisterin und Padawan würde genug aussagen. Tatsächlich würde dies eine Menge Dinge erklären. Zum Beispiel, dass die Kahlköpfige sich in Kestrels Gegenwart auffällig besser im Griff hatte: die Ritterin hatte ihre aberwitzige Fressattacke ja nicht miterlebt. Auch die Angeberei mit der Machtblase sprach dafür, dass die Schwangere sie gerne verdrängen wollte. Oder so überheblich, wie sie sich immer gab, Brianna dabei permanent vermittelnd, dass sie sich für überlegen hielt. Oder wie wenig sich die Dunkelhaarige auf einmal um ihre spezifischen Stärken und Schwächen scherte, wie als sie mal eben hundert oder mehr Tonnen Fels hätte weglevitieren sollen. War das ein ‚entweder du schaffst es oder ich suche mir eine Schülerin, die es tut‘?
Andererseits konnte die Silberhaarige sich nicht ohne weiteres vorstellen, dass ihre beiden Freundinnen sie derart hintergingen. Kadajj war schwierig; Brianna gab eindeutig mehr in diese Freundschaft hinein als sie wieder herausbekam, allzu häufig hatte sie das Gefühl, um des lieben Friedens willen zurückstecken zu müssen und teilweise war es eine mehr als einseitige Angelegenheit, zumal der Anderen Mitgefühl offenbar fremd war, doch würde sie ihr bestimmt keinen Dolch in den Rücken stoßen. Auch Kestrel: sie war die empathischere der beiden und wusste ganz genau, was sie ihr antäte, ließe sie sie fallen. Punkt. Ja, es war wirklich so einfach. Trotzdem wüsste sie gerne, wie sie dazu kam, sie so runterzuputzen, und was sie ihr getan hatte, damit es auf einmal dazu kam. Brianna erinnerte sich lediglich an ein einziges Mal, dass sie sich so verhalten hatte. Es war auf Korriban gewesen, und die sensible Echani hatte es gelinde gesagt recht schlecht weggesteckt. Letztendlich traute sie es den beiden nicht zu, sie zu hintergehen – obwohl sie die Augen nach etwaigen Anzeichen offen halten würde.
Die rasende Rattataki war bei ihrer Rückkehr ziemlich kurz angebunden, und als sie sie verließ, rief sie ihr etwas Unfreundliches in einer fremden Sprache hinterher – was, wenn sie sie doch rausmobben wollte? Sie schien vom Konkurrenzgedanken besessen zu sein, und angesichts ihrer Herkunft war nicht überraschend, dass sie kein Miteinander kannte. Ganz froh, eine Beschäftigung zu haben, bei der sie sich nicht gegenseitig auf den Keks gingen, lief sie vor direkt zu Aketos und den Verwundeten und ignorierte dabei ihre Mentorin, die ja ebenfalls aus irgendeinem Grund sauer auf sie zu sein schien.
„Na, ist alles in Ordnung hier bei euch?“
Erkundigte sie sich nach außen hin gut gelaunt. Ein sehr großer und vermutlich einst kräftiger Talz hatte offenbar starke Schmerzen gehabt. Er war zugedeckt gegen die Kälte, da er bereits Teile seines Fells verloren hatte, und als sie ihn abdeckte, um ihn sich anzusehen, erkannte sie ihn wieder. Sein ganzer Körper war von teils frischen, teils älteren Wunden übersäht, von denen einige eiterten. Brianna hatte ihn zurückgestellt, weil keine davon unmittelbar zum Tode führen würde, was eine Menge darüber aussagte, wie dringend sie hier medizinische Versorgung benötigten.
„Keine Angst, ich bin jetzt wieder da. Ich werde dafür sorgen, dass Sie schön schlafen, und sobald Sie aufwachen, wird es Ihnen besser gehen.“
Sprach sie sanft und bemüht, bei den Talz ihren persönlichen Ärger herauszuhalten.
„Folpho hat seit Tagen kein Auge mehr zugetan vor lauter Schmerzen – heißt das, du wirst ihm ebenfalls den magischen Schlaf schenken?“
Fragte Fao Weh, die damit die Heiltrance meinte, woraufhin die Padawan-Heilerin bestätigend nickte. Die Erfolge bei Sahb, der friedlich schlief und ohne ihr Zutun stabil blieb, sich sogar leicht besserte, waren mehr als ermutigend. Doch all das nahmen ihre Kolleginnen für selbstverständlich, dabei war keine von ihnen auch nur annähernd dazu in der Lage, nur sahen sie das nicht. Sie sahen immerzu nur das schlechte an ihr. Wann hatte Kadajj zum Beispiel zum letzten Mal etwas positives über sie gesagt, sie gar gelobt? Die Echani würde die Talz hinter ihren persönlichen Interessen zurückstellen, ha! Hatte Kestrel eigentlich die geringste Ahnung, wie anstrengend Machtheilung war? Brianna hatte einer ganzen Reihe von Talz unmittelbar das Leben gerettet, während die beiden sich nur aufs Töten verstanden, und sie musste sich anschnauzen lassen, wenn sie darum bat, ihr diese Aufgabe nicht noch schwerer zu machen, als sie ohnehin schon war? Sie...
Die weißhaarige Padawan unterbrach sich. Wenn sie weiterhin so ihren negativen Gedanken nachhing, würde sie heute nicht mehr viel bewegen. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren, auf die Talz, die ihre Hilfe brauchten, und durfte nicht so sehr an die anderen denken. Sie betrachtete die Kranken und Verletzten und versuchte ihren Geist zu leeren, in dem Mitgefühl immer mehr Raum einnahm. Wenn die anderen sie auch nicht brauchten – diese armen Wesen taten es.
Brianna saß noch nicht lange, als sie zu frieren begann. Es wurde dunkel und außerdem empfindlich kalt. In der Mine war es vergleichsweise warm gewesen und auch hier hatte es ihr nicht allzu viel ausgemacht, solange sie in Bewegung geblieben war, doch jetzt machte sich das eisige Klima bemerkbar, und sie erlaubte sich daher, die Anzugheizung etwas höher zu drehen, auf etwa die Hälfte. Die wohlige Wärme half ihr; ohne weitere Unterbrechungen konnte sie bald die Präsenz des Talz-Patienten spüren. Sie studierte den Energiefluss zu den Chakren und nahm einige subtile Veränderungen vor, bis das Gefühl mit der Erinnerung an ihre eigene Trance übereinstimmte. Auf gewisse Weise erinnerte ihr Vorgehen sie an einige Echani-Kampftechniken der dritten und höchsten Stufe, nur dass ihr Vorgehen noch sanfter und weniger invasiv war.
Mental ziemlich erschöpft sprang sie vom Skiff, wo sie den friedlich schlafenden Folpho zurückließ. Hätte sie sich völlig der Heilung hingegeben, hätte sie mit demselben Aufwand vermutlich noch mehr erreicht, doch unter den gegebenen Umständen konnte sie sich nicht erlauben, für eine undefinierte Zeitspanne komplett weggetreten zu sein. Eine Weile marschierte sie wortlos neben Kestrel her, bis die Ritterin schließlich als erste das Schweigen brach und sich erfreut zeigte, dass Kadajj ihren Heißhunger zuletzt unter Kontrolle gehabt hatte.
„Ja, in der Tat,“
Erwiderte die Padawan einsilbig und fügte, da sich das fragliche Objekt in Hörweite weilte, lediglich in Gedanken dazu, dass der einzige Grund dafür war, dass sie zu dem Zeitpunkt von einem einmaligen Potpourri aus Dörrnerf, Fischkuchen und Pfirsich gesättigt war. Die Kontrolle der Rattataki über sich selbst reichte keineswegs so weit; beziehungsweise sie brauchte schon ein ungeheures Ausmaß an Selbstdisziplin, nur um nicht zu werden wie ihre verrückte Cousine Ashû, deren Naturell ihr wesentlich eher entsprach als das einer Jedi, doch in vollem Ausmaß bekam Brianna dies ja als einzige zu sehen – vor anderen gelang es ihr ja, sich noch etwas mehr zusammenzunehmen. Anschließend fragte die Ritterin sie über den Verlauf der Mission und die Heilung aus, ein Thema bei dem die silberhaarige angehende Jedi gesprächiger wurde, immerhin hoffte sie, aus den Reaktionen ihrer Meisterin herauszulesen, wie enttäuscht oder auch nicht sie von der Darbietung ihrer Padawan war.
„Es läuft tatsächlich ziemlich gut, denke ich, und die Talz haben großen Respekt vor mir, auch wenn es sehr anstrengend war. Ich finde auch, dass ich für die kurze Zeit seit meiner Vision in der Höhle große Fortschritte gemacht habe, zum Beispiel war ich sehr effektiv mit der Heiltrance, die ich zum ersten Mal auf eine andere Person angewendet habe und eben wieder, wie es scheint mit gutem Erfolg.“
Bekannte sie ehrlich und auch einigermaßen gut gelaunt, schließlich war sie wirklich stolz. Immerhin hätte sie sich nach der Erkenntnis, was ihr alter Meister ihr Ungeheuerliches angetan hatte, auch zurückziehen und einigeln können, aber nein, sie blickte nach vorne und machte einen Schritt nach vorne. Tief drinnen schwang dennoch die Enttäuschung mit, weil der Schritt ihren Mitjedi offenbar zu klein war, und eine kleine Portion Misstrauen.
Den Rest des Weges erzählte sie ausführlich, was sie in der Mine die ganze Zeit erreicht und gemacht hatte, bemerkte jedoch immer wieder, dass ihre Meisterin gar nicht richtig zuhörte. Manche Dinge wiederholte sie, und im Laufe der Zeit machte sich etwas Frustration breit, doch schließlich hatte sie alles angesprochen, was aus ihrer Sicht bedeutend gewesen war. Die Schutzblase, mit besonderer Skepsis, weil diese inzwischen mehr Quell des Ärgers und des Frusts war nach der Vorstellung ihrer Kolleginnen. Die Fortschritte bei der Heilung, die sie mit der Frage verband, ob die Coruscanti je erlebt hatte, dass jemand während der Machtanwendung so stark auf die Tötung von Lebewesen reagierte wie sie heute. Sie fand es ironisch, da sie sich zu Beginn des Tages noch Sorgen gemacht hatte, bald wieder so leichtfertig zu töten wie in den schlechten alten Zeiten, was nun wohl nie passieren würde. Ebenfalls fand der bemerkenswerte Einsatz von Geschwindigkeit Erwähnung, die die Abwehr von Blasterschüssen zur Trivialität gemacht hatte sowie der Erfolg darin, die Flugbahn einen Wurfdolchs mit der Macht zu beeinflussen, wenn auch all dies immerzu unter dem heimlichen Vorbehalt stand, dass ihre Meisterin es nicht allzu sehr interessierte oder gar honorierte. Besonders auch bei der Levitation – sie fragte, was sie falsch gemacht hatte, als sie den Blaster des einen Piraten zu Elektrostaub zerdrückt hatte und stellte für sich fest, beim Levitieren der Felsbrocken nach ihren Maßstäben gute Arbeit geleistet zu haben, gleichwohl in der festen Überzeugung, dass Kestrel gegenteilig dachte.
So erreichten sie das Dorf – Brianna folgte der Coruscanti, als diese halbwegs in eine der Hütten stolperte, und verfolgte ihre Erzählungen mit mäßiger Laune. Die Arme verschränkt, hielt sie sich im Hintergrund und dachte sich ihren Teil dazu. Insbesondere ärgerte sie sich darüber, dass ihre Meisterin ihre Entscheidung, die Piraten lediglich gefangen- und ins Dorf mitzunehmen, als ihre eigene auszugeben, nachdem sie und ihre Lieblingspadawan Kadajj bis dato wenig anderes als Piratengulasch gemacht hatten und sie als einzige wirklich versucht hatte, Leben zu schonen und so viele Bad Wolves wie möglich bei minimalen Kausalitäten festzunehmen. Zunächst wartete sie allerdings Sarids Reaktion ab – verbunden mit dem Entschluss, notfalls unter vier Augen mit der Advisorin zu sprechen.
Alzoc III - im tief verschneiten Talzdorf - in Khor-Sas Hütte - diverse Talz, Sarid, Kestrel, Rilanja und Brianna
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